»Zahltag« vor Jobcenter untersagt

Erwerbsloseninitiativen wollen trotzdem in Wuppertal protestieren

Erstmals hat die Polizei eine Protestaktion von Erwerbslosen vor einem Jobcenter untersagt. Doch diese wehren sich dagegen.

»Wir wollen soziale Rechte in den Jobcentern erkämpfen und Sonderrechtszonen für Erwerbslose verhindern«, heißt es im Aufruf zu einer Protestaktion am 1. September vor dem Jobcenter in Wuppertal-Oberbarmen. Am »Zahltag«, dem ersten Werktag im Monat, wird seit der Umsetzung der Agenda 2010 traditionell demonstriert. »Viele kommen zur Behörde, weil ihr Arbeitslosengeld II gar nicht oder nicht in der erwarteten Höhe auf das Konto überwiesen wurde. Sie fordern eine sofortige Auszahlung, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und ihre Miete zahlen zu können«, erklärt Harald Thomé von der Erwerbsloseninitiative Tacheles. Diese hat in den vergangenen Jahren häufig zu »Zahltagen« aufgerufen. In Wuppertal will man darauf aufmerksam machen, dass hier Unterkunftskosten für Erwerbslose zu niedrig bemessen werden, was Sozialgerichte häufig korrigieren.

Nun wurde die Veranstaltung unmittelbar vor dem Jobcenter untersagt. Für Thomé ist dies eine Konsequenz aus der zunehmenden Privatisierung hoheitlicher Aufgaben. Das Wuppertaler Jobcenter befinde sich auf einem Privatgelände, der Eigentümer wünsche keine Proteste vor der Tür. Die Erwerbslosen müssten ihre Aktion ca. 50 Meter entfernt auf öffentliches Straßenland verlegen. Die Erwerbslosenaktivisten sehen darin eine Beeinträchtigung ihres Protestes, denn es werde schwieriger, die Betroffenen anzusprechen.

»Wir wollen uns das Recht, vor dem Jobcenter zu protestieren, nicht nehmen lassen«, betont Thomé. Man wolle per Eilantrag das Verbot kippen. Sollte das keinen Erfolg haben, werde der Gang durch alle Instanzen angetreten. Thomé verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2005, wonach auf dem privaten Gelände eines Flughafens Proteste gegen die Abschiebung von Flüchtlingen möglich sein müssten, weil dort hoheitliche Tätigkeiten vollzogen werden. Auch vor einem Jobcenter müsse deshalb Protest möglich sein, meinen die Erwerbslosengruppen, die sich am kommenden Montag beteiligen wollen. Sollten sie bis dahin keinen juristischen Erfolg haben, würden sie sich trotzdem vor dem Jobcenter versammeln und das »spontane Versammlungsrecht« wahrnehmen, kündigte ein Erwerbsloser an, der namentlich nicht genannt werden wollte.

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Peter Nowak