Wider das piratische Wutbürgertum

Habe erst kürzlich Eure Vorbemerkung zum Artikel von Marcus Rediker gelesen, der doch meinen Widerspruch herausfordert, wo es um die Piratenpartei geht.

Heißt es doch dort: „Seit der Partei „Die Piraten“ plötzlich ein
großer Stimmenanteil bei den nächsten Wahlen vorausgesagt wird, scheint es auch eine Operation „Atlanta“ in den deutschen Medien zu geben. TV und Zeitungen blasen zum Kampf….“.
Genau das Gegenteil ist richtig. Die Medien, vor allem die
konservativen, haben die Piraten erst hochgeschrieben und so wesentlich zu ihrem Erfolg beigetragen. Es wurde so oft über die angeblich so neuen, kreativen Piraten geschrieben, die im Gegensatz zu den Linken und den linken Bewegungen so gar nichts mit Traditionen und alten Denken zu tun haben, dass selbst bei der express-Redaktion scheinbar manche beeindruckt sind.
Tatsächlich loben die Bürgermedien die Piraten sehr mit recht.
Sollten sie sich halten, hat sich eine neue liberale Partei etabliert. Wem die FDP; die klassischen Handwerkerpartei zu kulturkonservativ und die
Grüne Bionadebourgeoisie noch zu politisch korrekt ist, der kann jetzt
die Piraten wählen, die ihre materielle Basis im Bereich der IT-Branche
haben.
Wie bei den beiden anderen liberalen Parteien sucht man bei ihnen
Gerechtigkeitsvorstellungen vergeblich. Obwohl es zu allen möglichen
Themen bei den Piraten Arbeitsgruppen gibt, hat man von einer AG
Kommunismus nichts gehört. Dabei gibt es vor allem im
englischsprachigen Ausland einige Bücher über den Computersozialismus oder kommunismus.befassen. Wer die Debatte um die Möglichkeiten eines guten Lebens für Alle, das beim heutigen Stand der Produktivkräfte möglich wäre konsequent weiterführt. käme schnell auf solche Fragen. Aber es sind eben nicht die der Piraten, die immer betont haben, dass sie hinter der Schuldenbremse und der Marktwirtschaft stehen, mit Gewerkschaften nichts am Hut haben und dass eigentlich die FDP ihre größten Konkurrenten sind. Sie wollen marktwirtschaftlicher als die FDP sein und das könnte ihnen gelingen.
Die Autorin Katja Kullmann, die eine der treffendsten Analysen zur
Piratenpartei geschrieben hat, bezeichnet diese als „Speerspitze der
„kreativen Klasse“. Sie beschreibt das „piratische wutbürgertum“ sehr treffend so: Es findet seinen Resonanzraum in einem nicht unbedeutenden Teil der neuen Mitte – einer Masse, die sich als Zufallshorde funkelnder VollinduvialistInnen begreift und die man in ihrer Massenhaftigkeit nicht unterschätzen sollte“.
Kullmann erkennt auch richtig, dass es zunächst gilt, die Piraten
zu entzaubern. Wie notwendig dass ist, zeigt sich schon daran, dass manche Menschen, die aus antistaatlichen Gründen mit Wahlen nichts zu tun haben wollten, auf einmal der Piratenpartei ihre Stimme geben. Und selbst in den Zeilen des express scheint etwas von der Sympathie für diese neue Kraft durch. Dagegen gilt es mit Kullmann festzuhalten, dass diese neue Partei die Interessenvertretung der neuen Eliten der sogenannten„Kreativen“ sein wird. „Ganz wie es einst das Handelsbürgertum im 15. bis 17. Jahrhundert getan hat, eine zu Beginn der Renaissance noch unterschätzte, gesellschaftliche Gruppe und Kraft, so formuliert das neue digitale Bürgertum jetzt erst einmal noch etwas ungewiss und stotternd die Bedingungen, die es zum Aufstieg braucht“. Eines ist schon sicher, sie werden öllig entgegengesetzt zu einer Gesellschaft sein, für die linke GewerkschafterInnen kämpfen. Kullmann macht das schon am Grundsatzprogramm fest, in dem 44 Mal das Wort Freiheit, 8 Mal der Begriff Individualität vorkommt. Das Wort Solidarität taucht hingegen nur ein einziges Mal auf. Ja, wir sollten über die Piratenpartei und das piratische Wutbürgertum diskutieren, weil es bald zur Modernisierung der kapitalistischen Verhältnisse beitragen könnte.

http://www.labournet.de/express/2012/07/index.html
Peter Nowak
express Nr. 06-07/2012