Schwierige Erinnerung

Demonstration Für das Neonazi-Opfer Silvio Meier sind am Samstag wieder Tausende auf die Straße gegangen. Doch nun wird über weitere Formen des Gedenkens diskutiert
Schwierige Erinnerung

Tausende haben am Samstag in Berlin-Friedrichshain an den Antifaschisten Silvio Meier erinnert. Der junge Mann war am 21. November 1992 von einem Neonazi im U-Bahnhof Samariterstraße erstochen worden. Meier war zu DDR-Zeiten in der Opposition und hatte nach dem Fall der Mauer mit Freunden ein Haus in Friedrichshain besetzt.

Damals gehörte die Auseinandersetzung mit Neonazis zum Alltag. Rechte Jugendliche überfielen zu dieser Zeit auch in vielen Teilen Ostberlins Menschen, die nicht in ihr Weltbild passten. Nach Meiers Tod organisierte sein politisches Umfeld Gedenkveranstaltungen, die in den Jahren danach auch für eine neue Generation von Antifaschisten Tradition wurden. Die Parole „Silvio Meier unvergessen“ prangt jedes Jahr auf Plakaten, Flyern und Aufklebern.

„Nicht der Silvio Meier, den ich kannte“

Doch diese Art der Gedenkkultur ist nicht unumstritten, wie vor einigen Tagen auf einer Podiumsdiskussion in Friedrichshain deutlich wurde. „Das ist nicht der Silvio Meier, den ich kannte“, kritisierte ein Jugendfreund. Er erinnerte daran, dass Meier als DDR-Oppositioneller sicher nicht damit einverstanden wäre, nun überall als Genosse bezeichnet zu werden, weil der Begriff zu sehr nach SED klinge.

Aber nicht alle Freunde Meiers sehen das so. „Personen haben sich in unterschiedliche politische Richtungen entwickelt und von dieser Perspektive beurteilen sie heute das Gedenken an Meier“, meinte ein anderer Mitstreiter des Neonaziopfers. Die Spanne ist weit – vom Wissenschaftler, dem die staatsfeindliche Attitüde der Parolen auf dem Meier-Gedenken missfallen, bis zu Anhängern, die sich in anarchistischen Zusammenhängen bewegen. Damit wird deutlich, dass auch der Freundeskreis keine letzte Instanz der Gedenkarbeit ist.

Angehörige einbeziehen

Für ein weiteres Neonazi-Opfer wird nun erstmals eine andere Art der Erinnerungskultur diskutiert: ein Gedenkstein in der Nähe des Tatortes. Dieter Eich wurde am 24. Mai 2000 von vier Neonazis in seiner Wohnung Berlin-Buch ermordet, offenbar nur deshalb, weil er erwerbslos und damit in den Augen seiner Mörder ein „Assi“ war. Eine Initiative im Nordosten Berlins widmet sich seit vielen Jahren seiner Erinnerung.

2013 wird der Haupttäter aus der Strafhaft entlassen. Bis dahin soll auch der Gedenkstein gesetzt sein. Noch werden Spenden dafür gesammelt. Staatliche Sponsoren scheiden für die Initiatoren aus, weil sie sich nicht abhängig von politischen Vorgaben machen wollen.

Selbst beim Gedenken an Opfer der NS-Zeit tut sich die Gesellschaft immer noch schwer, wie Dirk Stegemann vom Berliner Bündnis „Rechtspopulismus stoppen“ berichtete. Er setzt sich für einen Erinnerungsort für die Opfer des größten Berliner Arbeitshauses in Berlin-Rummelsburg ein. Von dort wurden in der Nazizeit mehrere Insassen in Konzentrationslager verschleppt. Weil es sich beim dem Areal um lukrative Grundstücke handelt, soll aber kein Investor mit Tafeln verschreckt werden, die an Geschichte erinnern.
Benennung verschoben

Einen Gedenkort wollen auch Freunde von Silvio Meier durchsetzen. Nach ihm soll gleich in der Nähe des Orts seiner Ermordung eine Straße benannt werden. Der Beschluss wurde schon vor Monaten auf einer Bürgerversammlung gefasst und vom Bezirksparlament bestätigt.

Ein Anwohner hat allerdings geklagt und damit die Umbenennung zu Meiers 20. Todestag vorerst verhindert. In der taz wird er mit der Begründung zitiert, dass Meier als ehemaliger Hausbesetzer kein würdiger Träger eines Straßennamens und für seinen Tod auch selber verantwortlich sei.

http://www.freitag.de/autoren/der-freitag/schwierige-erinnerung
Peter Nowak