Wenn das Gefängnis keine gewerkschaftsfreie Zone mehr ist

Studentische Armut und die Mühen des Widerstands

Razzia bei der IG Knast

JUSTIZ In Tegel werden Zellen zweier Insassen durchsucht, die eine Gewerkschaft gründen

Die Leitung der Justizvollzugsanstalt Tegel hat die Zellen zweier Häftlinge durchsuchen lassen, die zuvor den Aufruf zur Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft verbreitet hatten. Dies bestätigte Justizsprecherin Lisa Jani am Donnerstag der taz. Auf dem mit einer Unterschriftenliste verbundenen beschlagnahmten Aufruf sei die Einführung des Mindestlohns für Gefangene sowie deren Aufnahme in die Rentenversicherung gefordert worden.

„Gefangene haben bisher keine Lobby. Die schaffen wir uns mit der Gefangenen-Gewerkschaft nun selber“, erklärt ihr Sprecher Oliver Rast in der Presseerklärung zur Gründung. Rast, dessen Zelle durchsucht wurde, war wegen Mitgliedschaft in der linksautonomen militanten gruppe (mg) zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Gemeinsam mit einer kleinen Gruppe Gefangener hatte er die Gewerkschaftsgründung bereits seit mehreren Monaten vorbereitet.

Grundrechte im Knast

Der Rechtsanwalt Sven Lindemann, der Rast juristisch vertritt, kritisierte die Durchsuchung und betonte, dass die gewerkschaftlich engagierten Häftlinge lediglich ihr Grundrecht wahrnehmen: Schließlich sei das in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Recht auf Koalitionsfreiheit auch im Gefängnis nicht aufgehoben.

Justizsprecherin Jani erklärte hingegen, dass jedwede politische Aktivitäten, wozu auch das Sammeln von Unterschriften gehöre, zuvor mit der Anstaltsleitung abzusprechen seien, „um der Gefahr vorzubeugen, dass es zu einer Aufwiegelung“ komme. Das Vorgehen gegen die Gefangenen begründete Jani mit dem Verstoß gegen diese Regel. Es sei nicht darum gegangen, die Gründung einer Gefangenen-Gewerkschaft zu verhindern.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2014%2F05%2F30%2Fa0128&cHash=28f7f56f23fcc4491657adb6e3b5706c

Peter Nowak

PETER NOWAK, PLUTONIA PLARRE

Tegeler Gefangene gründen Gewerkschaft

Häftlinge der Justizvollzugsanstalt fordern einen Mindestlohn für Inhaftierte und eine Rentenversicherung

»Gefangene haben bisher keine Lobby. Die schaffen wir uns mit der Gefangenengewerkschaft nun selber«, erklärte Oliver Rast in der Presseerklärung zur Gründung der Gefangenengewerkschaft in der JVA Tegel. Rast war wegen Mitgliedschaft in der linksautonomen militanten gruppe (mg) zu einer mehrjährigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Gemeinsam mit einer Gruppe Gefangener hat er die Gewerkschaftsgründung seit Monaten vorbereitet. Mit der Struktur eines nichtrechtsfähigen Vereins soll der Bestand der Gewerkschaft längerfristig gesichert werden, betont Rast. In der Vergangenheit waren kurzfristige Gewerkschaftsgründungen meist schnell beendet, wenn die Gründer das Gefängnis verließen. Aus diesen Erfahrungen haben die jüngsten Gewerkschaftsgründer gelernt. Den Versuch, so viele Gefangene wie möglich mit einzubeziehen, sieht Rast als erfolgreich an.

Die Gründungserklärung der Knastgewerkschaft sei von zahlreichen Gefängnisinsassen in Tegel unterzeichnet worden. Zu der Unterstützung dürfte beigetragen haben, dass sich die neue Gewerkschaft auf zwei zentrale Forderungen konzentriert: einen Mindestlohn von 8,50 Euro in der Stunde und eine Rentenversicherung für Gefängnisinsassen. Diese Forderungen werden auch von vielen zivilgesellschaftlichen Gruppen außerhalb der Gefängnismauern unterstützt. Damit soll verhindert werden, dass Häftlinge nach einem längeren Gefängnisaufenthalt mittellos und ohne soziale Absicherung entlassen werden.

Doch wie bei Gewerkschaftsgründungen außerhalb der Gefängnismauern stößt auch die Interessenvertretung in der JVA nicht überall auf Sympathie. Nach der Veröffentlichung der Gründungserklärung wurden in den Zellen von Rast und einem weiteren Gewerkschaftsaktivisten bei einer Zellenrazzia zahlreiche Unterlagen zur Gewerkschaftsgründung beschlagnahmt. Der Leiter des Bereichs Öffentlichkeitsarbeit der JVA Tegel, Lars Hoffmann, wollte auf Nachfrage gegenüber »nd« zu der Gewerkschaftsgründung und der Durchsuchung keine Stellungnahme abgeben.

Der Berliner Rechtsanwalt Sven Lindemann, der Rast juristisch vertritt, betont, dass die gewerkschaftlich engagierten Häftlinge nur ihr Grundrecht wahrnehmen. Schließlich gelte das in Artikel 9, Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte Recht auf Koalitionsfreiheit auch im Gefängnis. Auch der Gefangenenbeauftragte des zivilgesellschaftlichen Komitees für Grundrechte und Demokratie, Christian Herrgesell, sieht in der Gewerkschaftsgründung die Wahrnehmung eines Grundrechts. Allerdings zeige die Erfahrung immer wieder, dass die Anstaltsleitungen häufig mit der Wahrung von Sicherheit und Ordnung in der JVA argumentieren, um Grundrechte in Bezug auf die politische Willensbildung im Gefängnis einzuschränken. Daher sei es immer wichtig, dass solche Initiativen hinter Knastmauern von außen unterstützt werden.

In der Gründungserklärung der Knastgewerkschaft werden ausdrücklich verschiedene gewerkschaftliche Strukturen angesprochen. »Wir erhoffen uns von DGB-Einzelgewerkschaften und den verschiedenen basisgewerkschaftlichen Initiativen eine konkrete Unterstützung«, heißt es dort. Kritisiert wird in der Erklärung, dass bei der aktuellen Debatte über den Mindestlohn Inhaftierte vergessen werden, »obwohl Zehntausende von ihnen in den Haftanstalten u.a. für externe Konzerne Produkte fertigen und für staatliche Stellen arbeiten.« Die Unterstützung der Knastgewerkschaft könnte so auch verhindern, dass Gefängnisse als gewerkschaftsfreie Zonen zum Lohndumping beitragen.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/934432.tegeler-gefangene-gruenden-gewerkschaft.html

Peter Nowak

Wirtschaftsdemokratie

»Demokratisches Wirtschaften von unten ist, örtlich oder regional vernetzt oder auch als Einzelprojekt, möglich. Dafür sprechen Tatsachen, auch in Deutschland«. Diese optimistische Einschätzung stammt von der DDR-Historikerin Ulla Plener. Die Referate der Tagung »Demokratische Transformation als Strategie der Linken«, die zum 80. Geburtstag von Ulla Plener stattfand, wurden nun unter dem Titel »Demokratisierung von Wirtschaft und Staat« als Buch veröffentlicht. Ralf Hoffrogge geht auf die Debatte über Wirtschaftsdemokratie in der Weimarer Republik ein. Nachdem rätedemokratische Modelle im Bündnis von Freikorps und SPD-Führung blutig zerschlagen wurden, setzte Mitte der 1920er Jahre in der SPD eine Debatte über wirtschaftsdemokratische Konzepte ein. Ziel war es, den Kapitalismus zu bändigen, nicht, ihn abzuschaffen. In Deutschland hatten diese reformkapitalistischen Konzepte nie eine Realisierungschance. Davon ließ sich aber die arbeiterzionistische Aufbaugeneration in Israel inspirieren. Gisela Notz untersucht die wirtschaftsdemokratischen Elemente in der Genossenschaftsbewegung. Auch internationale Erfahren werden mit einbezogen, etwa die Diskussionen über Arbeiterselbstverwaltung in der Frühphase der polnischen Solidarnosc-Bewegung. Auch kritische Stimmen sind in dem Band vertreten. Michael Hewener sieht eine doppelte Illusion: »die eines möglichen demokratischen Kapitalismus und die eines möglichen Übergangs zum demokratischen Sozialismus«.

Peter Nowak

Axel Weipert: Demokratisierung von Wirtschaft und Staat. NoRa Verlagsgemeinschaft, Berlin 2014. 230 Seiten, 19 EUR.

Merkel-Sieg in Rom

Neue Wohnungen kontra freies Feld?

Feindbild Betriebsrat

»Jeder Arbeitskampf wird verleumdet«

In Griechenland findet am 25. Mai nicht nur die Wahl für das EU-Parlament, sondern auch die zweite Runde der Kommunalwahlen statt. Viele Griechinnen und Griechen setzen Hoffnungen auf die Wahlen, doch ein Ende der Krise ist nicht in Sicht. Die Jungle World sprach mit Afrodite Tziantzi über die Durchsetzung der Austeritätspo­litik und den Widerstand dagegen in Griechenland. Tziantzi ist Mitglied des Redak­tionskollektivs der Zeitung der Redakteure, das sich Ende 2012 nach dem durch die Krise bedingten Konkurs der linksliberalen Zeitung Elef­therotypia gegründet hat.

In den vergangenen Wochen wurde in vielen deutschen Medien suggeriert, es gehe mit der griechischen Wirtschaft wieder aufwärts, weil das Land wieder internationale Kredite aufnehmen konnte. Teilen Sie diesen Optimismus?

Nein, ich bin überhaupt nicht optimistisch und ein großer Teil der Menschen in Griechenland ist es auch nicht. Es gibt auch keinen Grund dazu. Denn die von Ihnen genannten Meldungen haben mit der Lebensrealität der meisten Menschen in Griechenland nichts zu tun.

Welche Rolle kann die Zeitung der Redakteure in dieser Situation spielen?

Sie berichtet aus einem Land der Memoranden, der Krise und des alltäglichen Widerstands. Eine wichtige Aufgabe für uns als Redakteurinnen und Redakteure besteht darin, der offiziellen Erzählung über die Krise etwas entgegenzusetzen. Das fängt schon bei den Begriffen an. Da wird immer von »Rettungspaketen« geredet. Wir sollen viele Male gerettet worden sein und werden weiterhin gerettet. Doch die Rettungspakete waren eine Unterstützung für internationale Banken mit dem Zentrum in Deutschland. Zur gleichen Zeit verüben durchschnittlich zwei Menschen täglich in Griechenland Selbstmord, weil sie keinen Ausweg mehr aus der Lage sehen, in die sie von der Politik der Troika und der griechischen Regierung gebracht wurden. Wesentlich höher ist die Zahl der Suizidversuche. Es ist daher lächerlich, von ersten Erfolgen der Wirtschaftspolitik in Griechenland zu sprechen.

arum beteiligen sich so viele Journalistinnen und Journalisten an der Verbreitung der Erfolgsmeldungen?

Unter den Bedingungen der Krise funktioniert die Propaganda in den von Staat und Wirtschaft kontrollierten Medien besonders gut. Schließlich werden die Journalisten schlecht bezahlt und sind immer mit der Angst konfrontiert, entlassen zu werden. Viele werden daher alles schreiben, was von ihnen verlangt wird. Daher begegnen wir in fast allen griechischen Massenmedien der Botschaft, es gebe keine andere Lösung als die Durchsetzung der Austeritätspolitik. Jeder Arbeitskampf wird verleumdet und als Angriff auf die griechische Wirtschaft dargestellt.

Wie sieht es bei der Zeitung der Redakteure aus?

Sie wurde von erwerbslosen Journalisten gegründet und steht auf Seiten der Prekären, Unterbezahlten und Erwerbslosen. Sie steht auch auf Seiten der Menschen, die sich an Streiks und sozialen Kämpfen beteiligen, die es heute in Griechenland ständig gibt, auch wenn der Großteil der Massenmedien nicht darüber berichtet.

Welche Kämpfe waren das bislang?

Wir haben über die Streiks der Lehrer und der Beschäftigten im öffentlichen Sektor berichtet. Wir sind auf Seiten der Putzfrauen des griechischen Finanzministeriums, die jeden Tag demonstrieren und dabei häufig mit Polizeigewalt konfrontiert werden. Wir berichten über die Handelsangestellten im Buchsektor, die sich gegen die Abschaffung des Sonntagsarbeitsverbots wehren. Wir sind auch solidarisch mit den Menschen, die sich gegen Umweltzerstörung wehren. International bekannt wurde der Kampf der Bauern auf der Halbinsel von Chalkidiki, die sich gegen den Goldabbau wehren und dafür wie Terroristen behandelt und ins Gefängnis geworfen wurden.

In deutschen Medien wurde berichtet, dass die Demonstrationen rund um den 1. Mai in Griechenland in diesem Jahr schwach besucht waren. Hat der Widerstand auf der Straße tatsächlich nachgelassen?

Der Rückgang der Massenproteste auf der Straße hat verschiedene Gründe. Ein Teil der Gewerkschaftsführungen setzt auf ein gutes Ergebnis für Syriza bei den Europawahlen. Sie argumentieren gegenüber ihrer Basis, dass diese sich in den vergangenen Jahren an so vielen Protesten beteiligt habe und es jetzt an Zeit sei, ihren Protest bei der Wahl auszudrücken. Diese Argumentation überzeugt auch einen Teil der Gewerkschaftsbasis, weil sie in den vergangenen Jahren viele Niederlagen bei Arbeitskämpfen erlebt hat. So wurde der monatelange Kampf der Stahlarbeiter 2012 beendet, ohne dass die Arbeiter einen Erfolg verzeichnen konnten.

Hat nicht auch der Aufstieg der Partei Chrysi Avgi »Goldene Morgenröte« den Aktivismus gebremst? Schließlich wird die Nazipartei auch von Menschen gewählt, die sich an den Protesten beteiligt haben.

Ich bin sehr vorsichtig mit dieser Einschätzung, schließlich argumentieren die Troika-Parteien ständig damit, dass die Massenproteste zum Aufstieg der Neonazis geführt hätten. Dabei hat die »Goldene Morgenröte« noch 2011 die Proteste der Bewegung der Empörten verurteilt. Es ist allerdings richtig, dass die unklaren Parolen dieser Bewegung ein Nährboden für die Rechten waren. Die Proteste gingen über allgemeine Parolen gegen das Memorandum der Troika nicht hinaus, klassenkämpferische Inhalte fehlten. Die »Goldene Morgenröte« versuchte, an den populistischen Parolen und dem diffusen Nationalismus anzuknüpfen, der sich in der Bewegung der Empörten auch durch die vielen griechischen Fahnen ausdrückte. Sie versucht, Stimmen aus dem Arbeitermilieu zu bekommen, und bedient sich dazu auch Anti-Memorandum-Parolen. Doch ihre zentrale Kampagne richtet sich gegen die Migranten in Griechenland.

Vor einigen Wochen musste ein hoher Regierungsbeamter und enger Vertrauter des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras wegen enger Kontakte mit der »Goldenen Morgenröte« zurücktreten. Was bedeutet das für den vermeintlichen Kampf der Regierung gegen rechts?

Eigentlich hätte es einen großen Aufschrei geben und die Regierung hätte zurücktreten müssen. Aber die griechischen Medien, die den Regierungsparteien nahestehen, haben sofort erklärt, es sei ein individuelles Fehlverhalten des Regierungsbeamten gewesen, von dem sonst niemand in der Regierung gewusst habe. Von diesem Vorfall kann die »Goldene Morgenröte« profitieren.

Spielt die Nazipartei politisch weiterhin eine wichtige Rolle?

Ja, denn sie profitiert von der Zersplitterung der linken Kräfte. Es gab keine geschlossene Gegenwehr gegen die Faschisten. Sicher gibt es in einigen Städten Antifagruppen, die viel Zeit und Kraft in den Kampf gegen die Rechten investiert haben. Doch diese Gruppen sind immer noch klein, werden von der Justiz kriminalisiert und von den regierungsnahen Medien angegriffen. Auch die antirassistische Bewegung in Griechenland ist zersplittert. Verschiedene linke Gruppen und Parteien haben eigene antirassistische Organisationen, aber zu einem gemeinsamen Vorgehen ist es nicht gekommen. Der Staat hat dadurch die Ge­legenheit, sich als Hüter der Gerechtigkeit zu inszenieren, der vermeintlich gegen die »Goldene Morgenröte« vorgeht. Die rassistische Flüchtlingspolitik in Griechenland, die mittlerweile europaweit bekannt ist, wird dabei völlig ignoriert.

In der jüngsten Zeit wurden erste Proteste gegen Zwangsräumungen in Griechenland bekannt. Könnte sich hier ein neuer Alltagswiderstand entwickeln?

In Griechenland besitzen viele Menschen Eigentumswohnungen oder Häuser, statt dass sie zur Miete wohnen. Sie haben daher monatlich hohe Ausgaben für Kredite und Hypotheken. In der allgemeinen Krise des Landes können viele Menschen diese Kosten nicht mehr aufbringen. Bisher gab es ein Räumungsmoratorium in Griechenland. Vor einigen Wochen hat es aber erste Zwangsräumungen gegeben. Durch Proteste konnten jedoch einige verhindert werden. In Athen gibt es wöchentliche Kundgebungen vor Gebäuden, in denen Zwangsräumungen durchgeführt werden sollen. Ob sich daraus eine größere Bewegung entwickelt, wird auch davon abhängen, ob die Zahl der Räumungen steigt. Das ist bislang offen. Die Regierung möchte verhindern, dass sich hier ein neues Kampffeld entwickelt.

http://jungle-world.com/artikel/2014/21/49918.html

Interview: Peter Nowak

Basis blockiert Bosse

In Italien kämpfen die Logistikarbeiter

«Vor zwei Jahren hatte unsere Gewerkschaft in Rom drei Mitglieder. Heute sind es dreitausend», erklärt Karim Facchino. Er ist Lagerarbeiter und Mitglied der italienischen Basisgewerkschaft S.I. Cobas. Eine Delegation italienischer Gewerkschafter aus der Logistikbranche und Unterstützern aus der außerparlamentarischen Linken reiste vorige Woche durch Deutschland. Die Gruppe berichtete bei Veranstaltungen in Esslingen, Köln und Berlin über Arbeitskämpfe in der italienischen Logistikbranche, die sich schon über vier Jahre hinziehen und hierzulande bisher kaum bekannt sind.

Diese Auseinandersetzungen sind auch der Grund für den rasanten Mitgliederzuwachs der S.I. Cobas, in der sich die Logistikbeschäftigten organisiert haben. «Die Gewerkschaft hat keine bezahlten Funktionäre, nur einen Koordinator, doch sein Platz ist nicht am Schreibtisch eines Büros sondern auf der Straße und vor der Fabrik», sagt Facchino.

Träger der Auseinandersetzungen beispielsweise waren schlecht bezahlte Lagerarbeiter großer Warenhäuser, die aus vielen europäischen, arabischen und nordafrikanischen Staaten angeworben worden waren. Sie sind oft nicht direkt bei den Warenhäusern sondern bei Subunternehmen angestellt. «Die Bosse haben gedacht, wir können uns nicht wehren, doch da haben sie sich getäuscht», so Facchino, der in Marokko geboren wurde.

Die Beschäftigten fordern die Verkürzung der Arbeitszeiten und höhere Löhne. Ein zentrales Mittel im Arbeitskampf waren Blockaden, wenn Waren angeliefert worden sind. Die Polizei ging oft mit brutaler Gewalt gegen die Beschäftigten vor. Die Bilder von Arbeitern, die von der Polizei blutig geschlagen wurden, sorgten in ganz Italien für Empörung. Dadurch wurde die Unterstützung für die Forderungen der Beschäftigten größer. Die Unterstützergruppen nutzten auch Filme und Videos, um den Kampf der Beschäftigten bekannt zu machen. «Damit bekamen viele Menschen, die bisher wenig von dem Arbeitskampf wussten, eine Ahnung von der Entschlossenheit der Beschäftigten, für ihre Forderungen zu kämpfen und von der Staatsgewalt, der sie ausgesetzt waren, berichte ein Mitglied der Initiative Clash City Workers. Darin haben sich außerparlamentarische Linke organisiert, die die Arbeitskämpfe unterstützen und die Verbindung zwischen den Beschäftigen, linken Gruppen und sozialen Zentren in Italien aufrecht erhalten.

Die Unterstützungsarbeit ist vielfältig. Öffentlichkeitsarbeit mit Zeitungen, Videos und Filmen gehört ebenso dazu wie die Beteiligung an einer Blockade oder einen Streikposten. Aber auch die Verbindung verschiedener Bewegungen ist den Unterstützern wichtig. So wurde bei einem Streik der Müllarbeiter Kontakt zu ökologischen Gruppen hergestellt, die ein neues Recyclingkonzept entwickelt hatten. Ein Ziel der Rundreise durch Deutschland war für die Delegation auch die bessere Koordination der Arbeitskämpfe. Sie beteiligte sich auch an der Protestaktion vor einer IKEA-Filiale in Berlin.

Denn in den letzten Tagen war der Arbeitskampf des zentralen südeuropäischen IKEA-Logistikzentrums in Piacenza wieder aufgeflammt. Nachdem die Geschäftsführung 70 gewerkschaftliche Aktivisten mit Disziplinarmaßnahmen belegte und 30 Gewerkschafter entließ, blockierten die Beschäftigen mehrere Tage die Zufahrtswege zu dem Werk. Am 9. Mai wurde ein Arbeiter schwer verletzt, als ein Auto in die Blockade raste.

Infos und Filme: de.labournet.tv

https://www.neues-deutschland.de/artikel/933873.basis-blockiert-bosse.html

Peter Nowak

Wirtschaft ohne Werte

»Grenzenlos solidarisch – für eine Demokratie von unten!«, »There is an Alternative – Kommunismus supergeil«. So unterschiedlich waren die Parolen bei einer Demonstration mit mehr als 3 000 Teilnehmern, die am Samstagnachmittag vom Berliner Oranienplatz zum Gendarmenmarkt zog. Sie war Teil der europaweiten »Block­upy«-Aktionstage, mit denen eine Woche vor den Europawahlen Widerstand unterschiedlichster Art unterstützt werden sollte. In Hamburg war die Baustelle der Elbphilharmonie Ziel der Demons­tranten. In Frankfurt am Main wurde eine Wahlveranstaltung der rechtskonservativen »Alternative für Deutschland« gestört. In Berlin stellten die Flüchtlinge vom Oranienplatz einen großen Block der Demonstration, mit der Aktion begann auch ihr Protestmarsch nach Brüssel. Ort und Datum waren gezielt gewählt, wenige Tage vor der Europawahl wurden so in der EU-Hauptstadt jene europäischen Werte eingefordert, die bei Wahlveranstaltungen und in den Medien derzeit Konjunktur haben. Die passende Musik kam von Tocotronic-Sänger Dirk von Lowtzow, der seinen Song »Fuck You Frontex« spielte. In den Städten wurde vorgeführt, wie schnell Grundrechte außer Kraft gesetzt werden, wenn Menschen ihren Protest auf die Straße tragen. In Brüssel wurden am vergangenen Donnerstag 240 Menschen bei friedlichen Protesten gegen den »European Business Summit«, ein Lobbytreffen der Wirtschaft, festgenommen. Zu den Protesten hatte die Allianz »D19-20«, ein Zusammenschluss von Gewerkschaften, Umwelt- und Bauernorganisationen aufgerufen. Auch in Berlin griff die Polizei die Demonstration an, mehrere Teilnehmer wurden festgenommen. Die Demonstration wurde daraufhin kurz vor der geplanten Abschlusskundgebung aufgelöst. Mit Repression und Massenfestnahmen sind die Aktivisten von »Blockupy« bereits vertraut. Im vorigen Jahr wurden Tausende Demonstranten in Frankfurt am Main stundenlang in einem Kessel festgehalten.

http://jungle-world.com/artikel/2014/21/49910.html

Peter Nowak

Respekt für Mieter, bitte

Bewohner der Wisbyer Straße 6 organisieren sich gegen neuen Eigentümer Sascha Klupp

Die Inter Group ist für Mieter ein rotes Tuch. Bewohner wehren sich gegen Sanierungen, Politiker versprechen Prüfung des Bauantrags.

Zwei Drittel der 33 Wohnungen des Gebäudes stehen leer. Die offenen Türen geben einen Blick auf abgetragene Decken und Wände. Doch an einigen Wohnungstüren sind handgemalte Schilder angebracht. »Respekt bitte, hier wohnen Menschen«, steht dort geschrieben. Seit im Januar 2014 die Inter Stadt- und Wohnungsbau Grundbesitz GmbH Eigentümerin der Wisbyer Straße 6 in Prenzlauer Berg geworden ist, kann von einem respektvollen Umgang mit den Mietern keine Rede mehr sein. Cornelia Hentschel, die seit 25 Jahren in dem Haus wohnt, versucht seit zwei Wochen, die Folgen des schweren Wasserschadens zu beheben, der durch Bauarbeiten in der darüber liegenden Wohnung verursacht worden ist. Ob es ein Versehen oder eine gezielte Entmietungsstrategie war? Die noch verbliebenen zehn Mietparteien in dem Haus waren nach dem Eigentümerwechsel gewarnt. Denn der Geschäftsführer der Inter Group, Sascha Klupp, ist für viele Mieter ein »rotes Tuch«, wie es ein Bewohner der von Luxussanierungen betroffenen Gleimstraße 52 in einem Fernsehinterview formulierte. Ein Großteil der Mieter des Hauses hatte sich im Frühjahr 2012 an die Öffentlichkeit gewandt und über Entmietungsstrategien der Inter Group berichtet. Diese Methoden fanden auch in dem Film »Betongold« Eingang, der vergangenes Jahr Premiere hatte. Die Regisseurin Katrin Rothe wohnte in der Bergstraße 62, bis die Inter Group dort die Verwaltung übernahm.

150 bis 200 Euro pro Quadratmeter waren auch den Mietern in der Wisbyer Straße 6 geboten worden, wenn sie eine Mietaufhebungsvereinbarung unterzeichnen. Die Mehrheit der Bewohner des Hauses lehnte diese Angebote aber ab. Sie begannen, sich zu organisieren, kontaktierten Anwälte und Bezirkspolitiker. Am Mittwoch besuchte Pankows Grünen-Stadtrat Jens-Holger Kirchner mit einigen seiner Kollegen das Haus. Seine Behörde werde den Bauantrag noch einmal genau unter die Lupe nehmen, sagte Kirchner nach der Besichtigung. Sollte sich der Verdacht belegen lassen, dass die Sanierungsmaßnahmen nicht mit dem genehmigten Antrag übereinstimmen, könnte ein Baustopp die Folge sein, sagte der Baustadtrat. – Eine nd-Anfrage an die Inter Group blieb bisher unbeantwortet.

Kirchner wollte den Mietern indes nicht zu viele Hoffnungen machen. Er verwies darauf, dass in der letzten Zeit die Rolle der Vermieter deutlich gestärkt worden sei. Auch Michail Nelken von der Linkspartei nahm an dem Besuch teil. »Ich bin hier, um die Mieter zu unterstützen«, sagte der stadtentwicklungspolitische Sprecher der LINKEN im Bezirk Pankow.

Doch für den Geschäftsführer von Inter Group, Sascha Klupp, könnte es noch weitere Probleme geben. Noch während sich die Politiker in dem Haus von den Mietern informieren ließen, ging ein großes Aufgebot von Polizei und Zoll dem Verdacht der illegalen Beschäftigung auf der Baustelle nach. Über die Ergebnisse wollten die Beamten keine Angaben machen. Mittlerweile soll Klupp auch ein Haus in der Kreuzberger Wrangel- straße erworben haben. Noch ist seine Firma nicht im Grundbuch eingetragen. Doch die Mieter haben bereits eine erste Versammlung einberufen und wollen sich mit Initiativen in der Nachbarschaft vernetzen. Gegen den »Mann fürs Grobe« genannten Klupp wird auch dort Widerstand geleistet.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/933505.respekt-fuer-mieter-bitte.html

Peter Nowak

„Kein Unglück, sondern ein Massaker“

Protest im Krisen-Europa

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In Feindnähe

Zum sechsten Mal hatten die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) und weitere Berliner Antifagruppen unter dem Motto »Hitler kaputt. Wer nicht feiert, hat verloren« am 9. Mai zur Feier des Sieges über den Nationalsozialismus in den Treptower Park eingeladen. Es lag wohl am Regen, dass der Einladung in diesem Jahr weniger Menschen folgten. Eine besondere Begrüßung wurde Gästen aus Russland zuteil, die als Kinder und Jugendliche die mörderische Blockade Leningrads überlebt hatten, mit der die Wehrmacht die Stadt belegt hatte. Vor 70 Jahren gelang es den Verteidigern der Stadt, die fast 900 Tage dauernde Blockade zu brechen. Es ist bezeichnend, dass hierzulande weder die Blockade Leningrads, bei der mehr als eine Million Menschen an Hunger, Krankheiten und Granatbeschuss starben, noch deren Überwindung eine Rolle spielt. Stattdessen fordern Boulevardzeitungen und konservative Politiker derzeit die Entfernung von Denkmälern des Sieges der Roten Armee aus Berlins Stadtbild. Viele der Festbesucher wollten diesem Zeitgeist entgegentreten. »Die Rote Armee rettete die Zivilisation«, zitierte eine ältere Frau den deutschen Antifaschisten Stefan Doernberg, der als Soldat der Roten Armee gegen die Wehrmacht kämpfte. An den Infoständen wurde auch über die aktuelle politische Lage in Osteuropa diskutiert. Dass in der Ukraine nun faschistische Parteien an der Regierung beteiligt sind, die sich auf antisemitische NS-Kollaborateure berufen, sorgt für Empörung. In der Broschüre, die zum Fest herausgegeben wurde, werden auch die nationalistischen und antisemitischen Bewegungen in Russland analysiert. Für Ärger sorgte auch, dass nur weinige hundert Meter vom Fest entfernt eine Kundgebung der rechtsesoterischen Reichsbürger genehmigt worden war. Mehrere Antifaschisten, die dagegen protestierten, erhielten von der Polizei ein Platzverbot für den Bereich des rechten Aufmarschs.

http://jungle-world.com/artikel/2014/20/49855.html

Peter Nowak