Migranten im autonomen Wohnzimmer

Schwierigkeiten von Linken mit dem Sexismus von Migranten

Das linke Kulturzentrum Conne Island[1] im Leipziger Stadtteil Connewitz sorgte schon immer auch im eigenen linken Spektrum für Diskussionen. Den einen war es zu antideutsch, den andere zu israelfreundlich. Andere monierten, dass auch manche in der linken Szene angesagte Band im Conne Island nicht auftreten durfte, wenn den Betreibern die Texte zu deutsch[2] waren. Man kann sagen, die Clubbetreiber hatten Ansprüche auch an die Kultur und setzten damit Zeichen gegen eine Beliebigkeit auf diesen Gebiet.

Conne Island, Leipzig. Bild: js. Lizenz: CC-BY-SA-3.0

Nun sorgt dass Connie, wie es szeneintern genannt wird, erneut für Auseinandersetzungen. Anlass ist ein Statement[3], zum Umgang des Clubs mit jungen männlichen Migranten, der vom Conne-Island-Plenum beschlossen worden war. Im Nachhinein wird dort kritisiert, dass man nicht hinter die Zivilgesellschaft zurückfallen wollte und sich der „Welle der Willkommenskultur“ angeschlossen hat.:

In dem Gefühl, das Richtige zu tun und den Legidist_innen und ähnlichem Volk irgendwie etwas entgegenzusetzen, bestand kurzweilig eine große Sorge des Plenums darin, nicht schnell genug möglichst vielen Geflüchteten das Angebot publik machen zu können. Daher blendeten wir übergangsweise aus, dass insbesondere der quasi kostenlose Eintritt zu allen Veranstaltungen auch diverse Fallstricke barg.

Gemeinsam zu feiern und im Zuge dessen wie von selbst eine Integration junger Geflüchteter im Conne Island zu erreichen, stellte sich als recht naiver Plan heraus. Es reichte eben nicht aus, mehrsprachige Poster mit Hinweisen zu richtigem Verhalten auf Partys aufzuhängen. Vielmehr schien es, als müssten wir mehr Aufwand betreiben, um die Grundsätze des Ladens zu erläutern und etwaige Möglichkeiten der Partizipation vorzustellen. Da diese Einsicht reichlich spät kam, hatten wir seither einige Auseinandersetzungen und brenzlige Situationen auszustehen.Conne Island

Conne Island

Wenn man aber nun erfahren will, was genau vorgefallen, bleibt es weiterhin im Vagen:

Sexistische Anmachen und körperliche Übergriffe sind in diesem Zusammenhang im Conne Island und in anderen Clubs vermehrt aufgetreten – auch mit der Konsequenz, dass weibliche Gäste auf Besuche verzichten, um Übergriffen und Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen.

Aufgefallen ist außerdem der Missbrauch des „Refugees-Fuffzigers“ durch junge Männer mit Migrationshintergrund, die in größeren Gruppen insbesondere Tanzveranstaltungen am Wochenende besuchen und den geringen Eintritt gern bezahlen, um dort für Stress zu sorgen.Conne Islands

Conne Islands

Für die doch recht unspezifische Beschreibung der Vorwürfe, entschuldigen sich die Verfasser des Statements gleich selbst:

Uns zur Problemlage so explizit zu äußern, fällt uns schwer, da wir nicht in die rassistische Kerbe von AfD und CDU/CSU schlagen wollen. Die Situation ist jedoch derart angespannt und belastend für viele Betroffene und auch für die Betreiber_innen des Conne Islands, dass ein verbales Umschiffen des Sachverhalts nicht mehr zweckdienlich scheint.Conne Islands

Conne Islands

Häme und Spott von Rechts

Die gab es natürlich sofort. Die rechtskonservative Junge Freiheit griff den Fall sofort auf und danach war er ein Renner in der rechten Szene. Dabei gab es weniger späte Zustimmung als Spott und Häme[4]. Ausgerechnet das Connie wurde nun in die Schublade der naiven Gutmenschen gesteckt, was für die beharrlichen Kritiker der linksdeutschen Friedensbewegung in ihren unterschiedlichen Ausprägungen vielleicht die größere Beleidigung ist. Doch die Verfasser des Statements haben auch Steilvorlagen geliefert, in dem sie selber von sich ein Bild zeichneten, dass sie sich von der Willkommenskultur mitreißen ließen bei der Einführung des „Refugees-Fuffzigers“, der dann auch noch missbraucht werden sein soll, dadurch, weil zu viele Refugees kamen.

Ist nicht diese große Resonanz ein Beweis dafür, dass er bei den Migranten tatsächlich angenommen wurde? Sie haben oft zwangsweise viel Zeit und kein Geld, und sie haben gerne das Angebot angenommen. Unklar ist daher, warum die Clubbetreiber von einem Missbrauch reden, wenn die Migranten das Angebot nutzen. Die konservative LVZ titelt dann: „Refugee-Fuffziger: Billiger Eintritt lockt Kriminelle an“[5]. Die Überschrift ist vom Bericht aus dem Club nicht gedeckt, aber die Verwendung des Missbrauch-Begriffs lässt zumindest viele Spekulationen zu.

Man rief Refugees und es kamen Menschen, in der Mehrheit junge Männer

Eigentlich könnten also die Conne-Betreiber zufrieden sein. Sie haben eine konkrete Unterstützung für Migranten angeboten und sie wird angenommen Dass sie dabei auf die Willkommenskultur rekurrieren, ist unverständlich. Man kann doch viel nüchterner urteilen, man gab konkret Menschen, die wenige Möglichkeiten haben, ihre Freizeit sinnvoll zu verbringen, eine solche Gelegenheit.

Dass es sich dabei vorrangig um junge Männer handelte, die nicht durch die Gender-AG der Autonomen Antifa gegangen sind, muss von Anfang klar gewesen sein. Dass die gemäß ihrer völlig anderen Sozialisation auch einen anderen Umgang mit Frauen pflegten, hätte auch keine Überraschung sein dürfen. Da hätte also am Anfang die Frage stehen müssen, will man das verlängerte autonome Wohnzimmer mit seinen sehr eigenen Regelungen aufgeben zugunsten eines sozialen Zentrums, in dem eben Menschen unterschiedlicher, politischer und sozialer Herkunft Platz finden. Dass schafft sicher neue Probleme, wäre aber auch eine Herausforderung, dass man dann doch wieder gemeinsame Regelungen findet. Das aber würde bedeuten, dass man auch seine eigene Regelungen und Kriterien zumindest darin hinterfragt, ob sie über eine eigene kleine Szene hinaus überhaupt lebbar sind, was natürlich nicht bedeutet, dass man sexistische oder andere anti-emanzipatorische Praktiken zulässt. Doch das bedeutet, zunächst anzuerkennen, dass es auch szeneintern keine eindeutige Regelung gibt, wo Sexismus anfängt und vor allem, wie damit umgegangen werden soll.

In den letzten 25 Jahren gab es in verschiedenen linken und alternativen Hausprojekten in Berlin und Hannover Auseinandersetzungen zwischen zwei Bevölkerungs- oder Nutzergruppen. Die Auseinandersetzungen wurden oft sehr oberflächlich als Auseinandersetzungen zwischen Punks und mittelständisch sozialisierten Autonomen dargestellt Oft ging es dabei auch um unterschiedliche Vorstellungen von Sexismus Dabei standen auf beiden Seiten auch Frauen. In der als Punks beschrieben Gruppe gab es vor allem bei den Frauen aber auch bei einigen Männern durchaus Kritik am Sexismus in den eigenen Reihen. Doch der Umgang damit unterschied sich vom Herangehen der mittelständisch sozialisierten Autonomen. So sagte eine Punk-Frau, dass sie, wenn sie mit sexistischen Begriffen belegt wird, genau diese Begriffe gegen den Mann anwendet und danach sei für sie die Sache erledigt.

Wenn also schon in der subkulturell geprägten Szene kein gemeinsamer Sexismusbegriff existiert, so gilt das erst recht für die Gesellschaft in Deutschland insgesamt. So dürften Praktiken, die vom Conne-Plenum benannt wurden, auch in vielen Clubs und Kneipen in Deutschland Konsens sein. So gesehen würden die Migranten dort nicht besonders auffallen. Doch dort sind sie aber oft nicht willkommen, weil sie Migranten sind. Also bleibt ihnen dann nur die Freizeitgestaltung in den wenigen autonomen Wohnzimmern der Republik – und dann gibt es die Probleme, die das Conne jetzt beschreibt.

Wer sich nicht an unsere Regeln hält, fliegt raus

Einerseits kann man den Conne dankbar sein, dass sie mit ihren Beitrag deutlich gemacht haben, dass sie auch in linken Kreisen die Erkenntnis befördert, man hat Refugees gerufen und es Menschen gekommen, darunter sehr viele junge Männer mit ihrer sehr eigenen Sozialisierung. Eine solche Erkenntnis vermeidet den Paternalismus mancher Flüchtlingshelfer, nimmt auch die Migranten Ernst und fordert sie auch.

Natürlich ist es richtig, dass man sexistische, homophobe und antisemitische Einstellungen überall kritisieren muss, unabhängig von der Herkunft. Bereits in den frühen 1990er Jahren, als Migranten vor rassistischen Übergriffen aus Ostdeutschland nach Berlin flüchteten und gemeinsam mit Unterstützern an der Technischen Universität einige Räume besetzten, gab es eine Debatte über mackerhaftes und sexistisches Verhalten einiger Männer.

Doch muss man den Vorsatz, die Menschen ernst zu nehmen und zu fordern, in einen Ton umsetzen, der so unangenehm deutsch klingt? „Fakt ist und bleibt, dass sexistische Übergriffe, mackerhaftes Auftreten, antisemitisches, rassistisches und anderweitig diskriminierendes Verhalten im Conne Island nicht geduldet werden und jede Person, die sich nicht an unsere Regeln hält, des Eiskellers verwiesen wird – ungeachtet seiner/ihrer Herkunft.“ Da wird zwischen mackerhaften Verhalten und einem sexistischen Übergriff kein Unterschied mehr gemacht.

Es gibt die mehrheitlich von in Deutschland sozialisierten Menschen, die die Regeln setzen, und die Migranten, die diese Regeln eben zu akzeptieren haben oder fliegen, nicht gleich aus Deutschland, aber immerhin aus dem Conne Island. Wurde denn versucht, aus den migrantischen Besuchern, die wegen des „Refugee-Fuffzigers“ kommen, Nutzer zumachen, die vielleicht einen Skateboard-, Fahrrad- oder Fotokurs machen und dann in die Lage gesetzt werden, die Regeln im Conne mitzubestimmen? Natürlich sollten dann besonders Kurse von Flüchtlingsfrauen angeboten werden, die schließlich auch in den Unterkünften oft sexistischer Gewalt oder Mackerverhalten ausgesetzt sind. Dass wäre in der Tat ein Umgang jenseits einer paternalistischen Willkommenskultur und dem Gestus eines alternativen Hausmeisters, der verkündet, wer unsere Regeln verletzt, der fliegt.

http://www.heise.de/tp/artikel/49/49716/2.html

Peter  Nowak

Anhang

Links

[0]

http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/deed.de

[1]

http://www.conne-island.de/

[2]

http://www.conne-island.de/nf/brief_ak.html

[3]

http://www.conne-island.de/news/191.html

[4]

http://de.sputniknews.com/gesellschaft/20161012312919634-conne-island-dilemma-gutmenschen/

[5]

http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Conne-Island-ist-in-der-Realitaet-angekommen


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