Aktivisten unterstützen Arbeitskämpfe

Immer häufiger unterstützen linke Aktivisten Arbeitskämpfe mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen und zivilem Ungehorsam

»Wenn die Pflegerinnen zur Toilette müssen, lassen sie die Tür offen, damit sie die Patienten im Auge behalten, weil alleine auf der Station sind.« Mit solch drastischen Worten schilderten Ulla  Hedemann und Carsten Becker von der verdi-Betriebsgruppe der Charite kürzlich auf einer Veranstaltung die Arbeitssituation in dem Berliner Klinikum.  Die Beschäftigten sprechen von griechischen Verhältnissen  und haben sich zum Widerstand entschlossen. Seit Monaten organisieren sie Kundgebungen und andere öffentlichkeitswirksame  Aktionen. Sie fordern einen Tarifvertrag, in dem die Mindestbesetzung neu geregelt ist. Das wäre  ein Beitrag für die Gesundheit der Krankenhausmitarbeiter  und der Patienten, betonen  Becker und Hedemann.         Sie hätten sich von ihrer Gewerkschaft mehr Engagement erhofft.  „Uns wird vom verdi-Bundesvorstand immer wieder zu verstehen gegeben, dass wir nicht die einzige Klinik mit Personalproblemen seien, erklärt Becker. „Wir sind aber eine der wenigen Kliniken, in denen sich die Belegschaft gegen die Arbeitsbedingungen wehrt“, kontern  der Gewerkschafter. Für diese Haltung kommt Anerkennung und Unterstützung von Teilen der Interventionistischen Linken. Das Bündnis der außerparlamentarischen Linken hat eine Arbeitsgruppe gegründet, die die Forderungen der Belegschaft mit Kundgebungen, Infoständen und Flashmobs unterstützt. „Unser Knowhow ist die Erfahrung mit zivilen Ungehorsam“, erklärt Anna,  eine Aktivistin der Unterstützungsgruppe,  die ihren vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will.         Für sie sei es wichtig,  bei Belegschaftstreffen den Mitarbeitern zuzuhören. In Teilen der außerparlamentarischen Linken hätte es am Anfang  kritische Fragen gegeben, ob man sich damit nicht  der reformistischen verdi-Politik unterordne. Nach  den Kontakten  mit der Belegschaft ist sich Anne sicher, dass es sehr wohl radikal ist, wenn sich eine Pflegerin gegen ihre Arbeitsbedingungen wehrt und dafür sogar zum Streik bereit sei.      Noch allerdings laufen die Tarifverhandlungen und Belegschaft sowie Unterstützer sorgen mit ungewöhnlichen Aktionen für die Öffentlichkeit.

Anne sieht in dem  Widerstand an der Charite ein Beispiel, dass ansteckend wirken kann.     Schließlich sind schlechte Arbeitsbedingungen heute weit verbreitet. Daher wurde auf der Veranstaltung auch eine  Verbindung zur Situation im Einzelhandel gezogen. Auch dort wehren sich die Beschäftigten, wie im Pflegebereich hauptsächlich Frauen, gegen eine Ausweitung des  Niedriglohnsektors in der Branche. Auch die durch die  längeren  Ladenöffnungszeiten erfolgen längeren Arbeitszeiten sind für die Beschäftigten ein Ärgernis. Zur Unterstützung des Verkaufspersonals haben sich in den letzten Wochen Unterstützergruppen gebildet, die mit ungewöhnlichen Aktionen aufgefallen sind. So staunten Kunden nicht schlecht, als sie am 22.September  vor einer H &M-Filiale in Berlin-Mitte  am Eingang von Menschen begrüßt wurden, die mit ihnen über die Folgen des verkaufsoffenen Sonntags für die Beschäftigten reden wollten.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/834393.aktivisten-unterstuetzen-arbeitskaempfe.html
Peter Nowak

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