Jenseits von Google und Facebook

Eine Berliner Konferenz machte deutlich, dass es längst Alternativen zu den Internetgiganten gibt. Die Frage ist, ob es für die Internetuser attraktiv ist, sie zu nutzen

Gibt es Alternativen zu einer zentralisierten Internet-Landschaft im Zeichen von Google und Facebook? 50 Experten aus über 15 Ländern haben sich am 18. und 19. Oktober in Berlin auf der Digital Backyards-Konferenz dieser Frage gewidmet. Auf einem Workshop zum Thema "Alternative Social Networking" stellten Netzaktivisten aus Europa verschiedene Projekte vor. Ob sie allerdings konkrete Alternativen zu Google und Facebook sein könnten, muss offen bleiben. Dazu gehört das Berliner Projekt Secushare. Erklärte Absicht ist es, durch einfache Anwendungsmöglichkeiten die Sensibilität für Datenschutz und Internetsicherheit bei den Usern zu erhöhen. Allerdings hält Carlo von Loesch, der Secushare auf der Konferenz vorstellte, den Aufbau einer eigenen Infrastruktur für nicht mehr durchsetzbar, weil immer mehr Gruppen und Unternehmen sich bei den kommerziellen Angeboten von Google oder Amazon bedienen. Solche Befunde zeigen, wie schwer es ist, Alternativen zu den etablierten Giganten aufzubauen, die auch von der großen Masse der Internetnutzer akzeptiert werden.

Sind Suchmaschinen eine Gefahr für die Demokratie?

Dazu muss das Bewusstsein wachsen, dass die großen Suchmaschinen nicht nur eine Gefahr für die Datensicherheit, sondern für die Demokratie insgesamt sind, meint der Websiteentwickler Alexander van Eesteren aus Holland. Mit ix quick hat er eine Suchmaschine vorgestellt, die damit wirbt, „die diskreteste Suchmaschine der Welt“ zu sein. Mittlerweile gibt es täglich über 1, 5 Millionen Suchprozesse, Tendenz steigend.

Noch ziemlich am Anfang steht die Debatte über die Internetsicherheit in Italien. Darüber berichtete Vito Campanelli von der italienischen Piratenpartei, die demnächst erstmals bei Wahlen in dem Land antreten will. Sie muss sich auch gegen die Grillo-Bewegung behaupten, die rhetorisch durchaus ähnliche Ziele zu verfolgen vorgibt, aber nach Angaben von Campanelli sehr stark auf die Person des Gründers und Namensgebers fixiert ist.

Die italienische Piratenpartei will in ihrem Land eine Debatte über Datensicherheit anstoßen, wie sie in Deutschland und anderen europäischen Staaten in den letzten Jahren in einer wahrnehmbaren Öffentlichkeit geführt wurde. Doch obwohl die „Freiheit statt Angst“-Demonstrationen zeitweise auch die Medien auf das Thema Datensicherheit lenkten, müssen die Internetexperten auch konstatieren, dass ein Großteil der jungen Menschen, die von Kindesbeinen mit Google und Facebook aufgewachsen sind, keine großes Problembewusstsein dafür entwickelt haben, wie mit ihren Daten im Internet umgegangen wird. Erst wenn es gelingt, diese Menschen anzusprechen, bekommt die Frage einer Alternative zu den Internetgiganten einen realen Boden. Natürlich ist es immer interessant zu erfahren, wo findige Menschen an mehr oder weniger neuen Projekten arbeiten, die Google und Facebook überflüssig machen könnten.

Coolnessfaktor der alternativen Suchmaschinen

Doch solange der Großteil der User diese Projekte nicht zur Kenntnis nimmt, hört sich das so an wie die jahrzehntealten Versuche, die Bild-Zeitung zu ersetzen. Zu allen Zeiten gab es zahlreiche Zeitungsprojekte, die den Anspruch verfolgten, das Boulevardblatt tatsächlich ersetzen zu können. Dass es bisher nicht gelungen ist, lag nicht daran, dass es keine Alternativen gegeben hätte, sondern dass diese die Herzen und Hirne der Massen nicht erreichen konnten. Genau so ist es heute mit der Diskussion um Alternativen für Google und Facebook.

Hier kommt der Coolnessfaktor ins Spiel, den Krystian Woznicki von der Berliner Gazette und einer der Kongressorganisatoren, im Gespräch mit Telepolis erwähnte. Erst wenn es in Kreisen der jungen Internetnutzer uncool ist, Google und Facebook zu nutzen, kann davon gesprochen werden, dass diese Giganten an Grenzen stoßen. Der Digital Backyards-Konferenz, die wegen angeblicher Europazentriertheit kritisiert wurd, muss man zu Gute halten, dass sie einen Versuch gemacht hat, das Umfeld der Computerfreaks und Nerds zu verlassen. Der letzte Konferenztag war für Public Talks reserviert. Dort hatten die Internetuser die Gelegenheit, sich vom Coolnessfaktor der alternativen Suchmaschine überzeugen zu lassen.
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Peter Nowak