Kann Steinbrück Merkel schlagen und ihre Politik fortsetzen?

Mit der einstimmigen Nominierung von Peer Steinbrück macht die SPD deutlich, dass sie gerne den Kanzler stellen, aber nichts ändern will

Kaum hatte der SPD-Vorstand Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten nominiert, prangt auf der SPD-Homepage schon die neue Parole „Peer Steinbrück soll Kanzler werden“. Dass die Nominierung offiziell erst auf dem SPD-Parteitag im Dezember erfolgt, wird einfach unterschlagen. Vergessen sind alle Beteuerungen, dass es für solche Parolen ein Jahr vor den Wahlen viel zu früh ist. So lautete die offizielle Sprachregelung aus der SPD-Führung bis vor einigen Tagen. Da lautete der offizielle Zeitplan aber auch noch, der Kandidat werde erst nach den Landtagswahlen im Frühjahr nächsten Jahres nominiert.

Dass sich dieser Zeitplan nicht einhalten lassen würde, war längst klar. Dass dann allerdings die Nominierung so rasch erfolgte, zeigt wie stark die SPD angesichts der unverändert guten Zustimmungswerte für Merkel unter Druck geraten war. Wenn zumindest die Möglichkeit eines SPD-Kanzlers glaubwürdig aufrecht erhalten werden soll, musste die SPD nun handeln. Da war auch klar, dass Steinbrück der Gewinner war. Denn eigentlich hat die SPD nur eine Chance auf das Kanzleramt, wenn eine Koalition zwischen Grünen und FDP zumindest nicht von vornherein ausgeschlossen wird. In den letzten Tagen haben FDP-Politiker aus der zweiten Reihe diese Variante in die Diskussion gebracht, vor allem um der Union, die sich schon längst auf eine große Koalition einstellt, deutlich zu machen, dass sie auch eine andere Regierungsvariante anvisieren kann.

Die Ampelkoalition überhaupt in die Diskussion gebracht zu haben, bringt der FDP auch in aktuellen Koalitionsauseinandersetzungen Punkte. Die Partei macht damit deutlich, dass mit ihr zu rechnen ist. Allerdings wird diese Variante bis zum Wahltag so vage bleiben, wie sie es jetzt ist. Außerdem werden alle Beteiligten, nicht zuletzt die FDP, nicht müde werden, eine solche Variante konsequent zu dementieren. Auch die Grünen und die SPD werden möglichst vermeiden wollen, auf Wählerfragen zu antworten, wie sie einen fairen Kapitalismus und eine Bändigung der Finanzmärkte, wie es im Steinbrück-Sprech heißt, mit der FDP durchsetzen wollen.

1,80 Meter Beinfreiheit für ein Bündnis mit der FDP?

Wenn es nach der Bundestagswahl nur eine SPD-Kanzlerschaft mit Hilfe der FDP geben kann, ist schon jetzt absehbar, dass die SPD ein solches Bündnis mittragen wird. Schließlich wird dort nicht von ungefähr ein Helmut Schmidt besonders verehrt, der immer im Bündnis mit der FDP regiert hat. Schmidt war auch einer der ersten Sozialdemokraten, der Steinbrück als Kanzlerkandidat ins Gespräch brachte. Damals gab es noch heftigen Widerspruch von der sogenannten SPD-Linken. Als vor einigen Tagen dann bekannt wurde, dass Schmidts Wunschkandidat das Rennen macht, gab es noch ein leichtes Grummeln vom SPD-Linken Stegner.

Dass Steinbrück nun vom SPD-Präsidium einstimmig nominiert wurde, zeigt nur, dass sich die SPD-Linke wie immer klaglos der Parteiraison unterordnete. Sie wird auch so handeln, wenn Steinbrück der Partei den Preis präsentiert, den die FDP für eine Koalition mit der SPD verlangen würde. Dass ist die schon berühmte Beinfreiheit von 1,80 Meter, die Steinbrück sofort für sich einforderte, wenn er die Kandidatenrolle spielt. Damit knüpft er auch nahtlos an Helmut Schmidt an, der soviel Beinfreiheit beanspruchte, dass er gegen den Willen von immer mehr Sozialdemokraten die Stationierung von Mittelstreckenraketen in Mitteleuropa durchsetzte. Die Union musste die Stationierung dann nach 1982 nur noch technisch umsetzen.

Da es anders als zu Schmidt-Zeiten wohl kaum zu einem SPD-FDP-Bündnis reichen würde, bleiben die Grünen die großen Unbekannten. Da dürfte es noch einige Verrenkungen der grünen Seele geben, aber die Trittins, Roths und Künasts dieser Republik werden mit viel Verve auch ein Bündnis mit der FDP verteidigen, wenn es die einzige Möglichkeiten dieser grünen Gründerkoalition ist, doch noch Ministerämter zu erlangen. Denn die vierzigjährigen Parteifreunde stehen schon in den Staatlöchern und wollen die Gründer auf das Altenteil verbannen.

Kann die Linkspartei von Steinbrück profitieren?

Daher ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass die SPD unter Steinbrück Merkel schlagen kann, um deren Politik fast unverändert fortzusetzen. Wo es jetzt heißt, Merkel gelingt es auch sozialdemokratische Elemente in ihr Politikkonzept zu integrieren, so würde man Steinbrück nachsagen, er kann auch christdemokratische Elemente mit berücksichtigen. Der hat schon erklärt, er wolle von der SPD enttäuschte bürgerliche Wähler ansprechen.

Das geht natürlich nur, wenn man ziemlich nahtlos an deren Vorstellungen anknüpft. Einen Gewinner der Nominierung Steinbrücks gibt es schon: die Linkspartei. Die hat sich nach ihrem letzten Parteitag mit dem Gewerkschaftler Bernd Riexinger und der Exponentin der Emanzipatorischen Linken Katja Kipping aus der Skandalberichterstattung gebracht. Wenn nun manche ostdeutsche Landespolitiker befürchten, der Partei könnte der Mief der PDS- und DDR-Vergangenheit abhanden kommen, kann das für eine neue sozialdemokratische Partei auch als Kompliment gelesen werden.

Ein Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der ein Bündnis mit der FDP zumindest nicht ausschließt, verschafft der Linken wohl mehr als 1,80 Meter Beinfreiheit, um sich eigenständig zu profilieren. Wenn sie sich nicht ganz dumm anstellt und bei der SPD als Juniorpartner anbiedert, könnte ihr das ein passables Wahlergebnis garantieren.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152892
Peter Nowak