Dresdner Opfermythos trifft auf Installation eines syrischen Künstlers

"Das Monument" und viele Fragen, u.a.: Welche symbolische Botschaft geht von einer von Islamisten gegen eine repressive laizistische Regierung verteidigten Barrikade aus?

Vor dem Jahrestag zur Bombardierung Dresden marschieren die Rechten wieder in der sächsischen Stadt auf. Die Mobilisierung der Gegner[1] ist in diesem Jahr allerdings schwächer als im letzten Jahr. Das dürfte auch darin liegen, dass die Nazigegner mit den allwöchentlichen Pegida-Aufmärschen ständig zu tun haben.

Wie schnell die Rechten auf neue Themen reagierten zeigte sich in der letzten Woche, als vor der Dresdner Frauenkirche eine Kunstinstallation des syrischen Künstlers Manuf Halbouni[2]. Er hat drei auf dem Heck stehende Busse auf dem Platz vor der Frauenkirche aufstellen lassen, die den „Aufständischen“ in Aleppo als Barrikade gegen die von Russland unterstützten Truppen des syrischen Regimes dienten.

Schon die Eröffnung der Installation wurde von Rechten aus dem Umfeld von Pegida und AfD begleitet, die sich lautstark bemerkbar machten. Auch wenn ihr Auftreten Kritik hervorrief, so gelang es ihnen doch, die Debatte zu bestimmen[3]. Nicht nur auf rechten Webseiten, sondern auch in der Dresdner Lokalpresse[4] wird darüber diskutiert, ob mit der Installation etwa Islamisten geehrt werden sollen.

Denn auf einem Foto[5] war in Aleppo auf der Barrikade die Fahne der islamistischen Organisation Ahrar al-Sham zu sehen, die auch in Deutschland mittlerweile als terroristische Organisation gilt. Nun ist unbestritten, dass auf Seiten der syrischen Opposition gegen das Assad-Regime extreme islamistische Gruppen maßgeblich beteiligt waren und sie die demokratische Opposition teils blutig zurückgedrängt haben. Doch darum geht es bei der Dresdner Auseinandersetzung um die Installation nicht.

Den wahren Grund für den rechten Furor brachte ein Dresdner, der die Installation entfernen lassen will, zum Ausdruck[6]: „Ich will die Stadt zwingen, die Dinger wieder abzubauen“, sagte der Werkzeugmechaniker zu Bild. „Denn es ist pietätlos gegenüber den Opfern und Zeitzeugen des 13. Februar.“

Hier wird deutlich, dass es erneut um den Dresdner Opfermythos geht, der seit nun mehr 25 Jahre auch linke Kritiker des Dresden-Mythos beschäftigt. In dem im Verbrecher Verlag erschienenen Buch „Gedenken abschaffen“[7] ist diese Debatte aus Sicht der Kritiker gut zusammengefasst.

Da sind auf der einen Seite die Rechten der unterschiedlichen Couleur, die im Grunde die NS-Propaganda von der unschuldigen Kunstmetropole Dresden, die von den Bombern der Alliierten zerstört wurde, nur wenig modifiziert wiederholen. Auch die völlig überhöhten Opferzahlen der NS-Propaganda werden trotz historischer Widerlegung dort einfach weiterverbreitet.

Das Spektrum, das dieser deutschvölkischen Version des Dresden-Mythos anhängt, zieht sich von den Neonazis über die Rechtspopulisten bis zu Konservativen, die sich in der Regel nicht mit Nazis zusammen fotografieren lassen würden. Der Pegida-Bewegung hat diese Form des Dresdener Opfermythos neue Anhänger gebracht, wie umgekehrt der Dresdner Opfermythos ein wichtiger Grund dafür ist, dass Dresden zur Hauptstadt der Pegida-Bewegung wurde und noch immer ist.

Für diese Rechten ist es eine Provokation, dass die Bombardierung Dresdens mit anderen historischen Ereignissen gleichgestellt wird. Daher echauffieren sie sich über eine Installation, die nun keineswegs eine Kritik am Dresden-Mythos leisten will. Im Gegenteil passt die Installation sehr gut zu einer modernisierten Version des Dresden-Mythos, die durchaus ein Stück weit auf die Kritiker des deutsch-völkischen Dresden-Mythos zugegangen ist.

So hat der liberale Dresdner Dirk Oberbürgermeister konstatiert, dass Dresden im Februar 1945 eben nicht die unschuldige deutsche Kulturstadt war[8], als der sie von den Nazis und ihren Epigonen hingestellt wurde. Zu dieser neuen Form des Dresden-Gedenkens gehört aber auch die Vorstellung, dass die Stadt Opfer von sinnloser Gewalt und Krieg war, wie es in der Geschichte immer wieder geschieht, eben aktuell auch in Syrien.


Schon seit 1995 versucht sich das offizielle Dresden einzureihen in eine Gedenkkultur, in der die Stadt eine von vielen Opfern des Zweiten Weltkriegs ist, für die alle Seiten die Verantwortung tragen. Gerade beim Wiederaufbau der Frauenkirche wurde das Signal besonders bewertet, dass die Opfer von Krieg und Gewalt von wem auch immer, ihren Opfern gedenken. Damit verschwindet aber auch die Besonderheit des NS-Terrors in der allgemeinen Gewalt. In dieses neue Dresden-Gedenken fügt sich die Installation „Das Monument“ hervorragend ein.

„Menschliches Leid und zerstörte Städte: Die aktuellen Bilder aus Syrien erinnern uns an die Folgen vergangener Kriege weltweit, und gerade ältere Menschen denken dabei an das selbst erfahrene Leid und an die unermesslichen Mühen des Wiederaufbaus in den Städten Europas nach dem Zweiten Weltkrieg“, heißt es auf der Homepage des Dresdner Kulturhaus[9], das das Rahmenprogramm für die Installation vorbereitet hat.

Dort wird auch zur umstrittenen Ortswahl für die Installation Stellung genommen. Was für den völkischen Dresdner Opfermythos eine Provokation ist, ist für die modernisierte Variante des Dresden-Gedenkens programmatisch:

Die Frauenkirche und der Neumarkt gelten heute als Symbole für den überwundene Krieg und den Wiederaufbau. Das meint nicht nur die Neuerrichtung von Gebäuden, sondern den langen Weg zu einer Gesellschaft, in der Menschen in Frieden und Freiheit leben können.

Kunsthaus Dresden[10]

Nun muss der letzte Satz, in der Hauptstadt der Pegida-Bewegung für viele Geflüchteten und gesellschaftliche Minderheiten wie Hohn klingen. Doch es geht dabei um die Botschaft, Dresden hat gelitten und ist doch wieder auferstanden. Das Symbol, das bereits die Wiedererrichtung der Frauenkirche begleitete, soll nun durch die Arbeit des Künstlers verstärkt werden.

In einem Interview, in dem der Künstler auf die islamistische Fahne auf der Barrikade von Aleppo und eine mögliche Neubewertung, wenn ihm das vorher bekannt gewesen wäre, eingeht, sagt[11] Manuf Halbouni:

Ich muss das Kunstwerk nicht neu bewerten, denn es steht für das, was ich meine: Für den Frieden. Und für das Erinnern daran, dass Krieg nur Leid ist. Und zwar in jeglicher Sicht. Und dass Krieg, bloß weil er fern von uns ist, da ist. Jedenfalls in der Geschichte der Stadt Dresden. Die Stadt lag einst in Trümmern und ist wieder aufgebaut worden. Diese Arbeit soll auch für andere Völker symbolisieren, dass nach der Zerstörung der Wiederaufbau beginnt.

Manuf Halbouni[12]

Doch genau mit dieser Antwort bedient Halbouni auch einen Dresden-Mythos. Es geht nicht mehr um politische Kräfte und um die Frage, wer hier was verteidigte. Welche symbolische Botschaft geht denn von einer von Islamisten gegen eine repressive laizistische Regierung verteidigten Barrikade aus?

Ist eine solche Ignoranz gegenüber politischen Zusammenhängen nicht sehr ähnlich jener deutschen Entschuldigung, man habe bis zur letzten Minute den Nazis die Treue gehalten, weil man sich gegen die Alliierten verteidigen musste?

Und fühlten sich nicht manche Deutsche, die in den letzten Monaten, als Aleppo von den Regierungstruppen und ihren Verbündeten belagert war, mit ihren ständigen Aufrufen zur Einstellung der Kämpfe an das belagerte Berlin von 1945 erinnert?

Da hätten sich auch viele Deutsche eine internationale Bewegung zur Einstellung der Kämpfe gewünscht, um der bedingungslosen Kapitulation zu entgehen?

Kürzlich organisierte eine Frau sogar einen Marsch für den Frieden[13] in Syrien, die ausdrücklich bekannte, sie wisse gar nicht, wer dort gegen wen kämpft und das sei ihr auch egal und dürfe auf den Märschen nicht angesprochen werden. Wenn aber nicht mehr über die Hintergründe und die Ursachen von Konflikten gesprochen wird, kann auch nicht darüber diskutiert werden, wie diese beseitigt werden.

Vielmehr wird da der Unterschied zwischen Frieden und „Friedhofsruhe“ immer mehr verwischt. Solche Diskussionen werden allerdings rund um die Installation „Das Monument“ in Dresden kaum geführt, weil die rechten Anhänger eines deutschvölkischen Dresden-Gedenkens die Debatte geprägt haben.

So bestätigt sich wieder, was die jahrelangen Kritiker des Dresdensgedenkens seit langem immer wieder erklären. Es kann nicht modernisiert und erneuert, sondern sollte abgeschafft werden, wie der Titel des schon erwähnten Buches[14] im Verbrecherverlag prägnant lautet. Das bedeutet, keine öffentliche Zeremonien und Kranzniederlegungen rund um die Jahrestage der Dresden-Bombardierung, aber sehr wohl individuelle Trauer der Nachfahren, die damals Angehörige verloren haben.


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Peter Nowak

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Links in diesem Artikel:
[1] http://dresden-nazifrei.com/
[2] https://www.manaf-halbouni.com/
[3] https://detektor.fm/gesellschaft/stadtgespraech-monument-dresden
[4] http://www.dnn.de/Specials/Themenspecials/Dresdner-Skulptur-Monument/Welche-Rolle-spielten-Islamisten-beim-syrischen-Vorbild-der-Neumarkt-Busse
[5] https://widerimage.reuters.com/story/in-the-shadow-of-syrias-snipers
[6] http://www.bild.de/regional/dresden/dresden/dresdner-klagt-gegen-aleppo-busse-50186694.bild.html
[7] http://www.verbrecherverlag.de/buch/698
[8] https://www.sz-online.de/nachrichten/dresden-war-keine-unschuldige-stadt-3603390.html
[9] http://kunsthausdresden.de/veranstaltungen/monument/
[10] http://www.kulturkalender-dresden.de/ausstellung/manaf-halbouni-monument
[11] http://www.mdr.de/sachsen/dresden/interview-manaf-halbouni-monument-100.html
[12] http://www.mdr.de/sachsen/dresden/interview-manaf-halbouni-monument-100.html
[13] http://civilmarch.org/de/faq/
[14] http://www.verbrecherverlag.de/buch/698

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