Nach vorne erinnern

Peter Nowak über ein Buch zur Geschichte der spanischen Arbeiterbewegung

Große Teile der spanischen Rechten, der konservativen Presse, aber auch die Leitung der Madrider Universität liefen Anfang 2016 Sturm gegen Pläne der auf einer linken Bürgerliste gewählten Madrider Bürgermeisterin Manuela Carmena, in der spanischen Hauptstadt Straßen umzubenennen, die noch immer die Namen von Generälen und Politikern des Franco-Regimes tragen. Der Sieg, den der spanische Faschismus mit tatkräftiger Unterstützung seiner Verbündeten aus Nazi-Deutschland und Mussolini-Italien 1939 errang, hat Auswirkungen bis heute. Das ist das Fazit des Historikers und Romanisten Alexandre Froidevaux, dessen Buch „Gegengeschichten oder Versöhnung?“ einen guten Einblick in die spanische Erinnerungskultur gibt. Im Fokus steht die spanische Arbeiterbewegung zwischen 1936 und 1982. Am 19. Juli 1936 wehrten sich große Teile der Bevölkerung zunächst erfolgreich gegen einen Putsch rechter Militärs. „¡No pasaran!“ (sie werden nicht durchkommen) wurde für kurze Zeit zur einigenden Parole der zerstrittenen spanischen Arbeiterbewegung. Froidevaux zeichnet die Debatten im sozialistischen, kommunistischen und anarchistischen Lager nach und benennt auch die gravierenden politischen Fehler aller Strömungen. Nach der Niederlage des republikanischen Spaniens bewerteten die unterschiedlichen linken Fraktionen die historischen Ereignisse gegensätzlich, wie der Autor am Beispiel des sogenannten Casado-Putsches vom 6. März 1939 zeigt. Teile der Anarchisten und Sozialisten rechtfertigten ihn als Widerstand gegen stalinistische Durchhalteparolen. Die Kommunisten und eine sozialistische Minderheit sahen in ihm die Ursache dafür, dass die Faschisten die spanische Hauptstadt kampflos einnehmen konnten. Froidevaux beschreibt, wie die Faschisten das von ihnen proklamierte Ziel, Spanien von allen Linken, Gottlosen und Freimaurern zu säubern, vor allem im ersten Jahrzehnt ihrer Herrschaft umsetzten. Er geht von mindestens 150.000 Ermordeten aus. Wesentlich höher war die Zahl der Gefolterten und der Zwangsarbeiter, die auch die Monumentaldenkmäler des Regimes errichten mussten. Die Erinnerung an das republikanische Spanien wurde mit Terror rigoros unterbunden. Froidevaux spricht hier von einem Memorizid. Das Buch macht zudem deutlich, dass auf diesem Terror die Politik der „Transicion“ aufbaute, die das Franco-Regime schließlich in die westliche Wertegemeinschaft führte.

http://www.konkret-magazin.de/hefte/id-2016/heft-72016/articles/in-konkret-1794.html

in: Konkret, 7/2016

Peter Nowak