Auf-Ruhrgebiet

Nach seinem Film »Mietrebellen« hat der Regisseur Matthias Coers nun einen Dokumentation über widerspenstige Projekte im Ruhrgebiet vorgestellt. Sie schaffen Utopien en miniature.

Die Senioren sind in Feierlaune. Mit ihrer Mieterinitiative Zinkhüttenplatz haben sie den Abriss einer historischen Arbeitersiedlung verhindert. Dabei hatten sie nicht einmal von der Mehrheit der Linkspartei Unterstützung.

Ihr inspirierender Kampf ist in der Dokumentation »Das Gegenteil von Grau« zu sehen, der in dieser Woche Premiere hat. Knapp 20 außerparlamentarische Initiativen werden im Film vorgestellt. Das Spektrum reicht von Graffiti-Sprüherinnen – es sind tatsächlich nur Frauen – über einen anarchistischen Infoladen, über Projekte mit Geflüchteten bis zum Leerstandskino in Dortmund-Nord.

»Alle Projekte leisten Pionierarbeit im Ruhrgebiet, einer Region mit starkem Strukturwandel aus der Industriegesellschaft in eine krisenhafte Dienstleistungs- und Freizeitgesellschaft«. So beschreibt der Regisseur Matthias Coers gegenüber »nd« das Verbindende der vorgestellten Initiativen. Besonders das Oberhausener Projekt Kunst im Turm (kitev) und die Initiative Refugees‘ Kitchen, eine mobile Küche, in der Geflüchtete und Künstler zusammenarbeiten, haben Coers beeindruckt. Der Regisseur war durch den Film »Mietrebellen«, der den Widerstand gegen Vertreibung und Mieterhöhungen in Berlin dokumentiert, auch über Deutschland hinaus bekannt geworden.

Zur Entstehungsgeschichte: Bei einer Filmveranstaltung im Ruhrgebiet hatte Coers Aktive der Initiative »Recht auf Stadt Ruhr« kennengelernt. »Gemeinsam haben wir überlegt, wie man für das Ruhrgebiet auch eine Art Bewegungsfilm für das Recht auf Stadt machen kann«, so Coers. Die Filmarbeiten haben sich dann zwei Jahre in die Länge gezogen, weil Coers den Film nicht über sondern mit den Initiativen gemeinsam drehte.

Es werden Menschen vorgestellt, die in den Nischen der Städte ihre Utopien umsetzen wollen. Das kann ein »Reparaturladen« oder ein besetztes Gewächshaus sein, in dem sich Senioren ganz selbstverständlich darüber unterhalten, wie sie ein Schloss geknackt haben. Die kurzen Filmgespräche dokumentieren die Unterschiedlichkeit der einzelnen Projekte: Während einige mit linken Politikern kooperieren, betonen andere die Autonomie von Staat und Parteien. Ein Mitarbeiter des Bochumer Straßenmagazins »bodo« erläutert, wie ein Arbeiterstadtteil vor Jahrzehnten zum Zufluchtsort von Migranten wurde und bis heute geblieben ist. Die von Berlin nach Oberhausen »migrierten« Künstler von kitev fragen sich, ob ihr Projekt nicht gegen ihren Willen zur Gentrifizierung beitragen könnte.

Die Dokumentation ist ein aktueller Bewegungsmelder für ein anderes Ruhrgebiet. So hätte der Film mit dem vagen Titel »Das Gegenteilgenteil von Grau« vielleicht passender »Auf-Ruhrgebiete« heißen können. Auf jeden Fall macht er neugierig auf mehr und Lust, die Entwicklung der vorgestellten Projekte weiter zu beobachten.

vDer Film hat seine Premieren an den folgenden Tagen
Do., 23.03., 19:00 Uhr | Roxy Kino, Münsterstraße 95, Dortmund
Fr., 24.03., 19:00 Uhr | Alibi, Gladbecker Straße 10, Essen
Sa., 25.03., 19:00 Uhr | kitev, Willy-Brandt-Platz 1, Oberhausen
So., 26.03., 19:00 Uhr | Lokal Harmonie, Harmoniestraße 41, Duisburg
Mo., 27.03., 19:00 Uhr | Endstation Kino, Wallbaumweg 108, Bochum

www.gegenteilgrau.de

https://www.neues-deutschland.de/artikel/1045514.auf-ruhrgebiet.html

Peter Nowak


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