Rechtspopulistisches Agenda-Setting beim TV-Duell

Allein die Fragenkomplexe machten deutlich, wie stark die AfD die Themen des Wahlkampfes bestimmt

Mit den sogenannten Fernsehduellen ist der Wahlkampf endgültig in die heiße Phase eingetreten. Bestätigt wurde dann aber nur, was Kritiker dieser Art von Urnendemokratie schon lange sagen. Über politische Alternativen wurde dort nicht debattiert, sondern zwei Partner, die schon lange gemeinsam koalisieren, stehen im Wettbewerb, wer künftig die Richtlinienkompetenz für die Verwaltung des Standorts Deutschland bekommen soll. Und dafür der ganze Aufwand?

Dieser Mangel an Kontroversen wurde auch von manchen kritisiert, die damit die Gefahr sahen, dass damit die Zahl derer, die sich von den Wahlen abwenden, noch zunimmt. Sie sahen für die mangelnde Streitkultur dann entweder beide Kandidaten oder besonders Martin Schulz oder das einengende Format des Gesprächs verantwortlich. Nur wenige hinterfragten die ganze Veranstaltung und die Fragen, die dort gestellt wurden. Dazu zählt der Journalistikprofessor Volker Lilienthal[1]. Im Deutschlandfunk hat er darauf hingewiesen[2], dass das Agendasetting eine rechtspopulistische Schlagseite gehabt habe:

Wer mit dem Reizthema Flüchtlingskrise anfängt, der muss natürlich damit rechnen, dass das viel Sendezeit auffrisst – mit dem Effekt, dass ja am Ende nur noch mit ‚Ja‘ oder ‚Nein‘ auf letzte Fragen geantwortet wenden sollte. Und wichtige Themen wie zum Beispiel Modernisierung der Infrastruktur, Bildung oder Klimawandel fehlten fast völlig.

Volker Lilienthal

Abbau der Demokratie war kein Thema bei der Runde

Auch ein anderes wichtiges innenpolitisches Thema wurde in der Runde nicht angesprochen. Der Abbau demokratischer Grundrechte, der nach den Protesten gegen die G20-Proteste forciert worden ist. Dabei muss allerdings betont werden, dass die militanten Aktionen in Hamburg nicht der Anlass, sondern die günstige Gelegenheit sind, Pläne, die schon lange in der Schublade liegen, endlich umzusetzen. So wurde durch den nachträglichen Entzug von Journalistenakkreditierungen bekannt, dass in den Dateien auch Menschen gespeichert sind, die nie wegen einer Straftat verurteilt wurden und diese Praxis soll auch fortgesetzt werden. Die Verweigerung hat diese Praxis erstmals in einer größeren Öffentlichkeit bekannt gemacht.

Mittlerweile gibt es ein Bündnis unter dem Motto „Demonstrationsrecht verteidigen“[3], das sich der weiteren Aushöhlung eines Grundrechts wendet. „Nach den Repressionen gegen Flüchtlinge und Migrantenorganisationen werden der gesamten sozialen Bewegung und der ganzen Bevölkerung der Bundesrepublik grundlegende demokratische Rechte genommen – insbesondere das Recht auf Versammlungsfreiheit“, heißt es in der Erklärung[4], die von zahlreichen linken Organisationen aber auch von Gewerkschaftlern unterzeichnet[5] wurde.

Verwiesen wird in der Erklärung auf die Gesetzesverschärfungen, die bereits vor dem G20-Gipfel erlassen wurden. Nach §113[6] und § 114[7] des Strafgesetzbuches („Widerstand oder tätlicher Angriff gegen Vollstreckungsbeamte“) kann eine Mindeststrafe von drei Monaten Haft schon drohen, wenn bei einer Festnahme ein Arm weggezogen wird. Das kann bereits als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ausgelegt werden. Zudem wurde der Katalog für besonders schwere Fälle erweitert. Schon eine gemeinsame Tatausübung kann mit einer Mindesthaftstrafe von sechs Monaten belegt werden: „Doch welche Demonstration, welcher Streik erfolgt nicht gemeinschaftlich?“

Diese Frage in der Erklärung trifft den Punkt. Hier soll gemeinsames kollektives Agieren insgesamt kriminalisiert werden. Die ersten Urteile gegen G20-Gegner in Hamburg[8] zeigen, dass die Justiz die Signale aus der Politik verstanden hat. Wegen ihrer Härte werden sie auch von liberalen Kommentatoren kritisiert[9].

Demokratieabbau wird ganz offen wieder propagiert. Das Vorgehen gegen die linke Onlineplattform Indymedia Linksunten[10] ist ein weiterer Schlag gegen eine außerparlamentarische Opposition, die sich in der Mehrheit nicht als Teil der radikalen Linken versteht, wie medial immer wieder behauptet wird.

AfD und Union – Klare Kante gegen Linke

Schon wenige Monate nach den Verschärfungen legen CDU und CSU nach und fordern „Klare Kante gegen links außen“[11]. In einer gemeinsamen Erklärung der Innen- und Justizminister der CDU oder CSU[12] wird der Ton gegen die außerparlamentarische Linke weiter verschärft. Linke Zentren wie die Rote Flora in Hamburg sind weiterhin räumungsbedroht.

Dabei versucht sich der Bundesinnenminister De Maiziere als rechter Law and Order-Politiker zu profilieren. Nicht nur rhetorisch trennt ihn da nicht viel von der AfD. In Sachsen-Anhalt unterstützten große Teile der Unionsfraktion einen Antrag der AfD zur Einrichtung einer Kommission zum sogenannten Linksextremismus bei der Landeszentrale für politische Bildung (Schwarz-braun macht mobil[13]. Hier könnte eine neue rechte Front entstehen, die mit dem Kampf gegen Linke ein gemeinsames Feindbild hat.

Der Aufruf zur Rettung der Demonstrationsfreiheit zielt auf Bündnisse bis in die Reste des linksliberalen Milieus. Es wird sich zeigen, ob das gelingt. Von alldem kam im sogenannten Fernsehduell nichts zur Sprache. Abbau von demokratischen Rechten, Verbot einer linken Onlineplattform, hohe Strafen gegen G20-Demonstranten waren kein Thema bei der Show. Daher hat Volker Lilienthal völlig recht, wenn er von einem rechten Agendasetting spricht. Es wurden die Themen stark in den Vordergrund geschoben, die AfD-Wähler ansprechen. Linke und linksliberale Themen wie der Kampf gegen Überwachung und Abbau der Demokratie blieben außen vor.

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Peter Nowak
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[1] https://www.wiso.uni-hamburg.de/fachbereich-sowi/professuren/lilienthal/team/lilienthal-volker.html
[2] http://www.deutschlandfunk.de/moderatoren-beim-tv-duell-das-journalistische-resultat-war.2907.de.html?dram:article_id=395054
[3] http://demonstrationsrecht-verteidigen.de/
[4] http://demonstrationsrecht-verteidigen.de/erklaerung-demonstrationsrecht-verteidigen-2/#more-112
[5] http://demonstrationsrecht-verteidigen.de/unterzeichner/
[6] https://dejure.org/gesetze/StGB/113.html
[7] https://dejure.org/gesetze/StGB/114.html
[8] http://www.heise.de/tp/features/G-20-Der-Rechtsstaat-zeigt-was-er-kann-3816679.html
[9] http://www.zeit.de/2017/36/g20-prozesse-ausschreitungen-richter-urteil
[10] https://www.heise.de/tp/features/Wir-sind-alle-Indymedia-wir-sind-alle-linksunten-3813246.html
[11] http://www.spiegel.de/politik/deutschland/linksextremismus-cdu-und-csu-wollen-gesetze-verschaerfen-a-1164656.html
[12] https://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/213191
[13] https://www.heise.de/tp/features/Schwarz-Braun-macht-mobil-3814152.html