Was hätte wohl Mühsam dazu gesagt…

Zwei Rückblicke auf Ausstellungseröffnung und Tagung

Vor über 81 Jahren ist Erich Mühsam gestorben. Die wirkliche Anerkennung ist ihm erst posthum zuteil geworden. Doch so sehr er geschätzt wird – Mühsam bleibt mühsam. An ihm scheiden sich die Geister und auch seine „AnhängerInnen“ sind nicht immer einer Meinung, wenn es um sein Wirken und seine Rezeption geht. Aus diesem Grund sind zur aktuellen Mühsam-Ausstellung in Meiningen zwei Autoren vertreten.

„Meiningen und seine Anarchisten“ lautet der Titel der Ausstellung, die bis zum 27. September im Meininger Schloss Elisabethenburg zu sehen ist. Bei der Eröffnung am 17. Mai betonte der anarchistische Liedermacher Christoph Holzhöfer, dass Mühsam auch heute ein Feind aller Autoritären und ein großer Klassenkämpfer sein würde. Er lieferte damit das Kontrastprogramm zu seinen Vorrednern von der Lübecker Erich Mühsam-Gesellschaft, die aus dem Namensgeber eine Art freundlichen Querdenker machen wollen, der sich heute vielleicht über die Überwachung durch die USA sorgen würde. Natürlich können die sozialdemokratischen Mühsam-VerwalterInnen keine Gedenkrede ohne ein Zitat von Willy Brandt und Heide Simonis halten. Nun sind die Reden bei Ausstellungseröffnungen – meist zu Recht – schnell vergessen. Doch auch in der Ausstellungsankündigung wird Mühsam zu einer Art Lifestyleanarchisten entpolitisiert. „Er lebte seine Vorstellung von Anarchismus und somit gehört seine Persönlichkeit in einem weit größeren Ausmaß, als dies bei anderen Schriftstellern der Fall ist, zu seiner Wirkung dazu“, heißt es da. Konsequenterweise wird Mühsam als Bohème und jüdischer Intellektueller erwähnt. Doch der Revolutionär und Klassenkämpfer Mühsam, der sich für sein Engagement den Hass der herrschenden Klasse zugezogen hat, kommt hier ebenso wenig vor, wie der Rote Hilfe-Aktivist, der für die Freilassung aller Gefangenen eintrat. So wird davon schwadroniert, dass für Mühsam die Münchner Räterepublik „das konsequente Gegenmodell zur Bürgerwelt der Väter“ gewesen sei. Dass für Mühsam die Räterepublik das Werk der arbeitenden Menschen sein sollte, wird dort nicht erwähnt. Doch so sehr sie es auch versuchen, Erich Mühsam, der Zeit seines Lebens die SozialdemokratInnen aller Parteien mit Hohn und Spott bedacht hatte, lässt sich auch im Museum nicht noch posthum in deren Reihen eingemeinden.

Direkte Aktion 231 – Sept/Okt 2015

https://www.direkteaktion.org/231/Was-haette-wohl-Muhsam-dazu-gesagt

Peter Nowak