Wenn die Linke gewinnt, regiert das Chaos

Im Vorfeld der griechischen Wahlen, wird eine Drohkulisse aufgebaut, um einen Wahlerfolg der Linken zu verhindern. Doch was passiert, wenn Syriza doch stärkste Partei wird und sogar eine Regierung bilden kann?

Das Sprachrohr der Finanzwelt spricht Klartext: „Die FTD sagt in ihrer Wahlempfehlung, wen die Griechen wählen sollten, in deutscher und griechischer Sprache“, hieß es in der Ausgabe von Donnerstag. „Widersteht den Demagogen“, lautet die Überschrift und im Text wird schnell klar, dass damit der Spitzenkandidat der Linkssozialisten gemeint ist, der noch wenige Tage zuvor in einem Gastbeitrag in der FTD deutlich machen wollte, dass er nicht der Linksradikale ist, als der in der deutschsprachigen Presse fast unisono geführt wird. Dabei stützten sich die Zeitungen auf die Übersetzung des Parteinamens und verzichteten auf die politische Einordnung von Syriza. In dem Beitrag erläuterte Tsipras seinen „Rettungsplans für Griechenland“, der zutiefst sozialdemokratische Grundzüge hat.

„Die kurzfristige Stabilisierung Griechenlands wird der Euro-Zone zugutekommen, während sie an einem kritischen Punkt in der Entwicklung der Binnenwährung steht. Schlagen wir keinen anderen Weg ein, wird uns die Sparpolitik mit umso höherer Gewissheit zum Ausstieg aus dem Euro zwingen“, wiederholte Tsipras Argumente, die mittlerweile selbst von konservativen Ökonomen vertreten werden. Obwohl er sich dabei auch auf US-Präsident Obama berief, werden seine Argumente in der FTD überhaupt nicht ernsthaft diskutiert. Das wird in der Wahlempfehlung deutlich. Dort heißt es: „Widerstehen Sie der Demagogie von Alexis Tsipras und seiner Syriza. Trauen Sie nicht deren Versprechungen, dass man einfach alle Vereinbarungen aufkündigen kann – ohne Konsequenzen.“ Dass diese Vereinbarungen EU-Diktate waren, gegen die sich auch die Konservativen von der NEA anfangs gesträubt hatten, haben die Redakteure der Financial Times nicht vergessen. So bekommt auch ihr Favorit noch gleich eine Mitschuld an der aktuellen Situation zugewiesen:

„Ihr Land braucht endlich einen funktionierenden Staat. Damit es geordnet regiert wird, empfehlen wir die Nea Demokratia. Das fällt uns nicht leicht. Die Nea Demokratia hat über Jahrzehnte eine falsche Politik betrieben und die heutige Misere mitzuverantworten. Trotzdem wird Ihr Land mit einer Koalition unter Antonis Samaras besser fahren als unter Tsipras, der das Rad zurückdrehen will und eine Welt vorgaukelt, die es so nicht gibt.“

Es fragt sich nur, ob dieser Aufruf in Griechenland nicht den entgegengesetzten Effekt hat. Solche als Empfehlungen getarnten Befehle aus Deutschland will man dort auch nach 65 Jahre nach Kriegsende nicht gerne von dem Land hören, das seine eigenen Schulden an Griechenland nie bezahlt hat. Darauf hat einzig der Publizist Otto Köhler kürzlich hingewiesen. In Deutschland wurde auch nicht über den Brief des Syriza-Abgeordneten Panagiotis Kouroumplis diskutiert, in dem er die geplante Politik der Linkssozialdemokraten erläutert. Trotzdem ist der Wahlausgang ungewiss und der Wahlfavorit der Financial Times Deutschland könnte stärkste Partei werden, was noch immer nichts über die Regierungsbildung aussagt.

EU-Verantwortliche auf dem Todestrip?

Wenn es so kommt, liegt es an dem massiven Druck, der europaweit auf die griechischen Wähler ausgeübt wird. Noch wenige Stunden vor Wahlbeginn warnte Luxemburgs Premierminister und starker Mann in der EU Jean-Claude Junker vor unabsehbaren Folgen bei einen Wahlsieg von Syriza und malte einen EU-Austritt Griechenlands an die Wand, den Syriza mehrheitlich ablehnt. Junker betont noch einmal, „Über die Substanz des Sparprogramms für Griechenland kann nicht verhandelt werden“. Junker steht für die Politik, die der sozialdemokratische Ökonom Paul Krugmann als Todestrip der EU-Verantwortlichen bezeichnet hat.

Die Drohkulisse, die vor den Wahlen um Griechenland aufgebaut wird, wirkt. Selbst in der linksliberalen Tageszeitung empfiehlt ein Kommentator eine Stimmabgabe für die Konservativen. Viele Sparer haben in den letzten Tagen ihre Einlagen von den Konten ab, weil sie befürchten, dass die EU ihre Drohungen, eines Rausschmisses aus dem Euro ernst meint.

Chilenisches Szenario in Griechenland?

Was aber wird passieren, wenn der Druck gerade das Gegenteil bewirkt und Syriza eine Regierung bilden kann, aber nicht gleich die neoliberale Politik fortführt, wie die Linkspartei in ihrer Berliner Regierungszeit? Dann könnte das Drohszenario schon als Vorbereitung auf undemokratische Maßnahmen gewertet werden. Manches erinnert an die Drohungen gegen die Regierung der Unidad Popular 1970 in Chile. Auch damals wurde deren sozialistischer Präsidentschaftskandidat als gefährlicher Linksradikaler apostrophiert. Als die Bevölkerung an den Wahlurnen die Linksregierung unterstützte, wurde, wie der Filmemacher Patricio Guzmann in dem Film „Die Schlacht um Chile“ dokumentierte das Szenario „Allende bedeutet das Chaos“ mit Unterstützung vom US-Geheimdienst und chilenischen Rechtskräften in die Tat umgesetzt, bis ein rechter Militärputsch die Investitionsbedingungen in Chile erheblich verbesserte.

Auch in Griechenland stünden gleich mehrere Rechtskräfte für ein solches Szenario bereit. Die Rechtspopulisten von der Laos haben schon einige Monate mitregiert, ohne dass ein Junker oder eine FTD vor ihnen warnte. Die offen neonazistische Partei der Goldenen Morgenröte hat schon vor einigen Tagen vor den Fernsehkameras deutlich gemacht, dass sie zum Kampf gegen die Linke zur Verfügung steht, als der Sprecher gleich eine Abgeordnete der Kommunisten und von Syriza tätlich angriff. Dass es keine Warnung vor diesen Rechten gibt, zeigt sicher, dass sich mit ihnen sicher kein seriöser EU-Politiker sehen lassen will. Aber als Männer für das Grobe können sie schon gebraucht werden. Mittlerweile bereiten linke Initiativen und Gewerkschafter schon die Gründung von Solidaritätskomitees für Griechenland vor, für alle Fälle.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/152217
Peter Nowak