Journalisten als Unternehmer

Linke Medienakademie diskutierte über neue journalistische Bezahlmodelle

ch dachte mir, wow, es funktioniert wirklich. Die Leute zahlen für Journalismus. « So beschrieb Sebastian Esser Ende März auf einer Veranstaltung der Linken Medienakademie (Lima) in Berlin seine Erfahrungen als Mitbegründer des Projekts Krautreporter. Das ist ein digitales Magazin für Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, das ausschließlich von den Lesern finanziert wird. Essers damit gemachte Erfahrungen dürften von großem Interesse in einer Zeit sein, da die Frage heftig diskutiert wird, wie man die Leser motiviert, für Artikel
im Internet zu bezahlen. Doch Esser warnte auch vor einer Romantisierung des Crowdfunding, wie das Eintreiben von Geldern via Internet auch heißt. Der Krautreporter stellte dabei klar, dass es sich damit nicht um Spenden handelt. »Die Unterstützer erwarten Gegenleistung, und das sind Zeitungsartikel.« Daran schließen sich weitere Fragen an. »Was passiert, wenn den Lesern die inhaltliche Tendenz des Artikels nicht passt? Sorgt nicht allein die Angst, dass finanzielle Unterstützung wegfallen könnte, dafür, dass Journalisten
dann vor allem das schreiben, was den zahlenden Lesern vermeintlich gefällt? Wie unabhängig und wie kritisch kann ein solcher Journalismus sein? Diese Fragen bleiben auch nach der Veranstaltung offen. Zudem betonte Esser, dass Crowdfunding in absehbarer Zeit nicht solche Honorare ermöglichen wird, mit denen Journalistinnen und Journalisten auskommen können. »Bekommen Medienvertreter bei Recherchereisen Spesen für Hotels gezahlt?« lautete eine Frage aus dem Publikum. »Sie müssen wohl eher Couchsurfing bei Freunden machen«, lautete Essers ernüchternde Antwort. »Beim Crowdfunding sind Journalisten gleichzeitig Unternehmer«, beschrieb Stefan Niggemeier die nicht unproblematische Doppelrolle. Er ist Mitbegründer des digitalen Magazins Übermedien, das sich der Medienkritik
widmet und ebenfalls ausschließlich von Lesern finanziert wird. Die Veranstaltung war im besten Sinne aufklärerisch, weil die neuen Bezahlmodelle im Medienbereich nicht unkritisch abgefeiert werden. Sowohl die Gefahren für die sozialen Standards als auch die für kritisches Berichterstatten wurden deutlich.

https://medien-kunst-industrie-bb.verdi.de/aktuelles/nachrichten/++co++622964f6-266a-11e6-9d50-525400ed87ba

aus: s p r a c h roh r 2 | 16

Peter Nowak

Im prekären Sektor gibt es eine Alternative zum DGB

Betr.: «Auf absehbare Zeit gibt es keine Alternative zu den DGB-Gewerkschaften», von Jakob Schäfer in SoZ Mai 2016

Es ist erfreulich, dass die SoZ eine Debatte über die linke Bewegung und Gewerkschaften initiiert hat. Schließlich wächst auch in Teilen der außerparlamentarischen Linken die Erkenntnis, dass Gewerkschaften für eine Transformation der Gesellschaft unverzichtbar sind.

Ein Teil vor allem der postautonomen Linken arbeitet in unterschiedlichen DGB-Gewerkschaften mit. Weil ein Großteil der außerparlamentarisch Aktiven im Bildungs-, Erziehungs-, Gesundheits- und Pflegebereich arbeitet, konzentriert sich ihr gewerkschaftliches Engagement auf die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und die GEW. Mittlerweile setzt ein Teil davon die durch das politische Engagement erworbenen Kenntnisse beruflich als Organizer in Gewerkschaften ein. Vereinzelt gibt es auch schon hauptberufliche Gewerkschaftssekretäre aus der außerparlamentarischen Linken.

Ein anderer Teil der an gewerkschaftlichen Aktivitäten interessierten außerparlamentarischen Linken sieht hingegen diese Mitarbeit in DGB-Gewerkschaften kritisch. Sie verweist auf Erfahrungen aus der Gewerkschaftsgeschichte, wo immer wieder Impulse aus kritischen Bewegungen in die Gewerkschaftsapparate integriert wurden und wenige Konsequenzen für eine kämpferische Gewerkschaftspolitik hatten. Diese Widersprüche hat Jakob Schäfer in seinem Diskussionsbeitrag gut benannt.

«Auf der einen Seite sind sie Schutzmacht gegen die schrankenlose Herrschaft des Kapitals, indem sie der Unterbietungskonkurrenz von Belegschaften einen Riegel vorschieben, vor allem durch Tarifverträge, nach Möglichkeit landesweit. Zum anderen sind sie auch Ordnungsmacht, weil sie auch ein Element des Kapitalverhältnisses sind (mindestens dann, wenn Tarifverträge abgeschlossen sind), auch unabhängig von einer Politik der Klassenversöhnung (die allerdings für fast alle Gewerkschaften, auch außerhalb des DGB, die Regel ist).»

Diesen Ausführungen könnte ich zustimmen, wenn der Halbsatz in der Klammer nicht wäre. Es stimmt eben nicht, dass die Politik der Klassenversöhnung für fast alle Gewerkschaften außerhalb des DGB gilt. Für die meisten Spartengewerkschaften, wie den Marburger Bund oder die Gewerkschaft Cockpit trifft das sicher zu. Ihr manchmal verbalradikaler Ton bei der Durchsetzung von Forderungen für meist kampfstarke Segmente der Lohnabhängigen darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie keinerlei gesellschaftskritisches Konzept haben und selbst den Gedanken der Solidarität unterschiedlicher Segmente der Lohnabhängigen, der auch in den DGB-Gewerkschaften meistens Lippenbekenntnis bleibt, nicht einmal dem Anspruch nach verwirklichen wollen.

Anders sieht es bei den Basisgewerkschaften aus, die die in den letzten Jahren in vielen europäischen Ländern an Bedeutung gewonnen haben. In Deutschland ist hier neben den Industrial Workers of the World (IWW), die in einigen Städten Organisationsversuche unternehmen, die Freie Arbeiter-Union (FAU) zu nennen. Ihr ist es in den letzten Jahren gelungen, den Status einer anarchistischen Gruppe mit Gewerkschaftsanspruch abzulegen. Die SoZ gehörte zu den wenigen linken Zeitungen, die über den Arbeitskampf im Berliner Kino Babylon berichtet hat. Er hat dazu beigetragen, dass die FAU als Basisgewerkschaft wahrgenommen wird.

Ein aktueller Arbeitskampf, der von der FAU getragen wird, ist der Kampf der rumänischen Bauarbeiter bei der Mall of Berlin, die seit nun mehr fast zwei Jahren um ihren Lohn kämpfen. Die Auseinandersetzung macht die großen Probleme deutlich, die das Beschreiten des Rechtswegs für die Betroffenen bedeutet. Die Bosse gehen notfalls durch alle Instanzen und geben lieber viel Geld für Gerichtskosten aus, als dass sie die ausstehenden Löhne bezahlen. Wenn sie dann in allen Instanzen zu Zahlungen verurteilt wurden, melden die Subunternehmen Insolvenz an.

Am Beispiel der Mall of Berlin zeigt sich auch, dass eine DGB-Gewerkschaft für die Bauarbeiter keine Option gewesen wäre. Sie waren schließlich zuvor bei einer Beratungsstelle unter dem Dach des DGB. Dort wurde ihnen gesagt, dass sie einen Bruchteil ihrer Ansprüche erstattet bekämen, wenn sie auf alle weiteren Rechte verzichteten. Diejenigen Bauarbeiter, die das ablehnten, wandten sich danach an die FAU. Erst dadurch wurde die Kampagne der letzten beiden Jahre möglich; sie richtet auch über die Mall of Berlin hinaus den Fokus darauf, dass Lohnbetrug und Überausbeutung zum alltäglichen Geschäftsmodell im Kapitalismus gehören.

So wie die Bauarbeiter bei der Mall of Berlin haben sich auch viele andere Lohnabhängige vor allem im prekären Bereich zunächst vergeblich an eine DGB-Gewerkschaft gewandt, bevor sie dann in und mit der FAU für ihre Rechte kämpften – etwa Beschäftigte aus der Serviceabteilung der Heinrich-Böll-Stiftung, oder ein Mitarbeiter eines Spätkaufs in Berlin, der mehrere Jahre als eine Art Geschäftsführer auf Hartz-IV-Basis gearbeitet hat. In Jena haben Beschäftigte eines universitären Call-Centers mit der FAU einen Arbeitskampf begonnen.

Oft waren die Betriebe so klein, dass sie gar nicht ins Konzept des DGB gepasst hätten. Nun breiten sich solche prekären Arbeitsverhältnisse immer weiter aus. Lange Zeit galten diese Bereiche als für Gewerkschaften verloren. Die FAU hat in einigen Fällen gezeigt, dass auch hier Arbeitskämpfe möglich sind. Bärbel Schönafinger hat in dem Film Die Angst wegschmeißen am Beispiel des Arbeitskampfzyklus in der norditalienischen Logistikbranche gezeigt, was möglich ist, wenn eine Gruppe kampfentschlossener Beschäftigter auf eine Basisgewerkschaft stoßen, die den Kampf mit ihnen führen will. In diesem Fall waren es die Sin Cobas.

Von solchen Verhältnissen sind wir in Deutschland noch weit entfernt. Aber auch hier spielt die Musik eben nicht mehr nur in den fordistischen Großbetrieben, wo die DGB-Gewerkschaften noch die Hegemonie haben, auf die Schäfer in seinem Beitrag verweist. Vor allem im prekären Sektor haben sich auch in Deutschland basisgewerkschaftliche Ansätze als kampf- und streikfähig erwiesen und damit bewiesen, dass sie dort eine Alternative zum DGB sein können.

Im prekären Sektor gibt es eine Alternative zum DGB

von Peter Nowak*

* Der Autor hat im letzten Jahr im Verlag Edition Assemblage das Buch «Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht. Arbeitskämpfe nach dem Ende der großen Fabriken» herausgegeben (112 S., 7,80 Euro).

Alternatives Projekt gegen Flüchtlinge ausgespielt


RIGAER 94 Geflüchtete unterstützen das Hausprojekt Rigaer Straße 94 mit einer Demonstration
In diesen Tagen gibt es viel Unterstützung für das von der Polizei belagerte Hausprojekt Rigaer Straße 94. Am Montagabend waren
es rund 100 Geflüchtete, die sich gemeinsam mit UnterstützerInnen von der Flüchtlingsunterkunft in der Lichtenberger Bornitzstraße auf dem Weg nach Friedrichshain machten. Mehrere BewohnerInnen monierten in Redebeiträgen die fehlende Privatsp äre in der Unterkunft, was besonders für die Frauen unerträglich sei. Probleme bei der Postzustellung wurden angesprochen – und die Versorgung:
„Seit Langem fordern wir, dass wir selbst entscheiden können, was wir essen wollen. Denn das Essen schmeckt im Lager immer gleich“, sagt Karim, der sich in der Flüchtlingsinitiative Stop Deportation engagiert. „Wir haben vor der Räumung der Kadterschmiede in der Rigaer 94 regelmäßig gekocht und das Essen gegen eine Spende verteilt“, begründete er seine Solidarität mit dem Hausprojekt. Er hält es für zynisch, dass die selbstverwalteten Räume jetzt verschwinden sollen, um angeblich Platz für Flüchtlinge zu schaffen. Bereits in der letzten Woche haben sich Organisationen aus der Flüchtlingssolidarität wie „Moabit hilft“ und „Friedrichshain hilft“ mit den BewohnerInnen der Rigaer Straße solidarisiert und sich dagegen gewandt, ein alternatives Projekt gegen die Flüchtlinge auszuspielen.
Herrmann Wehrle von der Berliner Mietergemeinschaft betonte in seinem Redebeitrag auf der Demonstration, dass für  die Wohnungsnot in Berlin nicht die Geflüchteten verantwortlich sind. „Sie ist die Folge einer Politik, die systematisch den sozialen Wohnungsbau zerstört hat.“ Auf der Abschlusskundgebung bedankte sich ein Bewohner der Rigaer Straße 94 für die Solidarität der Geflüchteten. In einer Erklärung auf der linken Internetplattform Indymedia schrieben UnterstützerInnen, es sei eine besonders „dreiste Taktik, die Räumung im Namen der Flüchtlingshilfe durchzuziehen“. Zuletzt wurde versucht, auch im Fall des Wagenplatzes Schwarzer Kanal ein alternatives
Wohnprojekt gegen Geflüchtete auszuspielen. Noch vor einem Jahr sollten die BewohnerInnen unterschreiben, keine Geflüchteten
aufzunehmen, was sie ablehnten. Nun gibt es Pläne, eine Flüchtlingsunterkunft auf dem Areal zu errichten.
aus Taz vom 7.6.2016

Ohne Kurier bleibt die Küche kalt

Hungern müssen sie zwar nicht. Doch die Kurierfahrer, die für Startup-Unternehmen Essen ausliefern, verdienen wenig. Einen Arbeitskampf zu organisieren, gestaltet sich für sie schwierig.

In den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Fahrradkuriere mit den großen Essenskisten auf dem Rücken in deutschen Großstädten sprunghaft angestiegen. Startups wie Deliveroo und Lieferando gehören zur Share-Economy, die angetreten ist, die Arbeitswelt in den nächsten Jahrzehnten gründlich umzukrempeln. In der Share-Economy sollen Menschen Dienstleistungen, Gegenstände oder Räume systematisch verleihen oder bereitstellen, zum Nutzen aller Teilnehmer. Im konkreten Fall: Der Kurier stellt sein Fahrrad und sein Mobiltelefon, das Lieferunternehmen sein Bestellsystem. Mit diesem Prinzip können allerdings noch die letzten der einst von der Arbeiterbewegung erkämpften Rechte über Bord geworfen werden. Schließlich ist Flexibilität das Zauberwort dieser Branche. Arbeit und Freizeit verschwimmen. Wo unter fordistischen Arbeitsverhältnissen ein Vorarbeiter oder Chef war, finden sich bei den Lieferservices Algorithmen. Diese entscheiden dann, wer einen Auftrag bekommt. In der Taz beschrieb ein Journalist, der im Selbstversuch als Fahrradkurier arbeitete, das System so: »Als Smartphone- und Fahrradbesitzer habe ich quasi meine Zeit verkauft und wurde Teil der pinken Foodora-Armee. Genauso wie bei anderen Share-Economy-Jobs muss man auch hier selbst Konsument sein und sich die ›Werkzeuge‹, die Assets, kaufen, die man für den Job benötigt.« Für den Einkauf muss man allerdings gut bei Kasse sein. »Diese Werkzeuge sind aber mitunter Luxusgegenstände: Rennräder und iPhones. Mitmachen kann nur, wer sie sich leisten kann. Foodora übernimmt dann Logistik und Bestellungen mit Hilfe einer App.« Doch nach welchen Kriterien die Fahrer ausgewählt werden, bleibt offenbar Betriebsgeheimnis. »Ich wusste stets nur so viel: Zu Schichtbeginn musste ich im zugeteilten Bezirk sein, mich in die App einloggen und auf den ersten Auftrag warten«, beschreibt der Journalist die Situation von Beschäftigten, deren Boss eine App ist. »Jede Bestellung ist ein Puzzle, die Teile erhält der Fahrer erst nach und nach.«

Wo scheinbar Algorithmen das Kommando übernommen haben, ist es auch schwer, sich zu organisieren. Doch bei der Firma Deliveroo, die mit Foodora, Lieferando und weiteren um Marktanteile konkurriert, könnten die Berliner Kurierfahrer den Aufstand proben. Der Unmut entzündete sich vor einigen Wochen am Wegfall der Boni, die bezahlt wurden, wenn Fahrer Nacht- oder Wochenendschichten übernahmen. Diese konnten bis zu 50 Euro betragen, waren aber nie vertraglich fixiert. Wenn die Boni wegfallen, könnte den Fahrern ein Einnahmeverlust von 100 bis 150 Euro monatlich entstehen, schilderte ein Kurier dem Tagesspiegel die Lage. Da die Fahrer als Scheinselbständige eine Menge zusätzliche Ausgaben haben, würde sich der Verlust schnell bemerkbar machen. Zudem sind bei Deliveroo die Löhne besonders niedrig. Der Basisstundenlohn liegt bei 7,50 Euro. Pro Lieferung gibt es einen Euro zusätzlich.

Im Tagesspiegel hat der Fahrradkurier die monatlichen Fixkosten vorgerechnet, die auf einen Freiberufler wie ihn zukommen. »Ich zahle 280 Euro im Monat für meine Krankenkasse. Ich habe 123 Euro für die Genossenschaft Verkehr ausgegeben. Das muss man als Kurierfahrer bezahlen, um sein Gewerbe anmelden zu können. Außerdem brauche ich 30 bis 60 Euro monatlich für Fahrradreparaturen. Dazu kommt das Smartphone. Um ohne Zeitverzögerungen navigieren zu können, braucht man zudem einen guten Anbieter.« Auch für die Kleidung und die Versicherungen muss der Fahrer selbst aufkommen.

Für Diskussionen, ob die Kuriere den Arbeitskampf wagen sollen, werden das Internet und die Pausentreffpunkte genutzt. Das sind häufig Grünflächen, auf denen die Kuriere auf die nächsten Aufträge warten. Dabei schwankt die Stimmung zwischen der pessimistischen Einschätzung, dass als Freelancer ein Streik kaum möglich ist, bis zur Überzeugung, dass die Beschäftigten durchaus Macht haben. Das System würde schließlich zusammenbrechen, wenn sich alle Kuriere zu einem bestimmten Zeitpunkt ausloggten.

http://jungle-world.com/artikel/2016/26/54349.html

Peter Nowak

Wie kommen interne Polizeidaten auf Neonazi-Homepage?

Arbeitsrechte nur auf dem Papier

Sozialdumping in Deutschland vor allem durch das System des Subunternehmertums

»Wir fühlten uns wie in einem Arbeitslager. Die Unterkunft war schmutzig. An den Wänden war Schimmel.« Ein polnisches Ehepaar berichtet in dem Dokumentarfilm »Der Fleischalbtraum« über ihre Erfahrungen an einer Arbeitsstelle in der Nähe von Leipzig. Nach einer Zwölf-Stunden-Schicht in der Fleischverarbeitungsfabrik sollten sie noch Überstunden machen, Krankschreiben wurde mit Lohnabzug bestraft, und als ein Beschäftigter kündigte, wurde er verprügelt.

In dem Film von Magdalena Pięta-Stritzke und Michał Talarek, der am Samstag im Roten Rathaus Berlins Deutschlandpremiere hatte, berichten auch weitere Betroffene über Arbeitsbedingungen wie im Frühkapitalismus. Nach der Vorführung wurde der Bericht »Sozialdumping durch Subunternehmertum« vorgestellt. Die vom polnischen Sozialrat im Rahmen des EU-Projektes »Testing EU Citizenship as Labour Citizenship« erstellte Studie macht deutlich, dass den polnischen Beschäftigen Rechte verweigert werden, die sie als EU-Bürger eigentlich besitzen. Auch wenn die Rechtsverstöße nicht immer ein Ausmaß annehmen, wie es im Dokumentarfilm geschildert wird, so sind sie doch für die Betroffenen gravierend. Überstunden, Arbeitshetze, Dumpinglöhne und ein schlechtes Arbeitsklima gehören zu den Klagen.

Kamila Schöll-Mazurek, Politikwissenschaftlerin am Zentrum für Interdisziplinäre Polenstudien der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder), sieht die Gründe für die Diskriminierungen in einen fragmentierten Arbeitsmarkt in Deutschland. Das System der Scheinselbstständigkeit und der Subunternehmen habe bei der Etablierung schlecht bezahlter Arbeitsplätze eine besondere Bedeutung. In der Praxis werde es damit Beschäftigten schwer gemacht, ihre Rechte durchzusetzen, so die Wissenschaftlerin, die an der EU-Studie mitgewirkt hat. So bekamen Kollegen trotz gewonnener Lohnbetrugsprozesse ihr Geld nicht, weil die Subunternehmen Insolvenz anmeldeten. Mehrmals in der Debatte wurde an den Kampf der rumänischen Bauarbeiter erinnert, die bei der Errichtung des Einkaufszentrums »Mall of Berlin« um große Teile ihres Lohns betrogen wurden und trotz Öffentlichkeitskampagnen und gewonnener Prozesse bisher leer ausgingen.

Jochen Empen vom DGB-Projekt »Faire Mobilität« forderte als zentrale Maßnahme, um die Diskriminierung der Beschäftigten zumindest zu minimieren, eine transnationale Strafverfolgung. Diese solle es ermöglichen, Unternehmen bei Verstößen gegen die Arbeitsrechte über die Grenzen hinweg juristisch zur Verantwortung zu ziehen. Als weiteren Schritt zur Eindämmung von Diskriminierung und Lohnbetrug wird die Kettenhaftung der Unternehmen genannt. Vor allem in der Bauwirtschaft könne die verhindern, dass Beschäftigte ihren Lohn nie bekommen, weil die Subunternehmen Pleite gehen. Dann müsste das Generalunternehmen, das die Subunternehmen beauftragt hat, für die entgangenen Löhne haften.

In der anschließenden Diskussion wurde gefordert, dass die Unternehmen verpflichtet werden, Rücklagen zu bilden, damit die Löhne der Beschäftigten gesichert sind. In Österreich sind solche Gesetze bereits in Kraft, in Deutschland hat die Diskussion darüber mit Betroffenen, Gewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen erst begonnen. Doch viel wird auch davon abhängen, ob sich mehr Betroffene gewerkschaftlich organisieren und gegen schlechte Arbeitsbedingungen wehren.

www.neues-deutschland.de/artikel/1017345.arbeitsrechte-nur-auf-dem-papier.htm
Peter Nowak

Dein Freund und Helfer

Teil-Räumung der Rigaer Straße 94

Interne Daten über BewohnerInnen des Hausprojekts sind auf einer ultrarechten Homepage gelandet. Sie stammen aus einer Ermittlungsakte der Polizei.


Teil-Räumung der Rigaer Straße 94

Dein Freund und Helfer

Interne Daten über BewohnerInnen des Hausprojekts sind auf einer ultrarechten Homepage gelandet. Sie stammen aus einer Ermittlungsakte der Polizei.

Ein bunt bemaltes Haus zwischen grünen Bäumen, davor ein cremeweißes AutoUmkämpftes Objekt: Hat die Polizei mit Rechten zusammengearbeitet?

BERLIN taz | Hat die Polizei ein Datenleck? Gibt es gar Beamte, die Informationen über Berliner Linke an die rechte Szene weiterreichen? Fest steht seit Freitag: Interne Daten über BewohnerInnen des linken Hausprojekts Rigaer Straße 94 sind auf einer ultrarechten Homepage gelandet. Unter blog.halle-leaks.de findet sich die teilweise geschwärzten Angaben von zehn Personen, die bei einer Polizeirazzia im Januar 2016 kontrolliert wurden.

Die anonymen BetreiberInnen der rechten Webseite behaupten, im Besitz von 73 Datensätzen zu sein und schreiben in rassistischer Diktion: „Die Namen lesen sich wie ein Who is Who aus einem polnischen Telefonbuch“.

BewohnerInnen der Rigaer Straße 94 erheben in einer Stellungnahme schwere Vorwürfe gegen die Polizei: „Die veröffentlichten Screenshots beweisen zum einen, dass die Polizei eine Datenbank angelegt hat, in der alle erfasst werden, die das Haus betreten. Zum anderen zeigt der Leak, dass es personelle Verknüpfungen der Einsatzkräfte mit organisierten Nazis gibt.“

Der Leiter der Pressestelle der Polizei, Winfried Wenzel, bestätigte gegenüber der taz die Echtheit der Veröffentlichung. „Im Ergebnis einer intensiven Prüfung kann ich bestätigen, dass es sich um ein Dokument aus einer Ermittlungsakte handelt, die sich inhaltlich mit einer Auseinandersetzung am 14. Januar 2016 in der Rigaer Straße zwischen mutmaßlich linken und rechten Tatbeteiligten befasst.“

Am 14. Januar sollen drei Personen aus der rechten Szene auf der Rigaer Straße angegriffen worden sein. Die Polizei leitete ein Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung. In den Ermittlungsakten seien sowohl die Personalien der angegriffenen Personen, als auch von BewohnerInnen der Rigaer Straße 94 erfasst worden, so Wenzel. Dabei habe es sich um Beschuldigte aber auch um potentielle ZeugInnen gehandelt.

Ermittlungsverfahren eingeleitet

Wegen der Weitergabe der Daten leitete die Polizei am Freitag ein Ermittlungsverfahren ein. Man untersuche alle Möglichkeiten, wie es zu dem Datenleak gekommen sei. Wenzel betonte, dass neben PolizistInnen auch StaatsanwältInnen und RechtsanwältInnen Einsicht in die Unterlagen gehabt hätten. So hätten AnwältInnen der Neonazis bei der Staatsanwaltschaft Akteneinsicht genommen. Auch ein Datenleck bei der Polizei könne er nicht ausschließen. Es gebe aber keine Hinweise, dass das Informationssystem der Polizei gehackt worden sei.

Der innenpolitische Sprecher der Linken im Abgeordnetenhaus, Hasan Tas, äußerte gegenüber der taz die Befürchtung, dass sich die Polizei zu schnell darauf festlegen könnte, dass die Daten nur von den AnwältInnen der Rechten weitergeleitet worden sein können. „Es muss eine ergebnisoffene Prüfung geben, bei der auch mögliche InformantInnen in den Kreisen der Polizei in Erwägung gezogen werden muss“, so Tas.

Die grüne Fraktionsvorsitzende Ramona Pop erklärte in Richtung Frank Henkel (CDU): „Es ist erstaunlich, dass man vom Innensenator in dieser Angelegenheit noch nichts gehört hat. Sonst geizt er ja nicht mit markigen Worten.“ Henkels Retourkutsche per Pressemitteilung: „Ich kann nur jedem empfehlen, hieraus keinen Polizeiskandal zu konstruieren, sondern das Ergebnis der Ermittlungen abzuwarten.“

Die Linkspartei veröffentlichte am Freitagmittag einen offenen Brief an Henkel, in dem sie ihm neun Fragen zu der geleakten Akte stellt. Unter anderem wollen Fraktionschef Udo Wolf und der Abgeordnete Tas wissen, inwieweit die Personen, deren Daten veröffentlicht wurden, nach Einschätzung des Senats gefährdet sind, nun Opfer rechtsextremer Übergriffe zu werden. Und welche Maßnahmen hat der Senat gegen den Betreiber des Blogs eingeleitet hat. Da das Beliner Abgeordnetenhaus bereits in seiner Sommerpause ist, gibt es derzeit keine reguläre Möglichkeit, den Senator etwa in einer Innenausschusssitzung zu befragen.

http://www.taz.de/!5318393/

taz 2.7.2016

Peter Nowak

Vertrauliche Daten bei Neonazis

Interne Ermittlungsakten der Berliner Polizei landen auf rechtsextremen Webportal.

Dokumente hochladen, Mitteilungen senden — anonym & sicher“, damit wirbt das Webportal „Halle Leaks“ um Informationen. In den letzten  Monaten war „Halle Leaks“  immer wieder mit Falschbehauptungen und Verleumdungen über Geflüchtete  in die Schlagzeilen geraten. Ende Mai wurde das mutmaßlich von einem ehemaligen Mitglied des Neonazi-Netzwerks „Blood&Honour“-Netzwerkes betriebene Portal  von Facebook  abgeschaltet. Doch längst ist es wieder online und  sorgt erneut für  Schlagzeilen. Seit 23. Juni sind auf „Halle Leaks“ Auszüge aus einer Ermittlungsakte der Berliner Polizei  zu finden. Es geht um Ermittlungen wegen Körperverletzung, nachdem Ende Januar 2016 drei Angehörige der rechten Szene im Berliner Stadtteil Friedrichshain angegriffen worden waren.

In den geleakten Ermittlungsakten finden sich teilweise geschwärzt zehn Datensätze von Personen, die die Polizei bei der  Hausdurchsuchung eines linken Wohnprojekts  am 14. Januar dieses Jahres in Berlin-Friedrichshain gesammelt hatte. „Die Namen lesen sich wie ein Who is Who aus einem polnischen Telefonbuch“, heißt es mit rassistischer Diktion im Kommentar der Betreiber des Webportals. Dort wird auch erklärt, dass man insgesamt über 73 Personendaten verfüge.  Der Leiter der Pressestelle der Berliner Polizei Winfried Wenzel bestätigte gegenüber bnr.de die Echtheit der veröffentlichten Dokumente und erklärte, dass mittlerweile ein Ermittlungsverfahren wegen der Datenweitergabe eingeleitet wurde.

Unklar ist noch, wer dafür verantwortlich ist. Wenzel erklärte, dass neben der Polizei auch Anwälte, der in Friedrichshain angegriffenen Rechten Akteneinsicht genommen und damit Zugang zu den Daten gehabt hätten. Der innenpolitische Sprecher der Linken im Berliner Abgeordnetenhaus Hasan Tas sprach sich gegenüber bnr.de für eine ergebnisoffene Untersuchung aus, die sich nicht nur auf die Anwälte der rechten Szene konzentrieren dürfe. „Es muss unbedingt sofort auch polizeiinterne Ermittlungen geben. Nur so kann aufgeklärt werden, ob es Verbindungen von Mitarbeitern der Polizei zur rechten Szene gibt“, erklärte Tas.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/vertrauliche-daten-bei-neonazis

Peter Nowak

Plötzlich noch eine umstrittene Baustelle

RIGAER Der Abriss der Gebäude an der Rigaer Straße 70–73 beginnt für alle überraschend
Donnerstagvormittag wurde mit dem Areal um die Rigaer Straße 70–73 eine neue Baustelle mit politischer Brisanz eröffnet. Unter Polizeischutz wurde eilig ein Zaun um das Gelände gezogen. Eifrige Männer von einem Sicherheitsdienst blickten immer wieder auf ein
Häuflein von Menschen, die sich auf der Mauer vor einem Supermarkt gegenüber niedergelassen haben. „Wäre die linke Szene in der
Gegend nicht mit der andauernden Belagerung der Rigaer Straße 94 beschäftigt, wäre hier mehr los“, meint ein junger Mann. Schließlich soll mit dem Abriss der Gebäude auf dem Gelände der Rigaer Straße 70–73 Platz für das „Carré Sama Riga“ gemacht werden, das in den letzten Wochen für Proteste sorgte (taz berichtete). An den Protestaktionen beteiligten sich neben der linken  Szene auch viele MieterInnen aus der Umgebung. Sie befürchten, dass das neue Nobelprojekt, das von der CG-Gruppe gebaut werden soll, die Mieten im Nordkiez Friedrichshains weiter steigen werden. Etwa 120 Wohnungen und vier Gewerbeeinheitenollen auf dem Gelände entstehen. Auf einer Informationsveranstaltung am 11. Juni forderten viele NachbarInnen einen Baustopp. Verantwortliche der CG-Group erklärten, sie würden auf jeden Fall bauen. Von dem plötzlichem Abriss sind auch die BetreiberInnen des Clubs Antje Öklesund überrascht, der auf
dem Gelände Partys und Veranstaltungen organisierte. „Wir sind am Vortag informiert worden, dass der Abriss beginnt“, sagt Hajo Toppius vom Büro für Kulturangelegenheiten, der den Club betreibt. „Ursprünglich war ein dreimonatiger Vorlauf geplant.“ Die GegnerInnen der CGGroupwollen trotz des Abrisses ihren Widerstand verstärken. Für Samstag, den 9. Juli, planen Stadtteilinitiativen
eine Demonstration unter dem Motto „Baustopp für Luxusneubauten“. Sie soll um 16 Uhr am  Scheldenplatz in der Nähe des S-und-U-Bahnhofs Frankfurter Allee beginnen.

taz vom 1.7.2016
Peter Nowak