Der Präsident als Sheriff der Welt und seine neuen Freunde

In der kurzen Zeit seiner Amtszeit hat Trump schon eine Bombenspur hinterlassen, die Politiker überzeugt, die zuvor noch skeptisch waren

Trump versöhnt sich mit der Nato“, lautete der Tenor der Meldungen[1] über das Treffen des US-Präsidenten mit dem Nato-Generalsekretär. Eine ganz große Koalition in den USA und Deutschland war sehr zufrieden.

Die vermeintlichen Trump-Kritiker hatten befürchtet, dass unter der neuen US-Administration die Nato keine so große Rolle mehr spielen und Trump womöglich eine neutralistische Außenpolitik betreiben könnte. Ein schmales Spektrum der Konservativen in den USA propagierte schon lange den Rückzug der Vereinigten Staaten auf ihr eigenes Territorium. Man wollte nicht mehr weltweit aktiv sein.

Eine solche Politik hat eine gewisse Logik, weil der Einfluss des US-Kapitalismus weltweit zurückgeht und die Warnung vor einer Überdehnung der USA schon einige Jahre auch von US-Denkfabriken ernst genommen wird. Nun hatte Trump im Wahlkampf sicherlich auch neutralistische Versatzstücke in seinem Wahlkampfrepertoire. Bewusst wählte er auslegbare Formulierungen. So sagte er nie, dass die Nato überflüssig, sondern obsolet ist und nun ist sie das eben nicht mehr.

Und schon hat Trump einige seiner lautesten Kritiker zumindest vorerst zufrieden gestellt. Die störten sich nämlich nicht an seiner rassistischen und sexistischen Agenda. Die befürchteten vor allem, Trump könne sich nicht so als „Vorkämpfer der freien Welt“ initiieren wie seine Vorgänger. In Deutschland sahen das führende Kreise von den Grünen bis zur Union als Chance, diese Rolle nun selber zu übernehmen.

Angela Merkel wurde nun als Führerin der freien Welt angepriesen. Inzwischen hat Trump längst klargemacht, dass er diesen Posten nicht freiwillig aufgeben wird. Im Gegenteil, er will als strenger Sheriff der Welt seine Version von „Make America Great Again“ einbläuen.

Trump und die „Mutter aller Bomben“

Im Gegensatz zu seiner sonstigen Rhetorik ist das alles nicht nur Dampfplauderei. In der kurzen Zeit seiner Amtszeit hat Trump schon eine Bombenspur hinterlassen. Schon eine Woche nach Trumps Inauguration am 28./29. Januar starben bei einem Angriff von US-Spezialkräften im Jemen 30 Menschen. Bei der Bombardierung von Mosul sollen Menschen in dreistelliger Höhe umgekommen sein.

Am 18. März kamen im Norden Syriens etwa 40 Menschen in einer bombardierten Moschee ums Leben. Am 20. März töteten Bomben der US-geführten Koalition, die seit 2014 in Syrien angeblich gegen den „Islamischen Staat“ kämpft, mindestens 33 Menschen, die in einer Schule Zuflucht gesucht hatten. Die Zielkoordinaten hatte wahrscheinlich die Bundeswehr geliefert.

Es gab einige Tage Berichte darüber und dann war das Thema schon erledigt. Vor zwei Tagen, am 13. April, ließ Trump die „Mutter aller Bomben“ über Afghanistan abwerfen[2]. Der Name wurde in verschiedenen Medien völlig kritiklos[3] übernommen. Man hatte gedacht, solche Begriffe kann sich nur jemand in der Welt eines Saddam Hussein ausdenken, der auch ständig von der Mutter aller Schlachten schwadronieren ließ.

Jedenfalls soll die „Mutter aller Bomben“ einen Tunnelkomplex des Islamistischen Staates getroffen haben. Es gebe unter den 36 Opfern keine Zivilisten[4], heißt es sofort. Auch hier fehlt jede kritische Nachfrage. Wie wurde denn in wenigen Stunden ermittelt, wer die Opfer sind, was ihnen vorgeworfen wird und dass sie garantiert alle überzeugte IS-Kämpfer waren?

Schließlich wissen wir von den Drohneneinsätzen, die unter der Obama-Administration zugenommen hatten, dass neben den Zielpersonen auch oft deren Kinder oder Verwandte oder wer eben gerade zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen ist, zu den Opfern zählten. Und dann soll ein 10.000 Kilogramm schwerer Sprengkörper keine Zivilisten getroffen haben? Der Unterschied zum Giftgasangriff in Syrien ist einfach der, dass es in Afghanistan keine der durchaus interessengeleiteten NGOs und Nachrichtenstellen gibt, die sofort die Bilder der Opfer in aller Welt verbreiten.

Die Toten in Afghanistan sterben ohne die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit, sie sterben still und anonym und nehmen das Stigma des IS-Anhängers mit ins Grab. Es gab und gibt kein unabhängiges Gericht, das entscheidet, ob die Anklage überhaupt stimmt. Der Oberste Befehlshaber entscheidet über den Einsatz, er ist Ankläger, Richter und Henker in einer Person.

In den letzten Monaten haben viele Trump-Kritiker auch zu fragwürdigen psychologisierenden Erklärungsmustern gegriffen und ihn als große Gefahr hingestellt. Nun müssten diese Leute doch besonders vehement protestieren, dass ein solcher Mann nun als Welt-Sheriff agiert und die „Mutter aller Bomben“ losschickt. Doch ein Teil der Kritiker hat ihre Tonlage völlig geändert und lobt Trump dafür, dass er jetzt in die Phalanx seiner Vorgänger eingeschwenkt ist. Er hat also mit seiner Bombardements den Beweis erbracht, dass er als Führer der Freien Welt gut geeignet ist.

Da trennt sich die Spreu vom Weizen und die Trump-Kritiker, die befürchteten, dass Trump eine isolationistische Politik betreiben könnte, machen ihren Frieden mit dem Präsidenten. Was sie auch sonst an seiner politischen Agenda kritisiert haben mögen, ist ihnen nicht mehr so wichtig. Dass dürfte sich bis ins Clinton-Lager auswirken, denn auch dort war man in großer Sorge, dass Trump vielleicht zu wenig konfrontativ gegenüber Russland sei.


Rechte Trump-Fans in Verwirrung

Dafür ist bei seinen hiesigen rechten Fans Verwirrung über Trump ausgebrochen. Der Trump-Fan der ersten Stunde Jürgen Elsässer schrieb[5] unmittelbar nach den Luftangriff der USA auf syrische Stellungen: „Fuck Trump. Der Typ ist irre geworden.“ Doch in späteren Kommentaren wurde die Einschätzung relativiert und als Showpolitik bezeichnet, die Trump helfen soll, sein ramponiertes Ansehen zu erhöhen.

Auch andere Rechte, die sogar mit einer Pro-Trump-Demo während des G20-Treffens in Hamburg auf sich aufmerksam machen wollen, werden nun rätseln, wie sie die Politik ihres politischen Freundes im Weißen Haus einschätzen sollen. Diese Verwirrung dürften sie mit Leuten wie Rainer Rupp[6] teilen, die für manche als Linke galten, bevor sie sich zu Trump-Anhängern mauserten[7].

Wie lange allerdings die Flitterwochen zwischen Trump und den Nato-Freunden andauern werden, ist auch völlig offen, es könnte morgen schon eine politische Entscheidung kommen, die die Gräben wieder vertieft. Es geht hier um temporäre Interessen und Zweckbündnisse.

Zudem wird Trump als strenger Sheriff im Weltmaßstab mit einem Problem konfrontiert sein, das auch alle seine Vorgänger hatten. Der US-Kapitalismus verliert weltweit real an Einfluss und der Versuch, diesen Fakt mit einer besonders aggressiven Machtpolitik zu verschleiern, wird überall auf der Welt für neue Konflikte sorgen.

Daher ist die Gefahr eines großen Weltkriegs nicht gebannt, das liegt aber weniger an Trump als an der Irrationalität der kapitalistischen Gesellschaft, die der Sheriff im Weißen Haus nur besonders gut repräsentiert.

https://www.heise.de/tp/features/Der-Praesident-als-Sheriff-der-Welt-und-seine-neuen-Freunde-3686105.html
Peter Nowak

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Links in diesem Artikel:
[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/donald-trump-nach-treffen-mit-jens-stoltenberg-nato-nicht-laenger-obsolet-a-1143173.html
[2] https://www.heise.de/tp/features/US-Militaer-wirft-staerkste-nicht-nukleare-Bombe-auf-Ziel-in-Afghanistan-ab-3685970.html
[3] https://www.welt.de/politik/ausland/article163702115/USA-werfen-zum-ersten-Mal-Mutter-aller-Bomben-ab.html
[4] http://www.t-online.de/nachrichten/id_80893932/usa-mutter-aller-bomben-toetete-in-afghanistan-36-kaempfer.html
[5] https://www.compact-online.de/fuck-trump-der-typ-ist-irre-geworden
[6] http://www.spiegel.de/thema/rainer_rupp/
[7] https://deutsch.rt.com/meinung/43036-rainer-rupp-us-prasident-trump


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