Nach dem Selbstmordversuch der Whistleblowerin Chelsea Manning gibt es Internationale Kampagne für ihre Freilassung. Dabei sollte sie aber nicht als Opfer sondern als politische Aktivistin wahrgenommen werden
In den letzten Monaten war es um die US-Whistleblowerin Chelsea Manning ruhig geworden. Die IT-Spezialistin war wegen Spionage und Verrat von Militärgeheimnissen zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt worden, weil sie Dokumente und Videos an die Plattform Wikileaks geschickt, die Kriegsverbrechen von US-Militärs während ihres Engagements im Irak dokumentieren. Doch seit einigen Wochen wächst weltweit die Angst um das Leben der Whistleblowerin, die als Transgender ihre Haftstrafe in dem Militärgefängnis für Männer Fort Leavenworth verbüßen muss. Dort verübte Manning in den Morgenstunden des 6.Juli einen Suizidversuch. Entsprechende Gerüchte wurden von Mannings Anwälten mittlerweile bestätigt. „ Ich bin okay. Ich bin froh, am Leben zu sein. Vielen Dank für Eure Liebe. Ich komme da durch“, ließ Manning über Twitter ihren Unterstützer_innen mitteilen. Doch nach ihren Suizidversuch ist die Whistleblowerin mit neuer Repression konfrontiert. So verhängte der Disziplinarausschuss von Fort Leavenworth Ende September gegen Manning eine 14 tägige Isolationshaft als Disziplinarstrafe. Sieben Tage wurden auf Bewährung ausgesetzt und sollen vollstreckt werden, wenn sie sich weiter nicht so verhält, wie es die Gefängnisleitung verlangt. Manning werden im Zusammenhang mit ihrem Suizidversuch bedrohliches Verhalten, der Besitz verbotener Gegenstände und der Widerstand gegen Gefängnispersonal vorgeworfen. Kommt es zu einer Verurteilung, befürchtet die US-Menschenrechtsorganisation (ACLU) die unbefristete Einzelhaft, die Wiedereinstufung auf die höchste Sicherheitsstufe sowie neun zusätzliche Haftjahre ohne die Möglichkeit der Haftaussetzung. Solidaritätsgruppen befürchten, dass solche Restriktionen das Leben der psychisch angeschlagenen Gefangenen gefährden könnten. Mit einer Petition wollen die Unterstützergruppen die Öffentlichkeit gegen die erschwerten Haftbedingungen von Manning aufmerksam zu machen. „Chelsea braucht unsere Solidarität“, lautet ihr Motto. Das Interesse ist zumindest in Deutschland nach ihrer Verurteilung schnell zurück gegangen. Der Wikipedia-Eintrag zu Manning wurde seit 2014 nicht mehr aktualisiert. Doch nach ihren Suizidversuch hat der Chaos Computer Club (CCC), deren Ehrenmitglied Mannings ist, ihre Begnadigung gefordert: „Die unmenschlichen Haftbedingungen haben Chelsea Manning an den Rand des Selbstmords getrieben. Als Strafe für ihren Versuch sollen diese nun noch verschärft werden;“ kritisiert de CCC die US-Behörden. Mannings Haftbedingungen wurden schon 2012 vom UN-Berichterstatter als Folter kritisiert.
Nicht auf Begnadigung durch Präsidenten verlassen
Der CCC forder wie andere Solidaritätsgruppen in aller Welt, dass der scheidende US-Präsident Barack Obama Manning begnadigt und so den grausamen Bedingungen ein Ende bereitet. „Das wäre endlich das langersehnte Zeichen für Whistleblower, auf das viele hoffen“, heißt es in der Erklärung. Doch Solidaritätsgruppen in den USA warnen vor Illusionen in einen Gnadenakt von Obama. Sie verweisen darauf, dass es bisher nicht gelungen ist, den nach einen juristisch äußert fragwürdigen Indizienpross, der von massiver politischer Hetze begleitet war, zu lebenslänglicher Haft verurteilten Aktivisten des American Indian Movement Leonard Peltier freizubekommen. Nachdem Peltier vor mehr als einem Jahrzehnt schwer erkrankte, konzentrierten sich die Hoffnungen vieler seiner Unterstützer_innen auf eine Begnadigung durch Präsident Clinton. Doch die ist ausgeblieben. Seitdem ist es trotz Peltiers kritischen Gesundheitszustand nicht gelungen, die außerparlamentarische Kampagne für seine Freilassung wieder mit mehr Elan zu forcieren. Daher wollen sich viele Unterstützer_innen von Manning verstärkt darauf konzentrieren, die Solidaritätsbewegung für seine Freilassung sowohl in ihren eigenen Ländern als auch auf transnationaler Ebene zu stärken. Nur so könne der nötige Druck erzeugt werden, damit zunächst Mannings Haftbedingungen nicht noch weiter verschärft werden und der Druck für seine Freilassung wächst, wird argumentiert.
Manning did the right thing
Dabei ist wichtig, Chelsea Manning nicht in erster Linie als Opfer sondern als eine Aktivistin zu sehen, die durch die Veröffentlichung von Dokumenten, geheim gehaltene Kriegsverbrechen der US-Armee im Irak öffentlich bekannt gemacht hat. In Zeiten, in denen die Herrschenden aller Länder, auch in Deutschland Kriege wieder in ihr politisches Kalkül einbeziehen, solle Manning als Beispiel für einen Widerstand im Herzen der Kriegsmaschinerie gelten. Daher sollte neben ihrer Freilassung immer auch die Unterstützung für die Aktionen stehen, die sie in das Gefängnis brachten. Die Parole „Manning did the right thing“ sollte auf keiner Antikriegsaktion fehlen.
ak 620 vom 18.10.2016
https://www.akweb.de/
Peter Nowak
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