Dresden hat das Betteln mit und von Kindern unter Strafe gestellt

In Dresden hatten verschiedene politische Initiativen gegen ein Bettelverbot in der Stadt protestiert. Peter Nowak sprach mit zwei Mitgliedern der Bettellobby

In der vorletzten Woche hat der Dresdner Stadtrat das Bettelverbot beschlossen. Welche Konsequenzen hat diese Maßnahme?

Bettellobby: Der Stadtrat hat mit den Stimmen von CDU, FDP/Freie Bürger, AfD, NPD und dem Großteil der SPD eine neue Polizeiverordnung verabschiedet, die das Betteln mit und von Kindern mit bis zu 1000€ unter Strafe stellt. Das verschärft die Situation bettelnder Eltern und Kinder.
Bettelverbote sollen meist Arme aus den Städten verdrängen, ihre Armut soll unsichtbar gemacht werden. Selbst der Ordnungsbürgermeister hat zugegeben, dass Verbote und Kontrollen zur Folge haben, dass die Bettelnden in andere Städte ausweichen. Deswegen nennen wir von der Bettellobby das Bettelverbot auch Stadtkosmetik. Es bedeutet, dass Kindern und deren Familien das Recht abgesprochen wird, auf ihre Benachteiligung öffentlich aufmerksam zu machen. Wir befürchten außerdem, dass Eltern, die auf Almosen angewiesen sind, künftig dazu gezwungen sind ihre Kinder ungeschützt in schlechten Unterkünften oder Autos zurückzulassen. Das ist entsetzlich und zynisch, da die Befürworter das Verbot mit dem Schutz des Kindeswohls begründet haben. Demgegenüber wird in den Menschen- und Kinderrechten betont, dass Kinder nach Möglichkeit bei ihren Eltern aufwachsen sollten.

Habt Ihr Kontakt zu Bettlerinnen und Bettlern?
Bettellobby: Wir haben von Anfang an versucht über die Treberhilfe Dresden und deren SozialBus unsere Inhalte und Diskussionen gemeinsam mit Bettelnden zu argumentieren. Wir haben eine Podiumsdiskussion am SozialBus veranstaltet und auch in den Straßen das Gespräch gesucht. Es gibt Kontakte zu den slowakischen Bettlern, wir haben uns nach ihrer Sicherheit und ihrem Schutz erkundigt. Die Sprachbarriere und die unterschiedlich prekären Lebenssituationen machen eine gemeinsame Organisierung aber schwer. Wir haben den Eindruck, dass unsere Plakate und unsere gemeinsamen Gespräche einen Hauch von Solidarität verdeutlicht haben.

Das Bettelverbot wird auch mit dem Schutz von Kindern und Jugendlichen begründet, die zum Betteln gezwungen würden. Sind das für Euch keine Argumente?
Bettellobby: Niemand will, dass Kinder betteln müssen. Aber das Verbot schützt die Kinder nicht. Die Familien werden verdrängt, unsichtbar gemacht und schlimmstenfalls in Prostitution oder Kriminalität gedrängt. Das drohende Bußgeld macht das Leben für bedürftige Familien noch prekärer. Sie sind von Ausweisung bedroht, in ihren Herkunftsländern warten weitere Benachteiligungen und Armut. Statt Verboten muss es darum gehen, das Recht auf Bildung für diese Kinder zu ermöglichen. Ohne Meldeadresse haben Kinder kein Recht auf Schule. Helfen würden hier Hot-Spot-Meldeadressen, wie es sie in Berlin gibt. Hier können sich obdachlose Familien melden, sodass ihre Kinder einen Zugang zur Schule erhalten.

Wie beurteilt das Verhalten der Dresdner SPD bei der Abstimmung?
Bettellobby: Es ist in der Tat erstaunlich, dass die Dresdner SPD entgegen ihrer rot-grünen Koalitionspartner für das Verbot gestimmt hat. Die SPD hat fast ausschließlich mit dem Kindeswohl argumentiert. Es herrscht die Ansicht vor, Repression und Verbote seien eine Antwort auf soziale Fragen. Das suggeriert, es ginge um individuelles Fehlverhalten und Leute müssten „auf Spur“ gebracht werden. Unsere Hinweise auf die Gefahren des Verbots gerade für die Kinder hat die Mehrheit der SPD nicht ernst genommen. Die Argumentation mit dem Kindeswohl ist darüber hinaus falsch, weil vom Jugendamt keine Kindswohlgefährdung durch die Eltern festgestellt wurde.

Ist das beschlossene Bettelverbot eine Niederlage für Euch?
Bettellobby: Die Gründung der Bettellobby war auf jeden Fall ein Erfolg. Erstens ist die Abstimmung im Stadtrat mit 27 zu 33 Stimmen denkbar knapp ausgefallen und es gab in keinem anderen Stadtparlament in den letzten Jahren eine solch umstrittene Abstimmung. Unsere Argumente konnten wir platzieren und eine mehrere Monate andauernde Diskussion auslösen.
Immerhin waren die Fraktion der Linken und der Grünen am Ende auf unserer Seite. Außerdem konnten wir uns gut mit anderen Initiativen und Vereinen in der Stadt vernetzen. Zudem musste die Fraktion der CDU und der SPD immerhin das Zugeständnis machen, die bedürftigen Familien mit sozialen Angeboten zu unterstützen.

Wollt Ihr als Bettellobby Eure Arbeit fortsetzten?
Bettellobby: Wir sind ein Netzwerk aus verschiedenen Gruppen und müssen nach der Entscheidung des Stadtrats erstmal die zurückliegenden Wochen auswerten. Wir sind uns einig, dass wir an dem Thema weiter gemeinsam arbeiten, aber in welcher Form ist im Moment noch nicht klar. Wir werden unsere Praxis weiter reflektieren und Menschen beraten, die mit ihren Sorgen zu uns kommen. Der SozialBus der Treberhilfe Dresden gewinnt täglich an Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren wollen, das Spendenaufkommen sowohl an Lebensmitteln als auch an Sach- und Kleiderspenden wächst ständig. Der Protest hat zumindest zur Aufhebung des „Bettelverbotes mit Hund“ geführt, so dass die Petition und unser Engagement für diese Gruppe einen Fortschritt gebracht hat.

Peter Nowak
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