Die SPD hat sich in den letzten Tagen in Hessen wie auch im Bund als Scheinriese erwiesen
Kommt es in Hessen zu einem schwarz-grünen Bündnis? Die Chancen stehen nicht so schlecht, dass die CDU als stärkste Partei in dem Bundesland in den nächsten Tagen der Ökopartei Koalitionsverhandlungen anbietet. Es wäre keine Premiere, schließlich gab es ein solches Bündnis bereits in Hamburg und unter Einschluss der FDP auch im Saarland. Eine Überraschung wäre ein erneuter Anlauf in Hessen auch nicht. Schließlich häuften sich in den letzten Wochen die Meldungen über harmonische Sondierungsgespräche zwischen den Konservativen und der Ökopartei.
Wenn jetzt dazu hervorgehoben wird, dass sich die Spitzenpolitiker beider Parteien gut verstehen, ist doch entscheidender, dass viele Grünen mit einer solchen Option gleich deutlich machen wollen, dass für sie die Zeiten des rot-grünen Projekts vorbei sind. Das könnten sie in Hessen besonders gut verdeutlichen. Schließlich begann in dem Bundesland das rotgrüne Projekt mit großen Anlaufschwierigkeiten 1985.
Sie zerbrach nach 14 Monaten nicht an der Prinzipientreue des ersten grünen Umweltministers Josef Fischer, wie die grüne Legendenbildung suggeriert. Vielmehr entließ der sozialdemokratische Ministerpräsident Holger Börner Fischer. Sollten demnächst in Wiesbaden Grüne und Union eine Regierung bilden, wird sich also wenig in dieser Republik ändern. Nur die Position der SPD hat sich entscheidend verschlechtert.
Das schnelle Ende einer SPD-geführten Minderheitenregierung
Dass musste der hessische SPD-Spitzenkandidat und frischgewählte Vorstandsmitglied der Partei, Torsten Schäfer-Gümbel, in den letzten Tagen bereits erfahren. Er brachte eine Regierungsvariante ins Gespräch, die der SPD die Regierungsverantwortung in Hessen verschafft hätte, ohne direkt eine Kooperation mit der Linkspartei einzugehen.
Schäfer-Gümbel wollte mit den Grünen Verhandlungen für eine Minderheitenregierung aufnehmen und sich dann von Fall zu Fall von der FDP oder der Linken unterstützen lassen. Damit wollte er ein Konzept wiederholen, das in NRW Hannelore Kraft Erfolg brachte. Nur mit einem Unterschied: Kraft wurde damals massiv von den NRW-Grünen zu dieser Minderheitenregierung gedrängt. Sie wollte eigentlich die abgewählte Landesregierung der Union im Amt belassen, um bloß nicht in die Nähe der Linkspartei zu kommen.
Erst als die Grünen massiv Druck auf die SPD ausübten, ließ sie sich auf eine von der Linken von Fall zu Fall tolerierte Minderheitsregierung ein. Kraft hatte damit Erfolg. Zur passenden Gelegenheit ließ sie den Landtag auflösen und bei Neuwahlen kamen SPD und Grüne zusammen auf die absolute Mehrheit, während die Linken an der Fünfprozenthürde scheiterten.
Doch in Hessen spielten die Grünen nicht mit und erklärten sofort, dass sie für eine Minderheitsregierung nicht zur Verfügung stünden. Die SPD musste den Vorschlag zurückziehen. Profitiert von dieser Auseinandersetzung hat die Union, die in den nächsten Tagen bekannt geben will, ob sie den Grünen oder der SPD Koalitionsgespräche anbieten will.
Wenn die Politiker nicht mehr weiterwissen, befragen sie die Basis
Der SPD fällt in dieser Situation nicht viel mehr ein, als die Basis zu befragen, ob sie mit der Union Gespräche aufnehmen oder weiter ein Bündnis mit Grünen und Linken suchen soll. Deutlich wird, dass diese immer häufiger zu beobachtende Übung, sich ganz demokratisch zu geben und die Basis zu befragen, oft nur die Ratlosigkeit verdecken soll.
Was soll denn die Basis entscheiden, wenn womöglich dann schon die Gespräche der Union mit den Grünen begonnen haben? Was soll eine Entscheidung über ein rosa-grün-rotes Bündnis, wenn die Grünen deutlich machen, dass sie daran kein Interesse haben? So könnte sich die SPD aller Mitgliederbefragungen zum Trotz in Hessen in der Opposition wiederfinden.
Selbst im Bund ist ein solches Szenario nicht mehr ausgeschlossen. Denn auch hier ist die SPD allen Beteuerungen auf dem SPD-Parteitag am Wochenende zum Trotz eher ein Scheinriese. Denn die harschen Töne an die Union, dass diese jetzt gefällig liefern müsse, d.h. den Forderungen der SPD an entscheidenden Punkten entgegenkommen soll, waren vor allem an die eigene Basis gerichtet. Die soll schließlich den Koalitionsvertrag absegnen.
Auch diese Entscheidung war weniger ein Ausdruck von Basisdemokratie in der SPD als eine Mischung aus Ratlosigkeit und dem Kalkül, der Union mehr Zugeständnisse zu entlocken, wenn immer betont wird, sonst könnte man nicht vor die Basis treten. So hoffte eine Partei, die nun mal die Wahlen verloren hat, doch noch auf Augenhöhe mit der Union verhandeln zu können.
Mittlerweile stellt sich aber die Frage, wer eigentlich mehr Angst vor einer Ablehnung des Koalitionsvertrags durch die SPD-Basis hat, die Union oder die gegenwärtige SPD-Führung? Schließlich würde die damit einen enormen Ansehensverlust erleiden.
Grüne auch im Bund mögliche Regierungspartner der Union?
Die Union aber muss eine Ablehnung des Koalitionsvertrags gar nicht fürchten. Sie könnte bei möglichen Neuwahlen auf eine absolute Mehrheit hoffen. Allerdings könnte es dann auch zu einem Wiedereinzug der FDP kommen und es ist möglich, dass solche Aussichten auch für Teile der Union eher ein Grund sind, Neuwahlen tunlichst zu vermeiden. Schließlich haben sich bereits die Grünen erneut ins Spiel gebracht.
Sollte die große Koalition an der SPD-Basis scheitern, sind die Grünen erneut zu Gesprächen mit der Union bereit. Das hatten sie bereits durchscheinen lassen, als sie vor einigen Wochen nach ersten Sondierungsgesprächen mit der Union erklärten, dass das Klima sehr gut gewesen, aber die Zeit für eine gemeinsame Regierung noch nicht gekommen sei. Wenn es mit der SPD nicht klappt, könnte sich das ändern.
Allerdings hat sich in den letzten Tagen ebenso gezeigt, dass sich in dieser Frage die Grünen auch noch nicht einig sind. Sollte es aber Ernst werden mit einer Regierungsoption werden, dürfte es kaum noch Widerstand geben. Doch das aktuelle Szenario könnte auch die SPD-Basis überzeugen, dass einige Minister wichtiger sind, als Grundsatzdebatten. Schließlich haben sich SPD und Union bereits geräuschlos in der Außen- und Europapolitik geeinigt.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/155354
Peter Nowak
Links
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http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?rubrik=34954&key=standard_document_50118951
[2]
http://www.hr-online.de/website/rubriken/nachrichten/indexhessen34938.jsp?rubrik=34954&key=standard_document_50127345
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http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/falls-koalitionsverhandlungen-scheitern-gruene-signalisieren-union-gespraechsbereitschaft-12668235.html
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http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=in&dig=2013%2F11%2F19%2Fa0050&cHash=19a2dfb6e5c6a4dc00d3b65a33d8404a