»Demonstrationsrecht verteidigen«


Gewerkschaften gegen Grundrechtseinschränkungen / Kritik an Kriminalisierung von Vereinen

Das Bündnis »Demonstrationsrecht verteidigen« will im Sommer 2018 in mehreren Städten mit Demonstrationen gegen den Abbau der Grundrechte protestieren. Die Initiative entstand unmittelbar nach dem G20-Treffen im vergangenen Jahr in Hamburg. Dort mussten Tausende die Erfahrung machen, dass Grundrechte massiv beschnitten wurden. Das fing mit der polizeilichen Verhinderung eines Camps von Gipfelgegnern an, trotz gegenteiliger Gerichtsentscheidungen. Demonstrations- und Kundgebungsverbote gehörten ebenso dazu, wie Buskontrollen während der An- und Abreise der Demonstranten. Betroffen davon war auch eine Gruppe von Gewerkschaftern wie Nils Jansen. Er ist Mitglied im ver.di-Bezirksjugendvorstand NRW-Süd und Sprecher der Initiative »Grundrechte verteidigen«. Bereits am 7. Oktober 2017 organisierte das Bündnis einen bundesweiten Grundrechtekongress in Düsseldorf, an dem über 100 Menschen aus außerparlamentarischen Initiativen aber auch der LINKEN teilnahmen. Die dort verabschiedete Erklärung endete mit dem Bekenntnis: »Die uns durch unsere Verfassung gewährten Rechte lassen wir uns nicht nehmen.« Dort verständigte man sich auch auf Protestaktionen im Jahr 2018.

Auf einem bundesweiten Vorbereitungstreffen, das am 4. März von 11 – 17 Uhr im Haus Gallus in Frankfurt am Main stattfinden wird, sollen die Planungen für die Protestaktionen vorbereitet werden. Dabei setzt man auf dezentrale Aktionen in vier Städten in Deutschland. Initiativensprecher Nils Jansen macht im Gespräch mit »nd« deutlich, dass es bei den Aktionen nicht nur um den Kampf gegen die Einschränkungen des Demonstrationsrechts geht. In einem Aufrufentwurf, den die Grundrechteinitiative kürzlich veröffentlichte, wird die Kriminalisierung linker türkischer und kurdischer Vereine kritisiert. In den vergangenen Monaten sind mehrere ihrer Demonstrationen polizeilich aufgelöst worden, weil inkriminierte Symbole und Fahnen gezeigt wurden.

Auch die Einschränkung von Gewerkschaftsrechten durch das Tarifeinheitsgesetz wird von der Grundrechtsinitiative kritisiert. Das Gesetz schränkt die Rechte von kleineren Gewerkschaften in einem Betrieb massiv ein und wurde von der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di abgelehnt.

Doch die geplanten Proteste haben auch eine geschichtliche Dimension. »Wir wollten die Erfahrungen, die wir beim G20-Gipfel mit den Grundrechtseinschränkungen gemacht haben, mit einem historischen Datum verbinden«, betont Nils Jansen. Am Mai 1968 protestierten Tausende Menschen unter dem Motto »Notstand der Demokratie« gegen die von der damaligen großen Koalition vorangetriebenen Notstandsgesetze mit einem Sternmarsch in der damaligen BRD-Hauptstadt Bonn. Er war der Höhepunkt einer jahrelangen außerparlamentarischen Bewegung, an der sich junge und alte Linke, darunter viele Gewerkschafter beteiligen. Die Initiative »Grundrechte verteidigen« will 50 Jahre danach an diese Kämpfe anknüpfen und wieder sind Gewerkschaften federführend daran beteiligt.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1079966.demonstrationsrecht-verteidigen.html

Peter Nowak

Tarifeinheit: Gesetz ohne Anwendung

Ende 2016 entscheidet Karlsruhe über umstrittene Regelung

»Hände weg vom Streikrecht, für volle gewerkschaftliche Aktionsfreiheit«, lautete im letzten Jahr das Motto einer Kampagne von Sparten- und Basisgewerkschaften gegen das Tarifeinheitsgesetz. Es sieht vor, dass bei konkurrierenden Gewerkschaften in einem Betrieb, nur die Organisation mit den meisten Mitgliedern einen Tarifvertrag abschließen kann. Den Minderheitengewerkschaften bleibt dieses Recht versagt. Dagegen mobilisierten die Kritiker, doch ohne Erfolg. Am 22. Mai 2015 beschloss der Bundestag das Tarifeinheitsgesetz.

Heute, ein Dreivierteljahr nach Inkrafttreten, ist nicht viel damit passiert. »Das Gesetz wurde bisher nicht angewendet. Daher planen wir im Augenblick keine Aktionen«, bestätigte Willi Hajek gegenüber »nd«. Der Basisgewerkschafter war im letzten Jahr an der Kampagne gegen das Tarifeinheitsgesetz beteiligt. »Die Diskussion wird wieder aufflammen, wenn Gewerkschaften außerhalb des DGB für einen Tarifvertrag kämpfen«, ist Hajek überzeugt.

»GDL droht die Entmachtung«, hatte die »Frankfurter Rundschau« bald nach der Verabschiedung des Gesetzes getitelt. Damals befand sich die Lokführergewerkschaft in einer Tarifauseinandersetzung mit der Deutschen Bahn und hatte mehrfach zum Streik aufgerufen. Die GDL konnte letztlich eine Vereinbarung durchsetzen, die die Anwendung des Tarifeinheitsgesetzes bis 2018 ausschließt. Die DGB-Eisenbahnergewerkschaft EVG hat in den meisten Bereichen des Unternehmens mehr Mitglieder.

Spätestens Ende 2016 wird das Gesetz noch einmal Thema. Dann will das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe über die Verfassungsbeschwerden entscheiden, die Spartengewerkschaften wie der Marburger Bund, die GDL und der Deutsche Journalistenverband gegen das Gesetz eingereicht hatten.

Rolf Geffken ist zuversichtlich, dass das Tarifeinheitsgesetz gekippt wird. In einer im VAR-Verlag erschienenen Broschüre unter dem Titel »Streikrecht, Tarifeinheit, Gewerkschaften« hat der Arbeitsrechtsanwalt Argumente für seine Position zusammengetragen. Er weist den Monopolanspruch des DGB zurück. Eine einheitliche Gewerkschaftsbewegung könne im Tarifkampf durchaus von Vorteil sein. Doch die müsse von den Mitgliedern getragen an der Basis entstehen und könne nicht durch gesetzliche Maßnahmen verordnet werden, betont Geffken.

Folgen die Richter seiner Argumentation, könnte das Tarifeinheitsgesetz juristisch gestoppt werden. Die Mobilisierung dagegen hatte auch darunter gelitten, dass Vorstände der DGB-Einzelgewerkschaften außer der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der NGG und der GEW das Tarifeinheitsgesetz unterstützt hatten. Die Gegenkampagne wurde von Gewerkschaftslinken, den Spartengewerkschaften aber auch Basisgewerkschaften wie der Freien Arbeiterunion (FAU) getragen.

Die Berliner FAU-Sekretärin Jana König weist gegenüber »nd« darauf hin, dass es neben der Tarifeinheit zahlreiche Möglichkeiten gibt, Gewerkschaftsrechte einzuschränken. So wurde der Berliner FAU Ende März unter Androhung von bis zu 250 000 Euro Strafe oder ersatzweiser Haft von bis zu sechs Monaten für die amtierende Sekretärin untersagt, den Namen eines Restaurants in Berlin-Mitte zu nennen, von dem ein Gewerkschaftsmitglied ausstehende Löhne einfordert.

Peter Nowak

Streik als Privileg

Wirtschaft & Soziales: Gegen das geplante  Tarifeinheitsgesetz regt sich Widerstand

Die Erklärung »Linke Hauptamtliche in ver.di« erinnert an eine drastische Einschätzung des ehemaligen Vorsitzenden der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) Heinz Kluncker. Dieser sagte in den 1970er Jahren: »Wo ein Streik reglementiert  oder gar verboten ist, handelt es sich um reine Diktaturen.« Der Verweis in der ver.di-Erklärung kommt nicht von ungefähr, denn aktuell versucht die Bundesregierung das Streikrecht reglementieren. Besonders bitter: Der DGB-Vorstand und ein großer Teil seiner Einzelgewerkschaften stimmen dem von der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) in den Bundestag eingebrachten  Tarifeinheitsgesetz sogar zu. Danach soll ein Tarifvertrag nur dann Anwendung im Betrieb finden, wenn die vertragsschließende Gewerkschaft die Mehrheit der Mitglieder hat. Spartengewerkschaften, die nur in ein bestimmtes  Segment der Beschäftigten vertreten, wären nicht mehr tariffähig und hätten keine Verhandlungsmacht mehr. Sollte das Gesetz wie geplant im Sommer in Kraft treten, wären Gewerkschaften wie die Gewerkschaft der Lokführer (GDL) die Hände gebunden. Die GDL hat bereits eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht angekündigt.  Der Arbeitskampf bei der GDL, der sich Anfang Mai mit einem fast einwöchigen Streik noch mal verschärft ist, steht bereits im Schatten der Tarifeinheit, bevor das Gesetz überhaupt in Kraft tritt. Die GDL will natürlich davor zu einer für sie vorteilhaften Einigung kommen. Der Bahn-Vorstand setzt hingegen auf eine Zermürbungstaktik und  will den Konflikt in die Länge ziehen, bis das Gesetz der GDL Grenzen setzt. Politik und Medien wiederum nutzen den Ausstand bei der Bahn, um  Stimmung für eine weitere Einschränkung des Streikrechts zu machen.

Unter dem Motto »Hände weg  vom Streikrecht« rief ein Bündnis linker Gewerkschafter_innen am 18. April zu einer bundesweiten Demonstration nach Frankfurt am Main auf. Die anarchosyndikalistische Basis-Gewerkschaft FAU brachte mit ihren schwarzroten Bannern Farbe in die Demonstration. Die Fahnen der Lockführergewerkschaft GDL waren indes weder so bunt noch so zahlreich vertreten. Dennoch wurden die Lokführer_innen in Frankfurt besonders freundlich begrüßt, schließlich hat die Gewerkschaft in den vergangenen Wochen gezeigt, dass es durchaus möglich ist einen Streik zu organisieren, der auch gesellschaftlich wahrgenommen wird. Viele Redner_innen bezogen sich auf die GDL und machten klar, dass das Bahnmanagement wohl auch deshalb im aktuellen Arbeitskampf auf Zeit zu spielen versucht, weil es nach der Verabschiedung des Tarifeinheitsgesetzes mit der kämpferischen Gewerkschaft nicht mehr verhandeln müsste.

Trotz der kämpferischen Stimmung war die Demonstration zahlenmäßig enttäuschend. Dass lediglich 700 Kolleg_innen für die Verteidigung des Streikrechts demonstrierten, lag auch an den im DGB organisierten Einzelgewerkschaften. Keine der Gewerkschaften, die sich gegen das Tarifeinheitsgesetz positioniert haben, unterstützte die Demonstration. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unterstützt gemeinsam Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) eine von ver.di initiierte Unterschriftensammlung gegen das Gesetz. Obwohl sich die Dienstleistungsgewerkschaft seit Jahren klar gegen die Tarifeinheit ausspricht, ist diese Frage organisationsintern umstritten, wie  Erdogan Kaya von der linken Basisgruppe ver.di-aktiv auf  einer Berliner  Mobilisierungsveranstaltung für die Demonstration erklärte. So werde etwa die Tarifeinheitsinitiative von ver.di-Gewerkschafter_innen bei der Lufthansa unterstützt.

Dennoch stellen die Gegner_innen der Gesetzesinitiative bei ver.di die Mehrheit. Anders sieht dies in der IG Metall aus. Daher erhielt in Frankfurt das IG-Metall-Mitglied Christiaan Boissevain  aus München besonders viel Applaus, als er die Tarifeinheitsinitiative als »großen Angriff auf das Streikrecht im europäischen Rahmen« bezeichnete.

Tatsächlich wird das Streikrecht nicht nur durch das Tarifeinheitsgesetz angegriffen. Weitgehend unbemerkt von einer größeren Öffentlichkeit  versuchen die internationalen Kapitalverbände, in den Gremien der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) das Streikrecht als Bestandteil der Koalitionsfreiheit im IAO-Übereinkommen 87 grundsätzlich in Frage zu stellen.  Die deutschen Unternehmerverbände sind darin aktiv beteiligt. »Hatte die Unternehmerlobby sich in den Vorjahren noch damit begnügt, gegen ein umfassendes und unbegrenztes Streikrecht zu agieren, stellt sie jetzt die Existenz eines internationalen Rechts auf Streik überhaupt in Frage«, kommentiert Jochen Gester in der März-Ausgabe der Sozialistischen Zeitung (SoZ) diesen Vorstoß. Die IAO-Richtlinien wirken sich auf die Rechtssprechung der Gericht auch in Deutschland auf.  Der DGB befürchtet  Verschlechterungen und hat eine Kampagne „Streikrecht im Übereinkommen 87 verteidigen“ gestartet (http://www.dgb.de/themen/++co++5051305e-b764-11e4-bdd7-52540023ef1a).

Mittlerweile sind in vielen europäischen Ländern Einschränkungen des Streikrechts bereits in Kraft oder in Vorbereitung.  So schreibt das italienische Streikrecht vor, dass Bahngewerkschaften Ausstände mindestens fünf Tage vorher ankündigen müssen. Zudem muss die Gewerkschaft eine »Grundversorgung« garantieren, während des Berufsverkehrs müssen Züge fahren. Solche Vorstellungen finden sich auch im Positionspapier »Für ein modernes Streikrecht – Koalitionsfreiheit sichern – Daseinsvorsorge sicherstellen« der CSU. Sollten diese Pläne realisiert werden, wäre das Streikrecht »nur noch formal vorhanden, aber in der Praxis ausgehebelt und unwirksam«, heißt es in einer Erklärung von ver.di Bayern. In Griechenland sorgt  die Austeritätspolitik der Troika nicht nur für eine massive Verarmung der Bevölkerung, sondern auch für eine Aushebelung von Tarif- und Gewerkschaftsrechten. In Spanien sind zahlreiche Gewerkschafter_innen  von langen Gefängnisstrafen bedroht, weil sie sich an Streikposten beteiligt hatten. Ausgangspunkt der dortigen Repression gegen Gewerkschafter_innen war der landesweite Streik im März 2012. Er wurde europaweit von linken Gruppen unterstützt. In Deutschland entstand in der Folge das M31-Netzwerk, das einen Aufruf zur Unterstützung eines europaweiten Generalstreiks verfasste. Es wäre an der Zeit, die Diskussion über die europaweite Verteidigung von Streik- und Gewerkschaftsrechten neu wieder weiter oben auf die Tagesordnung zu setzen.

aus:  ak 605 vom 19.5.2015

https://www.akweb.de/

Peter Nowak


Der Zug in die Normalität

Begleitet von einer medialen und politischen Gegenkampagne, ist der Streik der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer beendet worden. Die Verabschiedung des Tarifeinheitsgesetzes im Bundestag gefährdet solche Arbeitskämpfe in Zukunft.

Millionen deutscher Kurzurlauber konnten aufatmen. Über Pfingsten legte der Arbeitskampf der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) den Zugverkehr nicht mehr lahm. Die Gewerkschaft beendete ihren unbefristeten Streik in der vergangenen Woche und ließ sich auf eine Schlichtung ein. Noch einige Tage zuvor hatte der GDL-Vorstand eine Schlichtung mit der Begründung abgelehnt, dass in der Frage der Grundrechte nichts geschlichtet werden müsse.

Mit dem Streikabbruch ist allerdings der grundsätzliche Konflikt nicht beendet. Die Deutsche Bahn AG hat ein Teilziel erreicht: Die Auseinandersetzung mit der GDL um Lohnerhöhungen und eigenständige Tarifverträge auch für Zugbegleiter, Lokrangierführer und Mitarbeiter im Bordservice, die im Juli 2014 begonnen hatte, wurde derart in die Länge gezogen, dass der Bundestag mittlerweile das Gesetz zur Tarifeinheit verabschieden konnte. Das auch als Lex GDL bezeichnete Gesetz schränkt die Rechte kleiner Gewerkschaften stark ein.

Der GDL ist die Bedeutung des Tarifeinheitsgesetzes für ihre Arbeit bewusst. Das zeigte sich am 18. April auf der bundesweiten Demonstration unter dem Motto »Rettet das Streikrecht« in Frankfurt am Main, wo die GDL mit Fahnen und Rednern vertreten war (Jungle World 17/15). Dass die Gewerkschaft ihren Arbeitskampf am 21. Mai abbrach, ist in dieser Hinsicht bedauerlich. Schließlich fand die zweite Lesung des Tarifeinheitsgesetzes erst am 22. Mai statt. Der Streik ­einer der Gewerkschaften, gegen die sich das Gesetz richtet, wäre ein gutes Signal gewesen.

Das bundesweite Bündnis »Hände weg vom Streikrecht« gehörte zu den Initiativen, die sich solidarisch mit dem GDL-Streik zeigten. »Das Grundrecht auf Koalitionsfreiheit und Streik ist kein Privileg der im DGB organisierten Gewerkschaften«, heißt es in der Erklärung des Bündnisses. Es bewertete die mediale und politische Hetze gegen den Arbeitskampf des Zugpersonals als Begleitmusik zur Einführung des Tarifeinheitsgesetzes, das solchen kämpferischen Gewerkschaften die Arbeit erheblich erschweren soll.

Diese Agitation nahm noch einmal enorm zu, nachdem die GDL am 20. Mai abermals in den Streik getreten war. Berlins Boulevardpresse eiferte nicht nur in Artikeln gegen den Ausstand des Zugpersonals. Am 20. Mai verband die BZ die Werbung für ihr Produkt mit einem Streikbruch. Unter der Losung »Wir sind stärker als der Streik« mietete die Zeitung einen Sonderzug und ließ ihn von 5.30 bis 20.30 Uhr zwischen den Stationen Gesundbrunnen, Hauptbahnhof, Potsdamer Platz und Südkreuz pendeln. Zusteigen durfte, wer eine BZ in der Hand hielt.

Die PR-Aktion reihte sich ein in einen medialen Feldzug, der den GDL-Streik als Angriff auf den deutschen Standort brandmarkte. Dabei wurde deutlich, wie schnell es gelingt, das volksgemeinschaftliche Ressentiment gegen Lohnabhängige zu mobilisieren, die zur Verteidigung ihrer Interessen nicht gleich an das Wohl von Staat und Nation denken. Fakten wurden dafür großzügig außer Acht gelassen. Der deutschen Wirtschaft wurden Milliardenverluste prophezeit, obwohl Ökonomen klarstellten, dass sich ein solcher Effekt höchstens bei einem mehrwöchigen Streik eingestellt hätte. Dass ein Arbeitskampf zu Pro­fitausfällen bei den bestreikten Unternehmen führen muss, um erfolgreich zu sein, scheint in Deutschland nicht einzuleuchten.

Dass die GDL im Bündnis mit dem Beamtenbund die Interessen ihrer Mitglieder kämpferisch vertritt, reicht schon aus, um antigewerkschaftliche Reflexe auch in Kreisen zu mobilisieren, die sonst durchaus die DGB-Gewerkschaften für ihre mangelnde Kampfbereitschaft kritisieren. So monierte Ulrike Herrmann in der Taz den »Egoismus der GDL«. Ihr Kollege Richard Rother ließ Hagen Lesch, einen »Tarifexperten« beim unternehmernahen »Institut der Deutschen Wirtschaft« in Köln, in einem Artikel erklären, »wieso die GDL so absurd daherredet« und einen befristeten Streik ankündigte, ohne die genaue Dauer zu verraten.

Die Erklärung wäre einfach gewesen: Die GDL ließ das Ende offen, um zu verhindern, dass die Deutsche Bahn AG sich mit dieser Information gut auf den Streik vorbereiten kann. In vielen Ländern sind solche Momente der Unberechenbarkeit ein fester Bestandteil eines Arbeitskampfes. Für Rother, der die GDL als »Ellenbogengewerkschaft« tituliert, ist ein derartiger Ausbruch aus den gewerkschaftlichen Gepflogenheiten in Deutschland zu viel. Besonders empört zeigte er sich darüber, dass die GDL mit dem Arbeitskampf das Tarifeinheitsgesetz aushebeln wolle. »Insofern trägt der kommende Ausstand Züge eines politischen Streiks, und der ist in Deutschland ­eigentlich verboten«, winkte er mit dem Gesetzbuch. Statt zu streiken, sei ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Tarifeinheitsgesetz abzuwarten. »Das wäre ja der normale Weg.«

»Normal« ist es für deutsche Gewerkschaften tatsächlich, die Interessen des Standorts zu berücksichtigen, bevor sie überhaupt eigene Forderungen stellen. Es ist ein Verdienst der GDL, diesen »normalen« deutschen Weg verlassen zu haben. Soziale Initiativen und linke Gewerkschaften aus anderen Ländern erkannten das und soli­darisierten sich daher mit dem GDL-Streik. Allerdings werden solche Erklärungen in deutschen Medien selten erwähnt. So heißt es in einer Resolution europäischer Bahngewerkschafter: »Angesichts des Drucks der Leitung der Deutschen Bahn, der deutschen Regierung und auch in beachtlichem Maße der Medien erklärt der in Budapest tagende Vorstand der Autonomen Lokomotivführergewerkschaften Europas (ALE) – in Vertretung der Lokomotivführer der 16 Mitgliedsgewerkschaften aus ebenso vielen Ländern – seine Unterstützung und Solidarität mit den deutschen Lokomotivführern und der Mitgliedsgewerkschaft GDL bei ihrem Kampf fürdie tarifliche Vertretung aller ihrer Mitglieder bei der Deutschen Bahn.«

http://jungle-world.com/artikel/2015/22/52040.html

Peter Nowak

»Die Empörung ist recht groß«

Konferenz »Hände weg vom Streik« wendet sich gegen das neue Tarifeinheitsgesetz

Hände weg vom Streikrecht fordert eine Tagung am Wochenende in Kassel. Die Zeit drängt: Bereits im März will der Bundestag ein entsprechendes Gesetz verabschieden. Gewerkschafter warnen, dass der Arbeitskampf dadurch behindert werde.

Jakob Schäfer ist Mitglieder der IG Metall und aktiv im Arbeitsausschuss der Initiative zur Vernetzung der Gewerkschaftslinken. Er gehört zu den Organisatoren der Aktionskonferenz »Hände weg vom Streikrecht«, die am Samstag in Kassel stattfindet.

Die Bundesregierung will mit einem neuen Gesetz zur Tarifeinheit das Streikrecht für kleinere Gewerkschaften erheblich einschränken. Wie weit ist Schwarz-Rot damit?
Für Anfang März ist die erste Lesung des Tarifeinheitsgesetzes vorgesehen, für den 23. 3. die öffentliche Anhörung im Ausschuss »Arbeit und Soziales« und für den 26.3. die zweite und dritte Lesung.

Innerhalb der DGB-Gewerkschaften gibt es Befürworter und Gegner der Gesetzesinitiative. Haben Sie Kontakt zu den Gegnern und werden sie an dem Kongress teilnehmen?
Ver.di, NGG und GEW haben sich entschieden gegen dieses Gesetzesvorhaben positioniert. Eine ganze Reihe von ver.di-KollegInnen hat sich für die Konferenz angemeldet. Aber es werden auch Mitglieder der IG Metall da sein. Die Empörung über die Zustimmung des IG Metall-Vorstands zu diesem Gesetzesvorhaben ist in den Reihen meiner Gewerkschaft, der IG Metall, recht groß.

Gibt es Kontakte außerhalb des DGB wie zur Basisgewerkschaft FAU oder zu den Lokführern der GDL?
Unser Aktionsbündnis gibt es seit dem ersten Versuch im Jahr 2011, ein solches Gesetz einzuführen. Seitdem gibt es den Kontakt zur GDL. Die ist aber zurzeit durch ihre Tarifrunde stark in Beschlag genommen, so dass wir nicht wissen, ob sie Vertreter schicken kann. Die FAU ist von Anfang an in dem Bündnis aktiv dabei. Schließlich ist sie ja in ihren basisgewerkschaftlichen Aktivitäten direkt und indirekt betroffen.

Während der GDL-Streiks Ende 2014 spielte das Thema Tarifeinheit eine große Rolle. Hat dieses Interesse sich auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Durch die GDL-Streiks wurde die praktische Bedeutung dieses Gesetzesvorhabens unmittelbar deutlich. Eine Gewerkschaft, die zumindest etwas kämpferischer für die Interessen ihrer Mitglieder eintritt, soll faktisch ausgeschaltet werden. Damit ist so manchen unserer KollegInnen klarer geworden, worum es eigentlich geht.

In den letzten Wochen wurden mehrere Streikzeitungen herausgegeben, die sich gegen die Tarifeinheit wandten. Soll dieses Projekt fortgesetzt werden?
Die Streikzeitung hat mit ihren drei Nummern und einer Auflage von mehreren Zehntausend einen tollen Beitrag zur Aufklärung in Sachen Tarifeinheit und zur Organisierung der Solidarität mit den GDL-KollegInnen geleistet. Ob es zu weiteren Ausgaben kommt, hängt vom Verlauf der Tarifverhandlungen ab. Ich verweise auf die ausgezeichnete Website der Streikzeitung: pro-gdl-streik14.de.

Die Bundesregierung plant mit der Einführung von Zwangsschlichtungen und der Sicherung der Daseinsfürsorge weitere Einschränkungen gewerkschaftlicher Rechte. Können Sie diese Pläne präzisieren?
Am weitesten ausgeführt sind diese Vorstellungen in einem Gesetzentwurf, den die Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Stiftung vorgelegt hat. Darüber wurde der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Arnold Vaatz in den Stuttgarter Nachrichten vom 2. April 2014 mit dem Satz zitiert: »Die Schäden, die ein Arbeitskampf auslöst, müssen im Verhältnis zum Anlass stehen.«

Gewerkschaftsrechte werden in vielen Ländern eingeschränkt. Werden auch Gewerkschafter von anderen Ländern auf der Konferenz anwesend sein?
Durch die Mitarbeit der Streikrechtsinitiative »tie germany« im Europäischen Netzwerk der BasisgewerkschafterInnen gibt es einen ständigen Austausch über die Situation in den verschiedenen europäischen Ländern. Auf dem letzten Treffen in Toulouse im Oktober 2014 wurde ausführlich über die Streiks und das geplante Tarifeinheitsgesetz informiert.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/959487.die-empoerung-ist-recht-gross.html

Interview: Peter Nowak