– Neuer Film mit Originaldokumenten aus der Zeit der Autonomia“ in Italien
„Ich habe diesen Film gemacht, damit die ArbeiterInnen, die die Kämpfe führten, nicht vergessen werden“, erklärte Pietro Perroti bescheiden nach einer besonderen Filmpremier, auf der über 300 Menschen in Berlin ein besonderes Dokument der ArbeiterInnenbewegung gesehen haben. „Wir brauchen keine Erlaubnis“, lautet der programmatische Titel eines Films, der eine subjektive Geschichte der bewegen Jahre der ArbeiterInnenautonomie in den Jahren 1969 bis 1980 bei Fiat in Turin zum Thema hat. Ohne Pietro Perroti wäre der Film nicht entstanden. Als junger Arbeiter zieht er wie viele von Süditalien nach Turin, um bei Fiat zu arbeiten. Wie viele seiner KollegInnen wird er dort politisch aktiv und kommt bald nicht nur mit dem Fabrikmanagement, sondern auch mit den klassischen Gewerkschaften in Konflikt, die die ArbeiterInnen vertreten wollen und mit dem Engagement und dem Selbstvertrauen der jungen ArbeiterInnen wenig anfangen können. Denn diese wollten sich keine Erlaubnis einholen, wenn sie aktiv werden wollen, weder vom Boss, noch von den VorarbeiterInnen noch von der Gewerkschaftsbürokratie. So begann ab 1969 ein Jahrzehnt der Streiks, Besetzungen und Kämpfe, die Perroti mit einer kleinen Kamera dokumentierte.
Dieses wichtige Zeugnis eines ArbeiteInnenaktivismus , an der sich Zehntausende über Jahre beteiligten, wurde nun auf Deutsch untertitelt. Viele der Beschäftigten kamen wie Perroti aus Sizilien und gerieten mit den Normen des rigiden Fabrikregimes bei FIAT in Konflikt. „Immer wieder wurden Kollegen beim Verlassen der Fabrik von Aufsehen kontrolliert, nur die Haare zu lang schienen. Überall waren Zäune wie im Gefängnis, “ erinnert sich Perroti. Das von ihm kreierte Symbol eines von starken Arbeiterfäusten auseinandergedrückten Zauns war häufig zu sehen. Perroti dokumentiert den Aufschwung der Bewegung, als die Bosse in der Defensive waren und Zugeständnisse machen mussten. Deutlich wird aber auch die politische Breite, die nicht konfliktfrei war. Während UnterstützerInnen der sich damals schon staatstragend gebenden Kommunistischen Partei ihren Vorsitzenden bei einer Rede zu jubelnden, setzten viele linke Gruppen auf die Selbstorganisation. . Ende der 1970er Jahre schlugen Staat und Konzernleitung zurück. Während die Justiz zunehmend auch gewerkschaftliche Kämpfe verfolgte, wollte das FIAT-Management mit Massenentlassungen die Ordnung im Betrieb wieder herstellen. Höhepunkt war ein von ihnen gesponserter Marsch der sogenannten „Schweigenden Mehrheit“. Mit italienischer Flagge vorneweg demonstrierten sie für das Ende der Arbeitskämpfe. Hier wurde die historische Niederlag der Turiner ArbeiterInnenaktivisten besiegelt. Viele der Beteiligten wollten mit Politik nichts mehr zu tun haben Doch Perroti distanziert sich nicht von den Utopien und Idealen, die die Bewegung prägte. Das war auch der Grund, warum er die Aufnahmen, die jahrelang im Schrank lagen, doch noch zu einem Film verarbeitete. Das wäre ohne die Unterstützung des Istoreco Institut Reggio Emilia nicht möglich gewesen. Er zeigt auch, welche künstlerischen Mittel die ArbeiterInnen bei ihren Aktionen einsetzen. So wurden auf Demonstrationen große Gummipuppen getragen, die die Fiat-Chefs darstellen und karikieren sollten. Später verlagerte sich der Protest auch an die Toilettenwände. Einige der frechen Sprüche gegen Management, VorarbeiterInnen und später auch StreikbrecherInnen werden im Film gezeigt. Der Film ist aber nicht nur von historischem Interesse. In der Diskussion nach der Berliner Premiere erinnerte ein Zuschauer auf die aktuellen Arbeitskämpfe im Logistiksektor Norditaliens.
Peter Nowak
Wir brauchen keine Erlaubnis, von Pietro Peretti und Pier Milanese, Original mit deutschen Untertieln, 87 Minuten
Informationen und Bezug über: htpps://senzachiederepermesso.org/ Email: WirbrauchenkeineErlaubnis@gmx.de
http://www.labournet.de/express/
express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit
Ausgabe: Heft 01-02/2017
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