Die Ausbreitung der islamistischen Terrormiliz IS in der arabischen Welt lassen fast vergessen, dass erst vor Kurzem der Arabische Frühling die Linke begeisterte. Von Jugendlichen initiiert entstanden Massenbewegungen, die zum Sturz langjähriger autoritärer Herrscher führten. Wissenschaftler der Universität Leipzig und vom Centrum für Nah- und Mitteloststudien Marburg ließen sich durch diese Bewegungen zu einem ambitionierten Forschungsprojekt inspirieren und befragten Jugendliche aus unterschiedlichen Milieus in Algerien, Marokko, Tunesien, Dubai, Ägypten, Libanon und der Türkei. Die Ergebnisse sind…
„Ausbruch aus Kontrolle und Zwang“ weiterlesenMonat: Oktober 2014
Aus Antifa wird Antikap
Die Gruppe ARAB fusioniert mit der Nao, hält sich aber ein Hintertürchen offen
Gerade erst hat sich die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) aufgelöst. Nun gab eine weitere größere Antifagruppe innerhalb eines Monats bekannt, dass sie so wie bisher nicht weitermachen wird.
Das Feld der Berliner Antifagruppen lichtet sich weiter. Auch die Antifaschistische Revolutionäre Aktion (ARAB) hört auf. Sie will mit dem Projekt »Neue antikapitalistische Organisation« (Nao) fusionieren. Die 2007 gegründete Gruppe gehörte zu den aktivsten linksradikalen Strukturen Berlins. Seit 2008 war sie federführend an der Vorbereitung der Revolutionären 1. Mai-Demonstration beteiligt. Ein ARAB-Vertreter mit dem Alias-Namen Jonas Schießer verstand es, radikale Politik mit einer professionellen Pressearbeit zu verbinden. Der Berliner Verfassungsschutz beschrieb ARAB als Organisation, die »einen militanten Antifaschismus in Verbindung mit Antikapitalismus vertritt«.
In der Anfangsphase war ARAB auf die Interventionistische Linke und die ALB orientiert. Die wurden ihr aber zu soft, weshalb sie es danach eine Weile mit dem linken Rand der DKP versuchte. Auch das war nicht das Wahre. Nun also die klassenkämpferische Nao, durch die die ARAB-Aktivisten doch noch zu ihrem »antikapitalistisch« im Namen kommen: »Antifaschistisch« nannten sie sich nur, weil »antikapitalistisch« und »revolutionär« aus ihrer Sicht doppelt gemoppelt gewesen wäre.
Die Fusion bezeichnet Jonas Schießer als Ergebnis einer monatelangen Diskussion und einer gemeinsamen politischen Praxis. So hätten ARAB und Nao bereits zur Repolitisierung der Revolutionären 1. Mai-Demonstration im vergangenen Jahr beigetragen. Teile der autonomen Szene hatten den beiden Gruppen anschließend eine Befriedungspolitik vorgeworfen, weil sie auf eine geschlossene Demonstration, statt auf Scharmützel mit der Polizei orientierten. Schnittmengen sieht Schießer vor allem beim Thema Internationalismus. So ist denn auch die erste gemeinsame Aktion eine Geldsammlung, mit der die Bewaffnung der von der IS bedrohten kurdischen Kämpfer im Norden Syriens unterstützt werden soll. Auch in soziale Kämpfe wolle man intervenieren, betont Schießer. Schon ARAB sei nie nur eine reine Antifagruppe gewesen, sondern habe sich seit ihrer Gründung gegen die Hartz-IV-Gesetze engagiert und Streiks unterstützt. »Wenn jetzt einige Autonome lästern, die ARAB verbündet sich mit den Trotzkisten, stört mich das nicht«, sagt Schießer. Von seinen neuen Genossen erwartet er, sich vom »trotzkistischen Stallgeruch« zu befreien, um den Aufbau einer neuen Linken zu ermöglichen.
Nao-Mitbegründer Michael Prütz, der sich selber in der trotzkistischen Tradition der 70er Jahre sieht, hat dazu keinen Widerspruch. »Die Nao will keine neue trotzkistische Partei, sondern eine Organisation aufbauen, die gesellschaftlich relevant ist, wahrgenommen wird und in der Lage ist, die politische Initiative zu ergreifen.« Schießer bleibt zurückhaltend, was die Perspektive der Nao betrifft. Die Fusion beurteilt er im Politikerjargon als »Schritt in die richtige Richtung«. Es gehe um einen gemeinsamen Lernprozess, der auch scheitern könne. ARAB hält sich ein Hintertürchen offen: Anders als die ALB habe man sich nicht aufgelöst. »Sollten wir nach einer Zeit feststellen, dass sich im Rahmen der Nao unsere Vorstellungen nicht umsetzen lassen, können wir immer austreten und wieder als ARAB arbeiten.«
Von Peter Nowak
Ausbeutung auf Schwedisch
Klassenkampf in der Schwedischen Schule
In der beschaulichen Landhausstraße im Berliner Bezirk Wilmersdorf gab es in den letzten Wochen gleich zweimal mehrstündige Kundgebungen unter rot-schwarzen Fahnen. Die FAU Berlin protestierte damit gegen die Kündigung von acht Beschäftigten der Schwedischen Schule Berlin (SSB), die dort ihr Domizil hat. Die gesamte Belegschaft der Schule war am 28. Mai entlassen worden. Zuvor hatten sie in einem Offenen Brief gegen von der Schulleitung geplante Lohnkürzungen bei der Hortbetreuung protestiert. Es war nicht ihr erster Arbeitskampf. Bereits vor vier Jahren kämpfte die Belegschaft der Schule erfolgreich gegen schlechte Arbeitsbedingungen und hatte schnell Erfolg. Damals entstand auch die FAU-Gruppe an der Schule. Mehrere der schwedischen Beschäftigten waren zuvor schon in der Schwesterngewerkschaft SAC organisiert, die allerdings wesentlich größer als die FAU ist. Die SAC hat mittlerweile in Schweden eine Solidaritätskampagne mit den Berliner KollegInnen gestartet. „Es gab weder Arbeitsverträge noch LehrerInnenzimmer oder Arbeitsräume. Eine Stunde pro Woche arbeiteten wir unentgeltlich in der Schule und mussten uns auch darauf einstellen, bei Klassenfahrten und an vereinzelten Wochenenden unsere Arbeitskraft unbezahlt zur Verfügung zu stellen“, berichtete einer der langjährigen SAC-Aktiven, der wesentlich zum damaligen Erfolg der KollegInnen beigetragen hat. Die Kündigung scheint fast wie eine Revanche der Schulleitung. Die protestantische Kirche Schwedens, der die Berliner Schule untersteht, ist für die FAU sicher ein Wunschgegner. Doch die Kampagne in Berlin ist sehr bürgerInnenfreundlich angelegt. Während der Kundgebungen waren aus den Lautsprechern schwedische Kinderlieder zu hören, und auf Luftballons stand: „Komi gen, Lena“, was übersetzt „Komm schon, Lena“ bedeutet. Dieser freundliche Appell an die SSB-Geschäftsführerin Lena Brolin, die Kündigung wieder zurückzunehmen, zeigte bisher allerdings keine Wirkung. Alle Gesprächsangebote der FAU wurden bisher ignoriert, erklärt ein betroffener Erzieher gegenüber Jungle World. Auch gegenüber der Presse reagiert die Schulleitung ignorant und lässt alle Nachfragen unbeantwortet. Mittlerweile haben sich schon 13 Eltern mit den Beschäftigten solidarisiert und fordern deren Wiedereinstellung und eine Schlichtung in dem Konflikt. Wenn auch sie nicht gehört werden, dürfte es noch öfter Kundgebungen unter schwarz-roten Fahnen in Wilmersdorf geben, und die Appelle an Lena dürften nicht mehr so freundlich ausfallen.
Erschienen in: Direkte Aktion 225 – Sep/Okt 2014
https://www.direkteaktion.org/225/ausbeutung-auf-schwedisch
Peter Nowak
Hausbesuch bei Müller
A100 Der angehende Regierende Bürgermeister bekam Besuch umwelt- und stadtpolitischer Gruppen
Stadtentwicklungssenator Michael Müller ist nach seiner Wahl zum Wowereit-Nachfolger ein gefragter Mann. Doch die kleine Gruppe, die ihm in seinem Amtssitz am Fehrbelliner Platz am Montag einen unangekündigten Besuch abstattete, wollten ihm keine Glückwünsche überbringen. Zwölf Mitglieder aus umwelt- und stadtpolitischen Gruppen übergaben einen Forderungskatalog zu der heftig umstrittenen A100.
Müllers persönliche Referentin Katharina Jentsch und der Senatsmitarbeiter Robert Drawnicki nahmen anstelle des verhinderten Senators den Brief entgegen. Zu den Forderungen gehörte die Rücknahme der Strafanträgen gegen fünf Baumbesetzer des „Aktionsbündnisses A100 stoppen“. Sie hatten im Winter 2014 mehrere Bäume besetzt, die der Autobahntrasse zum Opfer fallen sollten. Nach der Räumung am 3. Februar erstattete die für das Bauvorhaben zuständige Behörde Anzeige gegen sie wegen Hausfriedensbruch. Die Aktivisten erhielten Strafbefehle in Höhe von bis zu 900 Euro, gegen die sie Widerspruch einlegten.
„Mit der Rücknahme der Anzeige können Sie deutlich machen, dass AutobahngegnerInnen keine Kriminellen sind“, erklärte Sven Lindner den Senatsmitarbeitern. Die blieben im Ton freundlich, in der Sache aber unverbindlich – man werde die Forderung weiterleiten.
Auch was weitere Anliegen angeht, blieb es beim Austausch von gegensätzlichen Standpunkten. Die Treptower Stadtaktivistin Karin Schuster warf der Senatsbehörde vor, Treptower Mieter und Kleingärtner enteignen zu wollen, um den Bau der umstrittenen Autobahn voranzutreiben.
Zehn Mieter in den Häusern Beermannstraße 20-22 hatten Briefe erhalten, in denen eine vorzeitige Besitzeinweisung ankündigt wurden. Mit dieser im Baurecht bei Projekten „des besonderen öffentlichen Interesses“ zulässigen Maßnahme verlieren die Mieter zahlreiche Rechte. Bisher sei eine vorzeitige Besitzeinweisung im Zusammenhang mit dem Bau der A100 gegen mehrere Gewerbetreibende erlassen worden. Nun seien erstmals Mieter davon betroffen.
Bevor die Aktivisten die Behörde verließen, kündigten sie an, dass der angehende Regierende Bürgermeister Müller – der sich SPD-intern stets für den Bau der A100 starkgemacht hatte – auch künftig mit Protesten vor Ort rechnen müsse. „Wenn er dachte, der Bau der A100 wäre kein Protestthema mehr“, erklärte Schuster zum Abschied, „hat er sich getäuscht.“
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F21%2Fa0118&cHash=665ec2b37b0fb
Peter Nowak
Neue soziale Einschnitte werden propagandistisch vorbereitet
Friedrich Merz will wieder in die aktive Politik eingreifen und seine Fans in der Union trommeln für eine Agenda 2020, während Washington vor einer selbstzerstörerischen deutschen Wirtschaftspolitik warnt
„Das Richtige tun. Für eine Agenda 2020“ , lautet [1] ein Brief von Unionsabgeordneten, der nicht nur in der Überschrift an jene Agenda 2010 anknüpft, mit der unter Bundeskanzler Gerhard Schröder der Weg für Leiharbeit und Niedriglohn erst in Deutschland und dann auch im gesamten EU-Raum freigemacht wurde. In dem Brief heißt es:
Dass die Agenda 2010 wesentlich mit dafür gesorgt hat, dass Niedriglohn, Hartz IV trotz Vollzeitarbeit und die damit verbundene Altersarmut mittlerweile in der vielzitierten Mitte der Gesellschaft angekommen ist, wird natürlich nicht erwähnt. Dass „Wir“ und „uns“ in dem Text so häufig verwendet werden, deutet darauf, dass die Kapitalseite durch die Durchsetzung der Agenda 2010 tatsächlich wesentlich bessere Verwertungsbedingungen bekommen hat.
Schließlich war das erklärte Ziel der Maßnahme, den Wert der Ware Arbeitskraft zu senken. In vielen Medien wurde gemutmaßt, dass sich der Brief nicht nur gegen die SPD richtet, der zu Unrecht nachgesagt wurde, sie wäre von der Agenda 2010-Politik abgerückt, sondern auch gegen den Flügel in der Union, der zu nachgiebig gegenüber sozialen Forderungen sei. Manche sahen den Brief sogar gegen die Merkel-Politik insgesamt gerichtet.
Doch Merkel ist bekanntlich flexibel. Sie hatte sich noch vor 10 Jahren als eine Art Deutschlandausgabe von Maggie Thatcher inszenieren lassen, die die letzten Reste des Sozialstaats schleift, die die SPD noch stehen gelassen hat. Erst als deutlich wurde, dass damit keine Wahlen zu gewinnen waren, schwenkte Merkel um.
Friedrich Merz [2] hatte diesen Schwenk nicht mitgemacht und sich damals aus der aktiven Bundespolitik zurück gezogen, um als hochdotierter Wirtschaftsanwalt zu arbeiten. Nun wird über ein mögliches Comeback geschrieben [3], so dass er die Interessen seiner Klientel auch in der Politik wieder offen vertreten kann.
Teile des Kapitals orientieren sich nach Rechts
Die FAZ benennt den politischen Kontext, in dem ein Merz wieder politisch aktiv werden könnte: Der Wirtschaftsflügel ist unzufrieden mit der Politik der großen Koalition (Stichworte: Rente ab 63, Mindestlohn) – und mithin auch der eigenen Parteispitze. Der frühere Vorsitzende des CDU-Wirtschaftsrates, Heinrich Weiss, liebäugelt gar mit Positionen der „Alternative für Deutschland“.
Tatsächlich hat der Aufsichtsratsvorsitzender der SMS-Group, Weiss [4], der in den 80er Jahren Vorsitzender des CDU-Wirtschaftsrates war, offen seine Unterstützung für die AfD erklärt [5], will aber vorerst nicht Mitglied werden. Er möchte den wirtschaftsliberalen Flügel in der AfD stärken, erklärte Weiss und sieht sich damit mit dem AfD- Mitglied Hans Olaf Henkel auf einer Wellenlänge. Auch mit den Familienkonservativen in der AfD, die gegen weitere Rechte für Schwule und Lesben agieren, hat der ehemalige Burschenschaftler Weiss keine Probleme.
Nur manche Rechtsausleger will er nicht in der Partei sehen, weil die deren Zukunft schaden. Weiss erklärt zudem: „Viele Unternehmer denken wie ich.“ Damit scheint er nicht ganz Unrecht zu haben. Der Firmengründer der Außenwerbungsfirma Wall ist sogar von der FDP in die AfD übergetreten, meldet [6] der Spiegel. Er bezeichnet die AfD als Partei des deutschen Mittelstands. Wall war in den letzten Jahren als eifriger Protagonist der Initiative Soziale Marktwirtschaft hervorgetreten [7]. Dieses Interesse für die AfD macht deutlich, dass auch heute Kapitalkreise eine ihnen zeitgemäße Rechte unterstützen, mit der sie vor allem dem Druck auf die Union erhöhen sollen, um Kapitalinteressen besser durchzusetzen.
Nach dem Ausfall der FDP könnte für manche Kapitalkreise die AfD dafür geeignet erscheinen. Der Zeitpunkt ist nicht ungünstig gewählt. Viel wird über eine mögliche neue Wirtschaftskrise gesprochen, die auch in Deutschland Auswirkungen [8] hat. Das könnte die Kapitalkreise animieren, nun erst einmal propagandistisch neue soziale Einschnitte für die Masse der Bevölkerung vorzubereiten.
Es gibt genügend historische Parallelen, wie eine Wirtschaftskrise mit der Angst vor neuer Massenarbeitslosigkeit von Kapitalkreisen für einen Angriff auf den Sozialstaat genutzt wurde. Wenn das Kapital nach rechts geht, unterstützt es auch politische Parteien, die eine solche Politik des sozialen Kahlschlags in Teilen der Bevölkerung hegemonial durchsetzen und Kritiker repressiv bekämpfen können.
Die Weltwirtschaftskrise, die mit dem Jahr 1929 begann, hat für Teile des deutschen Kapitals die NSDAP, die vorher eine von vielen völkischen Kleingruppen in der Weimarer Republik war, für Teile des Kapitals attraktiv gemacht. Auch damals betonte sie, dass bestimmte Flügel der Partei, die die nationalsozialistische Propaganda zu ernst nahmen, ausgeschaltet werden müssen, damit die Partei eine Zukunft hat. Nun kann die AfD heute nicht mit der NSDAP des Jahres 1929 gleichgesetzt werden. Es fällt aber auf, dass das Kapital bei der Suche nach autoritären Krisenlösungsmodellen und Angriffen auf den Sozialstaat die real existierenden Rechtsparteien als Bündnispartner ansieht.
Druck auf die SPD
Dabei wird die Auseinandersetzung für eine Politik der neuen sozialen Zumutungen auch innerhalb der Regierungskoalition ausgetragen. Selbst so harmlose Reförmchen wie eine Frauenquote für Dax-Unternehmen wird von der CSU-Politikerin Gerda Hasselfeldt zur Disposition gestellt [9].
Damit ist natürlich auch weiterhin die konkrete Ausformulierung des Mindestlohns in der Debatte. Es geht zunächst einmal darum, die SPD unter Druck zu setzen, dass Reform weiterhin ein Begriff sein muss, vor dem die Subalternen Angst haben sollen und nicht etwa denken, er könnte Verbesserungen bringen. Die SPD als Agenda 2010-Partei wird sich da erfahrungsgemäß nicht lange unter Druck setzen lassen müssen, bis sie diese Position selber einnimmt.
Wenn das nicht schnell genug geht, könnte immer noch eine Koalitionskrise inszeniert werden, der Neuwahlen folgen, damit es der AfD ermöglicht wird, auch im Bundestag als Variante der rechten Krisenlösungsalternative aufzutreten.
„Die deutsche Wirtschaftspolitik ist gefährlicher und zerstörerischer als die jeder anderen Nation“
Demgegenüber stehen Kapitalkreise, die zumindest eine kurzfristige Krisenbehebung eher im Bündnis mit der SPD und den Gewerkschaften sehen. So setzten sich ausgerechnet die EZB und die Bundesbank für moderat steigende Löhne ein und forderten [10] die DGB-Gewerkschaften auf, sich im Interesse der Wirtschaft nicht weiter mit Lohnzurückhaltung zufrieden zu geben.
Auch in der durchaus wirtschaftsnahen internationalen Presse wird die von Deutschland maßgeblich forcierte Austeritäspolitik als „gefährlich und zerstörerisch“ [11] bezeichnet. So schreibt [12] die Washington Post:
Wenn nun Teile des Kapitals diesen auch von Kapitalkreisen als zerstörerisch gesehenen Weg nicht nur fortsetzen sondern forcieren wollen, ist durchaus nicht nur aus sozialpolitischen Gründen Alarm angesagt. Auch am Ende der Weimarer Republik entschieden sich große Teile der Bevölkerung und der Kapitalverbände für eine solche zerstörerische Krisenlösungsstrategie.
http://www.heise.de/tp/news/Neue-soziale-Einschnitte-werden-propagandistisch-vorbereitet-2427912.html
Peter Nowak
Links:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
Trotzkisten übernehmen Linke
ANTIFA Die radikale Linke organisiert sich neu: Die „Antifaschistische Revolutionäre Aktion“ geht im trotzkistischen Projekt „Neue antikapitalistische Organisation“ auf
VON PETER NOWAK
Das Feld der Berliner Antifagruppen lichtet sich weiter. Vor vier Wochen hat sich die Antifaschistische Linke Berlin (ALB) aufgelöst. Jetzt gab die Antifaschistische Revolutionäre Aktion (Arab) bekannt, dass sie in der bisherigen Form nicht weiterarbeiten wird. Die 2007 gegründete Gruppe will mit dem Projekt „Neue antikapitalistische Organisation“ (NaO) fusionieren.
Diese Kooperation ist auf den ersten Blick überraschend. Denn in der NaO hatten sich nach einer längeren Diskussion Ende 2013 mehrere Gruppierungen vor allem aus dem trotzkistischen und linksgewerkschaftlichen Spektrum zusammengeschlossen. Sie wollten „ein internationalistisches und klassenkämpferisches Profil in der radikalen Linken vertreten“, heißt es in der Gründungserklärung der Gruppe. Zu ihren zentralen Politikfeldern gehören Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit sowie der Kampf gegen hohe Mieten.
Der Arab hingegen wurde regelmäßig vom Berliner Verfassungsschutz bescheinigt, sie sei „eine der aktivsten linksextremistischen Gruppen, die neben Aktionen zu Themen wie Sozialabbau, Antimilitarismus und Antiglobalismus auch einen militanten Antifaschismus in Verbindung mit Antikapitalismus vertritt“. Seit 2008 war die Arab federführend an der Vorbereitung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration beteiligt.
Ein Arab-Vertreter mit dem Alias-Namen Jonas Schießer bezeichnete die Fusion mit der NaO gegenüber der taz als Ergebnis einer monatelangen Diskussion und einer gemeinsamen politischen Praxis. Schnittmengen gebe es vor allem beim Thema Internationalismus.
Für die erste gemeinsame Aktion unter dem Titel „Waffen für Rojava“ wird seit Anfang Oktober bereits Geld gesammelt, mit dem die Bewaffnung der von der IS bedrohten kurdischen KämpferInnen im Norden Syriens unterstützt werden soll (siehe Kasten). Ein weiteres gemeinsames Politikfeld sei die Intervention in soziale Kämpfe, so Schießer. „Die Arab war nie eine reine Antifagruppe, sondern hat sich seit ihrer Gründung gegen die Hartz-IV-Gesetze engagiert und immer wieder Streiks unterstützt.“
Im letzten Jahr hätten Arab und NaO gemeinsam zur Repolitisierung der Revolutionären 1.-Mai-Demonstration beigetragen, sagt Schießer. Teile der autonomen Szene haben beiden Gruppen anschließend eine Befriedungspolitik vorgeworfen, weil sie auf eine geschlossene Demonstration statt auf Scharmützel mit der Polizei orientierten. „Wenn jetzt einige Autonome lästern, die Arab verbündet sich mit den Trotzkisten, stört mich das nicht“, betonte Schießer. Allerdings stellt er auch an seine neuen GenossInnen den Anspruch, sich vom „trotzkistischen Stallgeruch“ zu befreien, weil nur so der Aufbau einer neuen Linken möglich sei.
NaO-Mitbegründer Michael Prütz, der sich in der trotzkistischen Tradition der 70er Jahre sieht, unterstützt dies. „Ziel der NaO war es nicht, eine neue trotzkistische Partei, sondern eine Organisation aufzubauen, die gesellschaftlich relevant ist, die wahrgenommen wird und die in der Lage ist, die politische Initiative zu ergreifen.“
Schießer bleibt zurückhaltend, was die Perspektive der NaO betrifft. Die Fusion beurteilt er bescheiden im PolitikerInnenjargon als „Schritt in die richtige Richtung“. Es gehe um einen gemeinsamen Lernprozess, der auch scheitern könne. Deshalb hält es Schießer auch für wichtig zu betonen, dass sich die Arab anders als die ALB nicht aufgelöst, sondern mit der NaO fusioniert hat. „Sollten wir nach einer Zeit feststellen, dass sich im Rahmen der NaO unsere Vorstellungen nicht umsetzen lassen, können wir immer austreten und wieder als Arab weiterarbeiten.“
Kampagne Waffen für Rojava
Anfang Oktober initiierten NaO und Arab mit kurdischen Solidaritätsgruppen die Spendenkampagne „Waffen für Rojava“.
Schon nach einer Woche sei UnterstützerInnen der kurdisch-syrischen Miliz YPG und den Frauenverteidigungseinheiten YPJ, die gegen den IS kämpfen, ein Scheck von 30.000 Euro übergeben worden, sagt NaO-Sprecher Michael Prütz. Danach habe die Postbank, bei der das Konto eingerichtet war, das Konto gesperrt. Die Gründe seien weder ihm noch seinen AnwältInnen mitgeteilt worden. Rund 8.000 Euro sind laut Prütz an die SpenderInnen zurücküberwiesen worden. Mittlerweile wurde ein neues Konto eingerichtet, und die Spendenkampagne geht weiter. PETER NOWAK
Infos zur Aktion: www.facebook.com/WaffenFuerRojava
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F10%2F20%2Fa0121&cHash=2ef2e10e7c43a1e004c38006df730415
Peter Nowak
Männer in Krawatten
Die Gewerkschafterin Nebile Irmak Çetin über Hausangestellte und kommunale Dienstleister in der Türkei
Nebile Irmak Çetin ist Vorsitzende der Istanbuler Sektion der Wohnraumbediensteten, die dem linksorientierten Gewerkschaftsdachverband DISK angeschlossen ist. Sie hat auf der Eröffnungsveranstaltung der Konferenz „Streik durch Erneuerung“ Anfang Oktober in Hannover gesprochen. Am Rande der Veranstaltung sprach mit ihr Peter Nowak.
Wer ist in Ihrer Gewerkschaft organisiert?
Unser Schwerpunkt sind die Menschen, die Dienstleistungen in den Kommunen erbringen sowie Hausmeister und Reinigungskräfte. In den offiziellen Versicherungsdateien sind rund hundertfünfzigtausend Menschen in dieser Branche beschäftigt. Doch in der Realität arbeiten hier mindestens doppelt so viele.
Wie ist die soziale Situation der Beschäftigten?
Es gibt in der Türkei einen Mindestlohn, der umgerechnet etwa 300 Euro im Monat beträgt. Bei der derzeitigen Preisentwicklung kann aber kein Mensch davon leben. Lange Zeit bekamen die Beschäftigten eine eingerichtete Wohnung gestellt. Das bot für sie eine gewisse Sicherheit, weil sie von den Mietzahlungen befreit waren. Doch das hat sich mittlerweile geändert. Die Beschäftigten bekommen keine Wohnung mehr gestellt, so dass sie von dem niedrigen Lohn noch für die Miete aufkommen müssen. Dadurch hat sich ihre soziale Situation natürlich enorm verschlechtert.
Warum gab es diese Änderung?
In vielen türkischen Städten sind sogenannte Gate Communitys entstanden. In diesen geschlossenen Siedlungen wohnen vor allem Angehörige der neuen, gut verdienenden Mittelschicht. Oft arbeiten in so einer Siedlung bis zu 100 Beschäftigte als Hausmeister, Sicherungsleute, Reinigungskräfte. Sie bekommen keine Dienstwohnung mehr gestellt und werden diskriminiert und behandelt sie wie Dienstboten.
Können Sie ein Beispiel dafür nennen?
In einer Siedlung ist der Hausmeister für die Reinigung des Swimming Pools zuständig. Doch ihm und seiner Familie ist es strengstens verboten, in diesen Pool schwimmen zu gehen. Es gibt viele solcher alltäglichen Diskriminierungen.
Warum war es bisher so schwierig, die Beschäftigten gewerkschaftlich zu organisieren?
Tatsächlich sind in unserer Branche nur etwa drei Prozent der Beschäftigten Gewerkschaftsmitglieder. Es ist vor allem die Angst vor Arbeitslosigkeit, die viele davon abhält, sich in der Gewerkschaft zu organisieren. Ihnen wird deutlich gesagt, dass sie entlassen werden, wenn sie sich organisieren und mehr Lohn fordern. Schließlich gibt es wegen der hohen Arbeitslosigkeit genügend Menschen, die für weniger Lohn arbeiten.
Gibt es also kaum Erfolge ihrer gewerkschaftlichen Arbeit?
Doch, in der letzten Zeit ist das Interesse an der Gewerkschaft gewachsen. Der Grund liegt darin, dass im Reinigungs- und Sicherheitsbereich privatisiert wird. Viele Beschäftigte befürchten nun, dass ihre Rechte noch weiter eingeschränkt werden und sie noch mehr arbeiten müssen Sie entscheiden sich für die Gewerkschaftsmitgliedschaft, weil sie sich dann besser wehren können. Aber es ist immer noch eine Minderheit.
Und? Kommt irgendwann der gewerkschaftliche Aufschwung in der Türkei?
Das wird schwierig. Vor allem junge Menschen sehen in Gewerkschaftern Männer mit Krawatten. Das zeigt, wie sehr sich viele Funktionäre von den Problemen und Sorgen der armen Menschen entfernt haben. Es ist an der Zeit, dass die Jugend und die Frauen aktiv werden und sich Macht an den Gewerkschaften erkämpfen.
Interview: Peter Nowak
Der Tod kam auch aus Ramstein
Während Verwandte von Drohnenopfern gegen das Bundesverteidigungsministerium klagen, werden bereits neue Kriege auch mit Beteiligung der Bundeswehr propagandistisch vorbereitet
Das Bundesverteidigungsministerium[1] trägt eine Mitschuld daran, dass Angehörige der Familie Ali Jaber am 29. August 2012 in einem Dorf in der Provinz Hadramaut im Jemen durch US-Drohnen getötet und verletzt wurden. Das versucht eine 43seitige Anklageschrift zu beweisen, die kürzlich beim Verwaltungsgericht Köln eingegangen ist.
Drei Angehörige der Drohnenopfer im Jemen haben die Klage mit Hilfe internationaler Juristenorganisationen eingereicht[2]. Einer der Kläger ist der Schwager des getöteten Imams Salim bin Ali Jaber. Der hatte sich gegen Al-Qaida gestellt und in einer Freitagspredigt dazu aufgerufen, sich von der islamistischen Organisation zu distanzieren. Diese Predigt hatte im Dorf für Debatten gesorgt. Der Imam und andere Männer, die seinen Kurs unterstützten,hatten Al-Qaida-nahe Islamisten zur Diskussion aufgerufen. Drei von ihnen waren dazu bereit. Die Drohnen töteten sie und die beiden Gegner der Radikalislamisten.
Dass diese Details eines Drohnenangriffs überhaupt bekannt geworden sind, ist bereits ein Erfolg der Anklageschrift der Drohnenopfer. So könnten wir doch etwas nachdenklicher werden, wenn wir wieder einmal in den Nachrichten hören, dass im Jemen, in Pakistan oder Afghanistan Drohnen Extremisten getötet haben.
Die durch die Anklageschrift bekannt gewordenen Details stärkt auch die Kritik der Gegner von bewaffneten Drohnen (Der Sensenmann kommt aus der Luft[3]), die sich weltweit zu organisieren[4] beginnen. Sie haben mit Recht darauf hingewiesen, dass die Drohneneinsätze das gesamte Rechtssystem aushebeln. Diejenigen, die über diese Einsätze entscheiden, sind Richter und Henker in einer Person. Sie vollstrecken Todesurteile ohne Urteil und Verteidigung. Deshalb ist es auch kein Kollataralschaden, wenn wie in Hadramaut Al-Qaida-Gegner Opfer der Drohnen werden. Es gehört schlicht zum System. Alle, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind, werden Opfer.
Auch das Argument der Befürworter der Drohneneinsätze, dass man nur so gegen die Islamisten vorgehen kann, zeigt sich an diesem Beispiel als absurd. Der Imam hätte mit seiner Predigt und den Gesprächen mit den Dorfbewohnern sicher einiges gegen den Einfluss von Al-Qaida in seinem Dorf erreichen können. Es hätte vielleicht auch in anderen Dörfern ähnliche Initiativen gegeben und so wäre eine Bewegung entstanden, die den Radikalislamisten tatsächlich gefährlich hätten werden können. Doch welcher Imam wird nun noch eine solche Initiative ergreifen, wenn die Gefahr besteht, dass diejenigen, die die Menschen aus dem Einfluss von Al-Qaida herauslösen wollen, selbst Opfer von Drohnen werden?
Umgekehrt können die Islamisten mit ihrer Propaganda viel Gehör finden, dass es ein Krieg gegen die Moslems ist und bekommen neuen Zulauf. Es ist also für eine universalistische Menschenrechtsperspektive an der Zeit, diese Drohnenangriffe und ihre Verantwortlichen genau so heftig abzulehnen wie den Terror der IS. Drohnenopfer aus Afrika und Asien muss genau so unsere Empathie gehören wie den Opfern der IS.
Die Publizistin Charlotte Wiedemann[5] weist in ihren Texten[6] immer wieder zu Recht darauf hin, dass es sehr wohl Unterschiede bei der Wahrnehmung der Terroropfer gibt, wenn sie aus Europa und den USA oder aus Afrika und Asien kommen. Dahinter steckt ein Kulturrelativismus, der erklärt, dass Menschen aus diesen Kontinenten oder eben deren Gesellschaft und Kultur noch nicht reif für die Menschenrechte seien. Demgegenüber geht ein universalistischer Menschenrechtsbegriff davon aus, dass alle Menschen überall auf der Welt die gleichen Rechte haben. Diese müssen gegen die jeweiligen Länderkulturen und ihre Träger genauso durchgesetzt werden, wie gegen diejenigen, die für die Drohneneinsätze verantwortlich sind.
Schon während des Vietnamkrieges wurden Bombenangriffe in Deutschland koordiniert
Die Anklage rückt nun eine Tatsache in den Mittelpunkt, die hierzulande gerne unter den Tisch fällt. Die Drohneneinsätze werden auch in Deutschland koordiniert – genau darauf stützt sich die Anklageschrift (Bundesregierung: Augen zu und durch[7]). Der US-Stützpunkt Ramstein ist ebenso einer dieser Knotenpunkte wie eine Kaserne am Rande des Städtchens Kalkar in NRW, was auch die Antikriegsbewegung[8] in Deutschland mittlerweile registriert hat.
Bereits in der Vergangenheit wurden Kriege beispielsweise gegen Libyen oder den Irak auch von Einrichtungen auf deutschen Boden koordiniert. Dabei spielte die Airbase Ramstein immer eine wichtige Rolle. Schon während des Vietnamkrieges wurden im US-Stützpunkt Heidelberg Bombenangriffe koordiniert. So wird jetzt die technische Entwicklung nachvollzogen, wenn auch Drohnenangriffe von Einrichtungen in Deutschland vorbereitet werden.
Der gewachsene weltpolitische Einfluss Deutschlands wird dadurch deutlich, dass längst nicht nur Opfer von Kriegseinsätzen klagen, die von US-Einrichtungen auf deutschen Boden koordiniert werden. So haben jahrelang Angehörige und Überlebende der Bombenangriffe auf die Brücke von Varvarin[9] vergeblich durch alle Instanzen geklagt, um einen Schadenersatz zu bekommen. An der Bomberflotte waren auch Flugzeuge der Bundeswehr beteiligt (Verdrängte Kollateralschäden[10]).
Wenige Jahre später, am 3. September 2009, war der deutsche Oberst Klein für das Bombardement im afghanischen Kunduz (War der Befehl zum Abwurf der Bomben falsch?[11]) verantwortlich, das über 140 Menschen das Leben tötete. Die Verwandten der Getöteten und der schwerverletzt Überlebenden scheiterten mit ihrer Klage vor dem Bonner Landgericht (Recht ist, was den Waffen nutzt[12]). Für Oberst Klein war das tödliche Bombardement keine Karrierebremse (Karrieresprung nach fast 100 Toten von Kunduz[13]).
Die Olivgrünen marschieren im Geiste voran
Daher wäre es auch falsch, wenn jetzt in Deutschland selbstgerecht wieder nur auf die USA verwiesen würde, die auf deutschen Boden Drohnenangriffe koordiniert. In Deutschland forderte erst kürzlich die Vorsitzende der Oliv-Grünen, wie die auch aus Teilen der Friedensbewegung entstandene Partei spätestens seit dem von ihr mitgetragenen Jugoslawienkrieg oft genannt wird, einen UN-mandatierten Bundeswehreinsatz der Bundeswehr fordertr[14]. Aauch die lange Zeit als aufmüpfig geltende Grüne Jugend[15] hat gegen diese Forderung wenig anzuwenden[16].
Nur wenige erinnern an die Konsequenzen, wenn eine solche Forderung umgesetzt würde. Der Ausbau für die Bundeswehr, vielleicht sogar die Wiedereinführung der Wehrpflicht stünden dann auf der Tagesordnung. Auf jeden Fall aber gäbe es bald noch mehr Todesopfer, nicht mehr nur durch auf deutschen Boden koordinierte Drohneneinsätze, sondern durch die Bundeswehr.
Vor allem aber würde sich auch das politische Klima in einer Weise ändern, dass Kritiker und Gegner von Kriegseinsätzen fast in der Nähe des Landesverrats gerückt würden. Der Shitstorm und die Häme[17] gegen die Linksparteiabgeordnete Christine Buchholz[18] gibt hier einen kleinen Vorgeschmack, nachdem sie sich für ihre Facebook-Seite[19] mit einem Schild hat fotografieren lassen, wo sie sich mit den kurdischen Kämpfern in Kobane solidarisiert, aber gegen US-Bombeneinsätze ausspricht. Das Foto entstand noch, bevor bekannt geworden ist, dass durch US-Angriffe „versehentlich“ auch kurdische Stellungen bombardiert wurden.
Man kann sicher kritische Fragen an Buchholz stellen, beispielsweise warum sie gegen US- Bombardements eintritt. Dass aber eine Politikerin, für die immer mehr Bomben nicht die Lösung für Probleme auf der Welt sind, genau dafür angegriffen wird, zeigt, dass 2014 in Deutschland Propaganda für einen Krieg auf fruchtbaren Boden fällt. Es besteht also die Gefahr, dass demnächst Bombenopfer vor deutschen Gerichten klagen müssen.
http://www.heise.de/tp/artikel/43/43093/1.html
Peter Nowak
Anhang
Links
[1]
http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg
[2]
http://www.ecchr.de/drohnen.html
[3]
http://www.heise.de/tp/news/Der-Sensenmann-kommt-aus-der-Luft-2410468.html
[4]
https://drohnen-kampagne.de
[5]
http://www.charlottewiedemann.de/vita
[6]
http://www.taz.de/Schlagloch-Rassismus/!147680/
[7]
http://www.heise.de/tp/artikel/41/41630/
[8]
http://www.aixpaix.de/autoren/sander/kalkar.html
[9]
http://www.ag-friedensforschung.de/themen/NATO-Krieg/varvarin.html
[10]
http://www.heise.de/tp/artikel/13/13313/
[11]
http://www.heise.de/tp/artikel/31/31072/
[12]
http://www.heise.de/tp/news/Recht-ist-was-den-Waffen-nutzt-2102720.html
[13]
http://www.heise.de/tp/news/Karrieresprung-nach-fast-100-Toten-von-Kunduz-1993019.html
[14]
http://www.taz.de/Goering-Eckardt-fordert-Militaereinsatz/!147638/
[15]
http://www.gruene-jugend.de/
[16]
http://www.tagesschau.de/inland/goering-eckardt-bundeswehr-kobane-103.html
[17]
http://www.fr-online.de/politik/die-linke-freiwillige-selbstentbloessung,1472596,28738820.html
[18]
http://christinebuchholz.de/2014/10/10/solidaritaet-mit-dem-widerstand-in-kobane-nein-zum-us-bombardement/
[19]
http://www.facebook.com/buchholz.christine/photos/a.328468540629033.1073741827.328453390630548/478820092260543/
Aktionstage gegen Verdrängung
„Ali Babas Blumen bleiben“ heißt das Motto, mit dem das Berliner Bündnis gegen Zwangsräumungen am Freitag um 8.30 Uhr nach Spandau mobilisiert. Dort soll die Räumung eines kleinen Blumenladens verhindert werden. Die Edeka-Reichelt-Gruppe, der das Grundstück gehört, will teurer vermieten.
Die Protestaktion ist Teil der vom Berliner Ratschlag organsierten stadtpolitischen Aktionstage. Bis zum 29.10. sind diesem Rahmen in zahlreichen Stadtteilen, Kundgebungen, Demonstranten, Filmvorführungen und Diskussionen geplant.
Der Berliner Ratschlag hat sich im April 2014 mit einem Kongress an der Technischen Universität Berlin konstituiert. „Wir wollen die verschiedenen Aktionen aus der Mieten- und Antirassismusbewegung bündeln und besser sichtbar machen“, erklärte Ratschlag-Aktivistin Sara Walther gegenüber MieterEcho Online. Sie stellte klar, dass es nicht um eine Konkurrenz sondern um eine Ergänzung zu den vielen Aktionen, geht die in der letzten Zeit von MieterInnen und Geflüchteten in Berlin auf die Beine gestellt wurden. .
Zum Auftakt der Aktionstage hatten am vergangenen Sonntag ca. 50 Menschen auf einem Parkplatz am Mehringhof gegen die Privatisierung des dortigen Dragoner Areals durch die Bundesanstalt für Immobilienausgaben (Bima) protestiert.
Am 18. Oktober ist unter dem Motto „Zu viel Ärger zu wenig Wut“ eine berlinweite Lärmdemonstration geplant, die um 14 Uhr am Herrfurthplatz in Neukölln beginnt. Schon zwei Stunden zuvor ist eine Kundgebung vor dem Verein für alternative Migrationspolitik Allmende am Kottbuser Damm 25-26 angesetzt. Der Verein ist vom Eigentümer gekündigt worden, weigert sich aber die Räume zu verlassen (MieterEcho Online berichtete). Dorthin lädt Allmende am 18.10 ab 19 zur Strategiedebatte ein. „Wir wollen darüber diskutieren ob Besetzungen, Blockaden und Mietstreiks angemessene Aktionsformen sind“, erklärt ein Allmende-Mitarbeiter. Am 28. 10. Geht es um 19 Uhr in der Weddinger Prinzenallee 58 erneut um die Häuser, die sich im Besitz der Bima befinden. Die dortigen MieterInnen wollen mit UnterstützerInnen beraten, wie sie Druck auf die Behörde verstärken können, damit dort statt teurer Lofts Wohnungen für Menschen mit wenig Einkommen entstehen. Am 29.10. organisiert die AG Recht auf Wohnen für Psychiatriebetroffene um 19 Uhr im Mehringhof eine Veranstaltung, die sich der Situation der Menschen befasst, die durch die Berliner Wohnungspolitik besonders ausgegrenzt und auch bei den Protesten zu wenig berücksichtigt werden.
Sara Walther formulierte gegenüber MieterEcho Online das bescheidene Ziel der Aktionswoche:
„Die Situation für die MieterInnen ist in Berlin so schlecht, dass es überall und ständig neue Proteste gibt. Wir hoffen, dass wir nach den Aktionstagen eine bessere Koordinierung erreichen“.
MieterEcho online 16.10.2014
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/aktionstage-gegen-verdraengung.html
Peter Nowak
Lärmdemo für bezahlbares Wohnen
Berliner Ratschlag veranstaltet Aktionswochen gegen Verdrängung
»Privatisierung des Dragoner-Areals verhindern« stand auf dem Transparent, dass am auf einem Parkplatz an der Ecke Mehringdamm, Ecke Obentrautstraße in Berlin-Kreuzberg aufgespannt war. Dort hatten sich am Wochenende ca. 50 Menschen eingefunden, die verhindern wollten, dass die Bundesanstalt für Immobilienausgaben (BImA) das ehemalige Dragonergelände zum Höchstpreisverfahren verkauft. »Wir brauchen hier nicht noch mehr teure Lofts sondern Mietwohnungen für Menschen mit geringen Einkommen«, meint Ulrich von der Initiative »Wem gehört Kreuzberg«. Die Aktion war auch der Beginn der stadtpolitischen Aktionstage, die vom Berliner Ratschlag organisiert werden. Bis zum 29.10. wird es in diesem Rahmen in zahlreichen Stadtteilen, Kundgebungen, Demonstranten, Filmvorführungen und Diskussionen geben. Die Termine finden sich auf der Homepage berliner-ratschlag.org/.
»Ziel ist es, die verschiedenen Aktionen aus der Mieten- und Antirassismusbewegung zu bündeln und besser sichtbar zu machen«, erklärte Ratschlag-Aktivistin Sara Walther gegenüber »nd«. Die Aktivitäten seien keine Konkurrenz sondern eine Ergänzung der vielen Aktionen, die in der letzten Zeit von Mietern und Geflüchteten auf die Beine gestellt wurden, betont Walter. Am 18. Oktober ist unter dem Motto »Zu viel Ärger zu wenig Wut« eine berlinweite Lärmdemonstration geplant, die um 14 Uhr am Herrfurthplatz in Neukölln beginnt. Schon zwei Stunden zuvor um 12 Uhr, ist eine Kundgebung vor dem Verein für alternative Migrationspolitik Allmende am Kottbuser Damm 25-26 geplant.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/949318.laermdemo-fuer-bezahlbares-wohnen.html
Peter Nowak
Europaweite Jagd auf Flüchtlinge
23 EU-Staaten beteiligen sich an Polizeiaktion zum Aufspüren von Illegalen
»Elf Flüchtlinge, überwiegend aus Eritrea und Syrien sind gestern Abend, gegen 23 Uhr, mit dem ICE in Fulda gestrandet. In Gießen und Kassel sind insgesamt neun Flüchtlinge durch die Bundespolizei festgestellt worden. Im Bahnhof Gießen kamen die Flüchtlinge aus Somalia.« Solche Meldungen finden sich zurzeit auf der Homepage der Deutschen Bundespolizei besonders häufig. Denn seit dem 13. Oktober werden Bahnhöfe, Flughäfen und Autobahnraststätten von der Polizei besonders intensiv kontrolliert. Die Beamten sind auf der Suche nach Menschen, die sich ohne gültige Dokumente in Deutschland aufhalten. Sie agieren im Rahmen der EU-weiten Aktion »Mos Maiorum«. Der lateinische Titel bedeutet »Sitte der Ahnen«. Damit wird ein römisches Rechtsmodell bezeichnet, das auf die Befolgung traditioneller Prinzipien basiert. Ziel der Polizeiaktion, die bis zum 26.Oktober andauern soll und an der sich 23 EU-Staaten beteiligen, ist nach Angaben des Bundesinnenministeriums, das Sammeln von »Erkenntnissen zur unerlaubten Migration«.
Für Andreas Linder vom Flüchtlingsrat Baden Württemberg ist diese Polizeimaßnahme ein Ausdruck des vollständigen Scheiterns einer Flüchtlingspolitik, die unter dem Stichwort Dublin II bis heute vor allem von Deutschland weiter vehement verteidigt wird. Danach ist jenes EU-Land für die Geflüchteten zuständig, in dem diese als erstes den EU-Raum betreten. »Weil Italien viele Migranten unkontrolliert passieren lässt, werden die Kontrollmaßnahmen in EU-Länder wie Deutschland verlegt«, betont Lindner. Wie viele Antirassismusgruppen kritisiert auch Lindner, dass bei den Kontrollen das sogenannte Racial Profiling angewandt wird: »Diese Polizeioperation zielt jedoch einzig darauf ab, Menschen aufgrund ihrer Herkunft zu kontrollieren. Dies ist eines Rechtsstaats nicht würdig«, erklärt die Landesvorsitzende der Thüringer Bündnisgrünen Astrid Rothe Beinlich. Ihre Fraktion will im Thüringer Landtag eine Kleine Anfrage einbringen, um zu erfahren, wie viele Menschen in dem Bundesland im Rahmen von »Mos Maiorum« kontrolliert werden.
Doch es gibt auch Aktionen der Zivilgesellschaft. »Wir werden in den nächsten Tagen die Augen offen halten, um zu sehen, wie die Kontrollen ablaufen«, erklärte Madeleine Henfling vom Thüringer Flüchtlingsrat gegenüber »nd«. In Köln haben bereits am Montag ca. 40 Antirassisten im Hauptbahnhof gegen die Kontrollen protestiert.
Für Patrice L., der seinen vollen Namen nicht in der Zeitung lesen will, bedeuten die nächsten 14 Tage eine besondere Belastung. Der in Äthiopien geborene und seit zwei Jahren in Berlin lebende Mann hat keine gültigen Papiere für Deutschland. »Ich werde in den nächsten zwei Wochen Bahnhöfe und Autobahnen meiden«, erklärt er. Dazu raten auch Antirassismusgruppen, die an Bahnhöfen mehrsprachige Warnungen vor den Kontrollen aufgehängt haben.
Für die türkische Regierung ist die PKK und nicht die IS der Hauptfeind
Die aktuellen Angriffe auf ihre Stellungen sind nur eine Fortsetzung des Einsatzes von Islamisten gegen die kurdische Nationalbewegung
Seit Wochen wird von vielen Seiten gefordert, dass die türkische Armee endlich in die Auseinandersetzung zwischen den IS-Milizen und den kurdischen Verteidigern von Kobane eingreifen. Am vergangenen Dienstag griff die türkische Armee tatsächlich ein, aber nicht gegen die IS und nicht in Kobane. Dafür bombardierte türkische Militärs Stellungen der PKK und brach einen Waffenstillstand, der mehr als eineinhalb Jahre gehalten hat.
Die Angriffe kommen nicht überraschend. Die neoislamistische Erdogan-Regierung hatte einerseits weniger ideologische Probleme als die Kemalisten, mit der kurdischen Nationalbewegung zu verhandeln. Allerdings ging es nur darum, alle Kräfte, die dem Machtanspruch der AKP im Wege standen, zu domestizieren [1]. Doch das ist bei der PKK vor allem deshalb bisher nicht gelungen, weil sie nicht mehr in erster Linie auf die nationale Karte setzt [2].
In der kurdischen Nationalbewegung haben vielmehr in den letzten Jahren rätedemokratische, feministische und herrschaftskritische Vorstellungen zumindest theoretisch einen größeren Stellenwert [3]bekommen.
Islamisten gegen kurdische Nationalbewegung
Die aber sind nun überhaupt nicht kompatibel mit den wirtschaftsliberalen und kulturkonservativen Vorstellungen der Islamisten um Erdogan und Co. Der hat deshalb auch nie einen Zweifel daran gelassen, dass er in der PKK eigentlich eine größere Gefahr als in der IS sieht.
Mehrmals sprach Erdogan in den letzten Tagen davon, dass es sich beim Kampf um Kobanê um eine Auseinandersetzung zwischen zwei terroristischen Gruppen handelt, womit er den IS und die PKK auf eine Stufe stellte. In der Realität gibt es diese Äquidistanz allerdings nicht, und das begann auch nicht erst mit der AKP-Regierung.
Tatsächlich wurden immer wieder radikale Islamisten gegen die kurdische Nationalbewegung eingesetzt. Schon in den 1990er Jahren noch unter den vom Militär protegierten Rechtsregierungen ermordete die türkische Hisbollah kurdische Intelektuelle, Gewerkschafter und andere Aktivisten. Die Hizbollah war so neben den faschistischen Grauen Wölfen ein Element des sogenannten tiefen Staats in der Türkei.
Auch später spielten Radikalislamisten in der Türkei eine große Rolle [4], die einen islamischen Staat schon zu einer Zeit aufbauen wollten, als von ISIS und IS noch keine Rede war. Dieser lange blutige islamistische Terror gegen die PKK ist hierzulande wenig bekannt. Für die kurdische Nationalbewegung ist eine mögliche Rückkehr der „kurdischen Hisbollah“ [5] eine Schreckensnachricht. Der Politikwissenschaftler Ismail Kupeli schreibt [6] in einer Analyse, dass die IS von der Erdogan-Regierung gegen die kurdische Nationalbewegung aufgebaut und eingesetzt wurde.
Insofern ist das aktuelle Handeln der türkischen Regierung nur eine Fortsetzung der Taktik, unterschiedliche islamistische Gruppen gegen die kurdische Nationalbewegung und die linke Opposition in der Türkei einzusetzen. In den letzten Tagen griffen [7] in der Türkei Nationalisten und Islamisten kurdische Demonstranten an. Die Polizei wollte Vorsorge treffen, dass davon möglichst wenig in die internationale Öffentlichkeit bekannt wird.
So wurden drei Journalisten aus Deutschland zeitweise festgenommen [8]. Erdogan sah sie wieder einmal als Teil einer Verschwörung gegen die Türkei. Auch nach ihrer Freilassung wird weiter gegen sie ermittelt. Ihre Fotoausrüstung wurde beschlagnahmt [9].
Auch in Deutschland PKK weiter verboten
Aber nicht nur in der Türkei auch in Deutschland wird die PKK weiterhin als Terrorgruppe behandelt. Dafür wurde eine Phantomdebatte darüber geführt, dass die Türkei mit Truppen in Kobane gegen die IS eingreifen soll. Dabei wird gerne das Schicksal der eingeschlossenen Kurden als Argument angeführt und sogar behauptet [10], die kurdische Nationalbewegung fordere einen solchen Schritt. Dabei haben die meisten kurdischen Verbände, die gegen die IS kämpfen, einen türkischen Einmarsch explizit abgelehnt [11].
Im Anschluss monieren [12] deutsche Politiker wie Ruprecht Polenz, wie leichtfertig der Türkei vorgeworfen werde, sie schicke keine Bodentruppen nach Syrien. Dabei wirft er den syrischen Kurden und der PKK fälschlicherweise vor, an der Seite Assads gegen die syrische Opposition gekämpft zu haben. Tatsächlich hat die kurdische Bewegung in den von ihr kontrollierten Gebieten Rätestrukturen aufgebaut und ein Maß an individueller Freiheit ermöglicht, wie es weder in den vom Assad-Regime noch von den diversen Islamistenfraktionen kontrollierten Regionen in Syrien auch nur denkbar wäre.
Der Kampf gegen die kurdische Nationalbewegung statt gegen die IS ist so durchaus nicht nur eine Praxis der türkischen Regierung. Sie findet auch in Deutschland mehr oder weniger offene Fürsprecher. Die würden sie auch verteidigen, wenn sie dann nach einer Niederlage der YPG doch noch in Nordsyrien intervenieren sollte, wie es die Türkeikorrespondentin Sabine Küper-Büsch in einem Szenario ausmalt [13]:
Peter Nowak
Links:
[1]
[2]
[3]
[4]
[5]
[6]
[7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12]
[13]
Dachgeschossausbau statt Wohnungsneubau?
Die Bündnisgrünen haben kürzlich im Berliner Abgeordnetenhaus eine Studie vorgestellt, in der sie die Wohnungspolitik des Berliner Senats kritisieren und eigene Vorschläge machen. Peter Nowak sprach mit bau- und wohnungsbaupolitischer Sprecher der Fraktion der Bündnisgrünen im Berliner Abgeordnetenhaus Andreas Otto (A.O.).
Was kritisieren Sie an der Wohnungsbaupolitik des aktuellen Berliner Senats?
A.O.: Er setzt zu eindimensional auf den Neubau von Wohnungen auf der grünen Wiese. Wir hatten in der Studie hingegen am Beispiel von Neukölln Alternativen aufgezeigt.
Welche sind das?
A.O.: Es gibt in Berlin ein Potenzial für fast 80.000 Wohnungen durch den Ausbau von Dachgeschossen, das Aufstocken oder die Umnutzung von nicht mehr genutzten Gebäuden wie Park- und Gewerbehäusern und die Nutzung verriegelter Flächen wie Parkplätzen. Diese 3 Werkzeuge wären eine Alternative zu der Politik des Senats, immer mehr Häuser auf Freiflächen und z.B. Kleingärten zu bauen.
Kann man mit den Daten einer Studie, die die Situation in einen Stadtteil untersuchte, Forderungen für die gesamtberliner Wohnungssituation begründen?
A.O.: Es ist eine Frage der Kapazitäten. Wir waren nicht in der Lage eine gesamtberliner Untersuchung durchzuführen. Aber die Ergebnisse sind im Prinzip auf ganz Berlin übertragbar. Die Situation in Stadtteilen wie Treptow, Pankow, Reinickendorf ist durchaus mit der in Neukölln vergleichbar.
Wie wollen Sie Eigentümer zum Dachgeschossausbau und den Umnutzungen motivierten?
A.O.: Es handelte sich um eine Planungsstudie, die zunächst aufzeigt, was in der Berliner Wohnungspolitik möglich ist. Es ginge natürlich darum, die Eigentümer zu überzeugen und diese Maßnahmen auch finanziell zu fördern. Die steigende Nachfrage würde Eigentümer über Aufstocken oder Umbau nachdenken lassen. Zudem könnten mit Zuschüssen aus dem Wohnungsbauprogramm oder niedrigeren Zinsen Anreize dazu geschaffen werden.
Nun fehlen in Berlin vor allem Wohnungen für einkommensschwache MieterInnen. Besteht nicht die Gefahr, dass ein Dachgeschossausbau wieder vor allem hochpreisigen Wohnraum schafft?
A.O.: Es ist richtig, dass ausgebaute Dachgeschosswohnungen oft im höheren Mietpreissegment angesiedelt sind. Doch ein solcher Ausbau widerspricht nicht den Vorhaben einer Wohnungspolitik für alle und kann auch dazu beitragen, dass Bestandswohnungen für Menschen mit geringen Einkommen zur Verfügung stehen. Wenn jemand, der mehr Geld in der Tasche hat, in eine ausgebaute Dachgeschosswohnung zieht, verdrängt er nicht die Mieter aus dem preiswerten Bestand. Wir fordern vom Senat deshalb, die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen endlich zu beschränken.
In der letzten Zeit hat sich eine Initiative für den Neubau eines kommunalen Wohnungsbaus gegründet. Was halten Sie von diesem Ansatz?
A.O.: In dem wohnungspolitischen Vorschlagen der Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus hat der Erhalt und die Förderung des Kommunalen Wohnungsbaus eine hohe Priorität.
MieterEcho online 14.10,2014
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/wohnungsbau-der-gruenen.html
Interview: Peter Nowak
Linke und Gewalt
Wie hält es die Linke mit der Gewalt? Einen guten Überblick über die Debatten der letzten 150 Jahre liefert ein Dokumentenband des in Wien lebenden Politologen Felix Wemheuer. Im Vorwort skizziert Wemheuer die Bandbreite der in den 20 Dokumenten erörterten Fragen: »Kann auf Gewalt beruhende Herrschaft mit friedlichen Mitteln gestürzt werden, oder ist Gegengewalt notwendig? Wenn ja, welche Ziele sind in Bezug auf die Ziele zu rechtfertigen und welche nicht? Wie verändert die Gewaltausübung den Revolutionär? Kann man überhaupt verhindern, dass man seinen Gegnern immer ähnlicher wird?« Themen der fünf Kapitel sind: Krieg und bewaffnete Revolution; individueller Terror, »Tyrannenmord« und gesellschaftliche Veränderung; Roter Terror und die Verteidigung der Revolution; Gewalt im antikolonialen Kampf; Stadtguerilla. Dokumentiert sind Texte von Lenin, Mao Zedong, Regis Debray, Pierre Ramus, Johann Most, Rosa Luxemburg, Wera Figner, Gustav Landauer, Erich Mühsam, Karl Kautsky, Leo Trotzki, Isaac Steinberg, Enrico Malatesta, Martin Luther King, Frantz Fanon und Eldrige Cleaver. Im letzten Kapitel ist einem Grundlagentext der RAF eine vehemente Kritik von Oskar Negt gegenübergestellt. Ein Interview mit dem französischen Philosophen Jean-Paul Sartre nach seinen Besuch bei Andreas Baader im Hochsicherheitsgefängnis Stammheim und ein Interview mit Aktivistinnen der feministischen Guerilla Rote Zora schließen den Band ab.
http://www.akweb.de/ak_s/ak598/08.htm
Peter Nowak
Felix Wemheuer (Hg.): Linke und Gewalt. Pazifismus, Tyrannenmord, Befreiungskampf. Promedia Verlag, Wien 2014. 173 Seiten, 12,90 EUR.
Die Kanzlerin darf fliegen
Im Zuge des jüngsten UN-Klimagipfels wurde deutlich: Vom Kapitalismus wollen deutsche Klimaschützer längst nicht mehr reden.
Die Demonstration verlief völlig lautlos. Allerdings tanzten zahlreiche Teilnehmer und zappelten mit den Armen. Manchmal applaudierten sie auch. Bei dem Umzug Ende September handelte es sich nach Angaben der Veranstalter um die bisher größte »Silent Climate Parade« in Berlin. Tage später wurde sie von den Veranstaltern immer noch beinahe wie ein religiöses Erweckungserlebnis gefeiert: »Nur wenige Tage ist es her, da wurde für uns der Traum Realität. Mehrere Tausend Menschen sind mit uns gemeinsam auf die Straße gegangen, um der Welt zu zeigen, dass uns Klimaschutz am Herzen liegt, dass man friedlich demonstrieren kann und dabei umso mehr gehört wird. Noch nie zuvor haben so viele Menschen bei der Silent Climate Parade mitgemacht!«
Wer wissen wollte, um was es bei dem stillen Aufzug in Berlin-Mitte ging, musste sich gegen Pfand einen Kopfhörer ausleihen. Vielleicht nahmen die Organisatoren mit dem stummen Protest auch nur Rücksicht auf die Passanten. Diesen blieb jedenfalls erspart, ununterbrochen von den Ansprachen belästigt zu werden, in denen die Zuhörer im Ton von Werbetextern aufgefordert wurden, bereit für etwas ganz, ganz Neues zu sein. Im nächsten Augenblick wurden die Demonstrationsteilnehmer animiert, doch mithilfe ihrer Mobiltelefone herauszufinden, wie viele Kämpfer für das Klima denn in New York auf der Straße seien.
Während der Abschlusskundgebung gab es auch kurze Redebeiträge von Klimaschützern aus der näheren und ferneren Umgebung. Sie wurden allerdings nicht nur auf die Kopfhörer übertragen. So konnten alle Teilnehmer und Passanten hören, wie ein Umweltschützer mindestens fünf Minuten lang die Vielfliegerei als besonders schädlich geißelte. Direkt danach wurden alle dazu animiert, die Parole »Merkel nach New York« zu skandieren, ein Großteil des Publikums stimmte ein. So entstand der Eindruck, Fliegen sei nur dann umweltschädlich, wenn es Menschen mit wenig Geld zu niedrigen Preisen tun. Setzt sich Merkel in die Kanzlermaschine, ist es anscheinend unbedenklich. Dass die Bundeskanzlerin allerdings trotz der Aufforderungen nicht persönlich zur UN-Klimakonferenz nach New York jettete, nehmen ihr die Umweltschützer übel. Schließlich könnte Deutschlands Ruf als Klimaretter Schaden nehmen.
Im Zuge des UN-Gipfels ging in Deutschland eine Umweltbewegung auf die Straße, die zufrieden gewesen wäre, wenn die Bundeskanzlerin höchstpersönlich deutsche Interessen in New York vertreten hätte. Fast vergessen scheint es zu sein, dass es einmal Teile der Umweltbewegung gab, die nicht nur die Stilllegung der AKW, sondern auch die »Stilllegung der herrschenden Klasse weltweit« forderte. So lautete längere Zeit die Parole einer linken Umweltbewegung in den achtziger Jahren, die sich nicht nur auf AKW konzentrierte, sondern mit der Nukleartechnologie auch die Destruktivität des kapitalistischen Verwertungszwangs bekämpfen wollte.
Doch spätestens als die Grünen den Atomausstieg im größtmöglichen Einklang mit der Atomindustrie zu ihrer Sache machten, verlor der linke Teil der Anti-AKW-Bewegung an Bedeutung. Anfangs schien es zwar, als könnte die unabhängige Umweltbewegung Zulauf bekommen. So waren in Gorleben grüne Mandatsträger nicht mehr gerne gesehen. Doch spätestens nach der Abwahl von Rot-Grün und dem Versuch von Union und FDP, die AKW-Laufzeiten zu verlängern, riefen viele Umweltaktivisten zur Verteidigung jenes »Atomkompromisses« auf, der vorher noch als industriefreundlich kritisiert worden war. Nach der Atomkatastrophe in Japan war dann in großen Teilen der Umweltbewegung wieder die Weltrettung angesagt, über die Stilllegung des Kapitalismus wollte niemand reden. Auch auf der »Silent Climate Parade« in Berlin wurde ausgiebig und ohne Ironie über die Rettung der Welt, über den Kapitalismus jedoch überhaupt nicht geredet.
In Kanada und den USA, die einem großen Teil der deutschen Umweltbewegung als Hort der Klimaleugner und -sünder gelten, verläuft die Diskussion anders. Dort hat Naomi Klein, eine der Ikonen der kurzlebigen globalisierungskritischen Bewegung, unter dem Titel »This Changes Everything. Capitalism vs. The Climate« ein Buch veröffentlicht, in dem sie Thesen aufstellt, die man von der Klimabewegung in Deutschland nicht hört. Der Kapitalismus, nicht die Schadstoffbelastung der Luft, sei das eigentliche Problem, so Klein. Sie ruft die Klimabewegung dazu auf, dem Kapitalismus den Kampf anzusagen, und legt sich mit etablierten Umweltorganisationen an, die sich in Kooperation mit Konzernen am »Greenwashing« beteiligen. Wenn auch an vielen Stellen ihres Buches wieder einmal durchscheint, dass Klein eher eine Regulierung als eine Abschaffung des Kapitalismus anstrebt, sorgt sie doch dafür, dass in der Diskussion in Kanada und den USA das Kapitalverhältnis nicht ausgespart wird, wenn es um die Umwelt geht.
In Deutschland hingegen hat eine umweltbewusste Mittelschicht den Reiz des Verzichts und der »Schrumpfwirtschaft« entdeckt, wie etwa im September auf der »Degrowth-Konferenz« in Leipzig. Der Politikwissenschaftler Ulrich Brand äußert in einem Kommentar im Neuen Deutschland die Befürchtung, dass in der Umweltbewegung »eine junge ökolibertäre Mittelschicht mit geringer Sensibilität für sozialstrukturelle Ungleichheit und Machtfragen, bei der manchmal sogar eine Portion elitäres Unverständnis für die immer noch an der Konsum- und Wachstumsnadel hängenden Massen« hervorsteche, ein neues Betätigungsfeld finden könnte.
http://jungle-world.com/artikel/2014/41/50692.html
Peter Nowak