Herr Dinar nach der Kirchweih im Fokus der Rechten

Neonazipartei fordert Linkspolitiker nach vermeintlicher Attacke auf Polizei zu Rücktritt auf

Weil er sich in seiner fränkischen Kleinstadt schon lange gegen Rechts engagiert, ist der linke Kreisrat Erkan Dinar den lokalen Neonazis ein Dorn im Auge. Nun wollen sie ihn loswerden.

Bisher war Erkan Dinar fast nur im bayerischen Weißenburg bekannt. Dort kandierte er chancenlos für das Bürgermeisteramt und sitzt für die Linkspartei als Abgeordneter im Kreistag. Doch seit gut zwei Wochen macht sein Name die Runde im Internet. »Wir fordern den Rücktritt von Erkan Dinar als Stadtrat« lautete ein Onlineaufruf, den binnen weniger Tage über 800 Menschen unterzeichnet hatten.

Anlass war eine Auseinandersetzung zwischen Dinar, einigen Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes und der Polizei auf der Kirchweih von Weißenburg Mitte des Monats. Zum Hergang gibt es unterschiedliche Versionen, Es ging um den Einlass in das überfüllte Weinzelt auf der Kirchweih. Als ihm dieser verwehrt wurde, soll er sich uneinsichtig und aggressiv gezeigt haben, verbal ausfallend und auch körperlich übergriffig geworden sein.

Letztlich wird gegen Dinar wegen Widerstand, Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung ermittelt. Er bestreitet jedoch, einem Polizisten ins Gesicht geschlagen zu haben und schreibt in einer Stellungnahme, es sei sein »größter Fehler« gewesen, »der Aufforderung der Polizei, den Platz zu verlassen, nicht sofort Folge geleistet« zu haben. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Geschlossen wurde aber mittlerweile die Facebook-Seite mit der Rücktrittsforderung. Zuvor hatten sich die die Betreiber politisch geoutet: »Ja, wir sind bekennende Nationalisten«, schreiben sie und rechnen sich der Partei »Der dritte Weg« zu. Sie wurde im September 2013 als Sammelbecken für Freie Nationalisten und NPD-Dissidenten gegründet. In einem Zehn-Punkte-Programm fordert die Partei einen »deutschen Sozialismus« und die »Wiederherstellung Gesamtdeutschlands« über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus. Auf ihrer Homepage prangen Plakate mit der Parole »Kriminelle Ausländer raus«. Der Verdacht, dass die Facebook-Kampagne gegen Dinar aus der rechten Ecke kommt, bestand schnell.

Die Neonazis gaben selbst zu, dass sie Dinar schon lange im Visier haben: »Schon in der Vergangenheit waren es stets Aktivisten des nationalen Widerstands, die angeprangert haben, dass Herr Dinar weder als Stadtrat noch als Inhaber irgendwelcher Ämter tragbar ist«, heißt es in der Erklärung. Tatsächlich war Erkan Dinar in der Vergangenheit als Sprecher verschiedener Bündnisse gegen Rechts in Weißenburg von den Neonazis nicht nur verbal angegriffen worden.

Bereits im Juli vergangenen Jahres wurde er auf der Homepage der Freien Nationalisten Weißenburg als »Krawalltourist aus der Türkei« beschimpft. In der Onlineausgabe der »Zeit« hieß es am 19. August 2012 in einem Text über einen Neonaziaufmarsch in Weißenburg: »In der darauffolgenden Nacht attackierten Neonazis das Haus von Erkan Dinar, und versuchen die Fensterscheiben zu zerstören.« Zuvor wird berichtet, dass ein Neonazi »mit der Halsabschneidergestik in Richtung von Dinar zeigte«.

Gegenüber »nd« sagte Dinar, er werde sich nicht einschüchtern lassen. Besonders wichtig sei für ihn, dass seine Partei geschlossen hinter ihn stehe. Auch Weißenburger SPD-Politiker hätten sich von der rechten Kampagne distanziert und betont, die Vorfälle auf der Kirchweih müssten juristisch geklärt werden und dürften nicht zum Thema politischer Kampagnen werden.

Von den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Rücktrittsaufrufes haben sich allerdings nur knapp 30 Personen distanziert, nachdem die rechte Urheberschaft bekannt wurde. Mittlerweile stellt sich Erkan Dinar auch die Frage, ob der Kirchweih-Zwischenfall einen politischen Hintergrund hatte. Zwei Tage  nachdem der Sicherheitsdienst ihm der Einlass verweigert wurde, fand eine »Böhse-Onkelz«- und »Frei.Wild«-Feier statt, über die sich Dinar in der Lokalpresse kritisch geäußert hatte. Beide Bands haben Fans aus der extrem rechten Szene.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/944270.herr-dinar-nach-der-kirchweih-im-fokus-der-rechten.html

Peter Nowak