Als Mieter keine Lippe riskieren

Hausbesitzer bekommen häufig Recht, wenn sie renitenten Bewohnern kündigen

Recht und Gerechtigkeit sind verschiedene Dinge, wie vor Gericht immer wieder zu erleben ist. Mieter riskieren oft schon für unbotmäßiges Verhalten gegenüber dem Vermieter die Kündigung.

Der Soziologe Achim Szepanski ist ein Mann des Wortes, der den Kapitalismus in Essays und Büchern analysiert hat. So verfasste er 2012 einen Essay »Geld und Zeit – Zur Strukturalität des Finanzkapitalismus«. Doch dass er wegen einer E-Mail in den nächsten Wochen seine Wohnung in einem Altbau am Frankfurter Mainufer, in der er seit fast 20 Jahren lebt, verlassen soll, hätte sich selbst der langjährige Kapitalismuskritiker nicht träumen lassen.

Am 9. Juni 2014 monierte Szepanski in einem längeren Schreiben an einen Mitarbeiter seines Vermieters, man gehe »mit durchkonstruierten Stories und faschistischem Touch« gegen ihn vor. Diesem Satz war eine längere Auseinandersetzung mit dem Vermieter, der Basler Versicherung, vorausgegangen. Der Anwalt der Gegenseite habe ihm Vorwürfe gemacht, ohne sie belegen zu können, beschreibt Szepanski seine Sicht. So sei ihm ohne Beweise vorgeworfen worden, für einen Brand im Jahr 2011 verantwortlich zu sein, bei dem er selber verletzt wurde, was Szepanski besonders empört. »Fakt ist, dass ich die bis heute unaufgeklärte Brandstiftung, die vom Keller ausging, im vierten Stock arbeitend, bemerkt hatte. Ich musste von der Feuerwehr aus der Wohnung geholt werden und war dann wegen Rauchvergiftung im Krankenhaus. Ich hatte damals das Übergreifen des Brandes auf das ganze Haus verhindert«, erklärte Szepanski. Vergeblich machte der Mieter vor Gericht geltend, dass er niemanden als Faschisten bezeichnet habe und lediglich von einem »faschistischen Touch« sprach.

Doch das Frankfurter Amtsgericht gab dem Vermieter Recht, der ihm gekündigt hatte. Mit der Mail habe Szepanski »seine vertraglichen Pflichten nicht unerheblich verletzt«. Auch ein Sprecher des Eigentümers verteidigt die Kündigung, weil sich Szepanski einer »verächtlichen Ausdruckweise« bedient habe. »Es ist unsere Pflicht als Arbeitgeber, unsere Mitarbeiter gegen solche Form von Beleidigungen zu schützen«, erklärte der Sprecher der Basler Versicherung, Thomas Wedrich, gegenüber der »Frankfurter Rundschau«.

Immer wieder ärgern sich Mieter über Gerichtsentscheidungen, die die Wohnungseigentümer bevorzugen. Auch die Berliner Rentnerin Irmgard Warnke hat den Glauben an die Gerechtigkeit verloren. Sie hatte sich im letzten Jahr an die Presse gewandt, nachdem ihre Wohnung in Berlin-Kreuzberg gekündigt worden war. Vorausgegangen waren aufreibende Auseinandersetzungen mit den neuen Eigentümern der Wohnung. Der »Berliner Kurier« berichtete über die Entmietungsstrategien gegenüber »Oma Ingrid«. Doch der Artikel brachte ihr neuen Ärger und eine Klage ein. Weil sie einem Redakteur der Zeitung die Telefonnummer des Vermieters gegeben hatte, damit der nach einer Stellungnahme zu den Vorwürfen fragen könne, verurteilte das Berliner Amtsgericht die 71jährige zu einer Strafe von 500 Euro. »Frau Warnke ist eine gebildete Frau, die sich zu wehren weiß, Unterstützung gesucht und auch gefunden hat. Trotzdem wird sie nicht in ihrer Wohnung bleiben können«, schreibt das Berliner »Mieterecho«, die Zeitung der Berliner Mietergemeinschaft. Vor einigen Wochen ist Frau Warnke ausgezogen, um eine Zwangsräumung zu vermeiden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/981382.als-mieter-keine-lippe-riskieren.html

Peter Nowak