Der Film »Das Märchen der Deutschen« ist nicht im TV zu sehen

Ein neuer Film deckt die Mythen von der segensreichen Wirkung der Privatisierung des Sozialsystems auf.

Wie unter dem Dogma der Privatisierung der Sozialstaat demontiert wird, zeichnet der Regisseur Rolf T. Niemeyer in seinem 70-minütigen Film »Das Märchen der Deutschen« faktenreich nach. Hier werden Themen angesprochen, über die in der Republik selbst im Vorwahlkampf kaum gestritten wird. Weil Grüne und SPD wesentliche Weichenstellungen für die Deregulierung und Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen mit betrieben haben, haben auch sie wenig Interesse daran. Die Rolle des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück als Minister der großen Koalition kommt im Film ebenso zur Sprache wie der Umbau des Sozialstaats unter Rot-Grün.

In den Gesprächen, die Niemeyer mit der kürzlich geschassten Hamburger Jobcenter-Mitarbeiterin Inge Hannemann sowie mit Erwerbslosen geführt hat, wird eine soziale Realität deutlich, die im Märchen vom boomenden Wirtschaftswunderland Deutschland ausgespart wird. Die Interviews, die der Filmemacher mit dem Mitbegründer des globalisierungskritischen Internetportals »Nachdenkseiten«, Albrecht Müller und mit Ex-Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU) geführt hat, gehören zu den Höhepunkten des Films. Beide äußern sich zur Zerschlagung eines weitgehend solidarischen Rentensystems zugunsten der privaten Versicherung. Müller geht auf die publizistische Vorarbeit nicht nur von Medien des Springer-Konzerns ein, in der das bisherige Rentensystem als überholt und unbezahlbar diskreditiert wurde. So konnte ohne große Opposition eine Politik umgesetzt werden, die Blüm als Anschlag auf die Rentenversicherung bezeichnet. Er legt dar, wie die einst als Zusatz beworbene private Altersvorsorge zur zentralen Säule des neuen Systems wurde. Die Folgen werden im Film nicht ausgespart. Während die privaten Rentenversicherer und ihre Förderer wie Ex-Minister Walter Riester von der Entwicklung profitieren, sind viele ältere Menschen von wachsender Altersarmut und der Heraufsetzung des Rentenalters betroffen. Blüm spricht den simplen Zusammenhang an, dass die Gelder, die in private Versicherungen fließen, einem solidarischen System verloren gehen.

Die wirtschaftsliberalen Mythen, die in den großen Parteien und großen Teilen der Bevölkerung weiterhin hegemonial sind, werden von kundigen Interviewpartnern demontiert. Ob der Film deshalb keine Nische im öffentlich-rechtlichen Fernsehen findet?

Kostenloser Download im Internet unter: »vimeo.com/ 69953698«. Eine DVD ist auf Spendenbasis (mindestens 3 Euro) erhältlich: per Mail unter oder postalisch unter Ralph Niemeyer, Kurze Straße 14, 26382 Wilhelmshaven.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/828454.umbau-des-sozialstaats.html

Peter Nowak


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