»Solidarität ist notwendig«

Mit dem Verbot der größten Oppositionspartei und der Verhaftung ihres Anführers Kem Sokha wegen angeblichen Verrats bereitet sich die kambodschanische Regierung auf die Wahlen im Juli kommenden Jahres vor. Doch nicht erst seit diesen repressiven Maßnahmen sind Oppositionelle in Kambodscha bedroht. Die 36jährige Kanha Chhun hat mit der Jungle World gesprochen. Im Mai 2014 musste sie vor ihrer drohenden Verhaftung fliehen. Sie lebt in Erfurt und engagiert sich im »The Voice Refugee Forum«.

Sie haben als kambodschanische Oppositionelle in Deutschland Asyl beantragt. Wie ist Ihr momentaner Status?

Ich habe eine Aufenthaltsgestattung. Das Bundesamt hat schon zweimal versucht, mich abzuschieben, was mit der Hilfe von vielen Unterstützern verhindert werden konnte. Lange musste ich in einer Unterkunft leben, die an ein Gefängnis erinnert. Es gab ­Stacheldraht und Zäune, aber keine Heizung, keine Privatsphäre und warmes Wasser nur mittags. Jetzt habe ich eine eigene Wohnung – in einem Erfurter Stadtteil, der für rechte Übergriffe bekannt ist. Im Alltag erlebe ich, wie viel Hass mir entgegenschlägt und wie ich von den Behörden in Deutschland verfolgt werde, weil ich als Oppositionelle aus Kambodscha fliehen musste. Ich muss also auch hier für mein Recht auf ein menschenwürdiges Leben kämpfen.

In Kambodscha wurde die größte Oppositionspartei »Cambodia National Rescue Party« (CNRP) Mitte November verboten. Was waren die politischen Forderungen dieser Partei?
Die Partei unterstützte Menschen, die arm waren, weil sie keine Arbeit fanden. Sie unterstützte auch Umweltschützer und Menschen, die von Landraub betroffen sind. Ihr Wahlslogan lautete: »Wir nehmen alle ernst, ob arm oder reich.«

Ist das mehr als Wahlpropaganda einer Oppositionspartei?
Die CNRP beteiligte sich an Organisierungsprozessen der Bevölkerung. Sie unterstützte Arbeiter, denen der Lohn vorenthalten wurde, half ihnen bei der Organisierung und klärte sie über ihre Rechte auf.
Was bedeutet das Verbot für die Abgeordneten der Partei?
Fast drei Millionen Menschen haben bei den Wahlen im Jahr 2013 für die CNRP gestimmt. Sie akzeptieren das Verbot nicht. 118 gewählten Mandatsträgern des kambodschanischen Parlaments und etwa 5 000 Lokalpolitikern ist es für fünf Jahre verboten, sich politisch zu engagieren. Viele CNRP-Mitglieder sind geflohen und organisieren im Ausland Demonstrationen gegen die Politik des kambodschanischen Ministerpräsidenten Hun Sen. In Kambodscha würden sie verhaftet, einige Oppositionelle wurden auch ermordet.

Welche politischen Kräfte gibt es in Kambodscha neben der nun verbotenen CNRP?
Es gibt noch einige Nichtregierungsorganisationen und Basisbewegungen. Personen wie Kem Lay oder Chea Vichea haben den Menschen beigebracht, wie sie sich selbstbestimmt organisieren und für ihre Rechte kämpfen können. Deshalb wurden sie vom Hun-Sen-Regime ermordet. Freie Radiostationen wie Radio Free Asia und Daily Cambodia wurden vom Regime angegriffen, ihre Journalisten ins Gefängnis gesteckt. Auch Studierende haben Proteste gegen die Regierung organisiert. Es gibt viele Menschen, die sich in ihrem Alltag und nicht in großen Gruppen organisieren, damit sie nicht so leicht angegriffen werden können. Menschenrechtsorganisationen wie Licadho sind eine gute Quelle, um die aktuelle Situation in Kambodscha zu verstehen.

Vor einigen Jahren gingen Polizei und Militär gegen Streiks in Kambodscha vor. Wie ist derzeit die Lage der Gewerkschaften?
Es gibt in Kambodscha weiterhin Arbeitskämpfe. Am 1. Dezember demonstrieren etwa 4 800 Arbeiter in Phnom Penh vor ihren Fabriken, weil die Löhne nicht vollständig ausgezahlt worden waren. Es gab noch keine Angriffe des Regimes, doch es ist damit zu rechnen, wenn die Proteste weitergehen. Daher ist Solidarität notwendig.

Small-Talk von Peter Nowak