„Heinz Buschkowsky schlägt Alarm“

Entfacht Buschkowsky erneut die von Sarrazin ausgelöste Debatte?

Der Neuköllner Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky gehört zu den bekanntesten Berliner SPD-Politikern. Die Hauptstadt-SPD weiß diese Beliebtheit zu schätzen und stellt sich immer wieder vor Wahlen sehr öffentlichkeitswirksam hinter Buschkowsky, auch wenn der aus seiner politischen und persönlichen Freundschaft mit dem umstrittenen ehemaligen Berliner Senator Sarrazin nie einen Hehl gemacht hat. Lediglich dessen Rückgriff auf die Eugenik hatte Buschkowsky schon auf den Höhepunkt der Sarrazin-Debatte kritisiert. Nun hat Buschkowsky mit „Neukölln ist überall“ selber ein Buch veröffentlicht, das durchaus zu einer Debatte „Sarrazin Light“ führen könnte.

Im Stil von Sarrazin

Die Werbekampagne des Ullstein-Verlags ist durchaus darauf angelegt. Wird doch Buschkowsky ganz im Sarrazin-Stil als Autor vorgestellt, der sagt, was viele denken, aber angeblich nur wenige sagen. So heißt es dort:

„Heinz Buschkowsky schlägt Alarm: Zoff auf den Straßen, hohe Arbeitslosigkeit, Überfremdungsängste bei der einheimischen Bevölkerung das ist die Realität in Berlins Problembezirk Nr. 1. Doch Neukölln ist überall. Buschkowsky sagt, was sich in Deutschland dringend ändern muss.“

Als hätte es nicht bereits 2006 den Film Knallhart gegeben, der mit dem gleichen Gestus beworben wurde. Auch damals ging es um „Migrantengewalt in Neukölln“ und Buschkowsky hatte es verstanden, den Film zu einer Breitseite gegen naive Multikulti-Anhänger zu machen. Tatsächlich hat das Multikulti-Konzept Kritik verdient, weil es Menschen an die Herkunft und ihre daran verknüpfte Kulturen festnageln will. Doch in diesem Sinne ist Buschkowsky wie viele seiner Anhänger selber Kulturalist. Das macht sich schon daran fest, dass er Menschen, die teilweise in Deutschland geboren wurden und auch oft die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, als Migranten beschreibt, denen er, wenn sie sich nicht in Deutschland integrieren wollen, gerne beim Kofferpacken helfen würde.

Das ist nur ein Beispiel für den Buschkowskyschen Populismus, der sein Buch auch in den verschiedenen Ultrarechtsgruppen und Medien attraktiv macht. So hat sich der ehemalige NPD-Vorsitzende Voigt in einem aktuellen Gerichtsverfahren wegen Volksverhetzung in seiner Verteidigungsstrategie auf Buschkowskys Buch berufen.

Mittlerweile wird in verschiedenen Medien wie dem Freitag und der Taz über darüber diskutiert, wie viel Rassismus in Buschkowskys neuen Buch steckt. Freitag-Redakteurin Verena Schmitt-Roschmann sieht in dem Buch die Fortsetzung des „Stummsinns“, den Sarrazin vorgemacht hat. Alke Wirth sieht hingegen in Buschkowskys Buch den Rassismus des Kleinbürgers am Werk, gesteht ihm allerdings zu, als Politiker pragmatischer zu agieren denn als Buchautor und will in ihm keinen zweiten Sarrazin erkennen. Tatsächlich kalkuliert das Buch den Skandal ein und der Autor kann sich sofort als verfolgte Unschuld inszenieren, wenn der Vorwurf des Rassismus und Rechtspopulismus kommt. Genau darin aber besteht die Strategie vieler Rechtspopulisten.

Soziale Probleme kulturalisiert

Bisher gibt es bei den Buschkowsky-Kritikern eine wenig beachtete Gemeinsamkeit mit den Gegnern von Sarrazin. Sie verweisen auf rassistische Textstellen und vergessen die soziale Dimension. Wie Sarrazin hat sich auch der Neuköllner Bürgermeister schon öfter über freche Erwerbslose ausgelassen, deren einziges Ziel nicht Arbeit um jeden Preis sei

Wenn er jetzt schreibt, dass Integration eine Bringschuld sei, dass die „einheimische“ Bevölkerung ihr Land im Großen und Ganzen eigentlich ganz gut finde und von Zugewanderten, auch denen der 2. und 3. Generation, eine Anpassung an die hiesigen Lebensweisen erwarte, dann grenzt er auch alle die Menschen mit aus, die die Zustände hier überhaupt nicht gut finden. Gerade in Neukölln boomt der Niedriglohnsektor und die Zahl der Hartz IV-Empfänger mit und ohne Lohnarbeit steigt. Davon sind Menschen betroffen, deren Eltern nach Deutschland eingewandert sind, aber auch alte Neuköllner und zunehmend auch die sogenannten jungen Kreativen, die nach Nordneukölln ziehen.

In diesem Sinne bekommt der Slogan „Neukölln ist überall“ eine ganz neue Bedeutung. Es ist ein Labor für schlechte Arbeitsbedingungen, Niedriglohn und Hartz IV. Doch Buschkowsky versteht es genau wie Sarrazin, diese sozialen Zustände mit den sich daraus ergebenden Problemen zu kulturalisieren, indem er den Jugendlichen, deren Vater eingewandert ist, zum Problem erklärt und nicht die sozialen Verhältnisse, die auch die Menschen tangieren, die schon seit Generationen hier leben. Diese Aufteilung wird von dem Großteil der Betroffenen nachvollzogen. Das ist der Grund von Buschkowskys Beliebtheit über Neukölln hinaus. In der Ignorierung dieser sozialen Dimension besteht auch der blinde Fleck vieler Buschkowsky- und Sarrazin-Kritiker.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152853
Peter Nowak