Schikanen und Abmahnungen am Frankfurter Tor

Mieter/innen wehren sich und haben einen Mieterrat gegründet
In den letzen noch unsanierten Stalinbauten an der Frankfurter Allee 5-27 häufen sich die Abmahnungen. Mittlerweile wurden auch erste – bisher noch nicht vor Gericht verhandelte – Kündigungen gegen Mieter/innen ausgesprochen.

Im Gespräch mit dem MieterEcho bringen die Bewohner/innen die Verschärfungen mit Nils Huber, dem Rechtsanwalt der Eigentümer, in Verbindung. Huber habe sämtliche Akten der Mieter/innen studiert und wegen kleinster, teilweise schon länger zurückliegender Verstöße Abmahnungen verhängt, berichten sie. Zu den Gründen habe unter anderem gehört, dass im Vorjahr die Miete am 6. statt am 3. Kalendertag eines Monats auf dem Konto des Eigentümers eingegangen war. Der Abmahnung sei juristisch stattgegeben worden, obwohl ein Wochenende die Überweisung verzögerte. Von einer Abmahnung wegen einer angeblich unerlaubten Untervermietung seien auch Mieter/innen betroffen, die als Wohngemeinschaft im Mietvertrag eingetragen sind und den Umzug eines der Hauptmieter dem Vermieter fristgemäß meldeten, ohne eine Antwort zu erhalten. Die Mieter/innen wollen alle Abmahnungen juristisch klären lassen, weil sie in ihnen die Vorbereitungen für Kündigungen sehen. Tatsächlich sind von Kündigungen bereits Mieter/innen betroffen, die zuvor zwei Abmahnungen erhalten hatten. In einem Fall sei einer gekündigten Mieterin sogar ein Räumungstermin genannt worden, was sie nach der Einschaltung eines Rechtsanwalts mittels einstweiliger Verfügung abwenden konnte.

Vernetzung im Stadtteil und in den Häusern

Nach mehreren Treffen haben die Bewohner/innen den Mieterrat Frankfurter Allee gegründet. Dort finden zwei Initiativen zusammen, die sich in den letzten Monaten unabhängig voneinander gegründet hatten. Eine wurde von älteren Mieter/innen initiiert, die teilweise seit dem Aufbau der Häuser dort wohnen. Eine andere Initiative kam von jüngeren Mieter/innen, die erst in den letzten Jahren in die Häuser gezogen sind. Inhaltliche Gegensätze gibt es nicht. Neben der Abwehr von Kündigungen und Mieterhöhungen gehört auch die Sanierung der Häuser zu den Forderungen des Mieterrats. Der Hausmeister mache schon lange „Dienst nach Vorschrift“, klagen die Mieter/innen. Schadensmeldungen würden ebenso ignoriert wie bröckelnde Fassaden. Der Mieterrat sieht wegen des Instandsetzungsrückstaus auch die Politik in der Pflicht. Schließlich gingen die Gebäude 1993 von der Treuhand an die WBF Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain, einer Tochter der landeseigenen WBM, über. Nach verschiedenen Eigentümerwechseln wurden sie 2006 vom aktuellen Eigentümer, der Home Center Liegenschaften GmbH, erworben.

Verbot von Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen

Beim Übergang von der Treuhandgesellschaft auf die WBF sei ein Verbot von Kündigungen aus wirtschaftlichen Gründen vereinbart worden. Darauf berufen sich die Mieter/innen und fordern die Politik auf, in diesem Sinne aktiv zu werden. Bei den Mietertreffen wurden auch Forderungen laut, die viele Bewohner/innen lange für illusorisch hielten. Die älteren Mieter/innen können sich noch gut daran erinnern, dass zu DDR-Zeiten der große Dachgarten gemeinschaftlich genutzt wurde. In den letzten Jahren wurde die Nutzung des Dachgartens immer mehr eingeschränkt und 2008 von den Eigentümern ganz verboten. Schließlich lassen sich dort besonders lukrative Eigentumswohnungen errichten. Die Mieter/innen aber haben andere Pläne. „Wenn wir uns kennenlernen und zusammenarbeiten, wollen wir den Dachgarten auch gemeinsam nutzen“, meinte ein Aktivist des Mieterrats. Im Stadtteil will man sich mit anderen ebenfalls von Verdrängung bedrohten Mieter/innen vernetzen. Ein Kiezspaziergang nach dem Vorbild von Neukölln und Kreuzberg ist in der Diskussion, aber noch nicht terminiert. Ein erstes Ergebnis der Kooperation ist ein an die Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg gerichteter Antrag, für den jetzt Unterschriften gesammelt werden. Die Forderungen sind der Erlass einer Milieuschutzsatzung für den Kiez um die Richard-Sorge-Straße und der Schutz der Mieter/innen in den Gebäuden der Frankfurter Allee 5-27.

MieterEcho 356 / September 2012

http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2012/me-single/article/schikanen-und-abmahnungen-am-frankfurter-tor.html

Peter Nowak

Patt in Stuttgart

Kandidat der Stuttgart21-Gegner wird zum Zünglein an der Waage

Die Stuttgarter Bevölkerung muss am 21. Oktober noch einmal zu den Wahlurnen. Dann kann sie zwischen den von der Union, der FDP und den Freien Wählern unterstützten parteilosen Werbefachmann Sebastian Turner und den Grünen Realo Fritz Kuhn entscheiden. Kuhn liegt mit 36, 6 % leicht in Führung, Turner folgt mit 34, 5. Der ehemalige Chef der Werbeagentur Scholz und Friends warb mit seinen guten Kontakten zur Wirtschaft und trat auf, als wäre er der Kandidat der Unternehmerverbände, die ihn auch hofierten.

Mit 15,1 % erzielt die von der SPD nominierte parteilose Bettina Wilhelm ein blamables Ergebnis. Einen Achtungserfolg erreichte der parteilose Hannes Rockenbauch, der von einem Großteil der S-21-Gegner und der Partei die Linken unterstützt wurde. Er konnte mit 10,4% ein zweistelliges Ergebnis einfahren und könnte so mit darüber entscheiden, ob die Grünen künftig in Baden-Württemberg nicht nur den Ministerpräsidenten, sondern auch den Oberbürgermeister der Hauptstadt stellen. Obwohl Kuhn sich am Wahlabend schon als Sieger gab, ist für ihn das Amt noch längst nicht sicher. Auch wenn die Wahl zwischen Turner und Kuhn entschieden wird, haben auch alle anderen Kandidaten die Möglichkeit, noch einmal anzutreten. So können sie verhindern, dass sich ihr Wählerpotential entweder auf die beiden Bestplazierten aufteilt oder es eine große Wahlenthaltung gibt.

Am ehesten kann Kuhn jetzt auf die Wähler von Wilhelm hoffen. Schließlich gab es bereits vor den Wahlen Gespräche von Vertretern der SPD und der Grünen. Die beiden Parteien regieren auch in Baden Württemberg zusammen, allerdings befindet sich dort die SPD in der ungewohnten Rolle eines Juniorpartners gegenüber den Grünen. Das Stuttgarter Ergebnis macht deutlich, dass sich die Koalition für die SPD nicht auszahlt. Die Stuttgarter Nachrichten kommentierten deren Ergebnis mit den drei Worten: „Traurig, traurig, traurig“.

Dass die von der SPD unterstützte Kandidatin so weit abgeschlagen wurde, dürfte bei manchen SPD-Anhänger nicht gerade die Bereitschaft erhöhen, nun auch noch einen Grünen in Stuttgart ins Amt des Oberbürgermeisters zu hieven. Zumal das Verhältnis der beiden Parteien in Stuttgart äußerst desolat ist. Erinnerungen an die Wahlen 1996 und 2004 werden wach. Vor 16 Jahren lag der Kandidat der Grünen Rezzo Schlauch mit über 30 Prozent der Wählerstimmen acht Prozent vor dem SPD-Kandidaten. Der entschloss sich im zweiten Wahlgang trotzdem, erneut anzutreten, und der CDU-Kandidat Schuster gewann. Die Grünen nahmen bei den folgenden Wahlen 2004 dafür Rache. Dieses Mal lag ihr Kandidat Palmer an dritter Stelle. Die SPD-Kandidatin erzielte 32,8 %. Palmer zog seine Kandidatur zurück und rief zur Wiederwahl des CDU-Kandidaten Schuster auf. Damit hatten sie auch mit dazu beigetragen, dass ein erklärter Befürworter des Bahnprojekts Stuttgart 21 das Amt weiterführen konnte.

Linke Opposition zu den Grünen gestärkt

Die Auseinandersetzung um das Bahnprojekt wurde erst danach so bedeutend, dass es zeitweise die gesamte Republik beschäftige. Dass auch nach dem Volksbegehren, das die S21- Gegner verloren haben, dieses Thema weiter eine große Bedeutung hat, zeigt das Abschneiden von Rockenbauch. Auch er wird sich noch entscheiden, ob er im zweiten Wahlgang noch einmal antritt.

Ein Teil der S21-Gegner hat sich von ihrem Scheitern bei der Volksabstimmung erholt. Die Teilnehmerzahlen bei den Demonstrationen gegen das Projekt wachsen wieder. Dazu hat auch die Bahn durch Pleiten, Pannen und eine undurchsichtiges Informationspolitik beigetragen. Die Kluft zwischen den Grünen, die als größte Regierungspartei nach der Volksabstimmung das Projekt S 21 umsetzen müssen und den Gegnern hat sich vertieft, wie das Wahlergebnis in Stuttgart zeigt. Es geht in erster Linie um Stuttgart 21, aber auch an der Wirtschafts- und Bildungspolitik des grünen Ministerpräsidenten wächst die Kritik von links. Ob diese Wähler sich noch einmal auf die Logik des kleineren Übels einlassen und Kuhn unterstützen, um Turner zu verhindern, ist fraglich.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152936
Peter Nowak

Grüner Sozialismus statt Marktwirtschaft?

Vierteljahresschrift »Luxemburg« beleuchtet Alternativkonzepte
Die aktuelle Ausgabe der Vierteljahresschrift »Luxemburg« der gleichnamigen LINKEN-nahen Stiftung ist dem Projekt eines Grünen Sozialismus gewidmet.

Unter dem Schlagwort der Grünen Ökonomie wird mittlerweile von einem Bündnis, das von den Grünen bis zum modernistischen Flügel der Unionsparteien reicht, das Konzept eines günen Kapitalismus vorangetrieben. Dem setzten Teile der außerparlamentarischen Bewegung und die Partei die Linke das Projekt eines grünen Sozialismus entgegen. Doch was verbirgt sich hinter dem Begriff. Um diese Frage geht es schwerpunktmäßig in der aktuellen Ausgabe der Luxemburg. Zahlreiche Autoren aus dem In- und Ausland, darunter Raul Zelik, Alex Demirovic und Elmar Altvater, Ulrich Brand und Sabine Leidig stellen unsere Zugänge zu dem Thema zur Diskussion.
Die viermal jährlich von der gleichnamigen Stiftung herausgebene Publikation hat den Anspruch Gesellschaftsanalyse mit linker Praxis zu verbinden. In dem aktuellen Heft gelingt ihr das nur ansatzweise. Tatsächlich ist der Analyseteil wesentlich umfangreicher als der Praxisteil. Einige der Autoren sind sich nicht einmal sicher, ob sie den Begriff des grünen Kapitalismus verwenden wollen. Der Politologie Ulrich Brand bevorzugt den Begriff der sozialökonomischen Transformation. Mario Candaias von der RL-Stiftung beschäftigt sich mit den „gerechten Übergängen“ dazu, die Perspektiven für die Menschen liefern sollen, die von der Klimakrise am meisten betroffen sind. Dabei sei eine von demokratisch legitimierten Räten durchgeführte Planung der Ökonomie notwendig. Auch in anderen Artikeln wird als ein Kennzeichne des grünen Sozialismus die demokratische Planung genannt und darauf verwiesen, dass es keine umweltfreundliche Marktwirtschaft geben kann. Ein weiteres Merkmal des grünen Sozialismus ist die Verbindung von Ökologie und sozialen Kämpfen. Damit wird Vorstellungen in Teilen der Umweltbewegung eine Absage erteilt, die eine Verzichtslogik der Natur zuliebe propagieren. Ein weiteres Steckenpferd der Umweltbewegung kritisiert der kanadische Politikwissenschaftler Gregory Albo grundlegend. Es ist das Konzept der Regionalökonomie. Albo weist nach, dass kleinere Produktionseinheiten keineswegs umweltfreundlicher als große. Gerade im Internetzeitalter sei die Orientierung an der Lokalökonomie nicht verständlich, betont Albo, der sich für eine demokratische Planung der gesamten Ökonomie einsetzt. Mit dem Philosophen Frieder Otto Wolf kommt ein Aktivist zu Wort, der noch in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts Teil der ökosozialistischen Strömung bei den Grünen gewesen ist. Leider werden in dem Heft ökosozialistische Ansätze, die sich in den letzten 20 Jahren zunehmend außerhalb der Grünen, beispielsweise bei der Partei der Ökologischen Linken verortet haben, kaum zu Kenntnis genommen.
Wenn es um die linke Praxis geht, kommen fast ausschließend Politiker der Linkspartei zu Wort, was natürlich bei einer von der parteinahen Stiftung herausgebenen Broschüre nicht verwunderlich ist. Es wäre aber sicherlich interessant gewesen, die in den letzten Jahren unter dem Obertitel Energiekämpfe firmierenden Bewegungen in der Broschüre stärker zu Wort kommen zu lassen. Damit hätte man auch ganz praktisch den in vielen Texten formulierten Anspruch umsetzen können, dass eine sozial-ökologische Transformation nur im gleichberechtigten Bündnis von Umweltgruppen, sozialen Initiativen, kritischen Gewerkschaftern und Konsumenten durchgesetzt werden kann. In diesem Mosaiklinke genannten Bündnis wäre die Linkspartie nur ein Akteur unter vielen.

Peter Nowak
Luxemburg 3, Grüner Sozialismus, September 2012, 160 S., 10,– €, Bestellungen unter: http://www.zeitschrift-luxemburg.de/?page_id=154

Umfairteiler und Fairsenker

Vermögensabgabe, Vermögenssteuer – und schon geht es gerecht zu im Kapitalismus. Das forderten am Wochenende 40 000 Menschen während eines Aktionstags unter dem Motto »Umfairteilen«. Die Befürworter dieser Vorstellungen blamieren sich angesichts des herrschenden Klassenkampfes von oben.

Die Forderungen waren bescheiden: Vermögende sollen sich in Deutschland etwas stärker als bisher am Steueraufkommen beteiligen, eine einmalige Vermögensabgabe und eine dauerhafte Vermögenssteuer sollen eingeführt werden. Mit diesem Ziel beteiligten sich am Wochenende etwa 40 000 Menschen in über 40 Städten an einem Aktionstag unter dem Motto »Umfairteilen«. In einem Mobilisierungsvideo verdeutlichten Aktivisten ihre Vorstellung von einem fairen Kapitalismus, indem sie symbolisch Attrappen von Goldbarren und Geldsäcken zugunsten von Bildung, Pflege und Energiewende umschichteten.

Die Veranstalter sprechen erwartungsgemäß von einem »vollen Erfolg«, wie es etwa in einer Pressemitteilung von Attac heißt. Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband sieht gar einen »Durchbruch in der Gerechtigkeitsdebatte«. Auf den ersten Blick scheinen solche optimistischen Beurteilungen nicht unangebracht, schließlich gingen Menschen in fünfstelliger Zahl für mehr soziale Gerechtigkeit auf die Straße. Doch der vermeintliche Erfolg wird erheblich relativiert, wenn man bedenkt, dass an dem Bündnis zahlreiche große Gewerkschaften und Sozialverbände beteiligt waren und die Beteiligung dank des dezentralen Charakters des Aktionstages erheblich erleichtert wurde. So demonstrierten also doch nur 40 000 Menschen, und noch dazu für einen fairen Kapitalismus. Zudem waren die Veranstalter sehr daran interessiert, Grüne und SPD bloß nicht zu verärgern. So wurde in den Materialien zum Aktionstag kein kritisches Wort zur »Schuldenbremse« und der Agenda 2010 verloren.

In Hamburg sorgte die Beteiligung des Vorsitzenden der größten griechischen Oppositionspartei Syriza, Alexis Tsipras, dafür, dass die Spitzenpolitiker von SPD und Grünen die Abschlusskundgebung vorzeitig verließen. „Die Aussagen von Alexis Tsipras widersprechen unseren europapolitischen Überzeugungen“, wurden führende Hamburger Grüne in der Taz zitiert. Der Auftritt eines Redners, der mit dem Euroaustritt Wahlkampf mache, sei »ein schwieriges Signal«. In Leserkommentaren wurde darauf hingewiesen, dass der Grüne entweder keine Ahnung habe oder bewusst falsche Behauptungen verbreite. Tatsächlich sprachen sich der Linkssozialist Tsipras und die Mehrheit der Syriza im Wahlkampf vehement für einen Verbleib in der Euro-Zone, aber für eine Neuverhandlung der Schuldenvereinbarungen aus. Es waren vielmehr deutsche Politiker der Union und der FDP, die wiederholt forderten, Griechenland solle die Euro-Zone verlassen. Einige haben diese Forderung auch an die derzeitige griechische Regierung gestellt. Mit dem Streit um Tsipras’ Rede haben SPD und Grüne noch einmal deutlich gemacht, dass auch sie die Politik der Bundesregierung unterstützen, wenn es um das über Griechenland verhängte Spardiktat geht.

In der vergangenen Woche hatten sowohl in Griechenland als auch in Italien, Spanien und Portugal und am Sonntag schließlich auch in Frankreich Zigtausende gegen die EU-Sparpolitik protestiert. In allen Ländern wurde dabei auch das deutsche Sparmodell kritisiert. Auf diese europaweiten Proteste bezog sich während des Aktionstags vor allem das linke Bündnis »Kapitalismus fairsenken«, das mit dem Anspruch antrat, »mit kreativen Aktionen vereinfachte und verkürzte Forderungen« des Bündnisses »Umfairteilen« zu kritisieren. Dabei geht es vor allem um die Vorstellung eines fairen Kapitalismus. »Gerechtere Lebensbedingungen sind nicht durch Umverteilung zu erreichen, sondern durch Demokratisierung der Produktionsmittel und somit Vergesellschaftung der Gewinne«, heißt es im Aufruf des Bündnisses »Kapitalismus Fairsenken«, in dem Gruppen aus dem Umfeld der Interventionistischen Linken vertreten sind, die sich im Mai auch an den Blockupy-Aktionstagen in Frankfurt und bereits vorher an verschiedenen Protesten gegen die derzeitige Krisenpolitik beteiligt haben. Vom Bündnis M31, das mit dezidiert antikapitalistischen Forderungen zum europaweiten Aktionstag im März aufgerufen hatte, gab es hingegen keine Stellungnahme zum Aktionstag und den derzeitigen europaweiten Protesten.

Der Aktionstag hat noch einmal deutlich gemacht, wie nötig Kritik von links ist. Denn die Protestbewegung in Deutschland unterscheidet sich erheblich von denen anderer europäischer Länder. Während in Spanien, Griechenland und Portugal Grundsätze, wie sie vom Bündnis »Kapitalismus fairsenken« formuliert wurden, in weiten Teilen der Protestbewegung befürwortet werden, wurden sie während des Aktionstags in Deutschland nur vom äußerst linken Flügel vertreten. Die Mehrheit hängt hierzulande der Illusion von einem fairen Kapitalismus an.

Dabei hat die Bundesregierung in den vergangenen Wochen noch einmal vorgeführt, was Klassenkampf von oben ist. Der neue Entwurf des »Armuts- und Reichtumsberichts« und die Reaktionen der Bundesregierung nach der Veröffentlichung haben den Kritikern der Ideologie vom fairen Kapitalismus eigentlich beste Argumente geliefert. Die arme Bevölkerung und der öffentliche Haushalt werden ärmer, die vermögenden Schichten reicher, lautet das wenig überraschende Fazit des Berichts. So stand dem Rückgang des Nettovermögens des deutschen Staats von Anfang 1992 bis Anfang 2012 um 800 Milliarden Euro im gleichen Zeitraum die Zunahme des Nettovermögens privater Haushalte von 4,6 Billionen auf zehn Billionen gegenüber. Doch für große Teile der Bundesregierung war nicht die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich das Problem, sondern der Bericht, der diese Entwicklung in Zahlen fasst.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) ließ prompt mitteilen, er verweigere dem Entwurf die Zustimmung, weil dieser eine Debatte über eine stärkere Vermögensbesteuerung auslösen könnte. Dabei bemängelte Rösler vor allem einen Passus in dem Bericht, in dem von einem Prüfauftrag die Rede ist, »ob und wie über die Progression in der Einkommensteuer hinaus privater Reichtum für die nachhaltige Finanzierung öffentlicher Aufgaben herangezogen werden kann«. Für Rösler und die FDP scheint eine solche Frage schon den Sozialismus heraufzubeschwören. »Noch mehr Umverteilung« sei für sein Ministerium nicht zustimmungsfähig, ließ er über das Handelsblatt mitteilen.

Nicht nur seine Parteikollegen unterstützten ihn, sondern auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte ihm zu. Höhere Steuern schadeten vor allem dem Mittelstand in Deutschland, lautete die Begründung. Michael Fuchs, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Union, warf Arbeitsministerin Ursula von der Leyen vor, mit der Veröffentlichung des Berichts den Koalitionsvertrag zu verletzen. Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter (CDU) entdeckte in dem Bericht gar »Linksrhetorik pur«. Innerhalb weniger Wochen wurde die Arbeitsministerin so gleich zweimal des Linksabweichlertums bezichtigt. Auch mit ihrem Vorschlag für eine Zusatzrente war sie in diesen Verdacht geraten, obwohl in ihrem Rentenmodell eine lange Lebensarbeitszeit und eine private Rentenversicherung festgeschrieben sind.

Nach der Schelte für den Armuts- und Reichtumsberichts stellte sie ohnehin klar, dass sie keinerlei Steuererhöhung anstrebe, sondern als Mittel gegen die großen Einkommensunterschiede die Förderung der privaten Spendenbereitschaft favorisiere. Sie bekannte sich also zu einer Sozialpolitik, die auf den Willen zur Wohltätigkeit statt auf soziale Rechte setzt. Solche Vorstellungen finden auch in anderen Parteien Zustimmung, von der SPD über die Grünen bis hin zur Piratenpartei. Es ist anzunehmen, dass an solchen Fragen keine Koalitionen scheitern würden. Daher ist es umso absurder, wenn auch in Teilen der sozialen Bewegung ein Jahr vor der Bundestagswahl schon wieder die längst blamierte Hoffnung von der Mehrheit links von FDP und Union beschworen wird, die dafür sorgen soll, dass der Kapitalismus etwas fairer wird.

http://jungle-world.com/artikel/2012/40/46322.html

Peter Nowak

GEFÜHRTER SPAZIERGANG DURCH DEN WEDDING

Zeitreise in ein düsteres Kapitel deutscher Geschichte

Auf die kolonialen Spuren der Stadt begibt sich ein Spaziergang, zu dem am heutigen Freitag der Verein Berlin Postkolonial durch das Afrikanische Viertel im Wedding einlädt. Damit soll daran erinnert werden, dass in dem Kiez noch immer Straßen nach berüchtigten Kolonialoffizieren wie Lüderitz, Peters und Nachtigall benannt sind.

Nach der Umbenennung des Kreuzberger Gröbenufers in May-Ayim-Ufer vor eineinhalb Jahren habe es Hoffnungen auf ein Umdenken auch im Wedding gegeben, sagte der Historiker Christian Kopp von Berlin Postkolonial der taz. „Doch bei der Bildung der aktuellen Zählgemeinschaft im Bezirk hat die SPD dem Wunsch der CDU nach einer Fortführung der Kolonialpropaganda nachgegeben“, moniert er.

Der Spaziergang ist Teil einer Veranstaltungsreihe, mit der Berlin-Postkolonial zum Jahrestag des im Oktober 1904 von dem deutschen Kolonialgeneral Lothar von Trotha verfassten Vernichtungsbefehls gegen die Herero an die kolonialen Spuren in Berlin erinnern will. Die gebe es nicht nur im Wedding, betont Kopp am Montag auf der Auftaktveranstaltung in der Werkstatt der Kulturen in Neukölln. Es befindet sich in einer Straße, die nach dem berüchtigten Kolonialgouverneur Herman Wissmann benannt ist.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=
bl&dig=2012%2F10%2F05%2Fa0147&cHash=ab8e87786250055a1c7bdc9833dde51b

Peter Nowak

Kein Pride in Belgrad

Homosexuellen-Parade bleibt auch 2012 verboten

Der bei der Berlinale preisgekrönte Film »Parada« hat die rechten Angriffe auf Homosexuelle im Jahr 2010 in Belgrad zum Thema. Darin werden ehemalige Kriegsveteranen zum Schutz des »Belgrad Pride« angeheuert – in der Realität bleibt das undenkbar. Wie schon im letzten Jahr wurde die für Samstag von Schwulen- und Lesbengruppen geplante Demonstration in Belgrad vom serbischen Ministerpräsident und Innenminister Ivica Dacic verboten.

Er habe nach der Auswertung der Sicherheitshinweise entschieden, alle geplanten Versammlungen in der Hauptstadt zu verbieten, teilte das Innenministerium mit und stützte sich damit auf dieselbe Begründung wie 2011, um Kundgebungen von Schwulen und Lesben zu verbieten. Es ist die Reaktion auf Bilder von knüppelschwingenden Männern, die vor zwei Jahren brutal auf feiernde Teilnehmer einer Homosexuellenparade in Belgrad einschlugen.

Auch in diesem Jahr hatten rechte Gruppen zu Angriffen auf die Parade aufgerufen. Mit dem Verbot werden sie aber noch gestärkt. Die Maßnahme ist auch ein Affront gegen die EU. Schon 2010 übte Brüssel Kritik am mangelnden Schutz der Homosexuellen. Der EU-Berichterstatter für den serbischen EU-Beitritt, Jelko Kacin, will weiter Druck auf die serbische Regierung ausüben. »LGBT-Rechte sollten das ganze Jahr über geachtet werden. Die ersten Verurteilungen wegen Hassgewalt haben wesentliche Präzedenzfälle geschaffen«, so Kacin.

Die Organisatoren der Belgrader Parade wollen trotz des Verbots feiern, legen es aber nicht auf eine Konfrontation mit der Polizei an und werden deshalb eine Saalveranstaltung abhalten.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/800298.kein-pride-in-belgrad.html
Peter Nowak

Erwerbslose zum Bombenräumen?

Aufregung in Pirna – Jobcenter nimmt Hartz-IV-Jobverpflichtung zurück
Im Hammerpark in Pirna werden noch immer Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet. Nun sollten Erwerbslose das Gelände vom Gehölz befreien, um einer Bombenräumtruppe besseren Zugang zu dem Gelände zu verschaffen.

Bombenentschärfungen bringen immer Schlagzeilen. Jüngstes Beispiel: Die Sprengung einer US-Fünf-Zentner-Fliegerbombe, die bei Bauarbeiten im Münchener Stadtteil Schwabing entdeckt wurde. Tausende Menschen aus den umliegenden Häusern mussten einen Tag lang evakuiert werden. Weil auch die aus Brandenburg und Thüringen geholten Sprengmeister zu dem Ergebnis kamen, dass bereits ein Hammerschlag reichen könnte, um den Blindgänger zur Explosion zu bringen, wurde er unter Verwendung von Strohballen als Dämmstoff kontrolliert gesprengt – was zahlreiche Gebäude in der Umgebung in Brand setzte.
Melderecht

Weil solche Darstellungen erst vor kurzen über Bildschirme flimmerten, sorgte ein bombiges Jobangebot in Pirna auch schnell für Aufregung. Für das vom Plauener Jobcenter initiierte Projekt Zukunft e.V. wurden neun Erwerbslose zum Roden des Waldes verpflichtet.

Weil für sie als Hartz-IV-Empfänger eine Ablehnung des Jobs mit Sanktionen verbunden gewesen wäre, kann von einer Freiwilligkeit keine Rede sein. »Wer sich weigert, entsprechende Maßnahmen seitens des Jobcenters durchzuführen, muss mit massiven Sanktionen in Form von Leistungsentzug rechnen«, schreibt auch eine Anti-Hartz-Initiative.

Nach Kritik ruderten die Jobcenter-Mitarbeiter zurück und erklärten alles zu einem großen Missverständnis. Den Mitarbeitern des Jobcenter seien die Gefahren nicht bekannt, gewesen. »Hätten wir von den Bomben gewusst, hätten wir der Aktion nie zugestimmt.«

http://www.neues-deutschland.de/artikel/800332.erwerbslose-zum-bombenraeumen.html
Peter Nowak

Steinbrück wegen Nebeneinkünfte in der Kritik

In der SPD werden Forderungen nach Offenlegung der Honorare für Vorträge laut

Schon wenige Tage nach seiner Nominierung steht der designierte SPD-Kanzlerkandidat in der Kritik. Es geht um die Offenlegung seiner Nebeneinkünfte. Dass diese Forderung aus den Reihen des CSU-Vorsitzenden Seehofer kommt, ist nicht weiter verwunderlich und gehört nun mal zum Wahlkampf. Gravierender für Steinbrück ist die Tatsache, dass ähnliche Forderungen nach Transparenz auch aus den eigenen Reihen kommen.

So forderte der Vorsitzende des SPD-Arbeitnehmerflügels Klaus Barthel Steinbrück auf, seine kompletten Nebeneinkünfte und die Steuererklärung öffentlich zu machen. Eine solche Forderung aus den eigenen Reihen kann getrost als Misstrauenserklärung verstanden werden. Denn, wenn die SPD auch fast alle sozialdemokratischen Grundsätze über Bord geworfen hat, so hat sie doch den Moralismus beibehalten, der es dem Spitzenpersonal schwer macht, dicke Autos zu fahren und mit ihren hohen Eingaben allzu offen zu protzen. So etwas ist in den SPD-Ortsvereinen verpönter als die Durchsetzung einer neuen Agenda 2010.

Steinbrück muss also aufpassen, dass er die vielzitierte Parteiseele nicht zu stark strapaziert. Dabei wird er von der konservativen FAZ bestärkt, den Forderungen aus der eigenen Partei nicht nachzugeben und dem linken Flügel zu zeigen, wie viel Beinfreiheit er unter einem Kandidaten Steinbrück noch hat.

„Der linke Flügel zeigt dem Ungeliebten gleich zu Beginn seiner Kandidatur, dass er keine Schonung zu erwarten hat, jedenfalls nicht aus den eigenen Reihen. Der Angegriffene kontert, er habe seine Anzeigepflichten, denen er als Abgeordneter unterliegt, erfüllt. Mehr musste und sollte er auch nicht preisgeben“, heißt es dort. Doch politisch wird er schon, wenn nicht seiner Partei, dann doch den potentiellen Wählern, erklären müssen, warum er bei der Wirtschaftskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer einen Vortrag gehalten und dafür mindestens 7000 Euro erhalten hat. Die Kanzlei war auch am Bankenrettungsgesetz beteiligt, das Steinbrück als Bundesfinanzminister zu verantworten hatte.

Für den Ko-Vorsitzenden der Linkspartei, Bernd Riexinger, verwischen sich die Grenzen zwischen Staat und Banken auf gefährliche Weise, wenn ein Minister hochdotierte Reden bei der Kanzlei hält, mit der auch als Minister zu tun hatte.

Sind die Nebeneinkünfte wirklich nur Privatsache?

Bisher kann sich Steinbrück darauf berufen, dass seine Nebeneinkünfte aus Reden und aus Einnahmen von Buchveröffentlichungen und Aufsichtsratsmandaten juristisch wahrscheinlich nicht zu beanstanden sind. Es ist auch schon länger bekannt, dass Steinbrück zu den Rekordhaltern bei den parlamentarischen Nebenverdienern gehört. Er hat sich aber bisher auf den Standpunkt gestellt, dass die Einkünfte seine Privatsache sind. Daher hat er sich bisher auch geweigert, die genaue Höhe seiner Nebeneinkünfte anzugeben.

Auch die Frage, ob er Teile seiner Nebeneinkünfte gespendet hat, wollte er nicht beantworten. Ob er diese Linie durchhalten kann, nachdem selbst in der eigenen Partei schon Kritik laut wurde, ist fraglich. Allerdings wird auch die SPD-Basis genau überlegen, wie weit sie mit ihrer Kritik an Steinbrücks Nebeneinkünften gehen will. Schließlich könnte es sich der Kandidat noch einmal überlegen und die SPD düpieren. Scheint doch die Kandidatur finanziell für Steinbrück ein Verlustgeschäft zu sein, zumindest wenn er sich an die Zusicherung hält, künftig keine bezahlte Redeaufträge mehr anzunehmen.

Doch bieten sich auch andere Angriffspunkte für Kritiker. Schon vor seiner Nominierung zum Kanzlerkandidaten gab es Kritik an seinen Bemühungen als Finanzminister, Sponsoren für eine Schachweltmeisterschaft zu werben, die dazu führten, dass er den Werbebrief ins Netz stellte.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152908
Peter Nowak

Homosexuellenparade in Belgrad verboten

Wie schon zuvor werden als Grund mögliche Ausschreitungen angegeben

Nach Angaben verschiedener serbischer Medien werden die Behörden eine für den kommenden Samstag geplante Homosexuellenparade in der serbischen Hauptstadt verbieten. Der offizielle Grund lautet, es bestehe die Gefahr von Auseinandersetzungen, weil rechte und nationalistische Gruppen wie die Bewegung Dveri angekündigt hatten, die Parade mit allen Mitteln zu verhindern.

Dass es die serbische Rechte nicht bei Drohungen belässt, zeigte sich in den vergangenen Jahren. Seit sich 2001 in Serbien erstmals Homosexuelle organisierten und in die Öffentlichkeit gingen, traten militante Rechte auf den Plan, um diese anzugreifen. 2010, als in Belgrad die erste große Schwulenparade stattfand, gingen Bilder von knüppelschwingenden Rechten, die tanzende Homosexuelle angreifen, um die Welt. Auch im letzten Jahr war die Parade verboten worden, ebenfalls mit der Begründung mangelnder Sicherheit.

Die Problematik ist mittlerweile auch in Deutschland einem größeren Publikum bekannt, seit der auf der Berlinale ausgezeichnete und kürzlich in den Kinos angelaufenen Film Parada diese Angriffe zum Thema gemacht hat In dem Film schützen Kriegsveteranen die Homosexuellen vor den Angriffen.

Test für die EU-Tauglichkeit Serbiens?

Davon kann im realen Alltag in Serbien keine Rede sein. Seit es die Angriffe auf die Homosexuellen gibt, versuchen diese, Unterstützer in und außerhalb des Landes zu finden. Weil die Kräfte im Inland sehr schwach sind, haben sie schon vor 10 Jahren auf die EU gesetzt. So sehen einige der Gruppen, die sich für die Rechte von Schwulen und Lesben einsetzen, den Umgang mit der Parade als eine Art Lackmuspapier auf die serbische EU-Tauglichkeit. Nachdem der prowestliche Präsident durch einen Exponenten der nationalistischen Rechten, der erst vor wenigen Jahren seinen Frieden mit der EU gemacht hat, abgelöst wurde, haben EU-Behörden diesen Standpunkt noch einmal bekräftigt. So erklärte der Berichterstatter für den serbischen EU-Beitritt Jelko Kacin: „Wir werden den Behörden in Belgrad weiterhin zureden, dass sie sicherstellen, dass die nächste Reise eines MEP zur Pride-Parade in Belgrad nicht nur für eine Pressekonferenz sein wird, so wie meine Reise letztes Jahr. LGBT-Rechte sollten das ganze Jahr über geachtet werden, und die ersten Verurteilungen wegen Hassgewalt haben wesentliche Präzedenzfälle geschaffen.“

Die Anlehnung an die EU ist aus der Sicht der schwachen demokratischen Kräfte im Land verständlich, aber keineswegs unproblematisch. Denn damit wird die diffizile Frage, wie der Umgang der EU mit Serbien zu beurteilen ist, mit der Haltung zur Schwulenparade kurzgeschlossen. Das gibt nationalistischen Gruppen die Gelegenheit, alle diejenigen, die aus sozialen und wirtschaftlichen Gründen die EU-Politik ablehnen, gegen die angeblich von der EU gesponserten Homosexuellen und ihre Freunde zu mobilisieren. Umgekehrt werden damit Homosexuelle unabhängig von ihrer sozialen Situation und ihrer politischen Positionierung automatisch ins Lager der EU-Freunde gerechnet.

Die Veranstalter wolle nun die Parada nach drinnen verlegen, aber dennoch während des Tages „gewisse Ereignisse“ organisieren. Man werde nicht untägig herumsitzen, wenn das Verbot tatsächlich verhängt werden sollte.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152902
Peter Nowak

Zwei Tage Festival: den Kotti rocken

TANZ, THEATER, GRAFFITI, MUSIK

Für zwei Tage soll der Block zwischen Mariannen-, Oranien-, Adalbert- und Skalitzer Straße im Zentrum von Kreuzberg 36 zur sozialen Skulptur werden. Das ist zumindest der Anspruch des Kunstfestivals „Rock the Block“, das von der Initiative „Backjumps“ organisiert wird und am heutigen Dienstag um 19 Uhr beginnt.

Während Graffiti-KünstlerInnen eine Lichtshow auf die Außenwand der Bibliothek in der Adalbertstraße 4 projizieren, starten an der Brandmauer der Adalbertstraße Videos. Wen es angesichts des herbstlichen Wetters in geschlossene Räume zieht, der bekommt im Theaterraum in der ersten Etage der Adalberstraße 4 ein Programm präsentiert. Am 3. Oktober wird das Kulturprogramm zwischen 12 und 19 Uhr mit zahlreichen Installationen und Ausstellungen fortgesetzt. An beiden Tagen werden in vielen Kultureinrichtungen rund um das Kotti – SO 36, Monarch, Westgermany – außerdem Konzerte gespielt.

Nicht alle Einrichtungen im Kiez sind jedoch vertreten: „Wir haben von den OrganisatorInnen keine Anfrage bekommen“, sagte eine Betreiberin vom Südblock, das am Kottbusser Tor seit rund zwei Jahren kulturelle und politische Veranstaltungen organisiert. Mehr zum Programm unter www.backjumps.info.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort
=ba&dig=2012%2F10%2F02%2Fa0132&cHash=66fd5f85b74e3587d6e85f878fff24cf
Peter Nowak

Kann Steinbrück Merkel schlagen und ihre Politik fortsetzen?

Mit der einstimmigen Nominierung von Peer Steinbrück macht die SPD deutlich, dass sie gerne den Kanzler stellen, aber nichts ändern will

Kaum hatte der SPD-Vorstand Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten nominiert, prangt auf der SPD-Homepage schon die neue Parole „Peer Steinbrück soll Kanzler werden“. Dass die Nominierung offiziell erst auf dem SPD-Parteitag im Dezember erfolgt, wird einfach unterschlagen. Vergessen sind alle Beteuerungen, dass es für solche Parolen ein Jahr vor den Wahlen viel zu früh ist. So lautete die offizielle Sprachregelung aus der SPD-Führung bis vor einigen Tagen. Da lautete der offizielle Zeitplan aber auch noch, der Kandidat werde erst nach den Landtagswahlen im Frühjahr nächsten Jahres nominiert.

Dass sich dieser Zeitplan nicht einhalten lassen würde, war längst klar. Dass dann allerdings die Nominierung so rasch erfolgte, zeigt wie stark die SPD angesichts der unverändert guten Zustimmungswerte für Merkel unter Druck geraten war. Wenn zumindest die Möglichkeit eines SPD-Kanzlers glaubwürdig aufrecht erhalten werden soll, musste die SPD nun handeln. Da war auch klar, dass Steinbrück der Gewinner war. Denn eigentlich hat die SPD nur eine Chance auf das Kanzleramt, wenn eine Koalition zwischen Grünen und FDP zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen wird. In den letzten Tagen haben FDP-Politiker aus der zweiten Reihe diese Variante in die Diskussion gebracht, vor allem um der Union, die sich schon längst auf eine große Koalition einstellt, deutlich zu machen, dass sie auch eine andere Regierungsvariante anvisieren kann.

Die Ampelkoalition überhaupt in die Diskussion gebracht zu haben, bringt der FDP auch in aktuellen Koalitionsauseinandersetzungen Punkte. Die Partei macht damit deutlich, dass mit ihr zu rechnen ist. Allerdings wird diese Variante bis zum Wahltag so vage bleiben, wie sie es jetzt ist. Außerdem werden alle Beteiligten, nicht zuletzt die FDP, nicht müde werden, eine solche Variante konsequent zu dementieren. Auch die Grünen und die SPD werden möglichst vermeiden wollen, auf Wählerfragen zu antworten, wie sie einen fairen Kapitalismus und eine Bändigung der Finanzmärkte, wie es im Steinbrück-Sprech heißt, mit der FDP durchsetzen wollen.

1,80 Meter Beinfreiheit für ein Bündnis mit der FDP?

Wenn es nach der Bundestagswahl nur eine SPD-Kanzlerschaft mit Hilfe der FDP geben kann, ist schon jetzt absehbar, dass die SPD ein solches Bündnis mittragen wird. Schließlich wird dort nicht von ungefähr ein Helmut Schmidt besonders verehrt, der immer im Bündnis mit der FDP regiert hat. Schmidt war auch einer der ersten Sozialdemokraten, der Steinbrück als Kanzlerkandidat ins Gespräch brachte. Damals gab es noch heftigen Widerspruch von der sogenannten SPD-Linken. Als vor einigen Tagen dann bekannt wurde, dass Schmidts Wunschkandidat das Rennen macht, gab es noch ein leichtes Grummeln vom SPD-Linken Stegner.

Dass Steinbrück nun vom SPD-Präsidium einstimmig nominiert wurde, zeigt nur, dass sich die SPD-Linke wie immer klaglos der Parteiraison unterordnete. Sie wird auch so handeln, wenn Steinbrück der Partei den Preis präsentiert, den die FDP für eine Koalition mit der SPD verlangen würde. Dass ist die schon berühmte Beinfreiheit von 1,80 Meter, die Steinbrück sofort für sich einforderte, wenn er die Kandidatenrolle spielt. Damit knüpft er auch nahtlos an Helmut Schmidt an, der soviel Beinfreiheit beanspruchte, dass er gegen den Willen von immer mehr Sozialdemokraten die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Mitteleuropa durchsetzte. Die Union musste die Stationierung dann nach 1982 nur noch technisch umsetzen.

Da es anders als zu Schmidt-Zeiten wohl kaum zu einem SPD-FDP-Bündnis reichen würde, bleiben die Grünen die großen Unbekannten. Da dürfte es noch einige Verrenkungen der grünen Seele geben, aber die Trittins, Roths und Künasts dieser Republik werden mit viel Verve auch ein Bündnis mit der FDP verteidigen, wenn es die einzige Möglichkeiten dieser grünen Gründerkoalition ist, doch noch Ministerämter zu erlangen. Denn die vierzigjährigen Parteifreunde stehen schon in den Staatlöchern und wollen die Gründer auf das Altenteil verbannen.

Kann die Linkspartei von Steinbrück profitieren?

Daher ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die SPD unter Steinbrück Merkel schlagen kann, um deren Politik fast unverändert fortzusetzen. Wo es jetzt heißt, Merkel gelingt es auch sozialdemokratische Elemente in ihr Politikkonzept zu integrieren, so würde man Steinbrück nachsagen, er kann auch christdemokratische Elemente mit berücksichtigen. Der hat schon erklärt, er wolle von der SPD enttäuschte bürgerliche Wähler ansprechen.

Das geht natürlich nur, wenn man ziemlich nahtlos an deren Vorstellungen anknüpft. Einen Gewinner der Nominierung Steinbrücks gibt es schon: die Linkspartei. Die hat sich nach ihrem letzten Parteitag mit dem Gewerkschaftler Bernd Riexinger und der Exponentin der Emanzipatorischen Linken Katja Kipping aus der Skandalberichterstattung gebracht. Wenn nun manche ostdeutsche Landespolitiker befürchten, der Partei könnte der Mief der PDS- und DDR-Vergangenheit abhanden kommen, kann das für eine neue sozialdemokratische Partei auch als Kompliment gelesen werden.

Ein Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der ein Bündnis mit der FDP zumindest nicht ausschließt, verschafft der Linken wohl mehr als 1,80 Meter Beinfreiheit, um sich eigenständig zu profilieren. Wenn sie sich nicht ganz dumm anstellt und bei der SPD als Juniorpartner anbiedert, könnte ihr das ein passables Wahlergebnis garantieren.
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Peter Nowak