Kein liberaler Arbeitsmarkt


Neues Dossier vom Schweizer Gewerkschaftsbund entkräftet Mythos von wirksamen Arbeitnehmerrechten

Steuerparadies, Heimat der Millionäre, aber was ist mit guter Arbeit? Laut eines neuen Dossiers des Schweizer Gewerkschaftsbundes SGB gehört das Land was Rechte von Beschäftigten angeht zum europäischen Schlusslicht.

Die Schweiz gilt hierzulande als Paradies für Millionäre. Doch wie sieht es mit der Situation der abhängig Beschäftigten aus? Darauf hat kürzlich ein Dossier des Schweizer Gewerkschaftsbund SGB mit dem Titel »Der »liberale« Arbeitsmarkt der Schweiz – Entzauberung eines Mythos« eine klare Antwort gegeben: Das Land gehört bei den Rechten der Beschäftigten zum europäischen Schlusslicht. So verweisen die Autoren des Dossiers, Daniel Lampart und Daniel Kopp auf OECD-Studien, die belegen, dass die Schweiz beim Kündigungsschutz den Rang 31 unter 34 erfassten Ländern inne hat. Nur unwesentlich besser schneidet die Schweiz bei Mindestlöhnen, befristeten Arbeitsverhältnissen und bei der Leiharbeit ab.

Vertreter von Wirtschaftsverbänden und Kommentatoren wirtschaftsnaher Zeitungen preisen den schwachen Arbeitnehmerschutz als Ausdruck »liberalen Arbeitsmarktes«, der dafür sorge, dass die Arbeitslosigkeit in der Schweiz sehr niedrig sei. Da es in der Schweiz leichter sei, den Beschäftigten zu kündigen kämen mehr Investoren in das Land, die wieder neue Stellen schaffen, lautet die nicht nur in der Schweiz bekannte Argumentation, die die Autoren des Dossiers untersuchen und widerlegen

»Der Zusammenhang dürfte gerade umgekehrt sein. Weil die Gefahr der Arbeitslosigkeit vor allem früher relativ gering war, haben die Schweizer Arbeitnehmenden einen schlechteren Schutz akzeptiert«, schreiben die Autoren. Mittlerweile wirke sich aber der schwache Arbeitnehmerschutz negativ aus, beschreiben Lampart und Kopp die veränderte soziale Situation. »Seit den 1990er Jahren ist die Arbeitslosigkeit in der Schweiz stark gestiegen. Atypische Arbeitsverhältnisse wie die Temporärarbeit, die den Arbeitnehmern im Vergleich zu Normalarbeitsverhältnissen ein geringeres Schutzniveau bieten, nehmen zu«. Gleichzeitig werde es zunehmend schwieriger, sozialpartnerschaftliche Regelungen zu erwirken.

Vor allem in den stark gewachsenen Dienstleistungsbranchen, wie den Call-Centern, Kurierdiensten und Kosmetikinstituten kann es auf absehbare Zeit keine Gesamtarbeitsverträge geben, weil die Ansprechpartner auf Seiten der Arbeitgeber fehlen.

In einigen Branchen weigern sich die Arbeitgeber offen, mit den Gewerkschaften Verhandlungen aufzunehmen. So hat der der Verbandspräsident der Schweizer Schuhgeschäfte mehrmals betont, dass er sich aktiv gegen einen Tarifvertrag einsetzen wird. In der Branche sind die Arbeitsbedingungen besonders schlecht und die Löhne niedrig.

Das Dossier kann auf der Homepage der SGB www.sgb.ch heruntergeladen werden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/808884.kein-liberaler-arbeitsmarkt.html
Peter Nowak