Amazon oder die moderne Ausbeutung in Zeiten der Krise

Amazon war schon früher in Kritik geraten, der Fall zeigt, wie das Hartz-IV-Regime zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen generell beiträgt

Der Internetversandhandel amazon übt sich in Schadensbegrenzung. Nachdem Berichte über die besondere Ausbeutung der dort über eine Leiharbeiterfirma beschäftigten Wanderarbeiter bekannt wurden, feuerte der Konzern die Sicherheitsfirma Hess, die durch einen Fernsehbeitrag ins Gerede gekommen ist. Mitarbeiter mit Kontakten in die rechte Szene sollen dort beschäftigt gewesen sein, hieß es dort, was die um ihren Ruf besorgte Sicherheitsfirma sofort dementierte.

Für Amazon war es nicht tragbar, mit etwaigen rechten Umtrieben in Verbindung gebracht zu werden, was gesellschaftlich nicht goutiert wird. Anders ist es mit der ganz normalen Ausbeutung im Europa der Krise. So wird in dem TV-Beitrag berichtet, dass Leiharbeiter aus Spanien, die im Amazon-Logistikzentrum Bad Hersfeld für das Weihnachtsgeschäft arbeiteten, in engen Gemeinschaftsunterkünften des Seehotels Kirchheim in unmittelbarer Autobahnnähe untergebracht wurden. Dort sollen sie vom ins Gerede gekommenen Wachdienst rund um die Uhr kontrolliert worden sein. Das wird von Hess gar nicht bestritten. In der Erklärung der Sicherheitsfirma heißt es zum „Einsatz in Leiharbeitsunterkünften“:

„Der Grund für die Beauftragung von uns als Sicherheitsfirma liegt darin, dass in der gleichzeitigen Unterbringung einer größeren Anzahl von Menschen, die sich untereinander nicht kennen, ein erhebliches Konfliktpotential liegt.“

Horrorvisionen aus den Protestsongs der 70er Jahre heute übertroffen

Die Tatsache, dass im 21. Jahrhundert Menschen aus ganz Europa in engen Unterkünften zusammen gepfercht werden, wird nicht als gesellschaftlicher Skandal wahrgenommen. Solche Visionen haben Liedermacher wie Franz Josef Degenhardt vor 30 Jahren als negative Vision in ihren Songs dargestellt. Viele der Zuhörer, die durchaus kapitalismuskritisch waren, hätten wohl nicht gedacht, dass diese Horrorvisionen heute übertroffen werden.

Hat der Chansonier damals in dem Song „Umdenken Mister“ getextet: „Für eine gute ARBEIT zieht er meilenweit“, könnte man am Beispiel Amazon sagen: Für einen miesen Leiharbeiterjob nimmt er alles in Kauf.

Nun ist die Empörung groß und es gibt auch verschiedene Ansätze im Internet eine Veränderung der Situation zu erreichen. Während die Dienstleistungsgewerkschaft verdi eine Petition für die Verbesserung der Arbeitsbedingungen bei Amazon lancierte, rufen kritische Konsumenten zum Boykott des Versandhandels auf. Solche Aktionen kann der Konzern nicht ignorieren und müht sich nun um Imageverbesserung. Mit einer grundlegenden Änderung der Arbeitssituation bei Amazon ist allerdings nicht zu rechnen, auch wenn nun die Beschäftigten im Logistikzentrum Augsburg erstmals einen Betriebsrat wählen können.

Ohne Lohn bei Amazon?

Amazon nicht zum ersten Mal wegen seiner schlechten Arbeitsbedingungen und geringen Löhne in der öffentlichen Diskussion.

Schon im Herbst 2011 wurde bekannt, dass für das Amazon-Weihnachtsgeschäft Hartz-Bezieher als Zeitarbeiter tätig waren, die von den Jobcentern zur Probe vermittelt wurden und zwei Wochen ohne jeglichen Lohn arbeiten sollten. Wenn sie sich weigerten, drohten ihnen Abzüge beim Hartz IV.

An diesem Beispiel wird deutlich, wie das Hartz IV-Regime zur Verschlechterung der Arbeitsbedingungen generell beiträgt. Auch die Anwerbung von Leiharbeitern aus ganz Europa ist eine Folge der von Deutschland wesentlich initiierten Sparprogramme. Sie führten zu einer massiven Rezension in den Ländern der europäischen Peripherie und zur Verarmung großer Teile der Bevölkerung. Solche Zustände sind der Grund, warum die Menschen unter fast jeden Umständen schuften und bereit sind, in engen Gemeinschaftsunterkünften von einer Sicherheitsfirma mit oder ohne rechte Kontakte bewacht, ihre „Freizeit“ zu verbringen. Die Politik trägt kräftigt dazu bei, indem sie dafür sorgt, dass erwerbslose EU-Bürger nicht Hartz IV-berechtigt sind.

Angesichts solcher politischer Vorgaben, die die Überausbeutung möglich macht, ist die rituelle Empörung heuchlerisch, die immer dann laut wird, wenn konkrete Fälle von großen Medien dokumentiert werden. Allerdings kann sie die Betroffenen zumindest ermutigen, nicht alle Arbeitsbedingungen hinzunehmen. Denn nicht immer ist es möglich, eine mediale Empörung auszulösen, wenn schlechte Arbeitsbedingungen in einem Unternehmen bekannt werden. So haben Berichte über die Behandlung von Leiharbeitern beim Internetschuhversand Zalando wenig Resonanz ausgelöst. Die Presseabteilung weigert sich konsequent, Fragen zu beantworten, welche Konsequenzen das Unternehmen aus den Berichten aus der Distanz von der Leiharbeitsfirma gezogen hat.

Besonders schwierig ist es für Leiharbeiter in kleinen Firmen, zu ihren Recht und ihrem Lohn zu kommen. So haben sich spanische Leiharbeiter an die kleine Basisgewerkschaft FAU Gewandt, nachdem sie ein Jahr bei der Firma Messeshop ohne Lohn gearbeitet haben (Die Berliner FAU hat mittlerweile eine Sektion „Foreign Members“ eingerichtet und informiert europäische Leiharbeiter in verschiedenen Sprachen über ihre Rechte.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/153764

Peter Nowak


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