Vor dem Showdown in der Linkspartei

Beim Streit um die Linkspartei geht es nicht nur um Personen, sondern auch um Konzepte

Nachdem am Sonntag ein Vermittlungsversuch im innerlinken Machtkampf zwischen Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine ergebnislos verlaufen ist, sprach sogar der ewige Vermittler Gregor Gysi das Undenkbare aus. Eine Spaltung der Linkpartei sei möglich, auch wenn er alles dafür tun werde, um sie zu verhindern. Mit diesem Szenario wollte er wohl auch der Parteibasis den Ernst der Lage verdeutlichen.

Während sich die Partei in Umfragen der Fünfprozentmarke nähert, gibt es einstweilen keinen Ausweg im Führungsstreit. Oskar Lafontaine will nur für die Parteispitze kandidieren, wenn Dietmar Bartsch seine Kandidatur zurückzieht, Bartsch wiederum hält seine Kandidatur aufrecht und wird von allen unterstützt, die eine Rückkehr des Saarländers in Machtpositionen der Partei ablehnen. Eine Doppelspitze aus Bartsch und der Parteilinken Sahra Wagenknecht, die schon länger in der Diskussion ist, wurde kürzlich von Wagenknecht abgelehnt, die eine Verlagerung des Flügelstreits in die Parteispitze befürchtete. Daraus wird aber auch deutlich, dass manche eine Parteistruktur, die alle relevanten Parteiflügel abbildet, ablehnen.

DDR-Nachwuchskader gegen West-Sozialdemokraten

Vordergründig ist in den Medien vom Ost-West-Streit oder dem Machtkampf von zwei unnachgiebigen Männern die Rede, die die Partei an den Rand der Spaltung bringen. Tatsächlich stehen hinter ihnen zwei wesentliche Milieus, die die Partei prägen.

Bartsch verkörpert den Typus, der in der DDR sozialisierten Nachwuchsfunktionäre, die in der Honecker-Ära auf ihre Machtchance warten mussten, bis die Wende kam. Nur ein kleiner Teil von ihnen machte nach 1990 in der PDS weiter Politik und zeichnete sich durch einen besonderen Pragmatismus aus. Kritiker sahen einen Grund dafür in dem Bestreben der verhinderten DDR-Nachwuchskader, doch noch einen Zipfel des verlorenen Einflusses durch eine stromlinienförmige PDS zu bekommen. In der PDS waren sie fast am Ziel, hatten dabei aber nur ein Problem: die Partei verlor immer mehr Mitglieder und Wähler und scheiterte schließlich sogar an der 5 Prozent-Klausel.

Die Rettung kam durch die Zerrüttung der Sozialdemokratie infolge der Agenda-2010-Politik der Schröder-Regierung. Ein Teil des SPD- und DGB-Mittelbaus löste sich und gründete Wahlvereine für Arbeit und soziale Gerechtigkeit, mit denen sie an die SPD der 1970er Jahre anknüpfen wollten. Ein Zusammengehen mit der PDS stand zunächst gar nicht auf dem Programm.

Erst durch den Zeitdruck, der durch die vorgezogenen Neuwahlen entstanden war, und durch die Initiative des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine entstand die Linkspartei. Daraus entstand auch die enge Beziehung, die diese SPD-Dissidenten bis heute mit Lafontaine verbinden. Die Ost-Nachwuchskader sahen in diesem Zugang aus dem Westen vor allem Konkurrenten. So lange die Partei wuchs hatten sie wenig Möglichkeiten, sich gegen Lafontaine zu profilieren. Mit dessen krankheitsbedingten Rückzug und dem Einflussverlust änderte sich diese Konstellation.

Die PDS-Kader begannen wieder auf ihren Führungsanspruch zu pochen und verwiesen darauf, dass sie im Osten sogar Bürgermeisterposten gewinnen können, während die Partei im Westen aus den Parlamenten fliegt. Doch der als Ost-West-Streit medial wahrgenommene Kampf zwischen den DDR-Nachwuchskräften und West-Sozialdemokraten ist längst auch von anderen Streitpunkten geprägt. So haben sich auf die Seite von Bartsch auch junge Pragmatiker innerhalb der Linken geschlagen, die nicht mehr von der DDR geprägt waren. Sie sehen in Bartsch ein Bollwerk gegen die Linkssozialdemokraten um Lafontaine.

Auf seine Seite stellen sich auch Parteilinke der unterschiedlichen Couleur, was Lafontaine fast in den Ruf eines radikalen Linken bringt, was nicht nur die Kritikerin der Linkspartei Jutta Ditfurth erheitert.

Europäische Linkspartein zwischen Erfolg und Niederlage

Ein tieferer Grund für den Machtkampf liegt allerdings in Problemen vieler linkssozialdemokratischer Parteien in Europa in den letzten Jahren. Die Rifondazione Comunista ist in Italien nach kurzem Aufstieg und europaweiter Beachtung ebenso gescheitert wie die vor einigen Jahren gegründete NPA in Frankreich. Dort hat sich dafür ein neues Linksbündnis formiert, das sich explizit auf Lafontaine und die Linke beruft. Auch das griechische Linksbündnis Syriza, das bei den letzten Wahlen zur zweitstärksten Partei wurde, sieht in der Linkspartei einen Bündnispartner. Der ist aber zur Zeit vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Frauenvorstand als Alternative?

Das Duell Bartsch-Lafontaine hat auch zur Aktivierung an der Basis und der parteinahen Presse geführt. Im Neuen Deutschland, das sich in den letzten Monaten als bundesweite linke Tageszeitung neu zu erfinden versucht, wird das Duell der zwei Männer sehr kritisch kommentiert. Auch an der Basis gibt es immer mehr Stimmen, die eine Parteispitze ohne die Alphatiere Lafontaine und Bartsch befürworten.

Auch eine nur aus Frauen bestehende Parteiführung findet Unterstützung. Dabei wird darauf verwiesen, dass im gegenwärtigen Machtkampf Frauen nur schmückendes Beiwerk wären. Mit der Zwickauer Gewerkschafterin Sabine Zimmermann hat sich jetzt erstmals eine Frau zur Kandidatur bereit erklärt. Dabei zeigt schon ein Foto auf ihrer Homepage, dass sie nicht zu den Lafontaine-Gegnerinnen zählt. Sie hat sich aber aus dem Machtkampf rausgehalten.

Sollte es eine Alternative zu den Streithammeln geben, stellt sich allerdings die Frage, wie Lafontaine in die Partei eingebunden bleibt. Bisher war auch eine Spitzenkandidatur bei den nächsten Bundestagswahlen im Gespräch. Es wird sich zeigen, ob durch den Streit der letzten Wochen solche Überlegungen überhaupt noch realistisch sind. Zur Zeit ist noch schwer vorstellbar, wie nach dem Parteitag am ersten Juniwochenende in Göttingen die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Flügel wieder funktionieren soll.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152039
Peter Nowak


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