»Alles ist kaputt«

Mieter der Grunewaldstraße erheben Vorwürfe gegen Hauseigentümer

Roma in Schöneberg beschuldigen ihren Vermieter, sie bedroht zu haben, um ihren Auszug zu erpressen. Sollte es einen weiteren Räumungsversuch geben, wollen sie vor dem Bezirksamt protestieren.

»Keine Fotos, keine Namen«, betonten die acht Mieter der Grunewaldstraße 87 im Stadtteil Schöneberg mehrmals eindringlich. Sie waren am Donnerstagnachmittag in die Räume der Roma-Selbsthilfeorganisation Amaro Foro nach Neukölln gekommen, um auf illegale Entmietungsmethoden aufmerksam zu machen. Der Besitzer des Hauses versuche, sie mit allen Methoden loszuwerden. Bereits Mitte Mai seien drei vom Eigentümer engagierte Männer in die Wohnungen der Rumänen eingedrungen und hätten sie zum sofortigen Verlassen des Hauses aufgefordert. Als sie sich weigerten, seien nicht nur ihnen Schläge angedroht worden. »Sie wüssten, wo unsere Kinder in die Schule gehen und würden sie entführen«, berichten die Betroffenen. Außerdem hätten die Männer gedroht, »unsere Frauen zu vergewaltigen«. Zwei Mieter berichteten, dass sie zu einem Café in Schöneberg gebracht worden seien, wo die Drohungen fortgesetzt worden sein sollen. Einer der Betroffenen hat Teile davon mit seinem Handy dokumentiert.

Von Polizei und Politik fühlen sich die Mieter im Stich gelassen. Sie hätten Anzeige erstattet und die Namen der Täter genannt. Zudem hätten sie gefordert, dass die das Haus nicht mehr betreten dürfen. Bisher sei nichts geschehen. »Die Polizei ist nicht auf unserer Seite«, meint eine Mieterin. Zum 1. Juni rechnen die Mieter mit erneuten Räumungsversuchen. »Wir wollen unsere Wohnungen nicht verlassen, weil wir dann obdachlos sind. Wenn es aber einen erneuten Räumungsversuch gibt, verlassen wir alle das Haus und bauen unsere Zelte in einem Park oder vor dem Bezirksamt auf«, sagte einer der Mieter unter zustimmenden Nicken der anderen.

Für den Hausbesitzer war das Geschäft mit den Roma bisher sehr lukrativ. Mieten zwischen 300 und 400 Euro für einen Raum und eine Küche sowie eine Etagentoilette seien nicht ungewöhnlich gewesen. Alle Mieter sprachen vom schlechten baulichen Zustand des Hauses. »Alles ist kaputt«, fasste es ein Mieter zu zusammen. Die Wohnungen haben teilweise kein Wasser und keinen Strom.

»Die rumänischen Familien sind nicht dafür verantwortlich, dass ihnen ohne eine Chance auf dem Berliner Wohnungsmarkt stark überbelegter Wohnraum in sehr schlechtem Zustand und völlig überteuert vermietet wird«, sagt der Vorstandsvorsitzende von Amaro Foro, Merdjan Jakupov.

Damit wendet sich die Initiative gegen Versuche von Medien und Teilen der Nachbarschaft in der Grunewaldstraße, die Romafamilien dafür verantwortlich zu machen, dass Lärm und Dreck auf der Straße zunehmen. In der letzten Woche waren auf einem Treffen einer Nachbarschaftsinitiative solche Töne zu hören (»nd« berichtete). Aber andere Nachbarn betonten, dass nicht die Roma sondern der Vermieter das Problem seien. Vielleicht kommt es zu einer Kooperation. Die Roma bekräftigten ihrerseits, sie hätten an guten Kontakten zur Nachbarschaft großes Interesse. Auch die Klagen über Müll vor dem Haus könnten sie verstehen. Doch das liege an fehlenden Mülltonnen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/972744.alles-ist-kaputt.html

Peter Nowak