Verhaftet Henry Kissinger

Menschenrechtsvereine machen Druck

Anlässlich des 39. Jahrestags des Militärputsches in Chile wurden diese Woche in verschiedenen Tageszeitungen in Deutschland und dem Ausland Anzeigen mit dem Titel »Verhaftet Kissinger« geschaltet. Verantwortlich für die Aktion waren der in Chile geborene Künstler Alfredo Jaar und das Europäische Menschenrechtszentrum (ECCHR), das in Berlin seinen Sitz hat. Für Jaar ist es das Finale dreier Ausstellungen in Berliner Museen, in denen er sich auch mit dem Militärputsch gegen Chiles linkssozialistischen Präsidenten Salvador Allende am 11. September 1973 auseinandersetzte. Das Vorgehen der Generäle, die in den ersten Tagen nach dem Putsch Tausende Anhänger der gewählten Regierung verhaften, foltern und ermorden und auf öffentlichen Plätzen linke Literatur verbrennen ließen, weckte weltweit Assoziationen an den Faschismus. Jaar arbeitete in seinen Installationen mit Originaldokumenten, die nachweisen, dass die damalige US-Regierung und besonders ihr Außenminister Henry Kissinger seit der Wahl von Allende den Sturz der demokratisch legitimierten Regierung betrieben hat.

Das Ziel des ECCHR ist, Politiker und nichtstaatliche Akteure wegen von ihnen begangener Menschenrechtsverbrechen vor Gericht zu bringen. Ein Sprecher der Menschenrechtsorganisation bezeichnet Kissinger, der 1923 in Deutschland geboren wurde, als einen der »Hauptverantwortlichen, der von den Vereinigten Staaten und ihren Verbündeten begangenen Kriegsverbrechen«. Weder sei seine Verstrickung jemals untersucht, noch sei er für seine Verbrechen angeklagt worden. Im Gegenteil: Bis heute sei Kissinger sowohl in Deutschland als auch international herzlich willkommen und respektiert.

Die Forderung, den US-Politiker juristisch zu belangen, ist alt und wird nicht nur wegen seiner Rolle beim Putsch in Chile erhoben. Kissinger hatte zwischen 1969 und 1977 verschiedene Funktionen innerhalb der US-Regierung inne. Während seiner Zeit als Außenminister eskalierte der Vietnamkrieg und wurde von den USA unter Bruch des Völkerrechts auf die Nachbarländer Kambodscha und Laos ausgeweitet. Jaar und der ECCHR haben deshalb die Anzeigen nicht nur in »taz«, »Tagesspiegel« und »Berliner Zeitung«, sondern auch in Medien von Laos, Kambodscha und Vietnam geschaltet. Dort versuchen Menschenrechtsorganisationen und Opferverbände ebenfalls, Kissinger vor Gericht zu bringen.

Heute Abend wird der Jurist und ECCHR-Mitbegründer Wolfgang Kaleck in Berlin mit Alfredo Jaar über die Kooperation von Menschenrechtsorganisationen und Kunst diskutieren.

18 Uhr, ECCHR-Büro, Zossener Str. 55-58
http://www.neues-deutschland.de/artikel/238538.verhaftet-henry-kissinger.html
Peter Nowak