Kapitalismuskritik mit dem Club of Rome

„Ist der Kapitalismus ein Verbrechen?“ In Berlin wurde die Frage auf einer „Vorverhandlung des Kapitalismustribunals“ aufgeworfen

„Ist der Kapitalismus ein Verbrechen?“ Diese Frage stellen sich auch in Deutschland wieder mehr Menschen, nachdem sie mit erlebt haben, wie eine durch Wahlen und ein Referendum bestätigter Weg für eine Reformalternative innerhalb der EU durch Deutsch-Europa verhindert wurde.

Das mag auch ein Grund gewesen sein, warum sich am schwülheißen Samstagabend viele Menschen im Heimathafen Neukölln zur zweiten Vorverhandlung des Kapitalismustribunals [1] versammelten, um genau die Frage nach der Kriminalität des Kapitalismus zu erörtern [2]. Bereits einen Monat zuvor hatte man in an gleichen Ort über die ökologische Frage debattiert.

Wider das T.I.N.A.-Denken von Thatcher bis Schäuble

Bei beiden Treffen war das Publikum für zwei Stunden zum Zuhören verurteilt. Anfangs berichtete eine junge Frau, die sich T.I.N.A nannte und das Bonmot der Pinochet-Freundin Margret Thatcher erinnerte, das heute von Schäuble und Gabriel in Griechenland fortgesetzt wird: “There is no alternative“. Der Slogan beinhaltete in der Vergangeheit auch, dass Versuche alternativer Systeme blutig zerschlagen wurden.

Das hat Pinochet 1973 beim Putsch gegen die Allende-Regierung vorexerziert und seine Gesinnungsgenossin und persönliche Freundin Thatcher beim Bürgerkrieg gegen die streikenden Bergarbeiter, die als Feind im Innern bezeichnet wurden, fortgesetzt. Viel zu wenig beachtet wird, dass auch die Austeritätsdiktate gegen Griechenland eine Schwächung der Gewerkschaften und eine Beschneidung ihrer Rechte beinhalten.

Auf diese Ebene gelangten allerdings die Gespräche am Samstagabend nicht. Es blieb hauptsächlich bei der moralischen Ablehnung des Kapitalismus. T.I.N.A. berichtete über die Zwangsräumung einer einkommensschwachen Nachbarsfamilie und schilderte, wie die Unterstützer der Familie von der Polizei weggetragen wurden. Dass es in Berlin seit Jahren Widerstand gegen Zwangsräumungen [3] gibt, die durch eine wissenschaftliche Studie [4] noch Auftrieb bekommen haben, blieb unerwähnt. So wirkte das trotzige Bekenntnis von T.I.N.A. auch eher theatralisch. Der Eindruck wurde noch verstärkt, als der rote Bühnenvorhang gelüftet wurde und der Blick auf die Podiumsdiskutanten aus dem Wissenschaftsbereich freigegeben wurde.

Der Ökonomieprofessor Graeme Maxton [5] betonte, dass es ihm mehr um Ökologie als um die Wirtschaft ginge und er daher auch keine Antworten auf die Krise des Kapitalismus habe. Der Keynesianer Trevor Evans [6] geißelte mit starken Worten die gegenwärtigen Praktiken des Kapitalismus, betonte aber immer wieder, wie gut doch der Kapitalismus in den 60er Jahren funktionierte. Dass damals weltweit eine außerparlamentarische Bewegung gegen das Leben in diesem Kapitalismus auf die Straße ging, wurde dabei ebenso ausgeblendet wie der Vietnamkrieg, der damals seinen blutigen Höhepunkt erreichte.

Es blieb dem Politikwissenschaftler Ulrich Brand [7] vorbehalten, sowohl gegen eine Verklärung des keynsianistischen Kapitalismus als auch gegen eine Trennung von Ökologie und Ökonomie zu warnen. Zugeschaltet war Linkssozialistin Lucie Redler [8], die noch einmal das „Griechenland-Diktat“ verurteilte. In dieser Frage waren sich Podium und Publikum weitgehend einig. Doch schon die Dramaturgie der Veranstaltung erweckte Unmut. Denn die Frauen und Männer, die kurze Fragen stellen, die die an Lehrsätze aus dem Brecht-Theater erinnerten, waren Teil der Aufführung. Erst in den letzten 20 Minuten kam dann das Publikum zu Wort.

Politik der Angst

So sprachen neben Verteidigern des Kapitalismus auch Gewerkschafter, die daran erinnerten, dass man über den Kapitalismus nicht reden kann, ohne auch die Lohnabhängigen zu erwähnen, die im Kapitalismus ihre Arbeitsverkauf verkaufen müssen. Er erinnerte daran, dass heute in Deutschland viele Menschen ihre Reproduktionskosten nicht mehr durch ihren Lohn bezahlen können und daher als Aufstocker in das Hartz IV-Regime geraten.

Das wiederum funktioniere nach der gleichen Politik der Angst, die Ulrich Brand für die Austeritätspolitik in Griechenland konstatierte. So wie an Griechenland ein abschreckendes Exempel statuiert wurde, damit andere linke Bewegungen in Europa gar nicht erst auf die Idee kommen, ebenfalls dem Diktat Deutschlands Parole zu bieten, werde an Erwerbslosen mit Sanktionen und Schikanen diese Politik der Angst vorexerziert.

Dann war allerdings das Hearing schon zu Ende und es wurde auf die nächste Verhandlung am 4. Oktober im Haus der Kulturen verwiesen, auf der über die Schäden geredet werden soll, die der Kapitalismus anrichte. In Wien soll dann im nächsten Jahr das Kapitalismustribunal tagen. Ursprünglich war der Termin für Dezember vorgesehen. Doch wegen der vielen eingereichten Beispiele für die Ungerechtigkeit am Kapitalismus habe man den Termin verschoben.

Damit wird deutlich, wie groß das Bedürfnis nach einem solchen Tribunal ist. Allerdings ist es kein Zufall, dass die positiven und negativen Erfahrungen der Arbeiterbewegung dort kaum zu Wort kommen Schließlich ist die Expertengesellschaft des Club of Rome [9] für das Künstlerkollektiv Haus Bartleby Inspiration für das Kapitalismustribunal geworden. Dabei war die Lektüre von Personen aus dem Mittelstand, die dann aus ihrem Beruf ausgestiegen sind und zu Kritikern bestimmter Logiken des Kapitalismus geworden sind, ein wichtiger Anreiz.

Schließlich steht die Arbeit des Hauses Bartleby unter dem Motto der „Karriereverweigerung“. Wie und ob Hartz IV-Empfänger, die keine Gelegenheit hatten, eine Karriere zu verweigern, aber bei einer Verweigerung einer Niedriglohnstelle mit Sanktionen rechnen müssen, in diesen Tribunal einen Ansprechpartner haben, muss sich zeigen. Zumal der Club of Rome bisher nicht für antikapitalistische Strategien bekannt geworden ist.

Vielleicht hilft ein Besuch im Museum des Kapitalismus?

Die Frage, ob der Kapitalismus ein Verbrechen ist, könnte vielleicht ein Besuch im Museum des Kapitalismus [10] beantworten, das nun zum zweiten Mal ebenfalls in Berlin-Neukölln seine Pforten geöffnet hat.

Dort kann sich der Besucher selber spielerisch über die Wirkungsweise des Kapitalismus und seiner Folgen informieren und käme vielleicht zu dem Schluss, dass der Normalzustand des Kapitalismus schon auf Ausbeutung beruht und die scheinbar starken Worte, die den Kapitalismus als kriminell geißeln, auf der Sehnsucht nach einem fairen Kapitalismus beruhen, den es nie gegeben hat.

Im Publikum des Kapitalismustribunals wurden diese Zusammenhänge durchaus verstanden, wie gelegentliche Unmutsbekundungen zeigten, wenn sich ein Experte den guten, alten Kapitalismus der 1960er Jahre zu sehr schönredete.

Peter Nowak

Links:

[1]

http://capitalismtribunal.org/de

[2]

http://www.heimathafen-neukoelln.de/spielplan?url=Kapitalismustribunal2

[3]

http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/

[4]

https://www.sowi.hu-berlin.de/de/lehrbereiche/stadtsoz/forschung/projekte/studie-zr-web.pdf)

[5]

http://www.graememaxton.com/home

[6]

http://www.hwr-berlin.de/fachbereich-wirtschaftswissenschaften/kontakt/personen/kontakt/trevor-evans/

[7]

http://politikwissenschaft.univie.ac.at/index.php?id=17066

[8]

https://de-de.facebook.com/lucy.redler

[9]

http://www.clubofrome.de

[10]

http://www.museumdeskapitalismus.de/

Welthandeln

Zur länderübergreifenden Solidarität im Amazon-Streik

Roberto   Luzzi bekam am 30. März viel Applaus im  Streikzelt der Amazon-Beschäftigten in Leipzig. Er hat im Rahmen einer Delegation der italienischen Basisgewerkschaft  SI Cobas den Streikenden einen Solidaritätsbesuch abgestattet und solidarische Grüße überbracht.   Bei einer Veranstaltung und einen Workshop in Berlin berichteten die SI-Cobas-GewerkschafterInnen, wie sie in den letzten Monaten  im italienischen Logistikbereich erfolgreich Beschäftigte organisieren und Tarifverschläge abschließen konnten, die für die  Beschäftigten Lohnerhöhungen und eine Verminderung der Arbeitshetze bedeuteten. Die großen italienischen Gewerkschaftsverbände haben an die Logistikunternehmer einen Brief geschrieben, in dem sie sich beschwerten, dass sie mit der    kleinen Basisgewerkschaft bessere Tarifverträge als mit ihnen abschließt. „Die haben nicht begriffen, dass diese Verträge kein Geschenk der Unternehmen  sondern  ein  Ergebnis der  kämpferischen Gewerkschaftspolitik ist“, meint Luzzi.

So haben die Streikenden im  italienischen Logistikbereich  die  Tore der Unternehmen blockier.  Weder Personen noch LKW kamen rein oder aus.  Der Warenverkehr stockte.   Die GewerkschafterInnen  wissen, dass sie damit die Logistikunternehmen am neuralgischen Punkt treffen.   Wenn es bei den Warenauslieferungen Verzögerungen gibt, verlieren die Unternehmen große Summen.  Deswegen sorgen Unternehmen wie Amazon vor. Es hat bereits vor Monaten eine Filiale im polnischen Poznan errichtet,  um die Waren von dort auszuliefern, wenn in Deutschland gestreikt wird.

Dieser schnelle Wechsel  ist in der Logistikbranche auch deshalb besonders einfach, weil  in der Branche  kein aufwendiger Maschinenpark verlegt werden muss.  Die  GewerkschafterInnen  betonten auf den Workshop in Berlin,    dass damit auch eine länderübergreifende Streiksolidarität in der Branche erleichtet werden könnte.    Schließlich habe das  Standortdenken   bei Lohnabhängigen der fordistischen Schwerindustrie eine reale Grundlage auch in dem Maschinenpark, der nicht so leicht zu ersetzen oder auszulagern ist.   Dieses Standortdenken erschwerte aber  länderübergreifende  Kämpfe.    Wie die SI-Cobas-GewerkschafterInnen bemühen    sich auch die  Gruppen der Amazonstreiksolidarität, die sich in verschiedenen Städten gegründet haben, um eine Ausweitung dieser Solidarität über Landesgrenzen hinweg.  Einige ermutigende Beispiele der letzten Monate wurden genannt. So streikten vor Weihnachten 2014 auch in Frankreich Amazon-Beschäftigte und bezogen sich auf den Arbeitskampf in Deutschland.   Auch im Amazon-Werk in Poznan wächst die Unzufriedenheit der Beschäftigten. In  einem  Bericht eines der Beschäftigten, der kürzlich auf Deutsch übersetzt wurde, heißt es über die Stimmung Ende 2014 in dem  Werk:

„Im Dezember drang die Unzufriedenheit der Leiharbeiter  bei Amazon an die Öffentlichkeit: Sie fingen an, sich wegen nicht pünktlich gezahlter Löhne, Unregelmäßigkeiten bei der Berechnung der Löhne und überfüllter Kantinen an die lokalen Medien zu wenden.“  Mittlerweile sind zahlreiche Amazon-Beschäftige von Poznan in die kämpferische Basisgewerkschaft Workers Initiative eingetreten. Vielleicht  wird beim  nächsten Amazon-Streik tatsächlich  ein Alptraum für die Manager war. und  die Arbeitskämpfe    und nicht nur das Kapital  können keine Landesgrenzen mehr.

Herausforderung der Amazon-Streiksolidarität

Inzwischen sind ca. 150 Amazon-Beschäftigte in Poznan in einer  Betriebsgruppe der Inicijatywa Pracownicza (IP) organisiert. Sie ist 2004 als  Alternative zu den bürokratisierten, mit den verschiedenen Regierungsparteien verwobenen Gewerkschaften in Polen entstanden. Die IP versteht sich als Basisgewerkschaft in anarchosyndikalistischer    und syndikalistischer Tradition. Ihre Hauptprinzipien sind die Unabhängigkeit vom Kapital und  eine konsequente innergewerkschaftliche Demokratie. In Poznan hat sie IP eine Petition gegen die permanente Steigerung der Produktionsnormen  im Amazonwerk lanciert und am 15. Mai 400 Unterschriften dazu präsentiert. Der Kampf gegen die Steigerung der Arbeitsnormen und der Arbeitshetze ist aktuell das zentrale Kampffeld der IP bei Amazon-Poznan. Am 23. Mai  beteiligten sich an einer IP-Demonstration in Warschau auch  gewerkschaftlich aktive Amazon-Beschäftigte aus Deutschlandl.

Die Herstellung solcher Kontakte ist auch eine Herausforderung für die Amazon-Streiksolidarität, die sich in verschiedenen Städten gegründet hat. Schwerpunkte sind Leipzig, Frankfurt/Main und Berlin. Es gab mittlerweile zwei bundesweite Treffen, eins in Leipzig und eins in Frankfurt/Main. Dabei  gab es auch Diskussionen, ob diese Streiksolidarität über die Unterstützung  verdi.-Aktivitäten hinaus eigene Akzente setzen soll. Die Kontakte mit KollegInnen von SI Cobas  aus Italien oder der Workers Initiative  aus Polen  sind  ein solcher eigenständiger Akzent.  Beide Basisgewerkschaften gehören nicht zu den BündnispartnerInnen des DGB und seiner Einzelgewerkschaften. Die Verdi-Gewerkschafterin Mechthild Middeke  sprach im Interview mit dem Express 3-4/2015   über die  Kontakte des DGB und seiner polnischen Partnergewerkschaften in Poznan. Daher wäre der  Kontakt zu Gewerkschaften wie SI Cobas und IP ein wichtiger Part der Amazon-Solidarität. Im Anschluss an die Blockupy-Proteste    am 18. März in Frankfurt/Main und im Rahmen des Blockupy-Nachbereitungstreffens im Mai 2015 in Berlin  gab es ein eigenes Treffen für die  Koordinierung der  transnationalen Betriebs- und Streiksolidarität. In den nächten Monaten sollen die Kontakte intensiviert werden.

http://www.labournet.de/express/

aus:  express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit

4/5-2015

Peter Nowak

Realismus in der Rigaer

In Berlin-Friedrichshain feierten ehemalige Hausbesetzer und Unterstützer ein einwöchiges Straßenfest. Doch mit welchen Mitteln derzeit für bezahlbaren Wohnraum gekämpft werden kann, ist umstritten.

Am vergangenen Sonntagabend sorgten zwei Mülleimer für große Aufregung bei den Bewohnern der Rigaer Straße 94 in Berlin-Friedrichshain. Ein großes Polizeiaufgebot war in den Hof des Hauses eingedrungen, um die beiden Behälter abtransportieren zu lassen. Es handelt sich bei dem Gebäude nicht nur um das letzte noch besetzte in der Rigaer Straße. Die meisten dort wohnenden Menschen betonen auch ihre anarchistische Gesinnung und sind auf die Polizei nicht besonders gut zu sprechen. Dass es am Sonntagabend nicht zu Straßenschlachten kam und keine Autos brannten, lag an der autonomen Szene. Als die Situation zwischen der Polizei und den aus der Umgebung eingetroffenen Unterstützern des Hauses zu eskalieren drohte, erklang plötzlich das schallende Gelächter einer jungen Frau. Bald stimmten auch viele Unterstützer ein und selbst einige Polizisten konnten nur mühsam ein Lachen unterdrücken.

Schon in den vorangegangenen Tagen hatte man sich in der Rigaer Straße eher an einer Clownsarmee als am Schwarzen Block orientiert. Viele der ehemals besetzten Häuser und alternativen Projekte in der Umgebung hatten unter dem etwas großspurigen Motto »Lange Woche der Rigaer Straße« zu einem Straßenfest der Superlative aufgerufen. »Damit hat Friedrichshain Neukölln überholt«, meinte ein Spötter. Neukölln feiert einmal im Jahr das vom Bezirksamt groß­zügig gesponserte Stadtteilfest »48 Stunden Neukölln«. Die »Lange Woche« der Rigaer Straße war nicht nur länger, sondern kam auch ohne staatliche Bezuschussung aus. Do it yourself war die Devise bei den zahlreichen Workshops und Veranstaltungen, die vergangene Woche rund um die Rigaer Straße angeboten wurden. Dazu gehörte auch ein Umsonst-Flohmarkt, mit dem besonders die Nachbarn angesprochen werden sollten, die nicht in ehemals besetzten Häusern zur Miete wohnen. Mit Flugblättern wurden die Anwohner informiert, dass man mit dieser Art des Flohmarktes auch den Einfluss des Geldes zurückdrängen wolle. Doch ob damit eine nichtkapitalistische Gesellschaft näher rückt, ist fraglich. Zumindest manche Hartz-IV-Empfänger werden sich bei dieser Einladung eher daran erinnert gefühlt haben, dass sie von den Jobcentern auf Flohmärkte und Lebensmitteltafeln verwiesen werden, wenn sie Anträge zum Kauf eines Haushaltsgeräts stellen.

Sympathie bei den Anwohnern erlangten die Organisatoren der »Langen Woche« eher wegen des Polizeieinsatzes, mit dem gegen den Flohmarkt vorgegangen wurde – mit der Begründung, dass er nicht angemeldet sei. »Mich hat der Lärm vom Generator für den Lichtmast der Polizei gestört, der vor meinem Fenster aufgebaut war, und nicht der Flohmarkt«, monierte beispielsweise ein Anwohner.

Über bloß diffuse Sympathie hinaus gingen einige Mieter der Rigaer Straße, die sich in einen Offenen Brief an die Organisatoren der Protestwoche wandten und zur Kooperation gegen die Gentrifizierung in Friedrichshain einluden. Das Schreiben begann allerdings mit einer impliziten Kritik an der Protestkultur der autonomen Szene: »Wir sind teilweise nicht mehr in dem Alter und der Lage, uns an einer Demonstration zu beteiligen, auf der nur gerannt wird.« Dann richteten die Mieter den Fokus auf den Teil der Rigaer Straße, in dem es keine besetzten Häuser gibt und der bei den Organisatoren der »Langen Woche« eher ausgeblendet wird. So wird beschrieben, wie ein Besitzer eines T-Shirt-Ladens sich das Leben nahm, nachdem ihm gekündigt worden war. Angekündigte Dachgeschossausbauten und der Bau eines neuen Kulturhofes auf dem Gelände einer ehemaligen Möbelfabrik werden in dem Schreiben als Zeichen einer neuen Gentrifizierungsdynamik gedeutet, gegen die sich alle Bewohner zusammen wehren sollten.

Die Kritik an einer Besetzernostalgie wird auch von einigen Organisatoren der »Langen Woche« geteilt. Sie deckt sich nicht mit einer Realität, in der bis auf eine Ausnahme in allen Häusern reguläre Mietverhältnisse bestehen. Ob ein gemeinsamer Widerstand aller Mieter in der Rigaer Straße zustande kommen wird, ist trotzdem offen. Immerhin zeigte der Brief einen großen Schwachpunkt der »Langen Woche« der Rigaer Straße auf. Die Nachbarn wurden zwar angesprochen, aber sie bekamen nur die Möglichkeit, sich an den ohnehin angebotenen Veranstaltungen und Workshops zu beteiligen.

Der Film »Mietrebellen« (Jungle World 47/2014) hingegen stellte eine alternative Mieterbewegung vor, an der sich Kleingartenbesitzer genauso beteiligen wie Senioren. Dass diese sich dabei Aktionsformen der Besetzerbewegung – ohne deren subkulturelle Elemente – bedienen, demonstrierten die Senioren der Stillen Straße in Berlin-Pankow. Sie besetzten mehrere Wochen einen von der Schließung bedrohten Seniorentreffpunkt. Auch die »Palisadenpanther« hatten keine Berührungsängste mit der außerparlamentarischen Mieterbewegung, als sie erfolgreich gegen angekündigte Mieterhöhungen in ihrer Seniorenwohnanlage protestierten. Der Komplex befindet sich in der Nähe der ehemaligen besetzten Häuser der Rigaer Straße.

Noch näher an der Rigaer Straße sind Bewohner, die Mieterräte gegründet haben, mit denen sie sich gegen ihre Verdrängung aus den als »Stalinbauten« bekannt gewordenen DDR-Repräsentationshäusern in der Frankfurter Allee wehren wollen. Ein Austausch über Räte damals und heute, über Entscheidungsprozesse und Aktionsformen wäre sicher interessant gewesen. Doch in dem umfangreichen Programm der »Langen Woche« war dafür kein Platz vorgesehen.

Auch Diskussionen mit der Treptower Stadtteilinitiative »Karla Pappel« suchte man im Programm vergeblich. Dabei hatte diese vor einigen Monaten unter dem Motto »Warum nicht wieder Häuser besetzen?« eine Debatte darüber angestoßen, welchen Stellenwert diese Aktionsform heute für die Mieterbewegung hat. Ausgangspunkt war die Vertreibung von Mietern in der Beermannstraße in Berlin-Treptow. Die Häuser sollen dem Ausbau der Stadtautobahn weichen (Jungle World 45/2014 ). Die verbliebenen Mieter waren mit einer Neubesetzung einverstanden. Doch mehrere Versuche, die autonome Szene dafür zu gewinnen, scheiterten. Am Ende mussten die Mieter die Häuser verlassen, bekamen aber großzügige Entschädigungen.

Die Erfahrungen von »Karla Pappel« wären auf der Friedrichshainer »Langen Woche« auch deshalb interessant gewesen, weil in beiden Gruppen Menschen mit libertären Ansichten engagiert sind. Für den Berliner SPD-Innenpolitiker Tom Schreiber, der in Berlin mit seinem Law-and-Order-Kurs die CDU und ihren Innensenator rechts überholen will, sind sowohl die Projekte der Rigaer Straße als auch »Karla Pappel« Fälle für Polizei und Justiz. »Wir werden alle rechtsstaatlichen Mittel nutzen, um extremistische Gruppierungen zu zerstören«, verkündete Schreiber bereits im Oktober 2011 im Anzeigenblatt Berliner Woche und rückte »Karla Pappel« in die Nähe des Linksterrorismus. Die Stadtteilinitiative hatte auf die Rolle der zahlreichen Baugruppen bei der ärmeren Bevölkerung in Treptow aufmerksam gemacht. Mittlerweile gibt es auch rund um die Rigaer Straße erste Baugruppen und die will Schreiber künftig vor Umsonst-Flohmärkten schützen. Im Tagesspiegel forderte er eine Sonderermittlungsgruppe Rigaer Straße und wies ihr gleich zwei Aufgaben zu: Der »Repressionsdruck muss erhöht werden«. Dabei müsse man sich besonders die »Szenelokale vornehmen«.

http://jungle-world.com/artikel/2015/29/52313.html

Peter Nowak

Mall of Berlin: Prozess um Löhne fiel aus

Die rumänischen Bauarbeiter, die auf der »Mall of Berlin« arbeiteten und um einen großen Teil des vereinbarten Lohns geprellt wurden, müssen weiter warten.

Am 16. Juli sollten zwei der sieben Klagenverfahren gegen die Openmallmaster GmbH (OMM), einem Subunternehmen beim Bau der »Mall of Berlin«, vor dem Berliner Arbeitsgericht stattfinden. Doch der Prozess wurde erneut verschoben. »Der vom Gericht geladene Dolmetscher war kurzfristig erkrankt. Der für ihn erschienene Vertreter war nicht vereidigt«, teilte der Rechtsanwalt Sebastian Kunz am Freitag mit. Der Arbeitsrechtler ist einer der Verteidiger der rumänischen Beschäftigten. Zudem erschien auch der Geschäftsführer der OMM, dessen Erscheinen vom Gericht angeordnet war, nicht zur Verhandlung. Er ließ durch seinen Anwalt mitteilen, er sei erkrankt und verhandlungsunfähig. Da zur Sache nicht verhandelt werden konnte, wird das Gericht einen neuen Kammertermin festsetzen.

In der kurzen Verhandlung stritt der Anwalt alle Vorwürfe gegen das Unternehmen seines Mandanten ab. OMM habe lediglich einen Bauleiter auf der Baustelle im Einsatz gehabt und alle Arbeiten durch Subunternehmen ausführen lassen. »Rechtlich ist das möglich. Aber ist das praktikabel und glaubwürdig?«, kommentierte die Basisgewerkschaft Freie Arbeiterunion (FAU) diese Einlassungen. Die rumänischen Bauarbeiter hatten sich an die FAU gewandt, nachdem sie vergeblich versucht hatten, ihren Lohn zu erhalten. Außerdem beklagten die Beschäftigten überlange Arbeitszeiten und unzumutbare Unterbringungen.

»Nun kämpfen die Bauarbeiter bereits mehr als acht Monate um ihren Lohn«, sagt ein FAU-Mitglied. Viele der betroffenen Arbeiter mussten neue Arbeitsplätze annehmen und können daher nicht in Berlin sein. Doch der Gewerkschafter betont auch, dass die Bauarbeiter den Kampf auf jeden Fall fortsetzen wollen. Für sie geht es dabei nicht um den vorenthaltenen Lohn.

Peter Nowak

Bundestag rettet Griechenland wieder einmal

Gegen transnationalen Streikbruch

Auch in Polen beginnen Amazon-Beschäftigte, für einen Tarifvertrag zu kämpfen

Beim Onlinehändler Amazon kämpfen die Beschäftigten in Deutschland seit zwei Jahren für den Tarifvertrag. Die Unternehmensstrategie ist, Pakete dann eben von Polen zu verschicken – noch. Auch hier beginnen die Kämpfe.

Nicht nur in Deutschland sind die Amazon-Beschäftigten mit ihren Arbeitsbedingungen unzufrieden. Auch im Amazon-Werk im polnischen Poznan fordern die KollegInnen verlängerte Pausenzeiten und eine Erhöhung des Stundenlohns von bisher 13 auf 16 Złoty. Das wären umgerechnet etwa vier Euro. Für das Amazon-Management ist der Arbeitskampf ein Warnsignal. Schließlich wurde die weltweit größte Amazon-Niederlassung in Poznan mit 3000 Beschäftigten im September 2014 eröffnet, um bei Streiks in den Amazon-Filialen in Deutschland in das Nachbarland ausweichen zu können. Einige Wochen später wurde bei Wroclaw ein weiteres Amazon-Verteilzentrum eröffnet.

»Aus Polen werden Kunden in ganz Europa beliefert«, erklärte der Logistikchef von Amazon Europe, Tim Collins, bei der Eröffnung des Werkes in Poznan und verhehlte nicht, dass von dort ein transnationaler Streikbruch geplant war. Dank des europaweiten Netzwerks mit insgesamt 28 Standorten, darunter auch in Polen und der Tschechischen Republik, werde trotz Arbeitsniederlegungen in Deutschland pünktlich geliefert »Amazon-Pakete kommen jetzt aus Polen«, titelte das »Handelsblatt« am 15. Dezember 2014. Damals brachten an verschiedenen Amazon-Standorten in Deutschland Beschäftigte das Weihnachtsgeschäft des Onlinehändlers durch Streiks ins Stocken.

»Die Polen arbeiten, die Deutschen streiken«, kommentierten konservative polnische Zeitungen. Doch die Beschäftigten dort wurden von den Arbeitskämpfen hier ermutigt, ebenfalls für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Eine wichtige Rolle spielte dabei die anarchosyndikalistische Gewerkschaft OZZ Inicjatywa Pracownicza (Arbeiterinitiative). In einen von der Gewerkschaft herausgegebenen Bulletin werden die Anfänge des gewerkschaftlichen Engagements bei Amazon-Poznan so beschrieben: »Im Dezember 2014 drang die Unzufriedenheit der Leiharbeiter bei Amazon an die Öffentlichkeit: Sie fingen an, sich wegen nicht pünktlich gezahlter Löhne, Unregelmäßigkeiten bei der Berechnung der Löhne und überfüllter Kantinen an die lokalen Medien zu wenden.« Auch durch die Kündigung von rund 100 Leiharbeitern ließ sich die Belegschaft nicht einschüchtern. Im Mai veröffentlichte sie eine Petition für bessere Arbeitsbedingungen. Vom 24. auf den 25. Juni solidarisierte sich ein Teil der Nachtschicht bei Amazon-Poznan durch demonstratives Langsamarbeiten mit dem Streik bei Amazon-Deutschland. Andere Beschäftigte stellten kurzfristig Urlaubsanträge, um nicht zum Streikbrecher zu werden. Zuvor hatten Mitglieder der Arbeiterkommission in dem Werk Flugblätter über den ver.di-Streik verteilt und dabei T-Shirts mit dem Slogan »Pro Amazon mit Tarifvertrag« getragen. In der Nähe der Niederlassung verkündeten Transparente: »Wir unterstützen die Streiks bei Amazon in Deutschland.«

»Amazon wird immer wieder versuchen, Beschäftigte an verschiedenen Standorten gegeneinander auszuspielen. Deswegen ist es wichtig, dass sich Beschäftigte aus verschiedenen Standorten über Ländergrenzen hinweg vernetzen und gemeinsam dafür streiten, bei Amazon das Recht auf gewerkschaftliche Vertretung, Tarifverträge und bessere Arbeitsbedingungen durchzusetzen,« zeigt sich die Presssprecherin des ver.di-Bundesvorstands Eva Völpel über die Solidaritätsaktionen erfreut.

Bisher gab es drei Vernetzungstreffen, an denen Gewerkschafter verschiedener Amazon-Standorte teilnahmen. Aus Polen waren neben Delegierten der Arbeiterkommission auch Vertreter der sozialpartnerschaftlich ausgerichteten Gewerkschaft Solidarnosc anwesend. Mit ihr hatte ver.di bereits in der Vergangenheit kooperiert. »Polnische Kollegen haben Amazon-Standorte in Deutschland während der Streiks besucht und sich zuletzt an der großen Streikkundgebung am 24. Juni 2015 in Bad Hersfeld beteiligt«, so Völpel. Die Kooperation mit der Arbeiterkommission wurde bisher vor allem von außerbetrieblichen Amazon-Solidaritätsgruppen vorangetrieben Einige Aktivisten beteiligten sich gemeinsam mit Amazon-Beschäftigten aus Deutschland am 23. Mai an einer von der Gewerkschaft organisierten Demonstration in Warschau.

Die Arbeiterkommission lädt vom 11. bis 13. September nach Poznan zu einen internationalen Treffen von Amazon-Beschäftigten unabhängig von ihrer Gewerkschaftszugehörigkeit ein. Das Ziel solle ein Austausch der Beschäftigten und nicht der Funktionäre sein, heißt es in dem im Internet verbreiteten Aufruf.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/978223.gegen-transnationalen-streikbruch.html

Peter Nowak

Selbstmord am Oranienplatz

Flüchtling sprang in den Tod

Am 7. Juli sprang ein Geflüchteter aus einem Haus in Berlin-Kreuzberg in den Tod. Der Suizid geschah in unmittelbarer Nähe des Protestcamps am Oranienplatz. Die Polizei gab die Information nicht an die Medien weiter.

Am Abend des 7. Juli sprang ein Mann aus der vierten Etage eines Gebäudes am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Als er gegen 19 Uhr gefunden wurde, konnte nur noch sein Tod festgestellt werden. Erst eine Woche später wurde der Suizid durch eine Pressemeldung des »Bündnisses gegen Rassismus« bekannt. In einer Pressemitteilung übt es heftige Kritik an Polizei und Medien. »Der Tod des Mannes wurde in keiner Weise von der Presse aufgegriffen. Polizei und Medien sehen sich offensichtlich nicht veranlasst, über diesen Tod zu berichten.«

Eine Mitarbeiterin der Pressestelle der Berliner Polizei bestätigte den Selbstmord. Der Mann habe vor seinen Suizid die Kontaktstelle für Flüchtlinge und Migranten aufgesucht. Dort habe er angegeben, seit drei Tagen in Deutschland zu sein und aus der Ukraine zu kommen. »Die Identität des Toten ist noch nicht geklärt. Die Ermittlungen laufen noch«, erklärt die Mitarbeiterin der Polizeipressestelle. Auch über die Hintergründe des Selbstmordes sei noch nichts bekannt. Momentan werde ein bei dem Toten gefundener Abschiedsbrief ausgewertet.

Die vom Bündnis gegen Rassismus angedeutete Vermutung, dass die Nachricht über den Selbstmord von der Polizei bewusst zurückgehalten worden sei, weist die Mitarbeiterin der Pressestelle zurück: »Wir berichten generell über Suizide nur dann, wenn daran ein öffentliches Interesse besteht. Das ist aber nur selten der Fall«. Diese Regelung solle auch die Privatsphäre der Betroffenen schützen.

Für das Bündnis gegen Rassismus ist der Selbstmord mehr als ein individuelles Schicksal. »Der Oranienplatz ist für uns ein Symbol des Refugee-Widerstands. Hier stand das Widerstandscamp, das für Geflüchtete aus vielen Städten zum Symbol für den Kampf gegen rassistische Sondergesetze geworden war«, erklärt einer der Aktivisten. Er erinnert daran, dass immer wieder Geflüchtete in Deutschland Selbstmord begehen, weil sie an den Verhältnissen, unter denen sie hier leben müssen, verzweifeln.

Das bestätigt auch Elke Schmidt von der Antirassistischen Initiative Berlin (ARI). Sie gehört zu einem kleinen Team, das eine jährlich aktualisierte Dokumentation über »Bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und ihre tödlichen Folgen« herausgibt. Die dort gesammelten Informationen werden immer akribisch auf ihren Wahrheitsgehalt geprüft. Danach gab es in den vergangenen zwei Jahren allein in Berlin sechs Selbstmorde von Geflüchteten. Für die Jahre 1993 bis 2014 hat die ARI 179 Suizide von Flüchtlingen dokumentiert. »Einige verübten Selbstmord aus Angst vor ihrer Abschiebung, andere konnten das Leben in den Flüchtlingsheimen nicht mehr aushalten, die ihnen von den Ausländerbehörden zugewiesen wurden«, sagt Elke Schmidt.

Noch wesentlich höher ist die Zahl der Selbstmordversuche. Zwischen 1993 und 2014 versuchten 1383 Menschen ihrem Leben ein Ende zu setzen oder verübten Selbstverletzungen. Schmidt sieht in den bundesdeutschen Asylgesetzen einen wesentlichen Grund für diese Verzweiflungstaten. Erst Ende Juni hatte die Bundesregierung diese Gesetze erneut verschärft.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/978213.selbstmord-am-oranienplatz.html

Peter Nowak

Das Ende des Projekts Rot-Rot-Grün

Pöbeln und wettern

RECHTE II Beim 28. „Abendspaziergang“ der Bärgida kam kaum Stimmung auf

Knapp 100 Menschen haben sich am Montagabend zum 28. „Abendspaziergang“ von Bärgida am Rande des Berliner Hauptbahnhofs getroffen. Neben einigen Deutschlandfahnen zeigte vor allem die Identiäre Bewegung auf der Kundgebung gleich siebenmal Flagge.
Verschiedene ausschließlich männliche Redner pöbelten gegen „die linke SA“, die „grün versiffte Linke“, den „Genderwahnsinn“ und die Organisation Pro Familia, die legale Abtreibungen fördere, was von einem Redner als „Massenmord auf Rezept“  diffamiert wurde. Ein Bärgida-Redner, der sich René nennt, echauffierte sich, dass er am vergangenen Wochenende beim Tag der Offenen Tür in der Flüchtlingsunterkunft Marzahn von AntifaschistInnen am Betreten des Hauses gehindert wurde.

Verschwörungsszenarien

Ein Mann, der sich als Mario vorstellte, enthüllte vor den mäßig interessierten ZuhörerInnen ein globales Verschwörungsszenario. „US- Obama“ habe mit einer Rede in Kairo den Arabischen Frühling mit dem Ziel ausgelöst, Europa mit Flüchtlingen zu überschwemmen. Ein Vertreter von PeGiDa Deutschland rief zur rechten Einheit auf und regte für die Bundestagswahlen 2017 eine Pegida-Kandidatur an.
Dabei bezog er sich auf die Oberbürgerwahlen in Dresden, bei der eine Pegida-Kandidatin ein zweistelliges Ergebnis erzielte. Das Publikum verfolgte die Reden eher desinteressiert. Stimmung kam nur kurz auf, als eine Gruppe von 20 rechten Hooligans zu der Kundgebung geleitet wurde. Sie wurde von Moderator und Mitglied der rechtspopulistischen Partei „Pro Deutschland“ Karl Schmitt als „unsere lieben Sportsfreunde“ begrüßt. Gratisbier gab es allerdings erst, bevor sich der Zug Richtung Brandenburger Tor in Bewegung gesetzt hatte. Dort
hielt der Bundesvorsitzende der Kleinstpartei „Die Freiheit“ eine Abschlussrede, in der er gegen den Islam wetterte.

GegendemonstrantInnen
Antifaschistische GegendemonstrantInnen begleiteten die Kundgebung und wurden von der Polizei auf Abstand gehalten. Daran beteiligten sich spontan auch einige SchülerInnen, die in Berlin Urlaub machten und in dem Hostel logierten, das am Auftaktort der Bärgida-Kundgebung liegt.

Taz-Berlin, 15.7.2015

Peter Nowak

Zwischen allen Stühlen

GWR-Redakteur Bernd Drücke über gewaltfreien Anarchismus und wie man als Außenseiter etwas bewegen kann

Bernd Drücke, 36, ist Soziologe in Münster und hauptamtlicher Redakteur der gewaltfrei-anarchistischen Monatszeitung »Graswurzelrevolution«.

Vor drei Jahren feierte die Monatszeitung »Graswurzelrevolution« (GWR) ihr 40-jähriges Bestehen, jetzt die 400. Ausgabe. Dienen die vielen Jubiläen der Lesergewinnung?
Sie schaden zumindest nicht. Die Aboentwicklung ist okay. Wir bekommen oft mehr Neuabos als Kündigungen. Die Zeitung wird durch Abos und Spenden finanziert, macht aber kaum Werbung und ist deshalb vielen unbekannt

Wieso überlebte die GWR die Auflösung der Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen, mit der sie eng verbunden war?
Die Föderation wurde 1980 als bundesweites Netzwerk anarchopazifistischer Gruppen mit antimilitaristischem Schwerpunkt gegründet und galt laut Verfassungsschutz als »größte anarchistische Organisation der Nachkriegszeit«. Ihre Entstehung hängt eng mit der seit 1972 erscheinenden GWR zusammen. Von 1981 bis 1988 war die Föderation Gewaltfreier Aktionsgruppen Herausgeberin der GWR. Seitdem wird die Zeitung wieder von einem unabhängigen Kreis herausgegeben, der sich aus etwa 40 Menschen zusammensetzt und alle Entscheidungen basisdemokratisch fällt. 1997 wurde die Föderation aufgelöst. Aber es gibt etliche ehemalige Mitglieder, die noch politisch aktiv sind und uns nahe stehen. Dazu findet sich einiges in der GWR 400.

Hatte diese Selbstständigkeit auch etwas Befreiendes, weil es jetzt keine politische Gruppierung mehr gab, die Einfluss nehmen konnte?
Die GWR ist assoziiertes Mitglied in einem globalen antimilitaristischen Netzwerk, den War Resisters’ International. Sie hat sich in den letzten Jahren geöffnet. Sie ist ein Sprachrohr emanzipatorischer sozialer Bewegungen aus aller Welt, von Anarchisten, Gewaltfreien Aktivisten, Feministinnen, Anti-Atom-, Anti-Gentech-, Anti-TTIP-Aktiven, von antirassistischen Gruppen, Antifas, Blockupy bis hin zu Menschen, die sich gegen Abschiebungen oder den Klimakiller Kohle stemmen.

Welchen Stellenwert hat der gewaltfreie Anarchismus heute in der außerparlamentarischen Linken?
Wir sind Außenseiter, können aber etwas bewegen. Wir wollen eine gewaltfreie Umwälzung von unten und vertreten Positionen, die anderswo nicht vorkommen. Nehmen wir das Beispiel Ukraine-Konflikt, da sitzen wir zwischen allen Stühlen. Wir lassen Anarchisten und Antimilitaristen aus Russland und der Ukraine zu Wort kommen, unterstützen die Deserteure und Verweigerer aller Kriegsparteien und agitieren sowohl gegen das homophob-autoritäre Putin-Regime als auch gegen NATO, EU, ukrainische und ostukrainische Nationalisten. Leider ist der gewaltfreie Anarchismus immer noch eine Nischenbewegung. Aber dass heute direkte gewaltfreie Aktionen und basisdemokratische Entscheidungsfindungen innerhalb der sozialen Bewegungen selbstverständlich sind, ist auch dem jahrzehntelangen Engagement von gewaltfreien Anarchistinnen zu verdanken

Wie ist Ihr Verhältnis zu marxistischen Ansätzen, die sich von autoritären Parteikonzepten distanzieren?
Kritisch-solidarisch. Der antiautoritäre Marxist John Holloway war zum Beispiel häufiger Interviewpartner und unter unseren Autoren sind auch Zapatistas und libertäre Marxisten. Als libertär-sozialistisches Blatt diskutieren wir undogmatisch-marxistische Theorieansätze aus anarchistischer Sicht.

Ein Teil der GWR-Artikel ist online zugänglich auf graswurzel.net, auch ausgewählte Artikel der 400. Ausgabe. Einzelheft 3,80 Euro, Schnupperabo 5 Euro, Probeexemplar kostenlos

http://www.neues-deutschland.de/artikel/977874.zwischen-allen-stuehlen.html

Peter Nowak

Islamfeinde und Verschwörungstheoretiker

Bei der Kundgebung des Berliner Pegida-Ablegers waren am gestrigen Montag neben dem Münchner Islamhasser Michael Stürzenberger auch rund 20 Hooligans dabei.

Knapp 100 Menschen hatten sich Montag  zum 28. „Abendspaziergang“ von Bärgida am Rande des Berliner Hauptbahnhofs getroffen. Das Mitglied der Partei  „pro Deutschland“ Karl Schmitt ging in der Eröffnungsrede  auf  die Anschlagsserie  im Regierungsviertel mit rechtem Hintergrund ein. Erst vor wenigen Tagen war ein Täter verhaftet worden. Der 48-Jährige wurde am Montagmorgen tot im Gefängnis aufgefunden. Schmitt spekulierte am Abend über eine „eine vom Verfassungsschutz gestellten Szene, welche mit Bärgida in Verbindung gebracht werden könnte“. Allerdings zog bisher eine solche Verbindung nur Schmitt selbst.

Neben Deutschlandfahnen zeigte beim „Abendspaziergang“ die „Identitäre Bewegung“ gleich mit unterschiedlichen Farbenkombinationen Flagge. Die Online-Plattform PI-News war wie in der Vergangenheit bei den Aufmärschen der Berliner Pegida-Ableger mit einem Transparent  mit der Parole „Die Islamisierung Europas stoppen“ vertreten. Auf selbst gemalten  Schildern gab es weitere Beispiele der extrem rechten Islamkritik: „Der Islam gehört zu Deutschland wie die Reeperbahn nach Mekka!“ oder „Der Islam fügt ihnen und ihren Angehörigen Schaden zu“, hieß es dort.

Grußworte von Legida und Pegida

Auf einem weiteren Schild wurde zum „ Kampf gegen Links“ aufgerufen.  Der stand auch im Mittelpunkt einer von vielen Tiraden  über die „linke SA“ und „links versiffte Antifa“ durchsetzte Rede des häufigen Bärgida-Redners René. Im Anschluss entwarf ein junger Mann, der sich als Mario vorstellte, ein globales Verschwörungsszenario. Danach soll eine Obama-Rede in Kairo die unter dem Begriff arabischer Frühling bekannt gewordenen Aufstände ausgelöst haben. Die wiederum führten zu einer Flüchtlingsbewegung, um Europa zu  überschwemmen. Das soll eine britische Zeitung bereits vor Jahren enthüllt haben. Grußworte gab es am Montag auch von Legida aus Leipzig und Pegida Deutschland.  Deren Redner  kündigte für  die Bundestagswahl 2017 nach dem Vorbild Dresden eine Kandidatur der Pegida-Bewegung an.

Das Publikum in Berlin hörte bei den Reden nur mäßig interessiert zu. Stimmung kam auf, als die Polizei rund 20 rechte Hooligans zu der Kundgebung geleitete, die  von Schmitt als „unsere lieben Sportsfreunde“ willkommen geheißen wurden. Zudem sei auch die Verpflegung gesorgt. Neben Wasser stünde auch Bier in Plastikflaschen gegen eine Spende bereit. Nachdem sich der Zug vom Hauptbahnhof zum Brandenburger Tor bewegt hatte, sprach der als Stargast angekündigte Münchner Rechtspopulist Michael Stürzenberger von der  Kleinstpartei „Die Freiheit“.  Wie seine alle seine Reden geißelte er den Islam und seine angeblichen Unterstützer.

aus: Blick nach Rechts

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/islamfeinde-und-verschw-rungstheoretiker

Das Beste wäre, wenn er bleiben könnte

ABSCHIEBUNG Flüchtlingsaktivist Kaboré soll trotz kritischen Gesundheitszustands abgeschoben werden
Am heutigen Dienstag soll der Flüchtlingsaktivist Abdoul Drammé Kaboré trotz kritischen Gesundheitszustands und einer geplanten Heirat nach Spanien abgeschoben werden. In seinem Herkunftsland Burkina Faso wurde er wegen seines Engagements in einer Oppositionspartei verfolgt. Kaboré beantragte in Spanien Asyl und reiste weiter nach Deutschland. Dort gehörte er zu einer Gruppe von 11 Geflüchteten, die im Mai 2014 vor der Gedächtniskirche gegen das europäische Abschiebesystem protestierten. Nach dem die Gruppe festgenommen wurde, kam Kaboré ins Abschiebegefängnis – seitdem versucht ihn die Ausländerbehörde nach Spanien abzuschieben, weil er dort das erste Mal EU-Boden betrat. Im Mai 2014 verhinderten 70 AntirassistInnen seine Abschiebung. Am 6. Juli 2015 musste erneut ein Abschiebeversuch abgebrochen werden – aus gesundheitlichen Gründen. „Mein Verlobter saß bereits im Flugzeug, als er ohnmächtig wurde“, sagte Dorothea Lipper der taz. Danach sei dieser unter ständiger Anwesenheit von Polizisten im Krankenhaus
untersucht worden. Ein Arzt habe erklärt, dass es für den Gesundheitszustand von Kaboré das Beste wäre, wenn er in Berlin bleiben könnte. Die Ausländerbehörde hat angeordnet, dass Kaboré bei einer erneuten Abschiebung von einem Arzt begleitet wird.
Update: Die Proteste hatten Erfolg. Kaboré wurde am Montagabend freigelassen. Die Abschiebung findet nicht statt.
aus Taz-Berlin 14.7.2015
Peter Nowak

Krank und erwünscht

Abdoul Drammé Kaboré soll abgeschoben werden

Die Abschiebung eines Asylsuchenden und Flüchtlingsaktivisten wurde bisher durch Protest verhindert. Nun soll der gesundheitlich angeschlagene Kaboré nach Spanien ausgeflogen werden.

An diesem Dienstag, dem 14. Juli, soll der Flüchtlingsaktivist Abdoul Drammé Kaboré trotz kritischen Gesundheitszustands und einer geplanten Heirat nach Spanien abgeschoben werden. Der Oppositionelle aus Burkina Faso hatte in Spanien Asyl beantragt und war dann weiter nach Deutschland weitergereist, wo er sich bei den Flüchtlingsprotesten engagierte.
Als Aktivist der Gruppe »Asylum Rights Evolution« beteiligte er sich im Mai 2014 an einem Besetzungsversuch der Berliner Gedächtniskirche. Die elf Geflüchteten aus verschiedenen afrikanischen Ländern forderten ein Bleiberecht und protestierten gegen das europäische Abschiebesystem. Die Kirche verweigerte ihnen den Schutz und die Gruppe wurde festgenommen. Kaboré wurde sofort ins Abschiebegefängnis Grünau gebracht. Die Ausländerbehörde will ihn seitdem nach Spanien abschieben. Nach dem Dublin III-Abkommen ist das Land für ihn zuständig, weil er dort seinen ersten Asylantrag stellte.

Ein erster Abschiebeversuch am 28. Mai 2014 scheitere an den Protesten von über 70 Aktivisten im Flughafen Tegel. In einem Aufruf der Unterstützer wurden damals auch Passagiere und der Flugkapitän aufgefordert, die Abschiebung zu verweigern. Daraufhin wurde sie abgesagt.

Kaboré hatte im vergangenen Jahr erklärt, er werde sich gegen die Abschiebung wehren, und durch lautes Schreien auf seine Situation aufmerksam machen. »Bei einer erneuten Abschiebung wird sich Kaboré nicht wehren. Der Grund liegt allerdings an seiner Traumatisierung und ist kein Einverständnis mit der Maßnahme«, sagte seine Verlobte Dorothea Lipper dem »neuen deutschland«. Am 7. Juli 2015 musste ein erneuter Abschiebeversuch von Kaboré aus gesundheitlichen Gründen ausgesetzt werden. »Er saß bereits im Flugzeug, wurde ohnmächtig und wurde von der Polizei in ein Krankenhaus gebracht«, so Lipper. Er sei dort unter ständiger Anwesenheit der Polizei untersucht worden. Der Arzt habe erklärt, es sei für Kaboré aus gesundheitlichen Gründen am besten, wenn er in Berlin bleiben könnte, erklärte ihn aber nicht für transportunfähig. Die Ausländerbehörde ordnete nun an, dass Kaboré bei der Abschiebung von einem Arzt begleitet wird.

Lipper beklagt die massive Grundrechteeinschätzung durch das Asylsystem. So haben Abschiebegefangene keine Möglichkeit, einen Arzt ihres Vertrauens zur Untersuchung zu konsultieren. Auch der Verlobungswunsch von Kaboré sei von den Behörden torpediert worden. Zudem macht sich Lipper große Sorgen um ihren Verlobten nach einer Abschiebung. »Er leidet unter massiven Angstzuständen, hat immer wieder Suizidgedanken und Alpträume. Doch in Spanien ist der Zugang zu medizinischer Hilfe schlecht und die Asylanträge werden erst nach mehreren Jahren bearbeitet.«

Uptdate: Die Kampagne gegen Abdoul Drammé Kaboré hatte Erfolg. Am Montagabend wurde er aus der Abschiebehaft entlassen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/977724.krank-und-erwuenscht.html

Peter Nowak

»Verdi hätte von sich aus nie zum Streik aufgerufen«


Andreas Heinz ist derzeit beurlaubter stellvertretender Betriebsrat und Mitglied der FAU-Betriebsgruppe des Kinos Babylon in Berlin-Mitte. Die FAU führte dort 2009 einen Arbeitskampf, dem der Geschäftsführer des Kinos, Timothy Grossman, sich entzog, indem er mit Verdi einen Haustarifvertrag zu für ihn günstigeren Bedingungen schloss.

Was ist der Anlass des aktuellen Babylon-Streiks?

Fünf Jahre nach Abschluss des Dumping-Tarifvertrages wurden Anpassungen nach und nach zugesagt. Doch davon ist nicht viel eingehalten worden. Die Arbeitsbedingungen sind eher schlechter geworden, und die Zahl der Kündigungen hat groteske Ausmaße angenommen. Die letzten vom damaligen Arbeitskampf verbliebenen Mitarbeiter wandten sich an Verdi. Die Gewerkschaft reagierte mit der Aufforderung, doch erst einmal sieben Mitglieder zu organisieren. Wir waren alle erstaunt, dass es gelang. Im September 2014 wurde der Haustarifvertrag zum Jahresende gekündigt. Erste Verhandlungen gab es erst im April 2015.

Wie geht es dem Kino wirtschaftlich?

Dem Kino müsste es nicht schlecht gehen. Es ist oft rappelvoll, Zuschauerzahlen, Eintrittspreise und Mietpreise für Einmietungen sind gestiegen. Doch es herrscht die alte Misswirtschaft: verschleppte Wartung und Instandsetzung, hohe Folgekosten, hohe Anwalts- und Gerichtskosten sowie hohe Personalausgaben in der Chefetage.

Vor einigen Jahren sorgte ein Streik der FAU beim Kino Babylon für große Aufmerksamkeit. Warum ruft jetzt Verdi zum Streik auf?

Verdi hätte von sich aus nie zum Streik aufgerufen, wurde aber von den Mitarbeitern dazu gedrängt. Verdi scheint sich seiner unrühm­lichen Rolle beim damaligen Arbeitskampf der FAU schmerzhaft bewusst zu sein und zu versuchen, diesmal alles richtig zu machen. Aber die Zeit drängt. Mehrere Mitarbeiter sind von Kündigung bedroht, andere sind bereits gekündigt.

Die FAU hat kürzlich eine Broschüre zum ersten Arbeitskampf vorgelegt. Wie kommt sie beim aktuellen Streik an?

Die Unterstützung durch die FAU Berlin, die einen öffentlichen Aufruf zur Unterstützung des Streiks verfasste, weckt Hoffnungen. Die Broschüre erinnert an den von heute aus gesehen sehr organisierten und professionellen Arbeitskampf. Einzelne FAU-Mitglieder sind sicher bereit zu helfen, aber ein organisiertes Eingreifen ist ohne Strategie und klaren Kurs von Verdi zurzeit nicht möglich.

http://jungle-world.com/artikel/2015/28/52285.html

Interview: Peter Nowak

Keine Schlacht

KIEZ Die lange Woche der Rigaer Straße geht recht ruhig zu Ende

„Wo finde ich das Treffen der Erstbesetzer der Liebigstraße?“, fragt ein Mittvierziger im Infoladen „Daneben“. Der Mann kam aus Stuttgart angereist, um ein Vierteljahrhundert später noch einmal mit den Menschen zusammenzutreffen, die 1990 Teil der Ostberliner BesetzerInnenbewegung waren. Das Wiedersehen fand im Rahmen der Langen Woche der Rigaer Straße statt, zu der zahlreiche der ehemals besetzten Häuser und alternativen Projekte rund um die Rigaer Straße eingeladen hatten  (taz berichtete). Am Samstag war zeitweise kein Durchkommen rund um die Straße. An Essensständen wurden Pizza und Veganes auf Spendenbasis angeboten. In vielen
Häusern sowie auf öffentlichen Plätzen wurden Workshops abgehalten. Dabei ging die Polizei immer wieder gegen das Aufstellen von Infoständen vor, weil diese – wie die gesamten Aktivitäten der Langen Woche – nicht angemeldet worden waren. Doch die in den Boulevardmedien seit Wochen prophezeiten Straßenschlachten blieben auch am Wochenende aus. Selbst die Demonstration gegen „Verdrängung und Polizeigewalt“, an der sich am Freitagabend rund 600 Menschen beteiligten, endete nur mit kleinen Geplänkeln –
und zahlreichen Festnahmen. Viele NachbarInnen ließen sich am Samstag nicht davon abschrecken, sich an der Aktionswoche zu beteiligen. Einige monierten den Lärm, der durch den Generator verursacht wurde, mit der die Polizei einen Lichtmast mit Strom speiste, der einen Teil der Rigaer Straße ausleuchtete. In einem auf der Homepage der Aktionswoche dokumentierten offenen Brief haben sich einige Mieter der Rigaer Straße mit den OrganisatorInnen der Langen Woche solidarisiert: „Wir wohnen teilweise mehrere Jahrzehnte in der Rigaer Straße. Wir sind Mieterinnen und Mieter und wir wollen hier wohnen bleiben. Wir gehen täglich mit offenen Augen durch
unseren Kiez und sehen täglich Erscheinungen, die uns Sorgen machen“, beginnt der Brief, in dem Beispiele für aktuelle Verdrängungen
auf der Straße beschrieben und für ein gemeinsames Vorgehen über die Aktionswoche hinaus geworben wird.
aus Taz:  13.7.2015  Printausgabe

Peter Nowak