Zwangsräumung ausgesetzt: Gerichtsvollzieherin dreht um

MIETEN Fünfköpfige Familie sollte zwangsgeräumt werden, AktivistInnen verhinderten das

„Ob Ali ob Kalle, wir bleiben alle!“, hallt es am Montag früh durch die Lausitzer Straße in Kreuzberg. Vor dem Eingang des Hauses Nummer 8 haben sich rund 150 Menschen versammelt. Sie wollen verhindern, dass eine seit Jahren in dem Haus lebende fünfköpfige Familie zwangsgeräumt wird.

Die Familie hatte Einspruch gegen eine Mieterhöhung durch den Eigentümer erhoben und in sämtlichen juristischen Instanzen verloren. Weil die Familie die vom Gericht verfügten Nachzahlungen der Miete erst zwei Monate nach der Frist begleichen konnte, wurde ihr von Eigentümer André Franell gekündigt. Der Bundesgerichtshof hielt die Kündigung wegen der verspäteten Zahlung für rechtmäßig.

Für den gestrigen Montag hatte sich nun die Gerichtsvollzieherin angekündigt, die Familie hatte sich an NachbarInnen und MieterInnenorganisationen gewandt, die zum Kiezfrühstück in die Lausitzer Straße 8 mobilisierten. Als die Gerichtsvollzieherin um 9 Uhr aus ihrem Auto stieg, war der Hauseingang blockiert. Die Frau versuchte gar nicht erst, ins Haus zu gelangen, sondern fuhr gleich wieder weg.

„Die heutige Verhinderung der Räumung ist ein Zeichen praktischer Solidarität mit von Verdrängung bedrohten MieterInnen in Berlin“, sagte David Schuster vom Bündnis „Zwangsräumungen verhindern“ der taz. Petra Wojciechowski vom Stadtteilladen Lausitzer Straße, in dem sich MieterInnen juristisch beraten lassen können, sagte, der Druck auf MieterInnen nehme zu. „Doch politischer Widerstand gegen Räumungen ist selten, weil die Menschen sich schämen und die Schuld bei sich suchen“, meinte Wojciechowski. Ähnliche Erfahrungen hat auch die Berliner „Kampagne gegen Zwangsumzüge“ gemacht.

Keine Pause

Die StadtteilaktivistInnen wollen sich nach dem ersten Erfolg vom Montag keine Pause gönnen. Für Donnerstag um 16 Uhr haben sie in der Schlüterstraße 54 eine Kundgebung vor dem Büro von Ziegert Immobilien angemeldet. Sie werfen der Firma vor, sich in Kreuzberg und Neukölln durch Mieterhöhungen und Umwandlung von Wohnraum in Eigentumswohnungen an der Verdrängung von BewohnerInnen mit geringen Einkommen zu beteiligen.

Auch in der Lausitzer Straße 8 wird die Auseinandersetzung weitergehen – das nächste Mal kann die Gerichtsvollzieherin ohne Vorankündigung und in Polizeibegleitung kommen.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=
ba&dig=2012%2F10%2F23%2Fa0149&cHash=9764e20cde579400b84915e192615a18

Peter Nowak


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