Linker Lesestoff

Die linke Literaturmesse in Nürnberg zieht seit 20 Jahren Verlage und Besucher aus ganz Deutschland an

Zum 20. Mal fand in Nürnberg am Wochenende die Linke Literaturmesse statt. Mehr als 60 Vorträge, Lesungen und Diskussionsveranstaltungen beschäftigten sich drei Tage lang mit den aktuellen Zuständen in Deutschland und der Rolle der linken Bewegung. Die Auftaktveranstaltung widmete sich unter dem Titel »Aufmärsche, Brandanschläge, Wahlerfolg« der wachsenden Mobilisierung von Rechts. Neben den Themen Antirassismus und Antifaschismus stand bei mehreren Diskussionsrunden die Renaissance der Arbeitskämpfe im Mittelpunkt, die bis in Gefängnisse hinein zu beobachten ist. Darüber berichtet etwa die Publikation »Out break« der neu gegründeten Gefangenengewerkschaft, die in Nürnberg vorgestellt wurde.

Verlage und Besucher aus ganz Deutschland waren angereist. »Die Linken arbeiten bei uns zusammen und hören einander zu«, benannte ein Veranstalter den Grund, dass auch nach zwei Jahrzehnten das Interesse an der linken Messe nicht abgenommen hat. Die Messe spiegelt die Bandbreite der Linken: Anarchistische und kommunistische Verlage sind vor Ort, genauso wie sozialistische und marxistische. Die Vielfalt wird auch in den Diskussionsveranstaltungen deutlich, nur beim linken Streitthema Nahost war auch in Nürnberg die Grenze des Meinungspluralismus erreicht. Nach einem heftigen Streit vor einigen Jahren sind Verlage mit einseitig israelparteiischer Literatur in Nürnberg nicht mehr vertreten. Doch Stoff für Debatten bleibt angesichts der politischen Breite der Veranstaltung noch genug.

Die Messe war vor 20 Jahren ins Leben gerufen worden, weil es seinerzeit im Süden der Republik nicht so leicht war, an linke Publikationen zu kommen. Aus diesem Mangel heraus entstand die Idee, dann eben Verlage und Redaktionen in die Region einzuladen, um ihre Angebote zu präsentieren. Vor allem junge Leute nutzen seither die Möglichkeit zur Information und Diskussion, die die Literaturmesse bietet. Für linke Verlage ist die Messe auch eine Gelegenheit, einmal ein Buch direkt zu verkaufen. Schließlich leiden sie darunter, dass selbst ihre Zielgruppe die Bücher eher über Amazon als bei ihnen bestellt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/990011.linker-lesestoff.html

Peter Nowak

Was hätte wohl Mühsam dazu gesagt…

Zwei Rückblicke auf Ausstellungseröffnung und Tagung

Vor über 81 Jahren ist Erich Mühsam gestorben. Die wirkliche Anerkennung ist ihm erst posthum zuteil geworden. Doch so sehr er geschätzt wird – Mühsam bleibt mühsam. An ihm scheiden sich die Geister und auch seine „AnhängerInnen“ sind nicht immer einer Meinung, wenn es um sein Wirken und seine Rezeption geht. Aus diesem Grund sind zur aktuellen Mühsam-Ausstellung in Meiningen zwei Autoren vertreten.

„Meiningen und seine Anarchisten“ lautet der Titel der Ausstellung, die bis zum 27. September im Meininger Schloss Elisabethenburg zu sehen ist. Bei der Eröffnung am 17. Mai betonte der anarchistische Liedermacher Christoph Holzhöfer, dass Mühsam auch heute ein Feind aller Autoritären und ein großer Klassenkämpfer sein würde. Er lieferte damit das Kontrastprogramm zu seinen Vorrednern von der Lübecker Erich Mühsam-Gesellschaft, die aus dem Namensgeber eine Art freundlichen Querdenker machen wollen, der sich heute vielleicht über die Überwachung durch die USA sorgen würde. Natürlich können die sozialdemokratischen Mühsam-VerwalterInnen keine Gedenkrede ohne ein Zitat von Willy Brandt und Heide Simonis halten. Nun sind die Reden bei Ausstellungseröffnungen – meist zu Recht – schnell vergessen. Doch auch in der Ausstellungsankündigung wird Mühsam zu einer Art Lifestyleanarchisten entpolitisiert. „Er lebte seine Vorstellung von Anarchismus und somit gehört seine Persönlichkeit in einem weit größeren Ausmaß, als dies bei anderen Schriftstellern der Fall ist, zu seiner Wirkung dazu“, heißt es da. Konsequenterweise wird Mühsam als Bohème und jüdischer Intellektueller erwähnt. Doch der Revolutionär und Klassenkämpfer Mühsam, der sich für sein Engagement den Hass der herrschenden Klasse zugezogen hat, kommt hier ebenso wenig vor, wie der Rote Hilfe-Aktivist, der für die Freilassung aller Gefangenen eintrat. So wird davon schwadroniert, dass für Mühsam die Münchner Räterepublik „das konsequente Gegenmodell zur Bürgerwelt der Väter“ gewesen sei. Dass für Mühsam die Räterepublik das Werk der arbeitenden Menschen sein sollte, wird dort nicht erwähnt. Doch so sehr sie es auch versuchen, Erich Mühsam, der Zeit seines Lebens die SozialdemokratInnen aller Parteien mit Hohn und Spott bedacht hatte, lässt sich auch im Museum nicht noch posthum in deren Reihen eingemeinden.

Direkte Aktion 231 – Sept/Okt 2015

https://www.direkteaktion.org/231/Was-haette-wohl-Muhsam-dazu-gesagt

Peter Nowak

Martin Hohmann vor einem politischen Comeback?

Der frühere CDU-Abgeordnete, wegen einer antisemitischen Rede aus der Partei ausgeschlossen, kandidiert jetzt für die AfD

Um den ehemaligen CDU-Direktkandidaten aus dem osthessischen Fulda war es in den letzten Jahren stillgeworden. Dabei hat er 2003 kurze Zeit für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Nach einer allgemein als antisemitisch eingeschätzten Rede [1] wurde Hohmann aus der Union ausgeschlossen. In der Rede forderte er “Gerechtigkeit für Deutschland“ und erklärte, wenn Deutschland wegen der NS-Verbrechen zum Tätervolk gestempelt würde, müsse das auch für die Juden gelten. Damit spielte er auf jüdische Kommunisten und Revolutionäre bei der Oktoberrevolution und in anderen revolutionären Prozessen an.

Bis zum Ende des Legislaturperiode 2005 saß er noch als parteiloser Abgeordneter im Bundestag. Bei der Bundestagswahl 2005 kandidierte Hohmann als Unabhängiger mit dem von verschiedenen rechten Gruppen verwendeten Motto Gott, Familie, Vaterland [2]. Er wurde auch nach seinen Ausschluss aus der Union von verschiedenen Gruppierungen rechts von der Union umworben. Hohmann ließ sich auch als Beobachter bei verschiedenen Zusammenkünften rechter Gruppierungen sehen, war aber nicht zu einem Engagement in diesen Gruppen bereit. Dagegen betonte er immer wieder, dass er sich weiterhin als Christdemokrat verstehe und darum kämpfe, wieder in die Partei aufgenommen zu werden. Nach einiger Zeit hat das Interesse an Hohmann abgenommen.

Nun will er wieder in die Politik zurück. Gegenüber Osthessennews [3] kündigte er an, als Nummer eins auf der Kreistagsliste in Fulda für die AfD kandieren zu wollen. Auch eine mögliche AfD-Mitgliedschaft schloss Hohmann nicht aus: „Ich sehe mich als Mitglied von einem Team – alle sind gleich viel wert, auch wenn ich unbestritten die größte kommunalpoltische Erfahrung habe.“ Mitglied der AfD ist Hohmann noch nicht.

Man könnte sagen, ich befinde mich gerade in der Verlobungsphase, bin aber zuversichtlich und werde bald eine Entscheidung treffen.

Zum Zeitpunkt äußerte er sich nicht. „Für die Kandidatur und auch die Wahl ist eine Mitgliedschaft nicht notwendig.“

Nimmt Hohmann Rache an Merkel?

In den Osthessennews heißt es, dass Hohmann im Landkreis Fulda noch immer einen großen Unterstützerkreis hat. Tatsächlich ist dort die Union noch immer sehr stark von dem langjährigen CDU-Rechtsaußen Alfred Dregger geprägt, der bis zu seinem Tod stolz darauf war, in der deutschen Wehrmacht gegen die Rote Armee gekämpft zu haben. Dregger gehörte auch zu den vehementesten Gegnern der Ausstellung über die Verbrechen der Wehrmacht [4].

Hohmann war gleich in mehrfacher Hinsicht Dreggers Nachfolger. Der Parteiausschluss hatte in der Fuldaer CDU nie eine Mehrheit und wurde vor allem von der Merkel-CDU durchgesetzt. Hohmanns Anhänger verwiesen immer darauf, dass dessen inkriminierte Rede falsch interpretiert wurde. Er habe ja gerade die Juden nicht als Tätervolk bezeichnet, weil er auch für die Deutschen diesen Terminus ablehnt.

Tatsächlich aber zeigt der Wortlaut der Rede, bei der er sich positiv auf eine antisemitische Schrift von Henry Ford beruft, viele Elemente des Antisemitismus. Dass Hohmann als Einzelkandidat 2005 in Osthessen 39.000 Stimmen und damit 22 % bekommen hat, zeigt auch, dass er einen Unterstützerkreis in der Region hat. Dass er gerade jetzt kandiert, kann auch als Rache an der Merkel-CDU gewertet werden, die seinen Parteiausschluss stark vorantrieb.

Der Zeitpunkt ist bewusst gewählt. Große Teile der Union sind über Merkels Agieren in der Flüchtlingskrise verunsichert, manche drohen sogar mit offener Rebellion. Darauf spielt Hohmann an, wenn er als Grund für seinen Wiedereinstieg in die aktive Politik angibt:

Die aktuelle Politik ist befremdlich und stellt Defizite dar. Ich kann da nicht einfach auf dem Sofa sitzen bleiben – das ist nicht meine Art.

So ist Hohmanns Kandidatur für die AfD auch eine Aufforderung an andere Politiker des rechten Parteiflügels. Zumindest manche Politiker, die keine Karrierechancen in der Union mehr haben, könnten sich angesprochen fühlen. Da wäre beispielsweise die langjährige Vertriebenenpolitikerin Erika Steinbach [5] zu nennen.

Die bekennende Dregger-Anhängerin [6] in der Union hatte sich damals gegen Hohmanns Ausschluss ausgesprochen [7], vor einigen Monaten aus der aktiven Politik zurückgezogen und schon mehrmals deutlich gemacht, dass sie sich mit der aktuellen Politik unter Merkel wenig identifiziert. Interessant dürfte auch die Reaktionen auf Hohmanns Kandidatur in der AfD sein, die ja immer betonte, dass sie mit Antisemitismus in all seinen Formen nicht in Verbindung gebracht werden will.

Peter Nowak

http://www.heise.de/tp/news/Martin-Hohmann-vor-einem-politischen-Comeback-2866634.html

Links:

[1]

http://www.heise.de/tp/artikel/15/15981/1.html

[2]

http://www.martinhohmann.de/

[3]

http://osthessen-news.de/n11515173/ex-mdb-martin-hohmann-kehrt-in-politik-zur%C3%BCck-als-nr-1-der-afd-im-kreis.html

[4]

http://www.juedische-allgemeine.de/article/view/id/17514

[5]

http://www.erika-steinbach.de/

[6]

http://www.erika-steinbach.de/index.php/in_der_Politik.html

[7]