Letzter Weltladen in Friedrichshain

Nicht nur Mieter, auch unkommerzielle Projekte sind von Wucher bedroht

»Faire Welt am Boxhagener Platz – wie lange noch?« Diese Frage steht auf einen Schild am Eingang Weltladen La Tienda in der Krossener Straße. Der Besitzer Michael Fuhrberg will damit Kunden und Passanten darauf hinweisen, dass der Laden womöglich Ende September schließen muss. Dann läuft der bisherige Mietvertrag aus. Aus persönlichen Gründen beendet Fuhrberg seine Tätigkeit als Ladeninhaber. Doch es gibt Interessenten, die den Laden weiterführen und sogar mit einem angeschlossenen Reisebüro erweitern würden. Bisher ist aber kein neuer Vertrag zustande gekommen und die potenziellen Nachmieter werden langsam unruhig. »Nach dem Auslaufen des aktuellen Mietvertrages Ende September soll die Miete bei einem Neuvertrag um 100 Prozent steigen. Verhandlungen mit dem Vermieter und ein Appell an den Eigentümer Anfang Juli haben nur zu einem Übergangsangebot geführt«, so Fuhrberg gegenüber »nd«. Vor einigen Wochen hat er in einem Offenen Brief verfasst, in dem er seine Kunden sowie Passanten darüber informierte, dass es den Laden vielleicht bald nicht mehr geben wird. Fuhrberg begründet seinen Schritt in die Öffentlichkeit mit der Sorge, dass der Eigentümer auf Zeit spielt, um die Rendite zu steigern. Schließlich ist das Areal rund um den Boxhagener Platz eine angesagte Gegend und die Mietpreise steigen. »Nach 20 Jahren Engagement im Fairen Handel droht dem einzigen Weltladen in Friedrichshain und einem der wenigen größeren Läden dieser Art in Berlin das Ende, wegen zu hoher Mietforderungen seitens des Neu-Eigentümers«, so Fuhrberg. Er hat sich nach Abschluss seines Studiums der Volkswirtschaftslehre mit dem Fairen Handel befasst und lernte die Gesellschaft für solidarische Entwicklungszusammenarbeit (GSE) kennen, die 1993 den ersten Weltladen eröffnete.

Sowohl die GSE als auch der Weltladen waren in die »Lokale Agenda 21«-Bewegung eingebunden, die Anfang der 90er Jahre vom sogenannten Erdgipfel für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro 1992 angestoßen wurde. »Zusammen mit anderen Initiativen und Organisationen im Bezirk Friedrichshain, nicht zuletzt auch mit dem Bezirksamt, ging es um Öffentlichkeitsarbeit und konkrete Schritte für eine sozial und ökologisch nachhaltige Entwicklung auf lokaler und globaler Ebene«, beschreibt Fuhrberg die Zielsetzung des Ladens.

Peter Jorga von der Lotz Consulting, der Eigentümerin des Hauses, erklärt gegenüber »nd«, dass bisher für den Laden kein Folgemietvertrag abgeschlossen wurde und alle Anfragen geprüft werden. Grundsätzlich sei man gerne bereit, an Mieter mit sozialen und ökologischen Engagement zu vermieten. Doch mittlerweile verhandle man auch mit anderen Interessenten über die Gewerbefläche. Kein Verständnis hat Jorga für die Öffentlichkeitsarbeit des Ladeninhabers. Herr Fuhrberg sorge »durch Aushänge im Schaufenster des Ladens und an der Fassade für Propaganda und Diffamierung gegen den Vermieter«. Lediglich aus Kulanz des Vermieters sei auf die mögliche strafrechtliche Verfolgung verzichtet worden.

Die Friedrichshainer Initiative »Keine Rendite mit der Miete«, sieht das drohende Ende des Weltladens als ein Beispiel dafür, dass es in dem Stadtteil nicht nur für Mieter sondern auch für nichtkommerzielle Projekte immer schwieriger wird, ihre Räume zu behalten. So wurde dem Kunst- und Kulturverein Vetomat die Räume in der Scharnweberstraße 25 gekündigt. Der Verein hat juristische Schritte angekündigt.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/831568.letzter-weltladen-in-friedrichshain.html

Peter Nowak


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