Gedenken an NSU-Opfer gefordert

Straßenumbenennungen zur Erinnerung werden oft abgelehnt

Zumindest für einige Stunden wird in Berlin eine Straße zwischen Kurfürstendamm und Joachimsthaler Straße den Namen des NSU-Opfers Mehmet Kubaşık tragen. Der Kioskbesitzer war am 4. April 2006 in Dortmund erschossen

Zumindest für einige Stunden wird in Berlin-Charlottenburg eine Straße zwischen Kurfürstendamm und Joachimsthaler Straße den Namen des NSU-Opfers Mehmet Kubaşık tragen. Der Kioskbesitzer war am 4. April 2006 in seinem Laden in Dortmund erschossen worden. Angehörige und Freunde des Toten gingen nach der Tat schnell von einem neonazistischen Mord aus, fanden damit aber bei der Polizei und vielen Medien kein Gehör.

Damals wurde die Mordserie bei den Behörden noch unter dem rassistischen Obertitel »Dönermorde« geführt. Erst am 4. November 2011 wurde deutlich, dass die Angehörigen von Kubaşık Recht hatten. Durch einen Zufall wurde bekannt, dass eine Gruppe von Neonazis seit über einem Jahrzehnt im Untergrund agierte und quer durch die Republik Menschen ermordete, die nur eines gemeinsam hatten: Sie waren nicht in Deutschland geboren. Der »Nationalsozialistische Untergrund« ermordete zwischen 2000 und 2007 mutmaßlich neun Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund und eine Polizistin.

Zum dritten Jahrestag der Selbstenttarnung des NSU planen am 4. November Angehörige der Opfer und antirassistische Gruppen an den Tatorten symbolische Straßenumbenennungen. Sie sollen die Namen der Mordopfer tragen. Um 17.30 Uhr sollen in ganz Deutschland gleichzeitig Straßen nach den Opfern der NSU-Mordserie benannt.

»Wir wollen unserer ermordeten Angehörigen würdig gedenken und gleichzeitig darauf aufmerksam machen, dass unser Anliegen von den politisch Verantwortlichen und auch Teilen der Anwohnern ignoriert oder sogar regelrecht bekämpft wird«, erklärte Ali Bezkart vom Berliner Bündnis gegen Rassismus gegenüber »nd«. Das Bündnis hatte schon für den vergangenen Samstag eine Demonstration unter dem Motto »Rassismus in der Gesellschaft bekämpfen« organisiert. Rund 1500 Menschen beteiligten sich am Marsch durch den Berliner Ortsteil Wedding. Die massive Ablehnung einer Umbenennung von Straßen nach den Mordopfern des NSU bezeichnete eine Rednerin auf der Abschlusskundgebung als ein Beispiel für Alltagsrassismus.

Schon im Jahr 2012 forderten Angehörige die Umbenennung der Hamburger Schützenstraße, in der der Mord an Süleyman Tasköprü begangen wurde. Mit der Begründung, zu viele Firmen seien dort angesiedelt und die Straße sei viel zu stark bewohnt, traten Teile der Bevölkerung aber auch die örtliche SPD dieser Forderung entgegen. Um weiteren Protest und einen langwierigen Umbenennungsstreit zu vermeiden, einigten sich Politik und die Angehörige der Opfer schließlich auf die Umbenennung der nahe gelegenen Kühnehöfe nach Süleyman Tasköprü. Kaum wurden die Anwohner von diesen Plänen informiert, regte sich Protest. Die in der Straße ansässige Traditionsfirma Kühne stellte sich dagegen. Zudem sammelten die Anwohner Unterschriften gegen die Umbenennung.

Auch in Kassel wurde der Wunsch des Vaters des NSU-Opfers Ismail Yozgat, die Ausfallstraße, an der der Mord geschah, nach seinem Sohn umzubenennen, bisher abgelehnt. Angehörige und antirassistische Gruppen wollen diese Blockadehaltung nicht akzeptieren. »Mit der symbolischen Umbenennung wollen wir deutlich machen, wie wenig sich trotz aller Sonntagsreden auch in der Bevölkerung durch die Aufdeckung des NSU verändert hat«, betonte Bezkart.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/951198.gedenken-an-nsu-opfer-gefordert.html
Von Peter Nowak