»Leider kein Geschenk«

»Für Deutschland keinen Finger krumm, 20 Semester Minimum« lautete die Parole auf einer Stofftasche, die der Allgemeine Studierendenausschauss (AStA) der Universität Osnabrück an Erstsemester verteilte. Lokalpolitiker von CDU und FDP sowie örtliche Medien reagierten empört. Wir sprachen mit Lotta und Jakob, die beim AStA Osnabrück für Öffentlichkeitsarbeit und Antifaschismus zuständig sind

Wo kann man in Zeiten des Bachelor-Master-Systems noch 20 Semester studieren?
Lotta: Dieser Spruch ist leider keine Versprechung, die wir den ­angehenden Studierenden machen könnten, sondern eine Aufforderung, sich mit den Zwängen auseinanderzusetzen, die das Studierendenleben bestimmen. 20 Semester sind nämlich auch im Bachelorstudium leider meist kein Geschenk, sondern oft nötig, um mit Lohnarbeit »neben« dem Studium über die Runden zu kommen. Faktisch wird so eben doch der Finger für und wegen Deutschland krumm gemacht.

Hatten Sie mit den empörten Reaktionen gerechnet?

Lotta: Wir haben natürlich gehofft, dass wir mit dem Spruch Wirkung in der Öffentlichkeit erzielen. Insofern haben wir damit gerechnet. Allerdings sind wir doch enttäuscht darüber, dass keine tatsächliche inhaltliche Auseinandersetzung stattfindet und offenbar auch nicht gewünscht ist. Stattdessen wird lediglich mit Schlagwörtern wie »antideutsch« und »linksextrem« um sich geworfen.

In einer Erklärung schreiben Sie: »Die Kritik der real existierenden, also der kapitalistischen Gesellschaft und ihrer Ausformungen sind explizit Aufgabe des AStA.« Was sagen Sie zu dem Vorwurf, Sie würden mit Studierendengeldern politische Propaganda betreiben?
Jakob: Natürlich vertreten wir politische Positionen, die wir auch an die Öffentlichkeit tragen. Die Alternative wäre, uns nur noch zu Themen zu äußern, die als unpolitisch wahrgenommen werden. Dies würde allerdings unserer Aufgabe als politische Vertretung der Studierenden nicht gerecht. Es würde bedeuten, dass wir uns mit der bestehenden Gesellschaft arrangieren – einer Gesellschaft, die nicht nur Studierenden das Leben viel schwerer macht, als es sein müsste. Diese letztlich auch politische Haltung wollen wir nicht einnehmen.

Können Ihre Kritiker bei den unpolitischen Kommilitonen punkten?
Jakob: Das können wir nicht sehen. Bei der ­Verteilung der Beutel ist keine Kritik an uns herangetragen worden. Im Gegenteil: Selbst die ebenfalls anwesenden Reservisten der Bundeswehr hielten die Beutel anscheinend für gut genug, um mit ihnen über der Schulter auf der Veranstaltung herumzulaufen. Mitbekommen haben wir auch viele Kommentare von Menschen, die der Aussage zwar nicht unbedingt zustimmen, die ganze Aufregung aber doch für etwas übertrieben halten. Dennoch wurde online immer wieder der Vorschlag gemacht, uns zu exmatrikulieren und uns »endlich mal ordentlich arbeiten zu lassen«.

Derzeit bereiten Sie eine studentische Vollversammlung vor. Wird es dabei auch um den Beutelaufdruck gehen oder haben die Studierenden auch noch andere Probleme?
Lotta: Auf der Vollversammlung wird es unter anderem um die Wohnraumsituation in Osnabrück, um die Studienfinanzierung und um überfüllte Seminare gehen. Dazu wollen wir zusammen mögliche Lösungen oder Vorgehensweisen erarbeiten.

Small Talk von Peter Nowak