Friedelstraße 54 – nichts für schwache Nerven

Seit einigen Tagen sind auf den Balkonen des Hauses Friedelstraße  54 in Neukölln zahlreiche Transparente angebracht.  „Respektvoller Umgang mit den Mietern“! So?!“, lautet ein Satz, der nicht  sofort  verstanden wird. Hier zitieren die MieterInnen ihren  Eigentümer, die Unternehmensgruppe Citec Group.  2003 habe die Citec „das erfolgreiche Geschäftsmodell des Erwerbs und der verantwortungsbewussten Entwicklung von Wohnimmobilien“ auf den Berliner Markt übertragen, heißt es auf  der Firmenhomepage.  Dort  wird die Pionierrolle des Wiener Unternehmens hervorgehoben:  „Viele österreichische und internationale Investoren folgen und entdecken die deutsche Hauptstadt als zukunftsträchtige Investitionsmöglichkeit“.  Firmengründer Franz Hartl bringt die Unternehmensphilosophie so auf dem Punkt:
„ Wenn du bereits mehr als 200 Zinshäuser gekauft und 400 verwaltet hast, spürst du schon beim ersten Betreten der Immobilie, woran du bist.“ Der Rest ist Routine: Prüfung der Mietverträge, der Bausubstanz, Berechnung des Optimierungspotentials und des Sanierungsaufwandes. Die Citec Immobilien Gruppe ist schnell in der Ankaufsentscheidung und in der Umsetzung, denn gute Immobilien sind nicht lange am Markt.“
MieterInnen, die  ihre Rechte geltend machen, kommen  in dem Szenario nicht vor. Tatsächlich wurde über Proteste in den zahlreichen von Citec erworbenen    Häusern in sieben Berliner Stadtteilen nichts bekannt.
Doch  in der Friedelstraße 54 scheint das Unternehmenskonzept „kaufen  – sanieren – teurer weiterverkaufen“ nicht reibungslos aufzugehen.  Die BewohnerInnen pochen auf ihre Rechte.    Als im Herbst 2013  bekannt wurde,  dass die Citec das Gebäude erworben hat, trat  ein  Großteil  in die Berliner MieterGemeinschaft ein. Seitdem gibt es regelmäßige MieterInnentreffen.
So waren die BewohnerInnen vorbereitet, als ihnen  die energetische Sanierung der Hausfassade    und eine baldige  Aufstellung des Baugerüsts angekündigt wurde.  Sie verweigerten die Zustimmung. Mittlerweile klagen die Eigentümer auf Duldung.   Erste Güteverhandlungen sind  ohne  Ergebnis geblieben. In den nächsten Tagen sind weitere  Gerichtstermine anberaumt. Die MieterInnen  widersprechen der Lesart des Eigentümer-Anwalts, dass die Fassade   sanierungsbedürftig ist. Ein großer Erfolg wäre es für sie, wenn das Gericht ein eigenes  Gutachten über die Notwendigkeit der energetischen Sanierung anfordern würde.

Wir lassen niemand allein
Auf einem MieterInnentreffen   werden die angekündigten Mietsteigerungen als Hauptgrund für die Weigerung benannt.   Zurzeit sind die Bedingungen in dem Haus sehr unterschiedlich. So gibt es in dem Haus neben Wohnungen mit Kohleofen, Außentoilette und sehr niedrigen Mieten sanierte Wohnungen mit hohen Mieten.  Trotz der unterschiedlichen Wohn- und Mietsituation klappt die Organisierung gut. „Wir agieren  gemeinsam und lassen uns nicht vereinzeln“, betont eine Mieterin.    „Wir nehmen dabei alle mit und lassen niemand im Haus alleine“, betont eine andere Bewohnerin, Auch ältere Menschen und  MieterInnen,  die aus beruflichen Gründen selten an den Treffen teilnehmen können,  werden unterstützt. Mit der  Transparentaktion soll  die Nachbarschaft über die Auseinandersetzung     informiert werden. Kontakte zu MieterInnen in weiteren Berliner Citex-Häusern sind geplant. „Sicher nichts für schwache Nerven!“, wird die Immobilie Friedelstraße 54 auf der Citec-Homepage  beworben. Der Spruch könnte für das Unternehmen nun eine ganz neue Bedeutung bekommen.

MieterEcho online 13.02.2015

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/friedelstr-54.html

Peter Nowak