Aus Großvaters Tagebuch

Kriegsgegner besetzten das »GÜZ« in der Altmark

Am Dienstag und am gestrigen Mittwoch besetzten Kriegsgegner das »Gefechtsübungszentrum Heer« (GÜZ) der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide (Sachsen-Anhalt). Peter Nowak sprach mit Jan Stehn, einem der Organisatoren der Aktion, die vom Protestcamp »War Starts Here« ausging.

nd: Was hat Sie zu der Besetzung des GÜZ motiviert?
Stehn: Nachdem ich längere Zeit im Ausland lebte, haben mich die Aktionen gegen das GÜZ motiviert, mich wieder politisch zu betätigen. Dort bereitet sich die Bundeswehr auf ihre Einsätze vor und dort ist es auch möglich, Kriegsplanungen direkt zu behindern. Gerade in der aktuellen Debatte darum, was deutsche »Verantwortung« bedeutet, ist uns wichtig deutlich zu machen, dass Militär und Waffenexport kriegerische Konflikte verlängern und eskalieren. Es gibt viele Möglichkeiten, sich friedensfördernd zu engagieren. Die Bundeswehr brauchen wir nicht.

Wie ist Ihnen gelungen, in das GÜZ einzudringen?
Das war nicht schwer. Wir hatten die Aktion angekündigt und waren auf Wachleute, Polizei oder Feldjäger vorbereitet. Doch wir konnten unbehelligt zwei Kilometer vordringen und uns auf einer Brache niederlassen. Einige setzten dort vorbereitete Friedenszeichen, es wurden Bäume gepflanzt. Ich trug aus dem 100 Jahre alten Kriegstagebuch meines Großvaters vor. Er hat sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges begeistert beteiligt, aber bald die Grausamkeit des Krieges erkannt.

Wie reagierten die Wachmannschaften?
Kurz, nachdem wir uns niedergelassen hatten, sind Soldaten eingetroffen und haben uns beobachtet. Dabei war auch der Leiter des GÜZ, Oberst Gunter Schneider, der bis zur Räumung durch die Polizei nach 2,5 Stunden vor Ort war. Ein Teil von uns verließ den Platz freiwillig, andere wurden vom Gelände getragen.

Welche juristischen Folgen kann die Aktion haben?
Das wird sich zeigen. Da das GÜZ kein eingefriedetes, umzäuntes Gelände ist, haben wir keinen Hausfriedensbruch begangen. Ob das Betreten des Geländes eine Ordnungswidrigkeit darstellt, ist ebenfalls unklar. Der Weg, auf dem wir uns befanden, war nicht einmal beschildert. Einige Aktivisten haben Widerspruch gegen die fragwürdigen Platzverweise eingelegt, die die Polizei für das GÜZ-Gelände ausgesprochen hat. Dort ist weder eine Begründung noch die verantwortliche Behörde angegeben.

Die Aktionen finden im Rahmen des »War Starts Here«-Camps statt, an dem verschiedenste Gruppen teilnehmen. Wie klappt die Kooperation derselben?
Das Camp wird bereits zum dritten Mal Spektren übergreifend organisiert. In diesem Jahr wurde besonderer Wert darauf gelegt, deutlich zu machen, dass unterschiedliche Gruppen ihre Aktionen auf dem Camp vorbereiten, sodass die Teilnehmer unterschiedliche politische Ansätze kennenlernen und darüber gemeinsam diskutieren können.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/943136.aus-grossvaters-tagebuch.html

Interview: Peter Nowak



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