Herr Dinar nach der Kirchweih im Fokus der Rechten

Neonazipartei fordert Linkspolitiker nach vermeintlicher Attacke auf Polizei zu Rücktritt auf

Weil er sich in seiner fränkischen Kleinstadt schon lange gegen Rechts engagiert, ist der linke Kreisrat Erkan Dinar den lokalen Neonazis ein Dorn im Auge. Nun wollen sie ihn loswerden.

Bisher war Erkan Dinar fast nur im bayerischen Weißenburg bekannt. Dort kandierte er chancenlos für das Bürgermeisteramt und sitzt für die Linkspartei als Abgeordneter im Kreistag. Doch seit gut zwei Wochen macht sein Name die Runde im Internet. »Wir fordern den Rücktritt von Erkan Dinar als Stadtrat« lautete ein Onlineaufruf, den binnen weniger Tage über 800 Menschen unterzeichnet hatten.

Anlass war eine Auseinandersetzung zwischen Dinar, einigen Mitarbeitern eines Sicherheitsdienstes und der Polizei auf der Kirchweih von Weißenburg Mitte des Monats. Zum Hergang gibt es unterschiedliche Versionen, Es ging um den Einlass in das überfüllte Weinzelt auf der Kirchweih. Als ihm dieser verwehrt wurde, soll er sich uneinsichtig und aggressiv gezeigt haben, verbal ausfallend und auch körperlich übergriffig geworden sein.

Letztlich wird gegen Dinar wegen Widerstand, Körperverletzung, Beleidigung und Sachbeschädigung ermittelt. Er bestreitet jedoch, einem Polizisten ins Gesicht geschlagen zu haben und schreibt in einer Stellungnahme, es sei sein »größter Fehler« gewesen, »der Aufforderung der Polizei, den Platz zu verlassen, nicht sofort Folge geleistet« zu haben. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen.

Geschlossen wurde aber mittlerweile die Facebook-Seite mit der Rücktrittsforderung. Zuvor hatten sich die die Betreiber politisch geoutet: »Ja, wir sind bekennende Nationalisten«, schreiben sie und rechnen sich der Partei »Der dritte Weg« zu. Sie wurde im September 2013 als Sammelbecken für Freie Nationalisten und NPD-Dissidenten gegründet. In einem Zehn-Punkte-Programm fordert die Partei einen »deutschen Sozialismus« und die »Wiederherstellung Gesamtdeutschlands« über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus. Auf ihrer Homepage prangen Plakate mit der Parole »Kriminelle Ausländer raus«. Der Verdacht, dass die Facebook-Kampagne gegen Dinar aus der rechten Ecke kommt, bestand schnell.

Die Neonazis gaben selbst zu, dass sie Dinar schon lange im Visier haben: »Schon in der Vergangenheit waren es stets Aktivisten des nationalen Widerstands, die angeprangert haben, dass Herr Dinar weder als Stadtrat noch als Inhaber irgendwelcher Ämter tragbar ist«, heißt es in der Erklärung. Tatsächlich war Erkan Dinar in der Vergangenheit als Sprecher verschiedener Bündnisse gegen Rechts in Weißenburg von den Neonazis nicht nur verbal angegriffen worden.

Bereits im Juli vergangenen Jahres wurde er auf der Homepage der Freien Nationalisten Weißenburg als »Krawalltourist aus der Türkei« beschimpft. In der Onlineausgabe der »Zeit« hieß es am 19. August 2012 in einem Text über einen Neonaziaufmarsch in Weißenburg: »In der darauffolgenden Nacht attackierten Neonazis das Haus von Erkan Dinar, und versuchen die Fensterscheiben zu zerstören.« Zuvor wird berichtet, dass ein Neonazi »mit der Halsabschneidergestik in Richtung von Dinar zeigte«.

Gegenüber »nd« sagte Dinar, er werde sich nicht einschüchtern lassen. Besonders wichtig sei für ihn, dass seine Partei geschlossen hinter ihn stehe. Auch Weißenburger SPD-Politiker hätten sich von der rechten Kampagne distanziert und betont, die Vorfälle auf der Kirchweih müssten juristisch geklärt werden und dürften nicht zum Thema politischer Kampagnen werden.

Von den Unterzeichnerinnen und Unterzeichnern des Rücktrittsaufrufes haben sich allerdings nur knapp 30 Personen distanziert, nachdem die rechte Urheberschaft bekannt wurde. Mittlerweile stellt sich Erkan Dinar auch die Frage, ob der Kirchweih-Zwischenfall einen politischen Hintergrund hatte. Zwei Tage  nachdem der Sicherheitsdienst ihm der Einlass verweigert wurde, fand eine »Böhse-Onkelz«- und »Frei.Wild«-Feier statt, über die sich Dinar in der Lokalpresse kritisch geäußert hatte. Beide Bands haben Fans aus der extrem rechten Szene.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/944270.herr-dinar-nach-der-kirchweih-im-fokus-der-rechten.html

Peter Nowak

Kein Recht auf Platz

Die Privatisierung des öffentlichen Raums schränkt die Grundrechte ein. Auch die Mieterbewegung ist davon betroffen.

Der Leopoldplatz im Berliner Stadtteil Wedding wird täglich von vielen Menschen überquert und die meisten von ihnen dürften ihn als öffentlichen Platz wahrnehmen. Kaum jemand weiß, dass auf Teilen des Platzes die Grundrechte nur eingeschränkt gelten. Erst seit die Initiative »Hände weg vom Wedding«, in der sich Weddinger Mieter und Stadtteilaktivisten zusammengeschlossen haben, dort Anfang August eine Videokundgebung mit dem Film »Mietrebellen« veranstalten wollten, wurde deutlich, dass der Platz gar nicht so öffentlich ist. Seit 2006 gehört ein Teil des Leopoldplatzes der evangelischen Nazareth-Kirchengemeinde, die eine Genehmigung der Kundgebung ablehnte. Auf dem Platz müsse politische Neutralität herrschen, lautete die Begründung des Vorsitzenden der Kirchengemeinde, Sebastian Bergmann.

Das Berliner Amtsgericht schloss sich dieser Sichtweise an und wies eine einstweilige Verfügung gegen das Platzverbot mit der Begründung zurück, die Kirchengemeinde sei »nicht unmittelbar an die Grundrechte gebunden«. Denn bei ihr handele es sich nicht um »eine staatliche Organisation oder ein Unternehmen, das mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand steht«. Deshalb finde in diesem Fall auch das Fraport-Urteil aus dem Jahr 2005 keine Anwendung. Damals entschied das Bundesverfassungsgericht, dass auch auf einem Flughafen Proteste gegen die Abschiebung von Flüchtlingen möglich sein müssen.

Der Berliner Rechtsanwalt Peer Stolle, der die Weddinger Stadtteiliniative juristisch vertrat, hat für die Entscheidung des Amtsgerichts kein Verständnis und hält sie für rechtsfehlerhaft. Im Gespräch mit der Jungle Word kritisierte er, dass das Amtsgericht einen Widerspruch verunmöglicht habe, weil es die Entscheidung nicht per Fax, sondern per Post versandt habe. Aus zeitlichen Gründen seien weitere rechtliche Schritte so nicht mehr möglich gewesen. Für Stolle hat das Gericht damit einen Rechtsschutz vereitelt. Das Platzverbot hatte trotzdem keinen Bestand, weil ein großer Teil der Teilnehmer der Kundgebung auf dem Leopoldplatz die Trennlinie zum kirchlichen Teil des Platzes souverän ignorierte.

Bereits Mitte der neunziger Jahre machten künstlerische Initiativen und Stadtteilaktivisten mit Innenstadtaktionstagen auf die Konsequenzen einer Privatisierung öffentlicher Plätze aufmerksam. Schon damals wurde gewarnt, dass mitten in der Stadt Orte entstehen könnten, auf denen politische Meinungsäußerungen nicht mehr möglich und Menschen mit wenig Einkommen unerwünscht sind. Solche Aktionstage in Innenstädten gibt es nicht mehr, die Probleme, die bei ihnen angesprochen wurden, allerdings schon.

Vor allem in aufgewerteten Stadtteilen entzünden sich schnell Diskussionen über Trinker, die auf öffentlichen Plätzen zum Ärgernis werden. Betroffene der Debatte sind oft Menschen, die sich ihr Bier günstig im Spätkauf oder Discounter holen und auf einem öffentlichen Platz konsumieren wollen. Menschen, die es sich leisten können und wollen, alkoholische Getränke in einem der Restaurants zu verzehren, werden hingegen als begehrte Konsumenten umworben.

Eine Bewegung, die ein Recht auf Stadt fordert und ihren postulierten Anspruch ernst nimmt, sollte die Fragen, die damals die Organisatoren der Innenstadtaktionstage aufgeworfen haben, wieder aufgreifen. Eine Schwäche der Debatte um Stadtpolitik vor über 20 Jahren war allerdings die weitgehende Ausblendung der Eigentumsfrage. Man konzentrierte sich vor allem auf die Nutzung öffentlicher Plätze. Doch nicht nur die Auseinandersetzung um die Nutzung des Leopoldplatzes macht deutlich, dass die Frage des Eigentums mittlerweile eine zentrale Rolle spielt. Für den Münchner Publizisten Claus Schreer, der das Buch »Das Geschäft mit der Wohnung – Bodenspekulation und Stadtentwicklung im Kapitalismus« herausgegeben hat, ist die Frage nach den Eigentumsverhältnissen auch zentral für eine Mieterbewegung. »Einen wirklichen sozialen Wohnungsbau, der mit der Garantie dauerhaft preiswerter Mieten einhergeht, kann es überhaupt nur unter völliger Ausschaltung von Kapital- und Bankprofiten geben«, schreibt er.

http://jungle-world.com/artikel/2014/35/50479.html

Peter Nowak

Viel Populismus, wenig Fakten bei der Debatte um den Sozialmissbrauch

Neonazistische Finte

Weißenburg – Im bayerischen Weißenburg sind Neonazis als Betreiber einer Facebook-Seite geoutet worden, die den Rücktritt eines Kommunalpolitikers fordert. Unterzeichnet haben aber auch zahlreiche Bürgerinnen und Bürger.

Bisher war Erkan Dinar nur im bayerischen Weißenburg bekannt. Dort war kandierte er chancenlos für die Linke zum Bürgermeisteramt und sitzt für seine Partei als Abgeordneter im Kreistag. Doch seit einigen Wochen geht sein Namen durch das Internet. „Wir fordern den Rücktritt von Erkan Dinar als Stadtrat“, lautete die Forderung, die innerhalb weniger Tage über 800 Menschen unterzeichneten. Zum Anlass für diese Forderungen wurde eine Auseinandersetzung zwischen dem Kommunalpolitiker Dinar, einigen Mitarbeitern vom Sicherheitsdienst und der Polizei auf der Kirchweih von Weißenburg genommen.

Zum Hergang gibt es unterschiedliche Versionen und die juristischen Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Geschlossen worden ist aber mittlerweile die Facebook-Seite mit der Rücktrittsforderung. Zuvor haben sich die Betreiber selber geoutet. „Ja, wir sind bekennende Nationalisten“, schreiben sie und rechnen sich der Partei „Der III. Weg“ zu. Diese wurde im September 2013 gegründet und ist ein Sammelbecken für Freie Nationalisten und versprengte Ex-NPD-Mitglieder. In einem Zehn-Punkte-Programm fordert „Der III. Weg“ unter anderem einen „deutschen Sozialismus“ und die „Wiederherstellung Gesamtdeutschlands“ über die Grenzen der Bundesrepublik hinaus. Auf der Homepage der Neonazi-Partei prangen Plakate mit der Parole „Kriminelle Ausländer raus“.

Der Verdacht, dass die Facebook-Kampagne gegen Dinar aus dieser Ecke kommt, begründete sich aus der rechten Argumentation und der anfänglichen Weigerung der Betreiber der Seite, sich zu erkennen zu geben. Nachdem der rechtsextreme Hintergrund der Facebook-Seite bekannt wurde, zogen einige der Unterzeichner ihre Unterstützung zurück, weil sie sich nicht vor der Karren von Neonazis spannen lassen wollten. Die aber reagierten auf die Kritik selbstbewusst: „Schon in der Vergangenheit waren es stets Aktivisten des nationalen Widerstandes, die angeprangert haben, dass Herr Dinar weder als Stadtrat noch als Inhaber irgendwelcher Ämter tragbar ist.“ Tatsächlich war Erkan Dinar in der Vergangenheit als Sprecher mehrerer Bündnisse gegen Rechts in Weißenburg wiederholt ins Visier der Rechtsextremisten in der Region geraten. Bereits im Juli 2013 wurde er auf der Homepage der „Freien Nationalisten Weißenburg“ als „Krawalltourist aus der Türkei“ beschimpft.

http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/neonazistische-finte

Peter Nowak

Nationale Userfront

Es deutschtümelt sehr in der NSA-Debatte. Von Peter Nowak

Nachdem sich die letzten NSDAP-Mitglieder in Deutschland aus Altersgründen aus der aktiven Politik zurückgezogen hatten, schwadronierten ihre politischen Erben am rechten Rand von der Besetzungsmacht USA. In den Bundestagsparteien vermied man zumindest öffentlich solche Töne. Doch längst zerbröselt der zivilisatorische Tarnanstrich, und auch Politiker der Regierungsparteien schwätzen nun angesichts der NSA-Affäre wieder so, wie es in der »Nationalzeitung« und ähnlichen Blättern schon immer gedruckt war.

»Die Amerikaner halten sich ganz offenkundig nicht daran, daß man Verbündete nicht ausspäht. Sie führen sich in Deutschland auf wie eine digitale Besatzungsmacht«, lamentierte etwa der langjährige CSU-Abgeordnete Hans-Peter Uhl und wurde dafür als Tabubrecher gefeiert. Schließlich hat er bewiesen, daß man nun auch wieder den USA und nicht nur den Russen deutlich machen kann, daß man ihnen den Sieg im Zweiten Weltkrieg mißgönnt. Widerspruch war in

Deutschland nicht zu hören. Woher auch? Man kennt eben in der NSA-Debatte hierzulande keine Parteien mehr, sondern nur noch Deutsche, die über fehlende Souveränität sowie Duckmäusertum und Hasenfüßigkeit klagen. Das war denn auch der Stoff mehrerer Parlamentsreden von Gregor Gysi und seinen Parteifreunden. »Wir haben heute nicht mehr 1945, sondern 2014«, rief er in den Parlamentssaal, was durchaus wie eine Drohung klang. Als konkrete Maßnahme schlug er vor, Mitarbeiter der Botschaften der USA und Großbritanniens zu unerwünschten Personen zu erklären. Erst wenige Wochen später ließ die Bundesregierung einen US-Geheimdienstmitarbeiter ausweisen. Doch damit sind führende Politiker der Linken noch nicht zufrieden; sie verlangen mehr Engagement im deutschen Souveränitätskampf.

Dazu werden häufig jene Kapitel aus dem von Josef Forschepoth herausgegebenen Buch Überwachtes Deutschland herangezogen, in denen es um die Rechte alliierter Geheimdienste geht. Die Kapitel, in denen der Historiker beschreibt, wie BRD-Dienste jahrelang Zigtausende Postsendungen aus der DDR öffneten, überwachten und teilweise sogar vernichteten, bleiben unbeachtet. Damit läßt sich schließlich keine Stimmung gegen die USA machen.

In der kurzen Zeit der Münchner Räterepublik veröffentlichte ihr Ministerpräsident Kurt Eisner 1919 Geheimdokumente der gestürzten bayerischen Monarchie. Einige Monate zuvor hatten schon die Bolschewiki viele Geheimabkommen des Zarismus bekanntgemacht und damit auch deren Verbündete kompromittiert. Es gab also schon mal Linke, denen die Geheimnisse der herrschenden Klassen, ihrer Dienste und Kabinette herzlich egal waren. Da es die einstweilen in Deutschland nicht gibt, muß man der NSA fast dankbar sein, daß sie die hiesige Politik so kritisch beäugt.

http://www.konkret-magazin.de/hefte/heftarchiv/id-2014/heft-92014/articles/nationale-userfront.html

– Peter Nowak –

Bei Sarrazin abgeschrieben

Bundesregierung will »Armutszuwanderung« aus Balkanstaaten unterbinden / Protest vor Merkels Amtssitz

Das Kabinett hat über die Begrenzung von »Armutszuwanderern« beraten. Das rief einige Aktive auf den Plan, die im Berliner Regierungsviertel Stellung bezogen.

Etwas verloren stand am Mittwochmorgen einen knappes Dutzend vor dem Bundeskanzleramt in Berlin: Aktivisten des »Arbeitskreises Marginalisierte – gestern und heute«, die um 9.30 Uhr zu einer Kundgebung aufgerufen hatten. Im Bundeskanzleramt begann zu dieser Stunde die erste Sitzung des Kabinetts nach der Sommerpause. Dort befasste es sich auch mit einem Gesetzespaket, das den angeblichen Missbrauch von Sozialleistungen durch Zuwanderer aus weniger wohlhabenden EU-Staaten verhindern soll.

Der Anmelder der Kundgebung, Dirk Stegemann vom AK Marginalisierte, übt nicht nur an dem Gesetzesentwurf Kritik, sondern an der gesamten Debatte darum. »Seit Monaten agiert die Bundesregierung entgegen anderslautenden Studien und Statistiken mit rechtspopulistischen Argumentationsmustern gegen Menschen vor allem aus Bulgarien und Rumänien, um politisch und wahlkampftaktisch motiviert über die Vortäuschung einer angeblichen ›Masseneinwanderung in die Sozialsysteme‹ deren garantierte Freizügigkeit und Teilhabe einschränken zu können«, erklärt er gegenüber »nd«. Besonders stark betroffen seien davon Roma aus Osteuropa. Stegemann verweist darauf, dass es sich dabei um eine Menschengruppe handelt, die seit Jahrhunderten diskriminiert und im Nationalsozialismus Opfer von Verfolgung und Vernichtung wurde.

Der AK Marginalisierte arbeitet seit mehreren Jahren zum Thema Verfolgung von armen, als »arbeitsscheu« stigmatisierten Menschen. Dabei spürt er Kontinuitäten von Ausgrenzung und Verfolgung bis in die Gegenwart auf. Die Debatte über Armutszuwanderung ist für Anne Allex ein aktuelles Beispiel. Die langjährige Aktivistin der Erwerbslosenbewegung gehört zu den Mitbegründern des AK Marginalisierte. »Damit schafft die Bundesregierung das Asylrecht faktisch ab, legt europäische Arbeitnehmerfreizügigkeit und das Europäische Fürsorgeabkommen selektiv nach ihren ökonomischen Interessen aus«, argumentiert sie gegenüber »nd«.

Dass der Kreis der Protestierenden am Dienstag klein geblieben ist, wundert sie nicht. Die Proteste werden wachsen, wenn der Gesetzesentwurf im Bundestag und dann im Bundesrat verhandelt wird, ist Stegemann überzeugt. Auch den juristischen Weg hält er noch nicht für aussichtslos. Er könne sich nicht vorstellen, dass die geplanten Einreisesperren verfassungskonform sind.

Auch Susanne Wagner erwartet in den nächsten Wochen noch heftige Diskussionen und Proteste gegen die geplanten Regelungen. Sie erinnert an die Proteste gegen den Buchautor Thilo Sarrazin, der in den letzten Jahren mit Thesen gegen Sozialmissbrauch und Armutszuwanderung für Schlagzeilen sorgte. Damals hätten sich in vielen Städten Bündnisse gegen Sozialchauvinismus gegründet. »Was die Bundesregierung jetzt plant, ist genau das, was Sarrazin forderte«, betont Wagner.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/943875.bei-sarrazin-abgeschrieben.html

Peter Nowak

Falsche Flasche in der Tasche

IN BEWEGUNG

Der Prozess gegen Alfonso Fernández Ortega beginnt am 18. September. Der 22-jährige Spanier wurde am 14. November 2012 während des europäischen Generalstreiks auf dem Weg zu einem Streikposten verhaftet und saß 56 Tage in Untersuchungshaft. Er wird beschuldigt, eine Tasche mit Utensilien zum Brandsatzbau bei sich gehabt zu haben, was er vehement bestreitet. Unter dem Motto »Alfon Libertad« entstand in Spanien eine Solidaritätskampagne, an der sich auch viele Fußballfans beteiligen. Alfon ist aktiver Fan seiner örtlichen Mannschaft. Die Solidaritätsorganisation Rote Hilfe hat die Kampagne aufgegriffen. Sie organisiert am 6. September, 19 Uhr, eine Infoveranstaltung im Berliner Mehringhof und am 16. September, 12 Uhr, vor dem spanischen Kulturzentrum Institute Cervantes, Rosenstraße 18, eine Kundgebung.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/943780.falsche-flasche-in-der-tasche.html

Peter Nowak

Peter Nowak

»Zahltag« vor Jobcenter untersagt

Erwerbsloseninitiativen wollen trotzdem in Wuppertal protestieren

Erstmals hat die Polizei eine Protestaktion von Erwerbslosen vor einem Jobcenter untersagt. Doch diese wehren sich dagegen.

»Wir wollen soziale Rechte in den Jobcentern erkämpfen und Sonderrechtszonen für Erwerbslose verhindern«, heißt es im Aufruf zu einer Protestaktion am 1. September vor dem Jobcenter in Wuppertal-Oberbarmen. Am »Zahltag«, dem ersten Werktag im Monat, wird seit der Umsetzung der Agenda 2010 traditionell demonstriert. »Viele kommen zur Behörde, weil ihr Arbeitslosengeld II gar nicht oder nicht in der erwarteten Höhe auf das Konto überwiesen wurde. Sie fordern eine sofortige Auszahlung, um ihren Lebensunterhalt bestreiten und ihre Miete zahlen zu können«, erklärt Harald Thomé von der Erwerbsloseninitiative Tacheles. Diese hat in den vergangenen Jahren häufig zu »Zahltagen« aufgerufen. In Wuppertal will man darauf aufmerksam machen, dass hier Unterkunftskosten für Erwerbslose zu niedrig bemessen werden, was Sozialgerichte häufig korrigieren.

Nun wurde die Veranstaltung unmittelbar vor dem Jobcenter untersagt. Für Thomé ist dies eine Konsequenz aus der zunehmenden Privatisierung hoheitlicher Aufgaben. Das Wuppertaler Jobcenter befinde sich auf einem Privatgelände, der Eigentümer wünsche keine Proteste vor der Tür. Die Erwerbslosen müssten ihre Aktion ca. 50 Meter entfernt auf öffentliches Straßenland verlegen. Die Erwerbslosenaktivisten sehen darin eine Beeinträchtigung ihres Protestes, denn es werde schwieriger, die Betroffenen anzusprechen.

»Wir wollen uns das Recht, vor dem Jobcenter zu protestieren, nicht nehmen lassen«, betont Thomé. Man wolle per Eilantrag das Verbot kippen. Sollte das keinen Erfolg haben, werde der Gang durch alle Instanzen angetreten. Thomé verweist auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes von 2005, wonach auf dem privaten Gelände eines Flughafens Proteste gegen die Abschiebung von Flüchtlingen möglich sein müssten, weil dort hoheitliche Tätigkeiten vollzogen werden. Auch vor einem Jobcenter müsse deshalb Protest möglich sein, meinen die Erwerbslosengruppen, die sich am kommenden Montag beteiligen wollen. Sollten sie bis dahin keinen juristischen Erfolg haben, würden sie sich trotzdem vor dem Jobcenter versammeln und das »spontane Versammlungsrecht« wahrnehmen, kündigte ein Erwerbsloser an, der namentlich nicht genannt werden wollte.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/943772.zahltag-vor-jobcenter-untersagt.html

Peter Nowak

Rücktritt am Oberdeck der Berlin-Titanic

Als Partybürgermeister ist Wowereit schon lange überflüssig geworden, jetzt zieht er die Konsequenzen

Auf der Homepage [1] des Regierenden Bürgermeisters von Berlin standen heute Nachmittag die mögliche Olympiabewerbung von Berlin und der „herausragende Unternehmer und gute Botschafter“ im Mittelpunkt. Dabei gab es bereits am Vormittag bei einigen Berliner Radiosendungen Programmunterbrechungen, als die ersten Meldungen bekannt wurden, dass Klaus Wowereit die erste Gelegenheit nach dem Ende der Sommerpause nutzen will, um den Termin für seinen Rücktritt im Dezember dieses Jahres festzulegen.

In seiner kurzen Erklärung betonte er, dass er freiwillig zurückgetreten sei, kritisierte allerdings auch, dass selbst in seiner Partei die Gerüchte über seine mögliche Amtsmüdigkeit nicht verstummen wollten. Dabei war schon länger klar, dass er bei Neuwahlen nicht mehr kandidieren werde. Schließlich waren seine Umfragewerte in den letzten zwei Jahren kontinuierlich schlechter geworden. Er hält sich mittlerweile in der Liste der unbeliebten Politiker [2]kontinuierlich auf den vorderen Plätzen und beschert auch seiner SPD schlechte Umfragewerte.

Vom großen Kommunikator zum Quotenschrecken

Dabei war Wowereit einst gerade als großer Kommunikator bekannt und auch beliebt. Wenn man sich fragt, für welche Inhalte Wowereit eigentlich stand, kommt man schnell ins Raten. Viel berühmter sind einige seiner Aussprüche, die viel auf das kulturelle und diskursive Klima ausstrahlten.

Gleich zu Beginn seiner Amtszeit wurde er mit dem Bekenntnis: „Ich bin schwul und das ist gut so“ bekannt und konnte damit den Beweis antreten, dass zumindest in der Metropole Berlin ein schwuler Politiker keine Karrierebremse mehr bedeuten muss. 2001 war einsolches Bekenntnis bundesweit durchaus noch ein Wagnis.

Wowereit gerierte sich hier auch als Anti-Koch. Der hessische Ministerpräsident hatte kurz zuvor gerade mit einer Kampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft eine Wahl gewonnen und machte immer wieder deutlich, dass zu seiner Klientel die Anhänger der traditionellen Kleinfamilie gehören. Fast zwei Jahrzehnte später ist das auch bei den Unionsparteien längst nicht mehr so klar. Die Anhänger der traditionellen Kleinfamilie gerieren sich als außerparlamentarische Opposition oder suchen in neuen Parteiformationen wie der AfD ein neues Betätigungsfeld. Wowereit mag hier als Tabubrecher gewirkt haben, wenige Jahre später war Guido Westerwelle als schwuler Politiker noch bekannter.

Daher kann man sagen, er hat sich selber überlebt. Wowereit galt in einer Zeit als linker SPD-Politiker, als das Kulturelle und Diskursive eine zentrale Rolle spielte. Vor 15 Jahren hat sich auch außerparlamentarische linke Politik vor allem auf die Durchsetzung der Rechte von Menschen konzentriert, die bisher ausgegrenzt und diskriminiert wurden, weil sie der gesellschaftlich durchgesetzte Norm nicht entsprachen. In diesem Sinne konnte Wowereit als linker SPD-Politiker durchgehen.

Die Zeit des Partybürgermeisters war schon lange vorbei

Dass aber die Stadt Berlin massive soziale Probleme hat und nicht erst seit der Wirtschafts- und Finanzkrise die Zahl der Geringverdiener und Minijobber wächst, die sich nur durch die Aufstockung mit Hartz IV ihre Reproduktionskosten bestreiten können, wurde in den Kreisen gerne verdrängt, in denen Wowereit als Partybürgermeister beliebt war. Wenn nun die Süddeutsche Zeitung Wowereits angekündigten Rücktritt knapp mit „Die Party ist aus“ [3] kommentierte, dann ist sie eigentlich der Zeit um Jahre hinterher.

Die Zeit des Partybürgermeisters war zu dem Zeitpunkt zu Ende, als die Dotcom-Blase platzte und auch im Mittelstand mehr von prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen als von der neuen Party die Rede war. Dass jetzt viele sein Versagen fast nur mit der Pleite um den neuen Berliner Flughafen in Verbindung bringen, ist auch ein Ausdruck des Zynismus einer Politik, die die Verarmung großer Teile der Bevölkerung achselzuckend hinnimmt, solange nur am Oberdeck der Gesellschaft die Party weitergeht. Wowereit war für diese Klientel der ideale Stichwortgeber, der mit einem weiteren berühmten Spruch die Lage dieser Berlin-Titanic so klassifizierte: „Arm aber sexy“.

In Kreisen der prekären Kulturarbeiter und Wissenschaftler, die lange zu Wowereits Klientel zählten, kam dieser Spruch gut an, einige ließen ihn sich sogar auf das T-Shirt drucken. Sie hatten ja die Hoffnung, doch noch irgendwie aufzusteigen. Für Menschen aus den Berliner Unterklassen zeigte der Spruch vor allem die Verkommenheit derer auf dem Oberdeck. Sie wandten sich von der Politik ab und versuchten über die Runden zu kommen, indem sie Flaschen sammeln oder vor den Essenstafeln Schlange stehen. Wowereit konnte derweil den Partymeister am Oberdeck noch weiter spielen, weil die Subalternen nicht die Mitteln und Möglichkeiten haben, es zu stürmen. Selbst eine kleine Unterbrechung der Party, wie sie Ken Loach in dem Film „Brot und Rosen“ inszeniert, wo Putzkräfte in den USA mit Staubsaugern und Wischmob ein Filmfest unterbrachen, um für bessere Löhne zu demonstrieren, war in Berlin nicht in Sicht.

Dafür hatte auch Wowereit gesorgt. Außerparlamentarische Proteste wurden mittels Bannmeile vom Oberdeck ferngehalten und die Berliner PDS, die in den 90er Jahren noch ein gewisses Oppositionspotential hatte, wurde von Wowereit domestiziert, in dem er sie 2001 zum Koalitionspartner nahm und über ein Jahrzehnt als zahmen Regierungspartner hielt. Heute ist die Berliner Linksparteieine etwas geliftete SPD mit libertärem Flügel. Grundsätzliche Gesellschaftskritik ist von dort nicht zu erwarten.
Mit der PDS konnte Wowereit eine neoliberale Wirtschaftspolitik auf allen Gebieten durchsetzen. Der soziale Wohnungsbau wurde in dieser Ägide praktisch abgeschafft, die Kommunalen Wohnungsbaugesellschaften privatisiert und so der Grundstein für die Berliner Wohnungsmisere für Menschen mit geringen Einkommen gelegt. Mittlerweile versuchen Mieterinitiativen mit dem Projekt „Neuer Kommunaler Wohnungsbau“ gegenzusteuern. In der Ära Wowereit wuchs die Zahl der Minijobs und die Verarmung stieg. Dass sich der Partymeister trotzdem zeitweise als gefühlter Bundeskanzler gerierte und dabei von vermeintlich SPD-Linken wie Andrea Nahles bestärkt wurde, die Wowereit als Kanzlerkandidaten ins Gespräch brachte, zeigt nur den Zustand diese sozialdemokratischen Linken.

Wie weiter in Berlin?

Die Berliner SPD, in der Wowereit mögliche Konkurrenten jahrelang kleinhielt, wird nun nach seinem Rücktritt mit Ansage darüber beraten, wie sie die Nachfolge regelt. Der Berliner SPD-Landesvorsitzende Jan Stöß [4] hält sich ebenso für geeignet wie der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Raed Saleh [5]. Er hat schon angekündigt, sich um Wowereits Nachfolge zu bewerben. Besonders bekannt und beliebt sind beide nicht.

Jetzt wird überlegt, ob die Nachfolge mit einer Mitgliederbefragung geregelt werden soll, was Stöss zugute käme, der in der Partei besser vernetzt ist. Wenn es keine Einigung gibt, könnte auch ein SPD-Politiker eingeflogen werden, um das Amt zu übernehmen. Noch muss die SPD keine Neuwahlen fürchten, weil die CDU erklärt hat, dass sie die Regierungskoalition mit der SPD bis 2016 fortsetzen will, solange der Koalitionsvertrag gilt. Dieses Bekenntnis hat natürlich nur eine begrenzte Halbwertzeit, weil die CDU von der Schwächephase der SPD profitieren würde, was auch für die Grünen zutrifft, die bereits Neuwahlen nach Wowereits Rücktritt fordern.

Sollte die Linke auch die Gunst der Stunde nutzen, um von der Schwäche der SPD zu profitieren und die CDU den Zeitpunkt für den Absprung günstig erscheint, könnte es tatsächlich bald Neuwahlen und unter Umständen ein schwarz-grünes Bündnis auch in Berlin geben. Schließlich hat auch Wowereit 2001 sein Politdebüt damit gegeben, dass er das Bündnis mit der CDU unter Diepgen aufgekündigt hat und sich dann neue Partner suchte.

Für die Menschen, die in Berlin ganz unten sind, dürfte sich so oder so wenig ändern. So hat sich just am Tag des Wowereit-Rücktritts die Situation der Flüchtlinge, die dort für ihr Bleiberecht kämpfen, wieder verschärft. Die versprochenen Neuverhandlungen der Asylverträge erschöpften sich in einer Überprüfung nach Aktenlage. Jetzt droht [6] mehreren der betroffenen Menschen erneut Obdachlosigkeit und Abschiebung. Heute Nachmittag begannen einige Flüchtlinge in einer Unterkunft in der Berliner Gürtelstraße dagegen erneut mit Protesten und einer Dachbesetzung. Die Meldung ging in den Rummel um die Ankündigung des Wowereit-Rücktritts unter. Das ist eines der Probleme auf der Baustelle Berlin, die Wowereit hinterlassen hatte.

http://www.heise.de/tp/news/Ruecktritt-am-Oberdeck-der-Berlin-Titanic-2302772.html

Peter Nowak

Links:

[1]

http://www.klauswowereit.de/

[2]

http://www.berliner-zeitung.de/berlin/umfragewerte-fuer-berliner-spd-wowereit-wird-immer-unbeliebter,10809148,26479652.html

[3]

http://www.sueddeutsche.de/politik/ruecktritt-von-klaus-wowereit-die-party-ist-aus-1.2104207

[4]

http://www.jan-stoess.de/

[5]

http://www.raed-saleh.de/

[6]

http://www.fluechtlingsrat-berlin.de/print_neue_meldungen2.php?post_id=687

Hellersdorfer Bestandsaufnahme

Antifagruppen veranstalten Aktionswoche gegen Rassismus

Ein Jahr nach Eröffnung des Flüchtlingsheims in Hellersdorf gibt es Workshops, Theater und eine Demo gegen Ausgrenzung.

»Aktiv gegen Rassismus und Ausgrenzung« lautet das Motto einer Aktionswoche in Marzahn-Hellersdorf. Antifagruppen und zivilgesellschaftliche Initiativen planen in Kooperation mit der Alice Salomon Hochschule ab dem heutigen Montag bis zum 30. August zahlreiche Veranstaltungen, Theateraufführungen, Filme und Demonstrationen.

Zuerst beschäftigten sich mehrere Referenten in der Alice Salomon Hochschule mit der Frage »Was ist Rassismus?« und den Möglichkeiten der Unterstützung von Flüchtlingen. Am Mittwoch wird im Hellersdorfer Jugendzentrum La Casa das Theaterstück Asylmonologe aufgeführt. Am gleichen Tag wird gemeinsam mit Bewohnern des Hellersdorfer Flüchtlingsheims ein Skatebord-Workshop veranstaltet. Für Freitag ist ein Kiezspaziergang durch Hellersdorf zu Orten geplant, in denen in der letzten Zeit rassistische Übergriffe stattgefunden haben.

Die Aktionswoche endet am 30. August mit einer Demonstration, die um 12 Uhr am Cottbuser Platz beginnt. Sie wendet sich gegen Neonazis, will aber ebenso den Alltagsrassismus im Stadtteil thematisieren. Dabei geht es den Veranstaltern auch darum, Solidarität mit den Flüchtlingen zu zeigen, die seit einem Jahr in einer ehemaligen Schule in der Carola-Neher-Straße untergebracht sind. Im letzten Jahr machte Hellersdorf bundesweit Schlagzeilen, als unter dem Motto »Nein zum Heim« eine rechte Bürgerinitiative gegen den Einzug der Flüchtlinge hetzte. Auf Stadtteilversammlungen traten bekannte Neonazis mit Hetzreden auf. Auch auf Facebook wurde gegen die Flüchtlinge Stimmung gemacht. Diese rechte Mobilisierung wurde zum Vorbild für ähnliche rassistische Initiativen in anderen Städten.

Seitdem sind allerdings auch antirassistische Gruppen zur Unterstützung der Flüchtlinge aktiv, zum Beispiel unter dem Motto »Hellersdorf hilft«. Eine Initiative, bei der auch viele Anwohner dabei sind. Daran möchte die Aktionswoche anknüpfen. »Wir wollen ein Jahr nach der Eröffnung des Flüchtlingsheims eine Art Bestandsaufnahme machen und die Aufmerksamkeit auf Hellersdorf richten«, sagte Tanja Roth vom Vorbereitungskreis. Sie wies darauf hin, dass es im Stadtteil weiterhin rassistische Aktivitäten gebe. Davon sei auch die Aktionswoche betroffen, weil viele Ankündigungsplakate im Stadtteil abgerissen wurden. Aber auch die Unterstützungsarbeit der Flüchtlinge macht Fortschritte. So wurde am 22. August in der Schneebergerstraße 17 in unmittelbarer Nähe zum Heim ein Ladenlokal als Begegnungsstätte zwischen Flüchtlingen und Stadtteilbewohnern.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/943538.hellersdorfer-bestandsaufnahme.html

Peter Nowak

»Waffen sind nicht zurückholbar«

Paul Russmann über die Gefahren von Lieferungen

Sehen Sie die aktuelle Diskussion um Waffenlieferungen nach Irak als Niederlage Ihrer jahrelangen Arbeit gegen die Verbreitung von Waffen?

Es geht hier nicht um Sieg oder Niederlage. Ich sehe hier vor allem die Verantwortungslosigkeit einer Bundesregierung, die seit Jahren Waffen in Krisen- und Spannungsgebiete sowie in Staaten liefert, die Menschenrechte verletzen. Auch an Länder, die den IS unterstützen, werden Waffen aus Deutschland geliefert. Damit verstößt sie gegen ihre eigenen 2000 formulierten politischen Grundsätze zum Waffenexport.

Die Bundesregierung setzt nur ihre alte Politik fort?

Eine neue Qualität besteht darin, dass nun erstmals Waffen nicht an Staaten, sondern mit den kurdischen Peschmerga an nichtstaatliche Akteure geliefert werden sollen. Damit ist die Bundesrepublik Kriegspartei in diesem Konflikt.

Nun argumentieren viele, die Lieferungen seien nötig, um das Leben von Tausenden zu retten. Müssen da nicht Bedenken zurückstehen?

Diese Argumentation ist ja nicht neu. Schon während des Jugoslawienkonflikts wurde der Einsatz der Bundeswehr mit der Rettung von mit Vertreibung bedrohten Volksgruppen begründet. Mit der gleichen »Berechtigung« könnte die Lieferung von Waffen nach Sudan oder Syrien oder in andere Konfliktgebiete gefordert werden, in denen Menschen bedroht sind.

Welche Gefahren sehen Sie durch Waffenlieferungen?

Es zeigt sich, dass Waffen, die einmal geliefert wurden, nicht mehr zurückholbar sind. Die Perschmerga kämpfen für einen eigenen Staat, was zu Konflikten mit der irakischen Zentralregierung oder Nachbarländern wie die Türkei führt, dann auch mit Waffen aus Deutschland.

Welche Schritte schlagen Sie vor?

Die Kampagne »Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel« hat eine Pressemitteilung verfasst, in der sie neben Kritikpunkten auch elf Sofortmaßnahmen für die notleidenden Menschen auflistet. Dabei geht es um unmittelbare humanitäre Hilfe für die betroffenen Menschen durch den Abwurf von Medikamenten, Decken und Nahrungsmitteln. Auch sollen die Betroffenen, die das wünschen, in Länder ihrer Wahl ausgeflogen werden. Zudem soll der Druck auf Länder wie Saudi-Arabien und Katar verstärkt werden, die Unterstützung für den IS aufzugeben.

www.ohne-ruestung-leben.de

https://www.neues-deutschland.de/artikel/943418.waffen-sind-nicht-zurueckholbar.html

Interview: Peter Nowak

Mieter muss nicht umziehen

WOHNEN Von Räumung bedrohter Mieter erreicht Vergleich mit der Degewo – Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ wertet das als Erfolg seiner Arbeit

Dieter S. darf aufatmen. Der von einer Räumung bedrohte Mieter einer Degewo-Wohnung in Moabit kann dort wohnen bleiben, wo er seit 15 Jahren lebt. Sein Anwalt und die Wohnungsbaugesellschaft Degewo haben sich auf diesen Vergleich geeinigt. Die Degewo hatte S. gekündigt, weil der mehrmals seine Mietzahlungen gemindert hatte, unter anderem wegen Baulärm. Nur ein Teil der Mietminderungen wurden gerichtlich anerkannt. Obwohl S. die offenen Forderungen beglichen hatte, entschied das Berliner Amtsgericht im April 2014, die Kündigung der Degewo sei rechtmäßig.

S. wandte sich auch an das Berliner Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“, das vergangenen Freitag bei einem Go-in mit Picknick in der Degewo-Zentrale die Rücknahme der Kündigung forderte. „Von den Degewo-VertreterInnen hörten wir, dass ein Vergleich vorbereitet wird“, sagte Sara Walter von dem Bündnis gegenüber der taz. Auch der betroffene Mieter sie davon überrascht worden.

Isabella Canisius von der Degewo betonte gegenüber der taz, der Vergleich sei bereits vor der Aktion des Bündnisses geplant gewesen. In der Vereinbarung habe S. zusagen müssen, seine Verpflichtungen als Mieter künftig einzuhalten. Er habe zugesichert, seine Forderungen nach Mietminderung nicht mehr weiter zu verfolgen und einen Teil der Verfahrenskosten zu tragen.

Für Sara Walter vom Bündnis sind diese Klauseln ein Wermutstropfen bei der Vereinbarung. S. habe auf Mieterrechte verzichten müssen, um eine Zwangsräumung zu verhindern. Die Einigung sieht sie auch als Erfolg der Aktivitäten des Bündnisses. In den vergangenen Monaten habe das Bündnis öfter bei Wohnungsbaugesellschaften, Sozialbehörden und Jobcentern interveniert, um Zwangsräumungen zu verhindern. Eine Kleine Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (Piraten) hat ergeben, dass es von 2008 bis April 2013 bei der Degewo 1.223 Räumungen gegeben hat.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F08%2F22%2Fa0122&cHash=e0e8108f3671ff7124c9d4a309ee69b7

Peter Nowak

Theatertruppe

Die Altstadt von Köpenick wirkt wie eine preußische Postkarten­idylle. Überall erblickt man das Konterfei von Friedrich Wilhelm ­Voigt, der, als Hauptmann verkleidet, im Oktober 1906 einen Trupp Soldaten um sich scharte, das Rathaus des damals noch eigenständigen Städtchens besetzte, die Kasse an sich nahm und dadurch das Dorf bei Berlin weltbekannt machte. Für zeitgenössische Kritiker war diese Köpenickiade »der glänzendste Sieg, den jemals der militaristische Gedanke in seiner äußersten Zuspitzung davongetragen hat«, wie die linksliberale Berliner Volkszeitung schrieb. Am 12. August marschierte nun erstmals das Berliner Wachbataillon der Bundeswehr zur traditionellen Köpenickiade vor dem Rathaus Köpenick auf. Der Bürgermeister Oliver Igel (SPD) nahm die Parade ab. Während zahlreiche Schaulustige ihre Handys zückten, protestierten etwa 30 Militärgegner gegen das Spektakel. »Kein Werben fürs Sterben«, »Krieg beginnt hier« und »Nie wieder Großdeutschland« lauteten die Protestparolen. Aufgerufen hatten das Antifaschistische Bündnis Südost und die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Auch die Partei »Die Partei« beteiligte sich. »Die Bundeswehr möchte die Veranstaltung für Werbezwecke nutzen und versucht durch derlei Auftritte zukünftige Rekruten zu gewinnen«, monierten die Kritiker. Der Geschäftsführer der Berliner VVN-BdA, Markus Tervooren, sieht in dem kurzen Intermezzo mehr als einen harmlosen Touristenspaß: »Schon Kurt Tucholsky wusste: ›Soldaten sind Mörder.‹ Wer für diesen Beruf wirbt, muss sich entschiedenen Protest gefallen lassen. Dass in Köpenick Bundeswehrsoldaten lediglich als trottelige Helfershelfer eines sympathischen Diebes auftreten sollen, ändert daran nichts.« Allerdings waren auch die zivilen Darsteller eher keine Alternative, schließlich gehörte ein Mitglied der NPD-Fraktion in der BVV Köpenick dazu.

http://jungle-world.com/artikel/2014/34/50449.html

Peter Nowak

Aus Großvaters Tagebuch

Kriegsgegner besetzten das »GÜZ« in der Altmark

Am Dienstag und am gestrigen Mittwoch besetzten Kriegsgegner das »Gefechtsübungszentrum Heer« (GÜZ) der Bundeswehr in der Colbitz-Letzlinger Heide (Sachsen-Anhalt). Peter Nowak sprach mit Jan Stehn, einem der Organisatoren der Aktion, die vom Protestcamp »War Starts Here« ausging.

nd: Was hat Sie zu der Besetzung des GÜZ motiviert?
Stehn: Nachdem ich längere Zeit im Ausland lebte, haben mich die Aktionen gegen das GÜZ motiviert, mich wieder politisch zu betätigen. Dort bereitet sich die Bundeswehr auf ihre Einsätze vor und dort ist es auch möglich, Kriegsplanungen direkt zu behindern. Gerade in der aktuellen Debatte darum, was deutsche »Verantwortung« bedeutet, ist uns wichtig deutlich zu machen, dass Militär und Waffenexport kriegerische Konflikte verlängern und eskalieren. Es gibt viele Möglichkeiten, sich friedensfördernd zu engagieren. Die Bundeswehr brauchen wir nicht.

Wie ist Ihnen gelungen, in das GÜZ einzudringen?
Das war nicht schwer. Wir hatten die Aktion angekündigt und waren auf Wachleute, Polizei oder Feldjäger vorbereitet. Doch wir konnten unbehelligt zwei Kilometer vordringen und uns auf einer Brache niederlassen. Einige setzten dort vorbereitete Friedenszeichen, es wurden Bäume gepflanzt. Ich trug aus dem 100 Jahre alten Kriegstagebuch meines Großvaters vor. Er hat sich zu Beginn des Ersten Weltkrieges begeistert beteiligt, aber bald die Grausamkeit des Krieges erkannt.

Wie reagierten die Wachmannschaften?
Kurz, nachdem wir uns niedergelassen hatten, sind Soldaten eingetroffen und haben uns beobachtet. Dabei war auch der Leiter des GÜZ, Oberst Gunter Schneider, der bis zur Räumung durch die Polizei nach 2,5 Stunden vor Ort war. Ein Teil von uns verließ den Platz freiwillig, andere wurden vom Gelände getragen.

Welche juristischen Folgen kann die Aktion haben?
Das wird sich zeigen. Da das GÜZ kein eingefriedetes, umzäuntes Gelände ist, haben wir keinen Hausfriedensbruch begangen. Ob das Betreten des Geländes eine Ordnungswidrigkeit darstellt, ist ebenfalls unklar. Der Weg, auf dem wir uns befanden, war nicht einmal beschildert. Einige Aktivisten haben Widerspruch gegen die fragwürdigen Platzverweise eingelegt, die die Polizei für das GÜZ-Gelände ausgesprochen hat. Dort ist weder eine Begründung noch die verantwortliche Behörde angegeben.

Die Aktionen finden im Rahmen des »War Starts Here«-Camps statt, an dem verschiedenste Gruppen teilnehmen. Wie klappt die Kooperation derselben?
Das Camp wird bereits zum dritten Mal Spektren übergreifend organisiert. In diesem Jahr wurde besonderer Wert darauf gelegt, deutlich zu machen, dass unterschiedliche Gruppen ihre Aktionen auf dem Camp vorbereiten, sodass die Teilnehmer unterschiedliche politische Ansätze kennenlernen und darüber gemeinsam diskutieren können.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/943136.aus-grossvaters-tagebuch.html

Interview: Peter Nowak


Ebola-Fehlalarm in Berlin