Banken wurden saniert – Bevölkerung verarmt


Eine Attac-Studie widmet sich dem Mythos der Griechenlandrettung

Kritiker der europäischen Austeritätspolitik haben schon länger kritisiert, dass die sogenannte Griechenlandhilfe vor allem ein Sanierungsprogramm für die Gläubiger ist. Nun hat eine von der globalisierungskritischen Organisation Attac Österreich erstellte Studie, diesen Befund mit Zahlen untermauert.

Von den 206,9 Milliarden Dollar, die die Europäische Union (EU) und der Internationale Währungsfonds (IWF) in 23 Tranchen seit März 2010 für die sogenannte „Griechenland-Rettung“ eingesetzt haben, wurden demnach 58,2 Milliarden für die Rekapitalisierung griechischer Banken verwendet. 101,3 Milliarden kamen Gläubigern des griechischen Staats zugute. Allein 55,44 Milliarden seien für die Bedienung auslaufender Staatsanleihen verwendet worden. Weitere 34,6 Milliarden dienten dazu, die Gläubiger für den Schuldenschnitt im März 2012 zu gewinnen. 11,29 Milliarden wurden im Dezember 2012 für einen Schuldenrückkauf eingesetzt, bei dem der griechische Staat Gläubiger beinahe wertlose Anleihen abkaufte. Attac kritisierte, dass damit Banken und Gläubiger auf Kosten der griechischen Bevölkerung saniert worden seien. Während die Austeritätspolitik für große Teile der Bevölkerung zur Verarmung und zur massiven Senkung des Lebensstandards führten, seien diejenigen saniert worden, die schon zuvor profitierten.

Die am Athener Nicos-Poulantzas-Institut lehrende griechische Ökonomin Marica Frangakis kritisiert diese Art der Griechenlandhilfe scharf. „Unsere Regierungen retten Europas Banken und Reiche mit immer neuen Milliarden an öffentlichen Mitteln und behaupten gegenüber ihren Wählerinnen und Wählern, dass diese an die griechische Bevölkerung fließen würden.“ Für die deutsche Innenpolitik hat der hier geschilderte Mechanismus zur Folge, dass in sozialchauvinistischer Manier über die angeblichen Pleitegriechen hergezogen wird, für die deutsche Steuerzahler angeblich zahlen sollen. In Wirklichkeit sanieren sie mit dem Geld auch deutsche Banken mit.


Wie mit Hilfsgeldern Politik gemacht wird

In der Attac-Studie werden auch beschrieben, wie mittels dem Zurückhalten zugesagter Gelder Einfluss auf die griechische Innenpolitik genommen wurde. So seien im Herbst 2011 Teilzahlungen zurückgehalten worden, um eine Volksabstimmung über die Austeritätspolitik zu verhindern. Im Mai/Juni 2012 sei es darum gegangen, die Siegeschancen der Troika-freundlichen Parteien bei den Parlamentswahlen zu erhöhen. Die Folgen solcher Manöver hatten nach der Studie nicht nur Folgen für die Demokratie.

„Mit dem Zurückhalten zugesagter Gelder zwingt die Troika die griechische Regierung, kurzfristige Anleihen auszugeben, um den unmittelbar drohenden Staatsbankrott zu vermeiden. Da diese nur wenige Wochen oder Monate laufenden ‚Treasury Bills‘ hochverzinst sind, steigen damit die griechischen Staatsschulden und die Gewinne der Geldgeber.“

Zyperns Präsident prangert Folgen der EU-Politik an

Mittlerweile hat der IWF Fehler bei der „Griechenlandhilfe“ eingeräumt, was aber zu keiner Änderung der Austeritätspolitik führt. Das bekommt gerade der konservative zypriotische Präsident Anastasiades zu spüren, der in einen Brief an die Eurofinanzminister und die Troika die Folgen des Diktats für sein Land beschrieben hat:

„Die Ökonomie wird in eine tiefe Rezession getrieben, die zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führt und die Konsolidierung der Finanzen erschwert.“

Der Politiker forderte neue Anleihen zur Restrukturierung des Bankensystems. Die EU-Gremien haben sogleich deutlich gemacht, dass sie dieses Ersuchen ablehnen. Wer die Attac-Studie gelesen hat, versteht den Grund. Der zyprische Vorschlag würde vielleicht die Lebenssituation der Menschen in Zypern etwas verbessern, könnte aber die Profite der Gläubiger schmälern.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/154482
Peter Nowak

Keine Profite mit der Miete

Mit einer Aktionswoche wollen MieterInneninitiativen ihre Aktivitäten bündeln

„Kein Profit mit der Miete! Die Stadt gehört allen!“ lautet das Motto einer Aktionswoche, zu der sich Mieterinitiativen in 11 Städten (http://www.keineprofitemitdermiete.org/ ) verabredet haben. In Berlin beginnt die Aktionswoche am 20 Juni im Neuköllner Büro der Berliner MieterInnengemeinschaft in der Sonnenallee 101. Dort wird es ab 19 Uhr einen Film und eine Informationsveranstaltung zum Kampf um bezahlbaren Wohnraum in Russland geben. Interessant wird auch zu erfahren sein, wie offen die russische Oppositionsbewegung gegen Putin, die in den hiesigen Medien einen großen Stellenwert bekommen hat, für solche Proteste ist.

Bis zum 29. Juni wird auf Veranstaltungen, Konzerten und Demonstrationen in Berlin und Potsdam die Breite des aktuellen Widerstands gegen hohe Mieten deutlich.
Einen Erfolg können die NutzerInnen der Stillen Str. 10 in Pankow feiern, die mit der Besetzung einer Seniorenbegegnungsstätte deren Schließung verhindert haben. Dort eröffnen sie am 29. Juni zum Jahrestag der Besetzung eine kleine Ausstellung über die Aktion, die sogar über Deutschland hinaus Beachtung gefunden hat. Schließlich werden Besetzungen gemeinhin nicht mit Senioren in Verbindung gebracht. Doch auch in der Frankfurter Allee 15- 21 sind Seniorin wie Erika Eberlein aktiv gegen ihre drohende Vertreibung. Die 82jährige hat mit beim Aufbau der Häuser geholfen und wohnt dort seit der Eröffnung in der DDR zu Arbeiterpalästen deklarierten Gebäuden. Sie ist jetzt Teil einer Mieterinitiative, die am 27. Juni ab 17 mit einem Alleefest (http://mieterrat-frankfurter-allee.org/) vor den Häusern über ihren Widerstand berichten werden.

Keiner macht uns den Hof

Ein kulturell und altersmäßig völlig anderes Publikum spricht der Jugendclub Kirche von Unten (http://www.kvu-berlin.de/) in der Kremmener Straße 9- 11 an. Doch die NutzerInnen haben ähnliche Probleme. Weil sie die Renditeerwartungen eines Investors stören, wurde ihnen zum 31. Dezember 2012 gekündigt. Seitdem nutzen sie die Räume ohne Verträge. Unter dem Motto „Keiner macht uns den Hof“ laden sie am 29.06. zum Solidaritätskonzert. Die unterschiedlichen Bands spielen kostenfrei für den Erhalt des Jugendzentrums. „Wir sehen uns als Teil der Aktionswoche, weil der Kampf gegen hohe Mieten und Verdrängung keine Frage des Alters oder des Musikgeschmacks ist“ betont ein KvU-Mitarbeiter.
Diese unterschiedlichen Milieus zusammenzubringen, ist auch eines der Ziele der Aktionswoche. Wichtig war es den OrganisatorInnen, dass die Aktionen an den unterschiedlichen Orten der Vertreibung stattfinden. Doch es wird auch mehrere Termine geben, wo die unterschiedlichen Milieus zusammen diskutieren und demonstrieren können. So soll am 25. Juni ab 19.30 Uhr in der Regenbogenfabrik über die Forderung nach Vergesellschaftung diskutiert werden. Abgeschlossen wird die Aktionswoche mit einer Demonstration gegen hohe Mieten und Verdrängung, die am 29. Juni um 16 Uhr am Kottbuser Tor beginnt. Doch nach der Sommerpause soll es mit den koordinierten Mieterprotesten weitergehen. Für den 28. September ist ein bundesweiter Aktionstag geplant. Die Vorbereitungen für eine Großdemonstration in Berlin sind bereits angelaufen. Der Termin eine Woche nach der Bundestagwahl ist gut gewählt. Denn unabhängig von ihren Ausgang gilt auch hier die Devise: „Keiner macht uns den Hof“.

aus: MieterEcho online
http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/keine-rendite-mit-der-miete.html
Peter Nowak

Von „Stalinbauten“ bis „Stille Straße“

WOHNRAUM Mit einer Aktionswoche wollen verschiedene MieterInneninitiativen ihre Aktivitäten bündeln

Wer sich über den Kampf gegen überhöhte Mieten und Verdrängung informieren will, muss sich heute entscheiden: Im Büro der MieterInnengemeinschaft in der Sonnenallee 101 informieren ab 19 Uhr russische AktivistInnen über ihren Kampf um bezahlbaren Wohnraum. Zeitgleich diskutieren im K-Fetisch in der Wildenbruchstraße 86 Mitglieder des Berliner Bündnisses gegen Zwangsumzüge mit Flüchtlingen und Mag Wompel von der Internetplattform Labournet über Widerstand in Krisenzeiten.

Die beiden Termine sind der Berliner Auftakt der bundesweiten Aktionswoche „Keine Rendite mit der Miete“, zu der sich Initiativen in 11 Städten verabredet haben. „Auf den Aktionstagen soll deutlich werden, dass sich an den MieterInnenprotesten längst Menschen in vielen Stadtteilen und Altersgruppen beteiligen“, erklärte Aktivistin Hanna Moser gegenüber der taz. Deshalb sei es wichtig, dass die Aktivitäten in den Orten stattfinden, aus denen Menschen vertrieben werden sollen.

So laden MieterInnen der „Stalinbauten“ in der Frankfurter Allee 15-27 am 27. Juni ab 17 Uhr zum Alleefest. Dort wird neben Lesungen, Filmen und Informationen über die Geschichte der Häuser auch über den aktuellen Widerstand gegen Verdrängung berichtet. Der Seniorentreff Stille Straße in Pankow feiert am 29. Juni den Jahrestag der monatelangen Besetzung mit einer Ausstellungseröffnung.

Dagegen kämpfen die Nutzer des Jugendtreffpunkts „Kirche von Unten“ (KvU) immer noch gegen ihre Räumung. Der schon in der DDR-Opposition aktive Treff lädt am 22. Juni ab 20 Uhr in die Kremmener Straße 9-11 unter dem Motto „Keiner macht uns den Hof“ zu einem Solikonzert mit Überraschungsgästen. Bei der Abschlussdemo, die am 29. Juni um 16 Uhr an der MieterInnenhütte am Kottbusser Tor beginnt, sollen sich die unterschiedlichen Szenen dann treffen. Sie ist ein Warm-up für eine bundesweite Mietendemo, die am 28. September in Berlin stattfinden wird.

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F06%2F20%2Fa0129&cHash=b62aa3dd70171d72e52872bcfd30bdff
Peter Nowak

Bummel-Zyprer und Mafia-Kohle


Die Zypernkrise und die sozialen Kämpfe

Ende März war die Zypernkrise in Deutschland das große Thema in den Medien. Die Insel, die bisher vor allem als Urlaubsziel für deutsche TouristInnen bekannt war, nahm im populistischen Krisendiskurs die Rolle Griechenlands ein. Nach dem Gerede von den Pleitegriechen folgte nun die russische Mafia, die angeblich den zypriotischen Bankensektor übernommen hätte. Dabei wird nur einmal mehr deutlich, wie schnell im herrschenden Diskurs kapitalistisches Handeln national aufgeladen wird und umstandslos aus dem allseits hochgelobten unternehmerischen Handeln eine Mafia und kriminelle Seilschaft werden kann.

Wie im populistischen Diskurs üblich, muss man sich um Fakten und Argumente nicht kümmern. Sonst müsste man zuerst feststellen, dass in erster Linie das Diktat der EU-Troika gegenüber Griechenland Zypern in die Krise gestürzt hat. Diese Entwicklung war angesichts der großen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen Griechenland und dem griechischen Teil Zyperns, um den es hier geht, nicht überraschend. Die enge wirtschaftliche Verflechtung mit Griechenland war für die zypriotische Wirtschaft wesentlich wichtiger als die russischen Bankengeschäfte. Auch das Gerede vom aufgeblähten zypriotischen Bankensektor wird von Winfried Wolf hinterfragt.

„Im übrigen ist der Finanzsektor in Zypern nicht wesentlich größer als derjenige in der Schweiz. Er ist bereits kleiner als derjenige in Malta. Er wird von demjenigen in Luxemburg um ein Vielfaches übertroffen“, schreibt der der Linkspartei nahestehende Publizist in der Zeitschrift Lunapark.

Wer hat über die Verhältnisse gelebt?

Besonders häufig liest und hört man, dass Zypern über seine Verhältnisse gelebt habe. Mit solchen reaktionären Ideologemen wird suggeriert, dass die gesamte zypriotische Bevölkerung vom Bankensektor profitiert hat und jetzt bloß nicht auch noch auf die Idee kommen soll zu protestieren, wenn sie den Gürtel enger schnallen muss. Solche sozialchauvinistischen Töne, die auch schon im Fall von Griechenland zu hören waren, werden auch von Lohnabhängigen in Deutschland verwendet und dann noch gerne mit dem Hinweis garniert, welche großen Opfer man selbst für den Standort Deutschland bringt und wie wenig Verständnis man daher aufbringt, wenn jetzt an der europäischen Peripherie protestiert und womöglich auch noch gestreikt wird.

Zypriotisch lernen

Tatsächlich könnten die deutschen Lohnabhängigen von den zypriotischen KollegInnen lernen. Denn dort existierte eine kämpferische Gewerkschaftsbewegung mit einem hohen Organisationsgrad, deren Mitglieder in der Lage waren, erfolgreiche Arbeitskämpfe zu führen. Ihre Wurzeln liegen in den Kupferminen der britischen Kolonie Zypern, als sich die Beschäftigten vor nunmehr fast 80 Jahren gegen die miesen und gesundheitsschädlichen Arbeitsbedingungen mit langen Streiks wehrten. Aber auch nach der Unabhängigkeit des Landes blieben die zypriotischen Gewerkschaften ein Machtfaktor und setzten in den 70er Jahren eine automatische Angleichung der Löhne an die Inflationsrate durch, wie er in Italien als „Scala mobile“ bekannt geworden war. Diese Erfolge einer kämpferischen Gewerkschaftspolitik werden mit dem dümmlichen Satz, die Zyprioten hätten über ihre Verhältnisse gelebt, denunziert.

Obwohl die EU-Pläne für Zypern zur Entlassung von tausenden Beschäftigten im Bankensektor führte, findet man kaum deutsche Übersetzungen von Erklärungen der Gewerkschaft der Bankangestellten auf Zypern. Dabei sollte eine linke Antwort auf den deutschen Euronationalismus statt in ethnisierenden und hohlen Parolen a la „Solidarität mit Griechenland“ oder „Solidarität mit Zypern“ in der Unterstützung der Kolleginnen und Kollegen bestehen, die sich gegen die Verschlechterung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen durch die EU-Politik wehren. Lediglich die FAU Frankfurt/Main hat im Rahmen des M31-Bündnisses einen solchen Vorschlag gemacht, der in einem Großteil auch der außerparlamentarischen Linken ignoriert wird.

Gewerkschaftslandschaft in Zypern

Im griechischen Teil Zyperns gibt es zwei große Gewerkschaftsbünde, die PEO (Gesamtzyprischer Gewerkschaftsbund) und die SEK (Zyprischer Gewerkschaftsbund) sowie einen kleineren Gewerkschaftsbund, die DEOK (Demokratische Arbeiterföderation).

Wichtige Einzelgewerkschaften sind darüber hinaus die der ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst, der Bankangestellten und LehrerInnen. In ihren Gründungsgeschichten beziehen sich die Gewerkschaften auf die britische Kolonialgeschichte Zyperns und somit auf die Repression und die Verbote der Gewerkschaften.

Die beiden großen Gewerkschaftsbünde sind ähnlich groß. Laut offiziellen Angaben hat die PEO 81.500 und die SEK 71.600 Mitglieder. Die PEO wurde ursprünglich 1941 gegründet, änderte jedoch ihren Namen im Jahr 1946, als die damalige britische Kolonialregierung die Organisation für illegal erklärte und verbot. Sie ist nach wie vor im linken politischen Spektrum angesiedelt. Die 1943 gegründete SEK steht den Parteien der politischen Rechten und der Mitte näher. Der dritte Gewerkschaftsbund (DEOK) mit 8.800 Mitgliedern hat Verbindungen zur sozialdemokratischen Partei. Gewerkschaften, die keinem Gewerkschaftsbund angeschlossen sind, sind vor allem die Gewerkschaft für den öffentlichen Dienst PASYDY mit 16.400 Mitgliedern, die Gewerkschaft für Bankangestellte ETYK mit 9.700 Mitgliedern, die Gewerkschaft für Sekundarschullehrer OELMEK mit 4.600 Mitgliedern und POED, eine weitere Lehrergewerkschaft mit 4.500 Mitgliedern.

aus Direkte Aktion

http://www.direkteaktion.org/217/bummel-zyprer-und-mafia-kohle

Peter Nowak

Erfolg für die Palisaden-Panther

Allerdings garantiert die Kooperationsvereinbarung mit dem Bezirksamt der WB GmbH für die Zukunft Profite

„Palisaden Panther machen mobil“ lautete ein Slogan auf vielen Berliner Mieterprotesten der letzten Monate. Eine Rentnergruppe hatte sich nach der zwischen Karl-Marx-Allee und Volkspark Friedrichshain gelegenen Palisadenstraße benannt, in der sich die Anfang 1990 erbaute Seniorenwohnanlage befindet, in der sie wohnen.
Im Sommer letzten Jahres wurde den Senioren mitgeteilt, dass nach dem Anschlussförderung die Eigentümer, die WB GmbH aus Willich, eine Kostenmiete von 12 bis 13 Euro pro Quadratmeter verlange. Für viele der Bewohner hätte eine solche Mietsteigerung ihre Vertreibung bedeutet. Dagegen haben sie fast ein Jahr lang auf der Straße, aber auch vor verschiedenen parlamentarischen Gremien mobilisiert. Dieses Engagement trägt jetzt für sie Erfolge und garantiert den Eigentümern Rendite erst in der Zukunft. Das Bezirksamt Friedrichshain hat mit der WB GmbH eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen, der die Mieten in der Anlage für die aktuellen Bewohner auf 7 bis 8 Euro pro Quadratmeter festschreibt Die jährliche Mieterhöhung darf nach der Vereinbarung die Inflationsrate nicht überschreiten. Für die für Rollstuhlfahrer vorgesehenen Wohnungen der Seniorenanlage soll das Bezirksamt weiterhin das Belegungsrecht behalten. Zudem soll auch ausgeschlossen werden, dass in dem Gebäude Ferienwohnungen errichtet werden, wie es die Eigentümer ursprünglich plante. Diese Regelung sieht das Bezirksamt Kreuzberg-Friedrichshain als besonderen Erfolg an. Dabei geht aber unter, dass die Vereinbarung dem Eigentümer auch erlaubt, dass alle freiwerdende Wohnungen in der Seniorenanlage, die nicht für Rollstuhlfahrer bestimmt sind, zum Marktpreis zu vermieten. Bei der Altersstruktur der Bewohner der Seniorenanlage können die Eigentümer also in Zukunft durchaus noch Rendite mit der Palisadenstraße machen.
aus: MieterEcho online 14.06.2013

http://www.bmgev.de/mieterecho/mieterecho-online/palisaden-panther.html

Peter Nowak

Nie wieder Hiroshima, Fukushima und Bikini


Japanische Gewerkschaft im Kampf gegen Atomkraft
Nach Fukushima bildete sich in Japan eine Anti-AKW-Bewegung. Bei ihren Protesten ganz vorne mit dabei sind die Eisenbahner von Doro Chiba.

»Leben geht vor Profit« und »Arbeiten in verstrahlten Zügen – nicht mit uns« lauten die Slogans, die japanische Eisenbahnbeschäftigte skandieren. Sie haben sich erfolgreich geweigert, einen durch die AKW-Havarie von Fukushima radioaktiv verstrahlten Eisenbahnwagen zu reparieren, den die Bahngesellschaft wieder in Betrieb nehmen wollte. »Das gehört zum Konzept der Normalisierung, das die japanische Regierung der Gesellschaft verordnet hat«, erklärt Nobuo Manabe vom Internationalen Solidaritätskomitee der japanischen Eisenbahngewerkschaft Doro Chiba. Bei einer Rundreise durch verschiedene deutsche Städte berichtete er gemeinsam mit Chieko Shiima von »Frauen aus Fukushima gegen Atomkraft« über ihre Arbeit.

»Es ist erstaunlich, dass wir bei unserer Arbeit gerade aus Deutschland so viel Unterstützung bekommen«, freut sich Manebe. Als beispielhaft für die große Spendenbereitschaft erwähnt er die Unterstützung für die von Dora Chiba mitinitiierte selbstverwaltete Klinik für die Opfer von Fukushima. Mit diesem Krankenhaus wolle man Menschen eine Alternative bieten, die kein Vertrauen in die staatlichen Kliniken haben, betont der Gewerkschafter. In der Solidaritätsklinik würden sich die Ärzte wesentlich mehr Zeit für die Untersuchungen der Hilfesuchenden nehmen als in den anderen Hospitälern.

Neben der Beteiligung am Projekt der Solidaritätsklinik und dem Widerstand gegen die Arbeit in radioaktiv kontaminierten Zügen beteiligte sich Dora Chiba auch an der Organisation der diesjährigen Proteste zum Jahrestag der Atomkatastrophe am 11. März 2011, an denen einige Tausend Menschen in verschiedenen Städten teilnahmen. »Für Japan ist es ein Erfolg, aber im Vorjahr war die Zahl der Teilnehmer erheblich größer«, berichtet Chieko Shiina ein wenig enttäuscht.

Während die großen Gewerkschaften die Veranstaltungen nicht mehr am oft noch winterlichen Jahrestag veranstalten, sondern in den Sommer verschieben wollen, hält Doro Chiba gemeinsam mit Anti-AkW-Initiativen und kleinen linken Gruppen am 11. März als Protestdatum fest. Die Konsequenzen aus der AKW-Havarie fassen sie in der Parole »Nie wieder Hiroshima, Fukoshima und Bikini« zusammen. Damit ist der Kampf gegen Atombomben, AKW und alle Atombombenversuche gemeint, für die das Bikiniatoll steht.

Dora Chiba kann auch andere Themen in die japanische Anti-Atom-Bewegung tragen: Oft werden auf den Umweltschutzdemonstrationen Parolen für die Einheit aller Lohnabhängigen skandiert. Dass jetzt allerdings der Anti-AKW-Widerstand im Zentrum der Arbeit der 1987 gegründeten Eisenbahnergewerkschaft steht, ist für Manabe kein Zufall. »Wir haben den Anspruch, neben gewerkschaftlichen Forderungen auch politische Ziele zu formulieren, und daher ist nach dem Gau der Kampf gegen AKW für uns zentral«, so Manabe.

www.neues-deutschland.de/artikel/824819.nie-wieder-hiroshima-fukushima-und-bikini.html
Peter Nowak

Soli für Olli

Freilassung gefordert

Er stand kurz vor seiner Entlassung aus dem Gefängnis, dann durchsuchte die Polizei am 22. Mai bundesweit mehrere Wohnungen und verlegte Oliver R. kurzerhand in den geschlossenen Vollzug der JVA in Tegel. Als Protest dagegen hat die »Soligruppe für Olli« gleich zu zwei Aktionen in dieser Woche vor der JVA aufgerufen. Unter dem Motto »Linke Politik verteidigen« ist für den 19. Juni um 11 Uhr eine Kundgebung angemeldet. Am 22. Juni soll ab 15 Uhr eine Demonstration vom U-Bahnhof Holzhausener Straße zur JVA ziehen.

Oliver R. war wegen angeblicher Mitgliedschaft in der »Militanten Gruppe« (mg) zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Er war bisher im offenen Vollzug untergebracht.

Am 22. Mai durchsuchte die Polizei gleichzeitig mehrere Wohnungen unter anderem in Berlin und Stuttgart. Anlass war ein Ermittlungsverfahren nach Paragraf 129. Dabei gehe es um die mögliche Bildung einer »linksextremistischen kriminellen Vereinigung«. Im Rahmen der Durchsuchungen wurde auch gegen R. ermittelt.

»Obwohl kein Haftbefehl vorlag, wurde R. aus seiner Arbeitswelt und seinem sozialen Umfeld herausgerissen und in eine Vollzugssituation geworfen, die sowohl seinen Job als auch seine physische Gesundheit akut gefährden«, so ein Soligruppen-Sprecher. Eine Freundin von R. berichtete, auch eine medizinische Behandlung habe er abbrechen müssen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/824885.soli-fuer-olli.html
Peter Nowak

Beschwörungen, Kitsch, Kritik und Verhaftungen

Nach der Räumung des Taksimplatzes: Wer macht welche Lernerfahrungen?

Am Tag danach kommen die Beschwörungen und der Kitsch. So scheint es zurzeit auch nach der Räumung der Protestcamps im Gezipark und Taksimplatz im Zentrum Istanbuls. „Eine andere Welt ist möglich. Wir haben im Gezi Park diese mögliche Welt gesehen. Es gibt sie. Du Tayyip Erdogan, Du kennst nur die Dunkelheit. Wir aber tragen die mögliche Welt im Herzen. Und mit dieser möglichen Welt im Herzen leisten wir gemeinsam Widerstand“, werden Protestaktivisten im Blog der globalisierungskritischen Webseite Attac direkt aus Istanbul zitiert. Tatsächlich gibt es in Istanbul erstmals seit Wochen keine lautstarken Proteste. Dagegen wurde nun eine neue Protestform etabliert, dass schweigende Verharren und unverwandt auf eine bestimmte Stelle blicken. Schweigender Protest, weil die Worte fehlen oder weil es gefährlich ist, sie zu formulieren? Denn die Regierung und ihre Repressionsorgane schweigen keineswegs.


Drohung mit dem Militär

Neben der Räumung der Protestzentren ist es vor allem die Drohung mit dem Militär und der berühmten schweigenden Mehrheit, die ihre Wirkung auch auf viele kritische Köpfe in der Türkei nicht verfehlt. Schließlich ist für viele Menschen die Erinnerung an den Terror in den Zeiten der Militärdiktatur noch präsent. Viele kritische Menschen verließen nach 1980 das Land. Die islamisch-konservative Erdogan-Regierung hat einige Zeit gerade mit dem Versprechen Zustimmung auch bei liberalen Kreisen gewonnen, dass er diese Militärs entmachtet. Das ist ihm auch bei den als kemalistisch etikettierten Militärs so gründlich gelungen, dass er sie jetzt als Werkzeug des neuen islamisch-konservativen Machtblocks zumindest als rhetorische Drohung einsetzen kann.

Doch genauso bedrohlich ist das Szenario einer Mobilisierung der konservativen schweigenden Mehrheit in der Türkei, zu der sich seit letztem Wochenende auch die faschistische MHP und andere ultranationalistische Gruppen gesellen, die mit ihren Fahnen auf den Pro-Erdogan-Kundgebungen aufgelaufen sind. Es ist bekannt, dass gerade die Grauen Wölfe, der Stoßtrupp der MHP, seit Jahrzehnten gegen Linke, Intellektuelle und kurdische Aktivisten mit Terror vorgegangen sind.

Verhaftungswelle in verschiedenen Städten

Doch vorerst sind es nicht Graue Wölfe oder Militär, sondern die türkische Polizei, die gegen linke Gruppen vorgeht. In der gesamten Türkei sind Massenfestnahmen gegen linke Aktivisten angelaufen, die sich in den letzten Wochen an den Protesten beteiligt haben. Allein in Istanbul wird von 90 Festnahmen berichtet. Betroffen sollen auch Blogger sein.

Es ist zu vermuten, dass die Repressionsorgane nun die verschiedenen Internetveröffentlichungen auswerteten, um Menschen kriminalisieren zu können. Viele Aktivisten dürften recht sorglos mit ihren Datenmaterial umgegangen sein. Schließlich berichteten Korrespondenten mit sichtlichem Erstaunen, dass in den letzten Tagen für manche Aktivisten die Gasmaske als Schutz vor Tränengas genau so zum alltäglichen Bestandteil der Ausgeh-Accessoires zählten wie sonst die modischen Sonnenbrillen. Überhaupt wurde auch in den hiesigen Medien der Protest oft als ein großes Fest dargestellt und so dürften es auch nicht wenige Protagonisten empfunden haben. Es war für sie ein Ausbruch aus einer genormten und verregelten Welt, in der man rund um die Uhr für die Lohnarbeit verfügbar sein muss.

Was hinterlassen die Camps?

Genau deshalb sind solche Camps in aller Welt auch so populär und Occupy war nur der bekannteste Name. Doch weil es eben bei dem temporären Ausbruch und der Sichtbarwerdung bleibt, sind diese Bewegungen auch nach einer gewissen Zeit wieder verschwunden und es ist schwer feststellbar, ob es bei den Beteiligten Lernprozesse begeben hat. Als bekanntes Beispiel soll hier nur die landesweite Campbewegung gegen teure Mieten in Israel genannt werden.

Nur haben diese Aktivitäten in den meisten Ländern für die Beteiligten auch keine allzu großen Konsequenzen im Nachhinein. Doch wie werden die Akteure reagieren, wenn sie womöglich noch mit Repressalien konfrontiert sind wie in der Türkei? Welche Lernprozesse werden bei den Beteiligten ausgelöst – diese Frage stellte sich schon vor fast zwei Wochen den Augenzeugen der Ereignisse.

Viel wird davon abhängen, ob es den bestehenden linken Strukturen in der Türkei, die lange Erfahrung auch im Umgang mit staatlicher Repression haben, gelingt, Zugang zu den jungen Aktivisten zu bekommen, die mit den Protesten das erste Mal in ihrem Leben politisch aktiv geworden sind. Am Kottbuser Tor in Berlin gibt es, wie in vielen Städten überall auf der Welt, seit mehr als zwei Wochen ein Zelt verschiedener linker Gruppen aus der Türkei, die sich solidarisch mit den Protesten zeigen. Wenn dort dann Schilder mit der Parole „Das Volk erwacht“ auftaucht, muss man zumindest feststellen, dass die Tatsache, dass es auch eine Pro-Erdogan-Fraktion in der türkischen Bevölkerung gibt, wohl nicht reflektiert wird.

Hoffnungen auf die EU?

Ein Teil der Ratlosigkeit besteht darin, dass nun Hoffnungen in die EU gesetzt werden. Sie solle die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei aussetzen, fordern mittlerweile auch die Türkischen Gemeinden in Deutschland, die lange zu den Unterstützern einer Annäherung der Türkei an die EU gehörten. Damit rennen sie bei den Unionsparteien offene Türen ein, die das abendländische Europa nie mit der Türkei verbinden wollten.

Allerdings sind solche Forderungen aus der Defensive vielleicht verständlich, aber recht wirkungslos. Denn Erdogan hat selbst kein besonderes Interesse an einer schnellen EU-Mitgliedschaft, wie auch seine Reaktionen auf Ermahnungen aus Brüssel in den letzten Tagen zeigten. Wenn er nun anderen EU-Ländern den Spiegel vorhält und erklärt, auch die seien mit Protestierenden nicht wesentlich anders umgegangen, hat er nun mal recht.

Der Einsatz von Tränengas gegen die Empörten im Zentrum von Athen vor zwei Jahren war nicht wesentlich sanfter als am Taksimplatz. Warum sich die Gruppen, die die EU adressieren nicht einfach auf die Forderung beschränken, die Abschiebung von türkischen und kurdischen Flüchtlingen in die Türkei müsse sofort ausgesetzt werden und die Justiz der europäischen Länder müsse sofort die Kooperation mit ihren türkischen Kollegen beenden, ist nicht klar.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154469
Peter Nowak

17. Juni 1953 – Sozialrevolte oder deutscher Aufstand?

Zum 60. Jahrestag ist der Aufstand vom 17. Juni wieder in der Diskussion

Sind die Jungen Liberalen Nordberlin in den militanten Untergrund gegangen? Diese Frage stellt sich, nachdem sich diese bisher wenig bekannte FDP-nahe Jugendorganisation mit der Sprengung des Thälmann-Denkmals in Berlin-Mitte in die Schlagzeilen gebracht hat.

Natürlich handelte sich nur um eine symbolische Aktion, mit der die FDP-Jugend deutlich machen wollte, dass 22 Jahre nach dem Ende der DDR ein Denkmal für einen KPD-Vorsitzenden in Berlin auch dann nichts verloren hat, wenn er von den Nazis ermordet wurde.

Die Berliner Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten fand die Aktion allerdings gar nicht witzig und erinnerte daran, dass in den letzten Jahrzehnten verschiedene Alt- und Neonazis mit versuchten Anschlägen auf solche Denkmäler aufgefallen waren und verweist auf eine gerne vergessene Geschichte der frühen FDP.

„Ein Unterwanderungsversuch der FPD durch Altnazis wurde in der Nacht zum 15. Januar 1953 auf Veranlassung der Alliierten durch fünf Verhaftungen von Mitgliedern der sogenannten ‚Gruppe Naumann ‚ gestoppt. Insoweit zeigt sich das Sprengkommando der Berliner Julis, die das Thälmann-Denkmal ’symbolisch‘ in die Luft jagen wollen, durchaus traditions- und geschichtsbewusst „, so die VVN-BdA in einer Pressemitteilung.

Arbeiter- oder Volksaufstand ?

Dass vor 60 Jahren die Alliierten einen Nazivorstoß in der FDP verhinderten, ist im deutschen Jubiläumskalender vergessen und hatten auch die Julis wohl nicht im Sinn. Ihnen ging es mit ihrer Sprengaktion um ein anderes Jubiläum, um das es wieder viel Streit gibt. War der 17. Juni 1953 nun ein Arbeiteraufstand, wie es antikapitalistische Linke in Ost und West seit Jahren behaupten, oder doch ein Aufstand des „geknechteten deutschen Volkes im Osten“?

Diese von Konservativen schon immer vertretene Version scheint sich jetzt mehr und mehr durchzusetzen. Auch in der taz wird die Version des 17.Juni als Arbeiteraufstandes von einem Historiker als „linke Version“ abgekanzelt. Zuvor hatte schon Bundespräsident Gauck in seiner Rede deutlich gemacht, dass er den 17. Juni als nationale Freiheitsbewegung und keinesfalls nur als Arbeiteraufstand verstanden wissen will.

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Beauftragte für die Stasi-Unterlagen Roland Jahn, der gleich vorschlägt, den 17. Juni wieder zum bundesweiten Nationalfeiertag zu erklären und dafür den 3.Oktober zu streichen.

Doch die Stilisierung des 17.Juni wirft Fragen auf, der sich kürzlich eine Diskussionsrunde in Leipzig widmete. „17 Juni – Sozialrevolte oder Aufstand der TäterInnen?“, hieß es dort. Es müsste eigentlich eine berechtigte Frage sein, wie demokratisch 7 Jahre nach dem Ende des Naziregimes dieser deutsche Aufstand war? Wenn es den Akteuren so sehr um Freiheit gegangen ist, wie heute Politiker aller Couleur behaupten, warum haben sie dann nicht vor 1945 schon ihre Loyalität zum Regime verweigert? Oder hat sie an der politischen Unterdrückung vor allem gestört, dass sie von Kommunisten und Sozialisten ausgeübt wurde?

Jüdische NS-Überlebende, auch wenn sie keine Kommunistin waren, haben zumindest diesen deutschen Aufstand damals eher mit Befürchtung entgegengesehen. Und ob der Ironiker Bert Brecht mit seinen vielzitierten Bonmot zum 17. Juni, die SED solle sich ein neues Volk wählen, wirklich die Nominalsozialisten und nicht das Volk kritisieren wollte, ist gar nicht ausgemacht.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154459
Peter Nowak

Die Opfer als Täter

In Berlin zog das »Flüchtlingstribunal« eine bittere Bilanz des deutschen Rassismus

Bunte Transparente flattern am Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg. »Residenzpflicht abschaffen«, »Oury Yalloh, das war Mord«, lauten einige der Parolen. Andere prangern den Kolonialismus an. Das waren auch die Themen, die in den letzten vier Tagen beim Internationalen Flüchtlingstribunal gegen die Bundesrepublik Deutschland am Mariannenplatz verhandelt wurden.

»Die Opfer deutscher Flüchtlingspolitik haben eine Stimme bekommen«, lautete der Tenor der Abschlussveranstaltung am Sonntag. »Wir haben über unsere Erfahrungen gesprochen, weil wir selber Experten der deutschen Flüchtlingspolitik sind«, erklärte ein Mitorganisator. Dabei sei Unterstützung auch von Juristen, Ärzten und zivilgesellschaftlichen Organisationen willkommen. Im Mittelpunkt habe aber die Selbstermächtigung gestanden, so der Sprecher Rex Osa. Längerfristig sollen die gesammelten Erkenntnisse auch für juristische Schritte genutzt werden.

Am Mariannenplatz konnte man in den letzten Tagen ergreifende Geschichten von Menschen hören, die oft nur mit Glück überlebten. So berichtete ein heute in Hamburg lebender Mann, wie er in Libyen nach dem Sturz des Regimes von Milizionären aus seiner Wohnung entführt, in die Wüste verschleppt und dort ausgesetzt wurde. Als er zurück auf eine belebte Straße gefunden hatte, wurde er abermals von Milizen bedroht. Er bestach sie – und floh nach Europa. Mittlerweile gehört er zu den Initiatoren der Flüchtlingsproteste, die seit Frühjahr letzten Jahres Zulauf bekommen.

Nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Staatsbürger, die für Flüchtlinge gehalten werden, haben einen harten Alltag in Deutschland. Das betonte ein Frankfurter Aktivist am Beispiel von Christy Schwundeck. Die dunkelhäutige Frau war vor zwei Jahren von einer Polizeibeamtin nach einem Streit in einem Frankfurter Jobcenter erschossen worden. Die Polizistin habe in »Notwehr« gehandelt, hieß es hinterher.

Dass nicht erst bei den NSU-Morden die Opfer rassistischer Gewalt zu Tätern gemacht wurden, zeigte eine Initiative am Beispiel der in Ägypten geborenen Marwa al Sherbini. Sie war 2009 im Dresdner Landgericht von einem Rassisten erstochen worden, den sie verklagt hatte. Die Polizei hielt ihren Ehemann, der sich schützend vor sie gestellt hatte, für den Täter und schoss auf ihn.
»Wir haben von diesen Fällen gehört. Aber die kompakte Vorstellung auf dem Tribunal war beeindruckend«, meint auch ein Berliner Aktivist. Er zeigte sich enttäuscht, dass die Zahl der Gäste eher gering war. Dass sich auch die Zahl der Flüchtlinge in Grenzen hielt, sei aber auch die Folge von Einschüchterung. So seien mehrere Flüchtlinge wegen der Residenzpflicht an der Anreise gehindert worden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/824607.die-opfer-als-taeter.html

Peter Nowak

Münchener Untergrund

Die Zahl rechtsextremer Angriffe in München hat stark zugenommen. Dass es sich um eine Serie handeln könnte, wird mittlerweile sogar von der Polizei für möglich gehalten.

Sorgt der NSU-Prozess für Zurückhaltung bei Neonazis? Davon kann zumindest in Bayern keine Rede sein. »Die rechte Szene tritt gerade im Zusammenhang mit dem NSU-Prozess in München immer offener und dreister auf«, sagt der Geschäftsführer des Bayerischen Flüchtlingsrats, Matthias Weinzierl, der Jungle World. Das Gebäude, in dem sich die Räume des Flüchtlingsrats befinden, wurde in den vergangenen Monaten mehrmals angegriffen. Im April verschandelten Unbekannte die Schaufensterscheibe des Büros mit zahlreichen Aufklebern des neonazistischen »Freien Netzes Süd«. Im selben Monat schlug jemand die Scheibe der Geschäftsstelle genau an der Stelle ein, an der ein Plakat für eine Demons­tration anlässlich des kurz darauf beginnenden NSU-Prozesses geworben hatte. Im Mai ritzten Unbekannte in die neu eingesetzte Scheibe die Worte »Anti-Antifa« und »NS-Jetzt«.

Neben dem Bayerischen Flüchtlingsrat wurden in den vergangenen Wochen weitere Einrichtungen, die sich mit den Opfern des NSU-Terrors solidarisiert hatten, zum Ziel rechtsextremer Angriffe. So zerstörten bisher nicht ermittelte Täter Fenster des linken Münchener Wohnprojekts »Ligsalz 8«, ritzten Naziparolen in andere Fenster und bewarfen die Fassade des Gebäudes mit Farbbeuteln. Die vier Fenster des Büros des Kurt-Eisner-Vereins wurden demoliert. Am Eine-Welt-Haus wurden zweimal Vermummte vertrieben, die sich an der Fassade zu schaffen gemacht hatten. Auch die Rechtsanwältin Angelika Lex, die im NSU-Prozess die Witwe des ermordeten Theodoros Boulgarides als Nebenklägerin vertritt, wurde belästigt. Vor dem Eingang ihrer Kanzlei im zweiten Stock eines Münchener Bürohauses wurden Urin und Kot verschmiert. Zudem hat nach Aussage der Anwältin die Zahl der Drohbriefe und -Mails zugenommen, seit Lex auch in der Öffentlichkeit für eine konsequente Aufklärung des NSU-Terrors eintritt.

Die Polizei bestritt zunächst, dass es sich um eine Serie von Anschlägen handeln könnte. Mittlerweile wird gegen drei Münchener Neonazis ermittelt. Sie wurden gestellt, als sie die Parolen »Keine Macht den Kommunisten« und »Anti-Antifa« auf die Straße in unmittelbarer Nähe der Geschäftsstelle der Rosa-Luxemburg-Stiftung schmierten. Alle drei Verdächtigen sind der Poli­­zei als rechtsextrem bekannt, einer entstammt dem Umfeld des »Freien Netzes Süd« und war nach Erkenntnissen der Süddeutschen Zeitung Komplize des Neonazis Martin Wiese, der 2003 einen Sprengstoffanschlag auf das Jüdische Zentrum München verüben wollte.

Die Anwältin Lex hat die Reaktion der Polizei auf die Attacken öffentlich kritisiert. Auch Matthias Weinzierl vom Flüchtlingsrat ist unzufrieden. »Wir informierten die Polizei zum ersten Mal, nachdem unsere Scheibe eingeschlagen worden war. Es kam eine Streife vorbei, und ein Beamter meinte relativ schnell, dass kein unmittelbarer Zusammenhang zu den Naziaufklebern einige Wochen vorher ersichtlich sei. Die Anzeige wurde der Kriminalpolizei übergeben, die sich wiederum eine halbe Woche später mit uns in Verbindung gesetzt hat«, sagt er.

Mittlerweile haben sich die von den Angriffen betroffenen Organisationen mit einem Aufruf unter dem Titel »Gemeint sind wir alle« an die Öffentlichkeit gewandt. Die neonazistischen Attacken werten sie als Einschüchterungsversuche und als »Angriffe auf eine offene Gesellschaft«. In dem Aufruf wird darauf hingewiesen, dass im Schatten des NSU-Prozesses auch bundesweit die Naziangriffe weitergehen. So wurde das Gebäude der Islamischen Gemeinde in Düren kürzlich mit den Worten beschmiert: »NSU lebt weiter und ihr werdet die nächsten Opfer sein!« Weinzierl ist mit der Resonanz des Aufrufs zufrieden. Es habe sich eine eigene Kampagne entwickelt, die von zahlreichen Münchener Geschäften, Clubs, Lokalen, sozialen Einrichtungen und Einzelpersonen unterstützt werde.
http://jungle-world.com/artikel/2013/24/47880.html
Peter Nowak

Datenschutz für Hartz IV-Empfänger ausgeweitet

Doch jetzt könnten die Betroffenen vor der Alternative stehen, auf die Leistungen zu verzichten oder selbst die Daten offenzulegen

Die Verletzung des Datenschutzes eines Hartz IV-Beziehers hatte erstmals für einen Jobcentermitarbeiter strafrechtliche Konsequenzen. Er musste eine Buße von 600 Euro bezahlen. Im Gegenzug wurde das Verfahren wegen Verletzung eines Privatgeheimnisses eingestellt. Der Jobcentermitarbeiter hatte ohne Einwilligung des Betroffenen mit dessen potentiellen Vermietern telefonisch Kontakt aufgenommen und dabei auch offenbart, dass der Wohnungsinteressent Hartz IV-Leistungen bezieht. Daraufhin hat der die Wohnung nicht bekommen.

In dieser Sache hatte das Bundessozialgericht erstmals den Datenschutz für Bezieher von Hartz IV-Leistungen erheblich gestärkt.

„Der Bezug von Arbeitslosengeld II ist ein Sozialdatum, dessen Offenbarung durch das Jobcenter nur zulässig ist, wenn der Leistungsbezieher eingewilligt hat oder eine gesetzliche Offenbarungsbefugnis vorliegt“, lautet einer der Kernsätze des Urteils, wie der Bundesbeauftragte für den Datenschutz hervorhebt.

Der Betroffene hatte eine Umzugsbeihilfe, die Erstattung der Kosten der Mietkaution und für den Kauf neuer Möbel beantragt. Der Jobcentermitarbeiter hat den Kontakt mit dem Vermieter damit begründet, dass Nachweise fehlten, dass die beantragten Leistungen notwendig seien. Im Rahmen seiner Verpflichtung, den Sachverhalt zu prüfen, habe er den Kontakt mit dem Vermieter gesucht. Während der Jobcentermitarbeiter in zwei Instanzen recht bekam, hat das Bundessozialgericht den Datenschutz auch für Hartz IV-Empfänger in den Mittelpunkt gestellt und das Handeln des Jobcentermitarbeiters verurteilt.

Jobcenter hat Sozialgeheimnis zu beachten

„Das Bundessozialgericht hat in diesem Urteil die Auffassung der Kläger bestätigt, dass der Beklagte als Träger einer Sozialleistung das Sozialgeheimnis zu beachten hat. Danach hat jeder Leistungsberechtigte Anspruch darauf, dass die ihn betreffenden Sozialdaten von den Leistungsträgern nicht unbefugt erhoben, verarbeitet oder genutzt werden“, hebt der Bundesdatenschutzbeauftragte in der rechtlichen Wertung des Urteils hervor.

Das Jobcenter müsse immer von dem Grundsatz ausgehen, dass die Datenerhebung in erster Linie beim Betroffenen selber erfolgen müsse. Eine Datenübermittlung an Dritte wird vom Gericht nicht völlig ausgeschlossen aber an strenge Bedingungen geknüpft, weil sie einer besonderen Rechtfertigung bedürfe. Diese Kriterien sah das Gericht im vorliegenden Fall nicht erfüllt.

Drohung mit Leistungsentzug

Ob von der Stärkung des Datenschutzes die Betroffenen wirklich profitieren können, ist allerdings offen. Denn das Gericht hat auch einen Weg aufgezeigt, wie die Ämter den Druck auf Antragssteller erhöhen können, damit diese die Daten offenbaren.

„Sofern rechtliche Befugnisse zur Datenerhebung bei Dritten bzw. zur Übermittlung an Dritte nicht bestehen, bleibt dem Leistungsträger die Möglichkeit, den Betroffenen auf die Rechtslage hinzuweisen und ihn um seine Einwilligung zur Einschaltung eines Dritten zu ersuchen. Diese Bitte um Einwilligung ist gegenüber dem Betroffenen mit dem Hinweis auf die möglichen Rechtsfolgen der Verweigerung, nämlich der Versagung oder Entziehung der Leistung wegen der fehlenden Aufklärungsmöglichkeit, zu verbinden“, heißt es in der Bewertung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/154433
Peter Nowak

FLÜCHTLINGSTRIBUNAL IN KREUZBERG

Angeklagt: die Bundesrepublik Deutschland

„Brecht die Mauern des Schweigens“ heißt es auf dem großen Transparent am Eingang zum Flüchtlingscamp am Kreuzberger Oranienplatz. Es ist das Motto eines viertägigen internationalen Tribunals gegen die deutsche Flüchtlingspolitik, das ab dem heutigen Donnerstag dort als Treffpunkt und mit Workshops nahebei auf dem Mariannenplatz stattfinden wird.

Vorbereitet wird das Tribunal seit Monaten von Flüchtlingsorganisationen aus Deutschland und anderen europäischen Ländern. „Wir sind die ExpertInnen, wenn es um die deutsche Flüchtlingspolitik geht. Deswegen werden wir hier in den nächsten Tagen zu Wort kommen“, erklärt Rex Osa von der Vorbereitungsgruppe. Das Tribunal solle der Ermutigung und Information der Flüchtlinge dienen, betont er.

Schon in der Vorbereitung haben sich Flüchtlingsfrauen eigenständig organisiert. Eine von ihnen vorbereitete Demonstration, die ab 9 Uhr vom Herrmannplatz zum Mariannenplatz zieht, ist der Startpunkt des Tribunals. Im Anschluss werden die Flüchtlinge in Arbeitsgruppen über die Situation in ihren Herkunftsländern sowie die vergessenen Folgen der deutschen Kolonialpolitik informieren.

Am Freitag wird die Kritik an der deutschen Flüchtlingspolitik, etwa am Abschiebesystem und der Unterbringung in Lagern, zu Wort kommen. Ein eigener Workshop widmet sich der Kriminalisierung von Flüchtlingsprotesten. Am Samstag stehen Widerstand und Selbstorganisierung von Flüchtlingen im Mittelpunkt. Laut Baher Charara von der Vorbereitungsgruppe sendet das Tribunal zwei Botschaften an die deutsche Gesellschaft: „Zuerst sind wir Menschen wie Ihr. Zweitens lade ich Euch ein, die Flüchtlinge zu besuchen.“

www.refugeetribunal.org

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2013%2F06%2F13%2Fa0127&cHash=d2caec270f25167a0f71671214e39600

Peter Nowak

Nazis haben Oberwasser

Die Solidarität beim Einsatz gegen das Hochwasser ist enorm − doch auch Nazis schaufeln mit und nutzen den Einsatz für ihre Propaganda.

In anonymem Internetbeiträgen werden Vernichtungsdrohungen gegen Linke deutlich artikuliert: »Einfach mal ertränken« oder »das autonome Drecksvolk in die Gaskammer oder erhängt« gehörten zu den Kommentaren. nlass für diese Hetze ist das kurze Schreiben einer „Germanophobe Flutbrigade“, in der zur Zerstörung von Deichen aufgerufen wird, um Deutschland in den Rücken zu fallen. Die linke Hochschul- und Jugendgruppe Magdeburg ging wegen der in linken Kreisen unüblichen Wortwahl des Schreibens von Anfang von einem Fake aus, mit dem die Linke diskreditiert werden soll.
„Sie nennen sich selbst „Antifaschisten“, sie hassen Deutschland und alles deutsche“, schreibt NPD-Mitglied Michael Gunzel in schlechten Deutsch. Am Ende seines Beitrags auf der Homepage des NPD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt wird unverhohlen zur Gewalt aufgerufen. „Einem sich der Festnahme widersetzenden und zu flüchten versuchenden Dieb darf beispielsweise demnach nicht hinterher geschossen werden. Wie sich der rechtliche Rahmen bei Tätern gestaltet, die vorsätzlich Millionenwerte zerstören wollen und dabei das Leben vieler Menschen aufs Spiel setzen, sollte keiner weiteren Frage bedürfen!“ Der Neonazi Sascha Krolzig nennt das Schreiben im Internet „den besten PR-Gag, den es in der letzten Zeit gegen die Antifa gegeben hat“. Es habe ihr Ziel erreicht. „Sowohl die Medien als auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht schlagen Alarm“, vermerkt Krolzig selbstzufrieden.
Dazu haben die Rechten umso mehr Grund, weil sie sich als Teil einer nationalen Schicksalsgemeinschaft inszenieren können, die sich gegen die Flut stemmt. Im Fotoalbum der NPD-Fraktion-Sachsen lasst sich der NPD-Bundesvorsitzende mit der Schaufel in der Hand beim Sandsackfüllen ablichten Untertitelt sind die Fotos mit dem Satz: „Fluthilfe für NPD-Fraktionsvorsitzenden Holger Apfel Ehrensache“. Besonders erfreut registrieren die Rechten, dass sie für den Hochwasserschutz auch von offizieller Seite Anerkennung finden. So postete der Bundesvorsitzende der NPD-Jugendorganisation Andy Knape in der letzten Woche ein Foto, das ihn mit NPD-Shirt beim Handschlag mit dem Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper ( SPD) zeigt.“Magdeburger Oberbürgermeister gibt Oberbürgermeister gibt JN-Chef die Hand“, lautet der Kommentar unter dem Foto von rechten Netzwerken.
„Nicht nur, dass Lutz Trümpers Krisenmanagement katastrophal ist, jetzt fällt er auch noch dadurch auf, dass er bundesweiten Nazigrößen munter die Hand schüttelt, um sich für den Hochwassereinsatz zu bedanken,“ kritisiert der Pressesprecher der Magdeburger Linksjugend [’solid] Robert Fietzke den Handschlag mit den Rechten.
Neonazis nutzen diese Anerkennung für ihre Propaganda. Unter der Überschrift „(R)echte Kerle packen an“ lassen sich Neonazis beim Packen von Sandsäcken ablichten. „Wenn wir Deutschen zusammenhalten, schlagen wir selbst den Teufel aus der Hölle“, heißt es unter dem Foto eines NPD-Funktionärs mit Schaufel. „In Bayern, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind die Hilfsmaßnahmen voll im Gang. Auf dem Weg in die betroffenen Regionen befinden sich außerdem Kameraden aus dem Norden und Westen der Republik“, kommentiert JN-Chef Knape den nationalen Einsatz Antifaschisten kritisieren dabei auch den offiziellen Diskurs. „Wenn der Kampf gegen die Flut zur nationalen Sache aufgeblasen wird sind die Kräfte nicht weit, die schon immer die deutsche Volksgemeinschaft propagieren,“ kritisiert ein Berliner Antifaaktivist, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, das Oberwasser für Rechte.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/824139.nazis-haben-oberwasser.html

Peter Nowak

„PR-Gag gegen die Antifa“


Rechtsextremisten instrumentalisieren obskure Aktion einer angeblichen linksextremen Gruppierung und drohen dem politischen Gegner.

Ein kurzer mit „Germanophobe Flutbrigade“ unterschriebener Text, in dem zur Zerstörung von Deichen aufrufen wird, wird von rechtsextremen Kreisen zur Hetze gegen politische Gegner genutzt. „Sie nennen sich selbst Antifaschisten“, sie „hassen Deutschland und alles Deutsche“, schreibt NPD-Mitglied Michael Gunzel in einem auf der Homepage des NPD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt veröffentlichten Beitrag, in dem indirekt zur Gewalt aufgerufen wird. „Einem sich der Festnahme widersetzenden und zu flüchten versuchenden Dieb darf nicht hinterher geschossen werden. Wie sich der rechtliche Rahmen bei Tätern gestaltet, die vorsätzlich Millionenwerte zerstören wollen und dabei das Leben vieler Menschen aufs Spiel setzen, sollte keiner weiteren Frage bedürfen!“

In anonymem Beiträgen auf verschiedenen Hochwasser-News-Seiten wird die Drohung deutlicher artikuliert: „Gleich Kugel durch den Kopf“ oder „das autonome Drecksvolk in die Gaskammer oder erhängt“, lauten einige der Kommentare. Der langjährige Aktivist der inzwischen verbotenen „Kameradschaft Hamm“ Sascha Krolzig, der mittlerweile dem Vorstand des nordrhein-westfälischen Landesverband der Partei „Die Rechte“ angehört, bezeichnet das Schreiben der Flutbrigade als „den besten PR-Gag, den es in der letzten Zeit gegen die Antifa gegeben hat“. „Sowohl die Medien als auch Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht schlagen Alarm“, vermerkt Krolzig zufrieden.

Dazu haben die Rechtsextremisten umso mehr Grund, weil sie sich als Teil einer nationalen Schicksalsgemeinschaft inszenieren, die sich gegen die Flut stemmt und dabei sogar von offizieller Seite vermeintlich Anerkennung bekommt. „Magdeburger Bürgermeister gibt JN-Chef die Hand“, lautet der Kommentar unter einem auf rechtsextremen Internetseiten verbreiteten Foto, das den Bundesvorsitzenden der NPD-Jugendorganisation Andy Knape in NPD-Shirt neben dem Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper zeigt.
aus Blick nach Rechts:
http://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/pr-gag-gegen-die-antifa
Peter Nowak