Auch die Böll-Stiftung leiht sich Arbeit

Die kleine Gewerkschaft FAU kämpft für Festanstellung aller Beschäftigten

»Es tut gut, sich zu wehren und Forderungen zu stellen«, sagte Michael Rocher unter Applaus bei einer Kundgebung am Donnerstagabend vor der Bundeszentrale der Heinrich-Böll-Stiftung in Berlin-Mitte. Er gehört zu den 20 Beschäftigten, die in der Vergangenheit mehrmals von der Leiharbeitsfirma Xenon an die Parteistiftung der Grünen für den Auf- und Abbau von Konferenzen vermittelt wurden.
»Als Festangestellter würde ich 10,58 Euro Stundenlohn bekommen, als Leiharbeiter nur acht Euro«, rechnet er gegenüber »nd« die Lohndifferenz vor. Die will er nicht mehr hinnehmen. Nachdem er von der Kampagne »Leiharbeit abschaffen« der Basisgewerkschaft Freie Arbeiterinnen- und Arbeiter-Union (FAU) erfahren hatte, wandte er sich an diese Organisation und reichte beim Arbeitsgericht Klage auf eine Festanstellung ein. Nachdem die FAU Gespräche mit der Geschäftsführung der Stiftung führte, kam es in der letzten Woche zum Eklat: Zwei FAU-Mitglieder bekamen Hausverbot, als sie an einer Mitarbeiterversammlung teilnehmen wollten, auf der über die prekären Arbeitsverhältnisse gesprochen wurde. Mit der Kundgebung am Donnerstag begann die FAU die Kampagne für die Abschaffung der Leiharbeit bei der Stiftung. Rund 50 Menschen kamen. Ihre Sprechchöre waren auch im Garten der Stiftung zu hören, wo im Rahmen einer Veranstaltung zu Repressionen in Osteuropa ein Theaterstück gezeigt wurde.

Rocher ist besonders sauer, weil er und seine Kollegen ab August nicht mehr bei der Stiftung arbeiten sollen. »Wir fühlen uns wie alte Möbelstücke, die nun ersetzt werden.« Ramona Simon, Sprecherin der Heinrich-Böll-Stiftung, bestätigte, dass seit drei Jahren Dienstleistungen wie Konferenzassistenz und Konferenzumbauten zur Vergabe an einen externen Dienstleister ausgeschrieben werden. Xenon habe den Zuschlag erhalten. Die Kündigung der Beschäftigten habe nichts mit ihrer Kritik an den Arbeitsverhältnissen zu tun: »Der Vertrag mit der Firma Xenon läuft regulär Ende Juli diesen Jahres aus. Die Dienstleistung wird erneut ausgeschrieben. Es handelt sich also nicht um eine personenbezogene Entscheidung.«

Der Zugang zur Mitarbeiterversammlung sei der FAU verwehrt worden, weil sie nur für Beschäftigte bestimmt gewesen sei. »Unbenommen blieb es der Gewerkschaft, in der Stiftung außerhalb der Betriebsversammlung über ihre Position zu informieren. Zudem wurde seitens der Geschäftsführung ein Angebot für ein Gespräch unterbreitet, welches auch stattfand«, betont Simon.

Einen Widerspruch zu Positionen der Grünen sieht sie nicht. »Wir achten darauf, dass diese Firmen ihre Mitarbeiterinnen anständig behandeln und sie nach Tarif bezahlen, soweit es einen gibt.« Livia Cotti, Geschäftsführerin der Stiftung, verweist zudem auf das Zugabe- und Vergaberecht: »Danach müssen alle Dienstleistungen ausgeschrieben werden, und es gilt stets, das wirtschaftlichste Angebot anzunehmen.«

Dieses Argument lässt Stefan Kuhnt, Pressereferent der FAU, mit Verweis auf die Praxis der Rosa-Luxemburg-Stiftung nicht gelten: »Da werden die geforderten Standards bei vergleichbarer Arbeit in einer öffentlich geförderten politischen Stiftung erfüllt.« Die FAU peilt eine Fortsetzung der Kampagne für eine Festanstellung aller Beschäftigten an.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/825930.auch-die-boell-stiftung-leiht-sich-arbeit.html
Peter Nowak


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