Österreich: Modell für Europa und vielleicht auch für die FDP

Die Rechtsregierung in Österreich könnte Auswirkungen auf Europa und auch auf Deutschland haben

Der Bürgerblock in Österreich hat es geschafft. Die rechtskonservative ÖVP und die rechtspopulistische FPÖ haben sich auf eine Regierung geeinigt. Sehr zufrieden zeigten sich Politiker europäischer Rechtsparteien bei ihren Treffen in Prag. Aber auch in Deutschland feierten rechte Internetplattformen die neue Regierung.
Es ist freilich nicht die erste schwarzblaue Regierung in Wien. Im Jahr 2000 unter Haider sorgte die erste Wiener Rechtsregierung noch für Dauerproteste in Wien und Sanktionen der EU. Beides wäre heute nicht mehr denkbar. Selbst, dass der FPÖ-Vorsitzende und designierte Innenminister Strache in seiner Jugend aktiver Neonazi war, sorgt nicht mehr für einen Skandal. Warum auch? Schließlich haben bis in die 1970er Jahren nicht nur in der FPÖ Altnazis eine wichtige Rolle gespielt.

In Österreich waren trotzdem auch Teile der FPÖ bereit, mit der SPÖ zu koalieren. Die Linksliberalen sind geschwächt, weil die Grünen durch internen Streit nicht mehr im Parlament vertreten sind. Zahlreiche zivilgesellschaftliche Organisationen sind dadurch in arge finanzielle Schwierigkeiten geraten. Der grüne Bundespräsident, der als Bollwerk gegen die Rechten gefeiert wurde, ist dadurch in einer schwächeren Position. Er hat vor der Wahl offen gelassen, ob er einer Regierung unter Einschluss der FPÖ überhaupt sein Placet gibt. Er hätte die Möglichkeit, das zu verweigern.

Stärkung der Rechten in der EU

Doch nach außen hat er nur angemahnt, dass die neue Regierung auf proeuropäischer Linie bleiben muss. Das ist ja der Lieblingsfetisch der Linksliberalen und entsprechend inhaltsleer. Dass Österreich Teil des europäischen Kontinents bleibt, ist nun klar. Einen EU-Austritt hatte selbst die FPÖ nicht im Programm und die ÖVP sowieso nicht. Daher war es auch kein großes Zugeständnis der Partei, dass sie jetzt für die nächsten vier Jahre zugesagt hat, kein Referendum über den EU-Austritt in Österreich zu initiieren.

Praktisch könnte Österreich nun die Visegrad-Staaten Ungarn, Polen die Slowakei und Tschechien stärken, die eine Aufnahme von Migranten ablehnen und sich rühmen, mit der faktischen Schließung der Balkanroute dazu beigetragen zu haben, dass der Zustrom von Migranten zurück gegangen ist. Tatsächlich kann man von einer Arbeitsteilung in der EU reden. Auch Unionspolitiker loben die Schließung der Balkanroute und selbst manche Liberale meinen, dass sonst die AfD in Deutschland noch stärker geworden wäre.

Dass nun die EU-Kommission die Aufnahme von Geflüchteten auch in den Visagrad-Staaten mit Hilfe der Justiz durchsetzen will und dafür von Politikern der Grünen wie Ska Keller gelobt wird, ist eine weitere Absurdität. Denn damit wird den Migranten ihr Recht genommen, dort zu leben, wo sie hinwollen. Tatsächlich wollen viel mehr Migranten nach Deutschland, Schweden und Frankreich als in eines der Länder, die die Aufnahme verweigern. Eine an den Interessen der Migranten orientierte Politik müsste das Recht der Freizügigkeit der Menschen verteidigen und nicht die Sanktionierung feiern.

Peinlich auch, dass Keller eine neue Variante der Dolchstorchlegende strapaziert, indem sie den EU-Ratspräsidenten Tusk beschuldigt, der EU-Kommission das Messer in den Rücken zu rammen, weil dieser verbindliche Quoten für unwirksam erklärt hatte. Seine Positionierung bedeutet nicht, dass er sich für die Rechte der Migranten einsetzt. Er bereitet sich auf eine Präsidentschaftskandidatur in Polen vor und kennt die gegen Migration gerichtete Stimmung in seinem Land. Da will er sich von der aktuellen polnischen Rechtsregierung nicht nachsagen lassen, dass er zu flüchtlingsfreundlich wäre

FDP-Chef positioniert sich Rechts von der Union

Verständnis für die Visegrad-Staaten kommt vom FDP-Vorsitzenden Lindner, der davor warnte, die osteuropäischen Staaten zu überfordern: „Wir sollten sie also nicht überfordern mit unseren liberalen, westlichen, bunten Lebensmodellen.“

Nun hat sich Linder schon bei den letzten Bundestagswahlen als bürgerliche Kraft rechts von der Union positioniert, und mit seinen Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit Union und Grüne hat er das noch untermauert. Es gab in den letzten zwei Jahrzehnten immer FDP-Politiker, die den Aufstieg ihrer einstigen Schwesternpartei FPÖ sehr genau beobachtet hatten und ihn gerne imitieren wollten. Es gab verschiedene Ansätze von Nationalliberalen, die aber nicht von großen Erfolg gekrönt gewesen sein. Das von den mittlerweile verstorbenen FDP-Spitzenpolitkern Jürgen Möllemann und Guido Westerwelle initiierte Projekt 18 Prozent war durchaus davon beeinflusst.

Lindner dürfte das Scheitern der bisherigen Versuche mit einbeziehen. Ein solcher Versuch muss aktuell trotzdem nicht ganz aussichtslos sein. Das liegt auch daran, dass sich nun in allen europäischen Ländern infolge der Krise des Kapitalismus rechtspopulistische Bewegungen gebildet haben. In Deutschland hat es die AFD lange vermocht, wirtschaftsliberale und nationalsoziale Strömungen zu verbinden.

Wirtschaftsliberale und Sozialnationale

Mit dem Rückzug zuerst von Lucke und dann von Petry ist der explizit wirtschaftsliberale Flügel in der Partei nicht verschwunden, aber geschwächt. Dass AfD-nahe Kräfte unter der Parole „Patrioten schützen Arbeitsplätze“ verstärkt einen Teil der fordistischen männlichen Arbeiter ansprechen wollen, macht die Partei nicht zu einer linken Partei. Aber sie versucht, die soziale Frage deutsch-national zu lösen.

Petry und Co. hingegen wollen das wirtschaftsliberale Profil der Partei stärker in den Mittelpunkt stellen. So ist es nicht verwunderlich, dass deren neues Projekt „Die Blauen“ vor allem die sozialpatriotische Profilierung der AfD kritisiert und ihrer ehemaligen Partei besonders vorwirft, den Mindestlohn zu fordern.

Beide Flügel waren und sind sich im Kampf gegen den Islam und die Migration weitgehend einig, nicht aber in der sozialen Profilierung. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Markus Pretzell nach dem AfD-Austritt weiterhin in der Europäischen Rechtsfraktion gemeinsam mit der FPÖ und dem Front National sitzt. Da es bisher nicht wahrscheinlich ist, dass die Blauen in Deutschland größere Erfolge haben werden, könnte es durchaus sein, dass einige von ihnen in einer nach rechtsoffenen Lindner-FDP, dem Hort des Wirtschaftsliberalismus, ihre nächste politische Wirkungsstätte sehen.

In Österreich setzt die neue Rechtsregierung auch auf Flexibilisierung, was die Unterordnung der Rechte der Arbeiter unter die Verwertungsinteressen des Kapitals bedeutet. Auch in der Union wird der rechte Flügel die neue österreichische Regierung genau beobachten. Noch nicht in dieser Legislaturperiode, aber in einer Zeit nach Merkel könnte dann auch eine Kooperation mit der AfD auf der Agenda stehen. Daher könnte das Modell Österreich, vorausgesetzt, es besteht länger als beim ersten Mal, durchaus nach Europa und auch nach Deutschland ausstrahlen.

Peter Nowak
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[2] http://www.pi-news.net/oesterreichs-neue-tuerkis-blaue-regierung-startet-am-wiener-kahlenberg/
[3] http://www.martinkrenn.net/?page_id=982
[4] http://derstandard.at/1263705581215/EU-Sanktionen-Als-Oesterreich-der-Buhmann-der-EU-war
[5] http://diepresse.com/home/innenpolitik/324919/Affaere_HC-Strache-und-die-WikingJugend
[6] http://www.deutschlandfunk.de/dissens-ueber-eu-fluechtlingsquote-tusk-rammt-der.694.de.html?dram:article_id=406001
[7] http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/lindner-eu-muss-fluechtlingspolitik-anders-organisieren-15343903.html
[8] http://www.udo-leuschner.de/liberalismus/fdp33.htm
[9] http://werdebetriebsrat.de/
[10] http://www.bundeswahlleiter.de/dam/jcr/d31a3caf-8a90-4046-9abc-eb7e5fe3b60b/die_blaue_partei.pdf
[11] https://de-de.facebook.com/Dr.Frauke.Petry/
[12] https://www.vice.com/de_at/article/kze4qm/warum-die-fpo-eine-partei-fur-die-reichen-ist