Wo sind die Stipendiaten?

»Stipendiaten, wo seit Ihr?« Nicht nur »spiegel-online« stellte diese Frage in den letzten Tagen, nachdem das Statistische Bundesamt kürzlich erste Daten über das Deutschlandstipendium veröffentlicht hat. Es war vor einem Jahr als Renommierprojekt des Bundesbildungsministeriums gestartet worden. Begabte Studierende sollten 300 Euro monatlich unabhängig von ihrer sonstigen sozialen Lage bekommen. Nach einem Jahr zeigt sich, dass das Deutschlandstipendium kaum nachgefragt wird. Gerade mal 5400 Kommilitonen nahmen es in Anspruch. Vor einem Jahr war noch von 150 000 Studierenden die Rede, die davon profitieren könnten.

Trotzdem mag eine Sprecherin des Bundesbildungsministeriums in diesen Zahlen kein Scheitern des Projekts erkennen und schwärmt gar vom »Beginn einer neuen Stipendiumskultur«. Erik Marquardt vom studentischen Dachverband fzs kommt zu einem ganz anderen Schluss. »Das Deutschlandstipendium ist gescheitert«, stellt der studentische Verband in einer Pressemitteilung fest. Neben der geringen Nachfrage wird moniert, dass Universitäten gegenüber den Fachhochschulen und Natur- und Wirtschaftswissenschaften gegenüber den Geisteswissenschaften bei der Stipendiumsvergabe bevorzugt werden.

Beim Deutschlandstipendium handelt es sich um eine Form der Elitenförderung. Für Kommilitonen mit finanziellen Rücklagen mögen die 300 Euro eine willkommene Ergänzung sein, Studierende mit geringen Einkommen können davon aber nicht leben. Die Anregung des fzs, die Gelder des Deutschlandstipendiums in eine Bafög-Erhöhung umzuleiten, ist vom Standpunkt der sozialen Gerechtigkeit richtig. Trotzdem dürfte er bei Bundesbildungsministerin Annette Schavan auf taube Ohren stoßen.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/228434.wo-sind-die-stipendiaten.html
Peter Nowak

PROTEST GEGEN DIE AUSSCHREIBUNG DER S-BAHN

Warten auf Tag X
Mit einem Tag X will der „Aktionsauschuss 100 Prozent S-Bahn“ in den kommenden Wochen gegen eine geplante Ausschreibung des Verkehrsmittels protestieren. Die Ausschreibung werten soziale Initiativen als Einstieg in die Privatisierung. Mobilisiert werden sollen sowohl GewerkschafterInnen, die bei einer Privatisierung die Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen fürchten, aber auch S-Bahn-NutzerInnen und soziale AktivistInnen. Die Art der Aktionen ist offen, zentrale Vorgaben sind nicht geplant.

Schon seit Monaten sammeln im Bündnis S-Bahn-Tisch zusammengeschlossene Initiativen Unterschriften für ein Volksbegehren gegen die Privatisierung. Die erste Stufe wurde erfolgreich abgeschlossen. Weil der Senat den Inhalt des Referendums juristisch prüft, liegt es derzeit auf Eis. „Es ist eine Missachtung der Demokratie, dass die Vorbereitungen zur Ausschreibung weiterlaufen“, so eine Sprecherin des S-Bahn-Tischs gegenüber der Taz. Mit dem Tag X könnte so auch der Unmut über die Verschleppung des Volksbegehrens ausgedrückt werden.

Der „Aktionsausschuss 100 Prozent S-Bahn“ hofft, dass sich unterschiedliche Initiativen zu Volksbegehren am Protest beteiligen. Mit dem Energietisch und dem Wassertisch gibt es derzeit drei Initiativen, die sich mit Referenden gegen die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen wenden. Eine Sprecherin des Aktionsausschusses sieht gute Chancen, dass der Tag X auf große Resonanz auch bei den übrigen Initiativen stößt: „Es hat sich immer wieder gezeigt, dass sich eine Mehrheit der Bevölkerung gegen die Privatisierung öffentlicher Güter wendet. Mit dem Tag X könnten diese Mehrheiten von Umfragen auch in politische Aktivititäten umgewandelt werden.“
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=2012%2
F05%2F31%2Fa0179&cHash=9f982589a2
Peter Nowak

Hüttendorf gegen Mieterhöhungen

In Kreuzberg bedienen sich Mieter einer hierzulande ungewöhnlichen Protestform

Eine mit Holzpaletten gebaute Hütte steht seit einigen Tagen am Kottbusser Tor im Zentrum des Berliner Stadtteils Kreuzberg. Die Transparente und Flugblätter, die dort zu sehen sind, machen deutlich, dass es sich um einen Protest von Mietern handelt. Die verrentete Lehrerin Nerimin T. bringt den Grund für die ungewöhnliche Aktion kurz und knapp auf den Punkt.

„Nach drei Mieterhöhungen innerhalb weniger Monate kann ich bald die Wohnung mit meiner Rente nicht mehr bezahlen und ich muss auf der Straße übernachten.“

Um das zu verhindern, haben T. und ihre Nachbarn jetzt die Protesthütte errichtet. Darunter sind viele Menschen, die vor mehr als drei Jahrzehnten aus der Türkei oder Kurdistan nach Berlin kamen und in Kreuzberg ihr soziales Umfeld gefunden haben. „Ich würde in einen anderen Stadtteil ziehen, aber dann müssen unsere Nachbarn, die Läden und Teestuben mit“, meint eine Mieterin lachend.

In den letzten Jahren sind auch junge, in prekären Lebens- und Arbeitsverhältnissen steckende Akademiker in die Häuser eingezogen. Gemeinsam haben sie sich gegen die Mieterhöhungen organisiert und das Protestcamp vorbereitet. Es erinnert an „informelle Großstadtsiedlungen“, die türkisch als bezeichnet werden. Es sind meist einfache in wenigen Stunden errichtete Holzhütten, die sich Menschen errichten, die in den türkischen Metropolen keine anderen Unterkünfte finden.

Alle Mieterinnen, die das Kreuzberger Gecokondu errichtet haben, wohnen im Südblock des Kottbusser Tors. Die Eigentümer [http://mietenstopp.blogsport.de/2011/09/05/357/ GSW und die Hausverwaltung Hermes sollen bisher auf diverse Versuche der Mieter, über ihre prekäre Situation zu reden, nicht reagiert haben, so die Bewohner. Mit der Protesthütte wollen sie deutlich machen, dass Mieterhöhungen kein individuelles Problem sind.

Damit treffen sie in der Hauptstadt auf offene Ohren. Innerhalb weniger Monate hat sich eine berlinweite Mieterbewegung entwickelt. Nach einem gut besuchten Kongress im letzten Frühjahr und einer von Stadtteilinitiativen organisierten Demonstration im September letzten Jahres sind für den 18.Juni erneut Proteste gegen ein Treffen der Immobilienwirtschaft geplant.

Derweil wehren sich in vielen Stadtteilen immer mehr Mieter gegen ihre Vertreibung. Sie organisieren Stadtteilspaziergänge und Go ins. Mittlerweile gibt es mit Mietenstopp auch einen Film zum Protest.

Berliner Zentrum der Mieterproteste?

Die Organisatoren der Kreuzberger Protesthütte hoffen nun, dass sich dort ein „Zentrum der dezentralen Mieterproteste“ herausbildet. Schließlich brauchen gerade dezentrale Proteste Orte der Vernetzung und des Austausches. In den ersten Tagen scheinen sich die Erwartungen der Organisatoren zu erfüllen. Neben interessieren Anwohnern kommen auch Aktvisiten aus anderen Stadtteilen zu Besuch. Schließlich ist in Deutschland eine „Protesthütte“ gegen Mieterprotest noch selten. In vielen anderen Ländern hat sich eine ganze Serie solcher Proteste im öffentlichen Raum etabliert.

Spektakuläre Beispiele waren die von Wohnungslosen errichteten Zeltstädte im Winter 2007 in Paris und die Zeltstädte, mit denen im letzten Sommer in Israel gegen Wohnungsnot und teuere Mieten protestierten („Wir in Zelten, ihr da oben in Türmen“). Die Bewegung, die verkürzt Occupy zugeordnet wird, hat über Monate den innenpolitischen Diskurs in Israel bestimmt. Den Kreuzberger Organisatoren könnte zumindest in Berlin eine solche Aufgabe zufallen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152100
Peter Nowak

Braucht Deutschland andere Banken?

Nichtregierungsorganisationen gehen mit dem scheitenden Chef der Deutschen Bank Ackermann ins Gericht und machen sich Sorgen um das Image der Bankenelite

Die Ära Ackermann ist sozial und ökologisch verheerend. Zu diesem wenig überraschenden Befund kommt das Bündnis „Andere Banken braucht das Land“, die gestern in Berlin ein Dossier vorgestellt haben, in dem sie mit Ackermanns Wirken bei der Deutschen Banken hart ins Gericht gehen. Im Details finden sich sehr prägnante Beispiele für ihren kritischen Befund.

So weist Thomas Küchenmeister von der NGO Facing Finance auf die Rolle der Deutschen Bank im Rüstungsgeschäft hin.

„Allein zu den fünf weltweit größten Waffenherstellern und Exporteuren unterhält die Deutsche Bank Geschäftsbeziehungen in einer Größenordnung von über 3 Mrd. Euro. Die Geschäftsbeziehungen zu Streumunitionsherstellern summieren sich derzeit – und trotz mehrfacher Ausstiegsbeteuerungen seitens der Bank – auf 500 Mio. Euro.“

So gehören zu den Geschäftspartnern der Deutschen Bank auch die Herstellerfirmen des Kampfpanzers Leopard 2, der an Saudi-Arabien geliefert werden soll. Der stellvertretende Geschäftsführer der Verbraucherorganisation foodwatch Matthias Wolfschmidt moniert die PR-Tricks der Deutschen Bank:

„Es ist unredlich, die Absage an neue, börsengehandelte Anlageprodukte auf Basis von Grundnahrungsmitteln als großen Fortschritt zu verkaufen, wenn gleichzeitig die bestehenden Produkte fortgeführt werden und die Hungerkrise in der Welt verschärfen.“

Viele der Kritikpunkte sind nicht neu und trotzdem ist es sinnvoll, sie noch einmal in einem Dossier zusammen zu tragen.

Sehnsucht nach der besseren Bankelite?

Doch auffällig ist, dass das Bündnis teilweise auftritt, als ging es ihm vor allem um das Image der Deutschen Bank. In dem Dossier sehen sie es nämlich durch Ackermann persönlich beschädigt.

„Dem Anspruch, zur weltweit führenden Bankenelite zu gehören, wird Ackermann in keiner Weise gerecht. Im Gegenteil: Oftmals hat die Bank in der Vergangenheit auch Geschäfte getätigt, die bei anderen Finanzinstituten längst auf dem Index stehen.“

Dies moniert beispielsweise Barbara Happe von der Nichtregierungsorganisation urgewald. Die Frage, ob nicht Banken, besonders wenn sie zur Elite gehören wollen, bestimmten systemischen Zwängen unterliegen, die ein Ackermann weder erfinden noch außer Kraft setzen kann, stellt sich dann scheinbar nicht.

Es ist sicher verständlich, dass von einem Bündnis, das schon im Namen den Anspruch trägt, bessere Banken aufbauen zu wollen, keine grundsätzliche Kritik an der kapitalistischen Verwertung erwartet werden kann. Allerdings hätte man schon erwarten können, dass in die Kritik der Gedanke aufgenommen wird, dass es nicht in erster Linie die Fehler einzelner Bankiers, die auch noch populistisch als Zocker beschrieben werden, zu den in den Dossier beschriebenen Fehlentwicklungen beigetragen haben.

Vielleicht werden die Ackermann-Kritiker sich sogar mal zu der Zeit zurück sehnen, als der Namensgeber für das scheinbar perfekte Feindbild sorgte. Auf der Hauptversammlung der Deutschen Bank am kommenden Donnerstag wird er diese Rolle noch einmal ausfüllen.

Das globalisierungskritische Netzwerk Attac lädt zu einem Pressetermin ein. In der Einladung wird die Choreographie so beschrieben:

„Unter einem Banner mit dem Schriftzug ‚Ackermanns Vermächtnis – Jain, lass es sein‘ stehen drei menschliche Statuen. ‚Steuerflucht‘ hält eine Palme in den Händen, sie ist bereits auf dem Weg in Richtung Steueroase; ‚Rüstungsinvestitionen‘, trägt ein Gewehr; und ‚Nahrungsmittelspekulation‘ macht aus Weizenähren lieber Geld als Brot.“

Tatsächlich dürften auch die Aktivisten wissen, dass der von ihnen geforderte Kurswechsel auch nach dem Ende der Ära Ackermann nicht stattfinden wird, solange die inkriminierten Produkte Profite bringen. Zumindest dürfte dann klar werden, dass die Fehler eben nicht in erster Linie bei Ackermann liegen. Nur wird es nicht einfach sein, seine Nachfolger als ebenso große mediale Feindbilder aufzubauen. Das wäre die richtige Zeit für die Kritiker zu überlegen, ob es nicht Zeit für eine weniger personifizierende Bankenkritik wäre und ob sie die Sorgen um das Ranking um die Bankenelite nicht den Aktionären überlassen sollten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152094
Peter Nowak

Mieter protestieren gegen Verdrängung

In Kreuzberg soll ein Protestcamp zu Mietensteigerungen und Gentrifizierung entstehen

Nerimin T. ist wütend. »Seit über einem Jahr versuchen wir mit unseren Eigentümern und den Politikern darüber zu reden, dass wir uns die immer weiter steigenden Mieten nicht mehr leisten können. Doch wir wurden nicht beachtet. Deswegen gehen wir jetzt auf die Straße.« Seit vergangenen Samstag beteiligt sie sich am Protestcamp, das die von Mieterhöhung betroffenen Bewohner am südlichen Ende des Kottbusser Tores aufgebaut haben. Auf Holzpaletten finden sich neben ersten Presseberichten über die Aktion auch die Gründe für die Aktion in wenigen klaren Sätzen:

»Wir protestieren hier gegen die jährlich steigenden Mieten im sozialen Wohnungsbau. Wir protestieren hier gegen die Verdrängung von Menschen, die hier seit Jahrzehnten ihr Zuhause haben«, heißt es dort. Für Nerimin T. ist die Gefahr real.

Die eine Hälfte ihrer Rente verschlinge die Miete, die andere Hälfte die Nebenkosten«, rechnet sie vor. »Mir bleibt zum Leben kein Geld mehr. Wenn das so weitergeht, muss ich mit dem Zelt auf der Straße schlafen.« Ihre Nachbarn nicken mit dem Kopf.

Viele von ihnen sind in der Türkei oder in Kurdistan geboren und leben seit mehr als drei Jahrzehnten am Kottbusser Tor. Ulrike M. gehört zu den prekären Akademikern, die erst in den letzten Jahren in die Häuser am südlichen Rand des Kottbusser Tores gezogen sind. Alt- und Neumieter sind sich einig in ihren Forderungen. »Die Eigentümer GSW und Hermes bekommen seit Jahrzehnten Subventionen, ohne bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen.« Bisher seien von Eigentümerseite alle Versuche, über die Mietensituation ins Gespräch zukommen, ignoriert worden, klagen die Bewohner.

Die Idee des Protestcamps hat durchaus Vorbilder in der Türkei. Dort gibt es am Rande der Großstädte so genannte Gecekondular. Das heißt übersetzt »über Nacht gebaut«. Es sind meist einfache Holzhütten, die sich Menschen errichten, die in den türkischen Metropolen keine anderen Unterkünfte finden. Manchen Passanten fällt hingegen angesichts der Protesthütte die Occupy-Bewegung ein. Tatsächlich haben Berliner Occupy-Aktivisten sofort ihre Unterstützung zugesagt. Allerdings ist für die Kottbusser Aktivsten klar, dass sie sich weder von Parteien noch von anderen Bewegungen vereinnahmen lassen werden. »Uns geht es nicht darum, Occupy-Regeln einzuführen. Wir wollen ein Mittelpunkt der Berliner Mieterproteste werden«, betont Ulrike M. Die Chancen stehen gut. Schließlich organisieren sich in zahlreichen Stadtteilen Mieter gegen drohende Vertreibung. Für den 18.Juni plant ein berlinweites Bündnis Proteste gegen den Tag der Immobilienwirtschaft. Auch der Druck auf die Politiker wächst. Schließlich hat sich in der BVV Kreuzberg eine große Koalition aus SPD, Grünen, Piraten und Linkspartei für die Forderungen ausgesprochen, die auch die Mieter am Kottbusser Tor propagieren. »Was aber macht die Berliner SPD als Regierungspartei?«, fragt eine Aktivistin. Mittlerweile läuft im Protestcamp die Planung für das Programm der nächsten Tage auf Hochtouren. Film-, Diskussions- und Kulturveranstaltungen sind unter kottiundco.wordpress.com/wer-wir-sind/ zu finden.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/228214.
mieter-protestieren-gegen-verdraengung.html
Peter Nowak

Walretter Paul Watson droht Auslieferung

Paul Watsons Image als selbstloser Retter der Meerestiere wird durch den jüngsten Haftbefehl nur verstärkt, aber mittlerweile wird auch Kritik laut

Costa Rica steht in der Regel nicht im Brennpunkt des öffentlichen Interesses. Trotzdem verlief der jüngste Deutschlandbesuch der costaricanischen Präsidentin Laura Chinchilla recht turbulent. Mehrere hundert Menschen demonstrierten für die Freilassung des Umweltaktivisten Paul Watson. Der Gründer der Tierschutzorganisation Seasheperd war auf Grund eines internationalen Haftbefehls am 13. Mai bei der Einreise nach Deutschland verhaftet worden. Die Justiz von Costa Rica wirft ihm vor, vor 10 Jahren beim Drehen eines Filmes über die Jagd auf Haie den Schiffsverkehr behindert zu haben. Watson vermutet, dass Japan hinter den Haftbefehl steckt. Schließlich hat er sich wegen des Walfangs in den letzten Jahren immer wieder mit den Behörden des Landes angelegt.

Nach einer Meldung von Interpol ist der Ökoaktivist allerdings wieder von der Liste gestrichen worden, nachdem sich der Verdacht erhärtete, dass der Haftbefehl politisch motiviert ist. Mittlerweile ist Watson gegen Kaution aus dem Gefängnis entlassen werden, darf aber Deutschland nicht verlassen, bis über das Auslieferungsverfahren endgültig entschieden ist. Mittlerweile gibt es in vielen Ländern Solidaritätsaktionen für Watson. Der Kanadier genießt unter Tierrechtsaktivisten vor allem wegen seines Kampfes gegen den Walfang Starkult.

Bei seinen öffentlichen Auftritten hat er immer wieder deutlich gemacht, dass er für seine Aktivitäten auch bereit ist, ins Gefängnis zu gehen. „Sie können mich ja verhaften“, erklärte Paul Watson schon vor einigen Jahren selbstbewusst. So richtig bekannt wurde er in Deutschland durch einen Film mit dem programmatischen Titel Bekenntnisse eines Ökoterroristen, der von einem engen Mitarbeiter Watsons gedreht wurde. In der Filmbeschreibung wird das Selbstbild eines Mannes deutlich, der sich als Rächer der beleidigten Natur zu inszenieren versteht.

„Es handelt sich um einen Dokumentarfilm, der die wahre Odyssee des meistgesuchten Meeresschützers Captain Paul Watson zeigt. Nachdem er Greenpeace gegründet hatte, verließ Watson die Organisation schließlich aufgrund seiner kompromisslosen Leidenschaft, den Planeten vor Umweltverbrechern zu schützen und wegen seiner ungewöhnlichen Taktiken. Fernab von Bürokratie und Politik schmiedete Watson seine eigene Armada, die Sea Shepherd Conservation Society – eine Organisation, die sich kompromisslos dem Schutz der Meeresbewohner verschrieben hat und gerne mal die geltenden Gesetze selber durchsetzt.“

Kritik am Walretter-Image

Das Image als selbsternannter Cowboy für die Interessen der Meeresbewohner pflegt Watson mit Hingabe. Der jüngste Haftbefehl ist für ihn daher wie ein weiterer Orden auf der Brust des Kriegers der Meerestiere. Mittlerweile wird auch bei entschiedenen Gegnern des Walfangs Kritik am autoritären Führungsstil Watsons und der Instrumentalisierung von Mitstreitern laut. Auch mit Greenpeace hat sich Watson längst zerstritten, obwohl er nach seiner jüngsten Festnahme öfter mit der Organisation in Verbindung gebracht wurde. Für Watson hat sich die ehemals von ihm mit gegründete Organisation längst in einen Verein von Lobbyisten verwandelt.

Bei allen Differenzen sind Watson und Greenpeace Verfechter eines Weltretterunternehmung, das Millionen Menschen zum Spenden animieren soll. Die jüngste Verhaftung hat das Bild von Watson als kompromisslosen Walretter nur noch verstärkt und dürfte viel Geld in die Spendenkassen seiner Organisation spülen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152065
Peter Nowak

Analyse der Krisenproteste in Europa

Ein Buch betrachtet Widerstandsbewegungen

Warum gibt es in Europa trotz der großen Krise relativ wenig gemeinsamen Widerstand? Ein kürzlich im Verlag Assoziation A erschienenes Buch mit dem Titel »Krisen Proteste« (312 Seiten, 18 Euro) gibt einige Antworten auf diese Frage und zieht eine Zwischenbilanz der Proteste, Aufstände und Streikbewegungen, die es bisher als Reaktion auf die sozialen Verwerfungen gab.

Die Ungleichzeitigkeit der Krisenpolitik und der Wahrnehmung bei den Betroffenen erschwert einen gemeinsamen Widerstand. Diese Entkoppelung stellt für die Linken ein großes Problem dar, »das keineswegs mit bloßen Appellen und weltweiten Aufrufen bewältigt werden kann«, schreiben die Herausgeber des Buches, Peter Birke und Max Henninger, in der Einleitung. In zwölf Aufsätzen, die größtenteils auf der Onlineplattform Sozial.Geschichte Online veröffentlicht wurden, werden die aktuellen Bewegungen in den unterschiedlichen Ländern auf hohem Niveau analysiert.

Zur Lage in Griechenland gibt es gleich zwei Beiträge. Während der Historiker Karl Heinz Roth die Vorgeschichte der Krise rekonstruiert und dabei auf das Interesse des griechischen Kapitals am Euro eingeht, beschäftigt sich der Soziologe Gregor Kritidis mit der vielfältigen Widerstandsbewegung der letzten Jahre. Er sieht in den Aufständen nach der Ermordung eines jugendlichen Demonstranten durch die Polizei im Dezember 2008 »die Sterbeurkunde für die alte Ordnung«. Ausführlich geht er auch auf die Bewegung der Empörten ein, die im Sommer 2011 aus Protest gegen die EU-Spardiktate öffentliche Plätze in Griechenland besetzten und mit massiver Polizeirepression konfrontiert waren. Ebenso stellt Kritidis die Bewegung zur Schuldenstreichung vor, die es seit einem Jahr gibt.

Kirstin Carls zeigt am Beispiel Italien auf, wie die technokratische Monti-Regierung in den letzten Monaten Einschnitte in die Arbeits-, und Sozialgesetzgebung umgesetzt hat, die Berlusconis Regierung nach heftigem Widerstand hatte zurückziehen müssen. Das Bündnis The Free Association liefert Hintergrundinformationen über die Proteste in Großbritannien. Zwei spanische Aktivisten beschreiben, wie sich ein Teil der Empörten, nachdem sie Zelte auf den öffentlichen Plätzen aufgegeben hatten, auf den Kampf gegen Häuserräumung und die Unterstützung von Streiks konzentrierten. Das Buch kann nach den Blockupy-Aktionstagen letzte Woche in Frankfurt wichtige Anregungen für eine Perspektivdebatte der Krisenprotestbündnisse liefern.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/227787
.analyse-der-krisenproteste-in-europa.html
Peter Nowak

Im Visier von Neonazis

Angriffe auf Lausitzer Rundschau wegen kritischer Berichterstattung

Gleich zwei Nächte hintereinander war die Lokalredaktion der Lausitzer Rundschau in Spremberg Ziel neonazistischer Angriffe. In der Nacht zum 30. April wurde das Gebäude der Redaktion mit Parolen wie „Lügenpresse halt die Fresse“ beschmiert. Außerdem klebten die unbekannten Täter Bilder von Neonaziaufmärschen an die Scheiben und hinterließen so einen politischen Fingerabdruck. In der folgenden Nacht hängten Unbekannte Innereien eines frisch geschlachteten Tieres an das Redaktionsschild der Zeitung.

Der Chefredakteur der Lausitzer Rundschau (LR), Johannes M. Fischer, hat keinen Zweifel, dass auch in diesem Fall die Täter aus dem rechten Milieu kommen. Schließlich ist das Aufhängen von Tierinnereien vor den Häusern missliebiger Personengruppen schon länger als Mittel rechter Einschüchterungsstrategien bekannt.

Davon waren in der Vergangenheit Synagogen und Wohnungen von bekannten Nazigegnern betroffen. Auch Medienarbeiter, die sich mit der rechten Szene befassten, gerieten immer wieder ins Visier rechter Gruppen und der auf die Gegnersuche spezialisierten Anti-Antifa. So wurden immer wieder persönliche Daten und Adressen von Journalisten und Fotografen auf rechten Homepages bekannt gemacht. Journalisten wie die auf die rechte Szene spezialisierte Andrea Röpke wurden bedroht und bei ihrer Arbeit auch körperlich angegriffen. Dass aber gleich eine ganze Redaktion ins Visier von Neonazis gerät, sorgte dann doch für Schlagzeilen. „Wir haben in der vergangenen Woche mehrfach kritisch über die rechte Szene in Spremberg berichtet. Das hat ihnen wohl nicht gefallen“, erklärte Fischer gegenüber dem Berliner Tagesspiegel zu den Motiven, warum gerade die Lausitzer Rundschau Ziel rechter Angriffe geworden ist.

Klar Stellung beziehen.

Tatsächlich hat die Zeitung nicht nur in der letzten Zeit ausführlich über rechte Aktivitäten in der Region berichtet und Nazigegner zu Wort kommen lassen. Die LR veröffentlichte in ihrer Printausgabe und auf ihrem Blog Glossen, Berichte, sowie Kurzfilme. Anlässlich eines Neonaziaufmarsches in Cottbus am 15. Februar 2012 diskutierten Journalisten und Volontäre der LR über den richtigen journalistischen Umgang mit den Aktivitäten von rechts außen. So schreiben LR-Volontäre: „Manche Kollegen warnen: Macht euch nicht zum Sprachrohr, bleibt objektiv. Wir fragen: Darf eine Tageszeitung in solchen Fragen nicht klar Stellung beziehen? Einige Kollegen sagen, es sei sowieso klar, dass wir gegen rechts sind. Wir fragen: Wie kann das klar sein, wenn wir es nicht deutlich aussprechen? Darf ich mich als Journalistin nicht nur privat, sondern auch beruflich gegen rechts aussprechen und das in meine Arbeit einbringen?“
Von vielen Lesern werden die engagierten Journalisten bestärkt, ihre Recherche über rechte Strukturen nicht im Mantel einer scheinbaren Objektivität, sondern mit einem klaren Bekenntnis gegen rechts zu verbinden. „Bitte, machen Sie weiter so – wir brauchen Sie“, hieß es in Leserbriefen. „Wir haben eine sehr gute und starke Redaktion. Die Journalisten wissen, dass sie ein schwieriges und möglicherweise gefährliches Thema bearbeiten. Sie gehen sehr souverän damit um und lassen sich nicht einschüchtern“, betonte Fischer gegenüber M. Der Chefredakteur blendet auch die ganz persönlichen Folgen für die angegriffenen Journalisten nicht aus: „Wir selbst fühlen uns von dieser feigen und niederträchtigen Tat durchaus bedroht. Allerdings empfinden wir diese Bedrohung als Herausforderung, noch intensiver zu recherchieren und zu schreiben, um dem Rechtsextremismus keine Chance zu geben.“

Stellungnahme der dju

„Die 4.300 Journalistinnen und Journalisten, die in der dju in ver.di Berlin-Brandenburg organisiert sind, stehen solidarisch an der Seite ihrer Lausitzer Kollegen“ so Andreas Köhn, dju-Geschäftsführer, und weiter: „Die Drohungen und Angriffe sind gegen uns alle gerichtet, nicht nur gegen jene Kollegen, die in den Medien zu dieser Thematik berichten“.

http://mmm.verdi.de/medien-gesellschaft/im-visier-von-neonazis
Peter Nowak

Angriff der Eliten

Vor mehr als 15 Monaten sorgte der ehemalige Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin mit seinem Buch Deutschland schafft sich ab für ein großes Medienecho mit weitreichenden gesellschaftlichen Folgen.

Viele Bücher sind darüber in politisch guter Absicht, aber oft geringer theoretischer Fundierung verfasst wurden. Als Beispiele seien hier das als Anti-Sarrazin-Buch hochgelobte Integrations-unwillige Muslime von Ahmet Toprak oder Anti-Sarrazin von Sascha Stanicic genannt.
Die drei hier vorgestellten Bücher befassen sich mit den Vorläufern Sarrazins und den Auswirkungen der von seinem Buch ausgelösten Debatte auf einem hohen theoretischen Niveau und bleiben auch nach dem Ende des Hypes um Sarrazin lesenswert.

„Angriff der Eliten“ weiterlesen

Linker Neustart mit Frauenspitze?

Dietmar Bartsch hat die Rückkehr von Lafontaine an die Linkenspitze verhindert, dürfte aber auch selber nicht zum Zuge kommen

Nun geht alles sehr schnell. Gestern hat Oskar Lafontaine sein Angebot zurückgezogen, für die Linke zu kandidieren. Ausschlaggebend war neben der Weigerung von Dietmar Bartsch, seine Kandidatur zurückzuziehen, auch eine Neuorientierung des Zentristen Gregor Gysi, der deutliche Sympathie für den Kandidaten der Ost-Nachwuchskader geäußert hatte.

Bartsch darf sich jetzt wohl das Verdienst zuschreiben, Lafontaines Rückkehr an die Parteispitze verhindert zu haben, aber selber wird er wohl auch nicht zum Zuge zu kommen. Schließlich dürfte in der nächsten Zeit der Druck auf ihn zunehmen, seine Kandidatur ebenfalls zurückzuziehen. Wenn er das ablehnt, wird er vermutlich auf dem Parteitag eine Niederlage erleben.

Denn mit der Kandidatur von Katja Kipping, die der Strömung Emanzipatorische Linke nahe steht und der NRW-Linken Katharina Schwabedissen, für die im Landtagswahlkampf sogar Linken-Gegner lobende Worte fanden und die deshalb den Rauswurf aus dem Landtag nicht als persönliche Niederlage betrachten muss, würde die Partei tatsächlich nicht nur einen personellen Neuanfang hinlegen.

Kipping, die noch vor einigen Tagen eine Spitzenkandidatur aus persönlichen Gründen ausgeschlossen hatte, begründet ihre Bereitschaft in einer Erklärung mit der Lage der Partei:

„In der jetzigen Personaldebatte der LINKEN haben wir lange für eine Konsenslösung geworben. Die Polarisierung droht mittlerweile die Partei zu zerreißen. Wir weigern uns, dieser Logik zu folgen und stellen uns jetzt zur Wahl für den Parteivorstand. Wir werben für eine weibliche Doppelspitze mit Katja Kipping und Katharina Schwabedissen und treten als Team an, von dem wir hoffen, das es noch größer und bunter wird, um gemeinsam einen neuen Aufbruch der LINKEN zu wagen.“

Frauen als bessere Konfliktlöserinnen?

Es ist durchaus nicht neu, dass Parteien Polarisierungen mit einer Frauenspitze auflösen wollen. Schon in den 80er Jahren gab es in der Grünalternativen Liste Hamburgs einen Frauenvorstand, nachdem sich die Ökosozialisten und die Realos nicht einigen konnten. Damals gab es allerdings auch schon die Kritik, dass mit der Betonung auf angebliche Konfliktlösungskompetenzen von Frauen an Bilder von der angeblich harmonischeren Frau angeknüpft wird, die von Feministinnen immer kritisiert wurden. Schließlich vertreten auch Frauen politische Inhalte – und um die dürfte genau so heftig geschritten werden, wie bei Männern.

Das zeigte sich bei der Linken am Beispiel von Sahra Wagenknecht, die in dem gegenwärtigen Vorschlag für die Neuwahl der Linkenspitze ebenso wenig berücksichtigt ist wie die Gewerkschafterin Sabine Zimmermann, die vor einigen Tagen ebenfalls ihre Kandidatur für die Linkenspitze angemeldet hat.

In den nächsten Tagen wird sich zeigen, ob mit der Frauenkandidatur der Streit in der Linken beendet werden kann. Anhänger von Lafontaine zumindest haben sich schon deutlich dafür ausgesprochen. Ulrich Maurer verband allerdings Zustimmung in einem Interview im Deutschlandfunk mit weiteren Angriffen auf Bartsch und verlangte dessen Rückzug von seiner Kandidatur. Warum sich aber nicht wie in vielen andere Parteien mehrere Kandidatinnen und Kandidaten zur Wahl stellen sollen, wird auch bei ihm nicht recht deutlich.

Ruhe wird in die Partei aber erst eintreten, wenn sie nicht mehr nach der Nähe oder Ferne zu Bartsch und Lafontaine betrachtet werden. Kipping hat beispielsweise die Diskussion um ein bedingungsloses Grundeinkommen in der Linken schon geführt, als es die Piraten noch gar nicht gab.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152053
Peter Nowak

Modernisierung in der Manteuffelstraße 99


Kreuzberger Mieter/innen wehren sich gegen Vertreibung

Wo sich die Manteuffelstraße und die Waldemarstraße kreuzen, treffen zwei Realitäten aufeinander. Das grelle Schild mit der Leuchtschrift „Casino“ über dem Laden in der einen Haushälfte des Eckgebäudes zeugt von der Ausbreitung einer Unterhaltungsbranche auf Niedriglohnbasis. Auf anderen Haushälfte prangt wie ein Relikt aus dem Kreuzberg der 80er Jahre der handgemalte Schriftzug „M99 – Gemischtwarenhandel mit Revolutionsbedarf“.

Erst vor wenigen Monaten konnte der Betreiber des Geschäfts „M99“ Hans-Georg Lindenau wieder einmal eine Klage zur Räumung seiner Ladenwohnung zurückweisen. Er weiß, dass er mit dem juristischen Erfolg vor allem Zeit gewonnen hat. Denn die Vertreter der Hauseigentümer, der BPP Berlin Property GmbH & Co. KG, verhehlen nicht, dass sie bereits eine neue Kündigung vorbereiten und mit dem Fotoapparat nach möglichen Gründen Ausschau halten. Für sie sind die Altmieter/innen ein Investitionshindernis. Das große vor 1862 erbaute Gebäude weckte bereits das Interesse verschiedener Investoren. In den letzten Jahren kapitulierten nacheinander fünf Hauseigentümer vor den gut vernetzten Mieter/innen, die ihre Rechte kennen und so manche Modernisierungspläne durchkreuzten. Der sechste Eigentümer scheint hartnäckiger zu sein.

Verdoppelung der Mieten nach Modernisierung

Die BPP Berlin Property GmbH & Co. KG besitzt Immobilien in verschiedenen Berliner Stadtteilen, darunter mehrere große Eckhäuser, beispielsweise in der Mittenwalder Straße 51 und der Reichenbergerstraße 152 in Kreuzberg sowie in der Eisenacher Straße 3 und 3a in Schöneberg. Auch in der Manteuffelstraße 99 sind mittlerweile sieben Wohnungen modernisiert und zu Quadratmeterpreisen von 10 Euro vermietet, während die fünf Altmieter/innen weiterhin weniger als die Hälfte zahlen. Zwischen den beiden Mietergruppen gibt es wenig Berührungspunkte. Das liege aber nicht an einer emotionalen Ablehnung, sondern an den unterschiedlichen Interessen, betont Lindenau. Weil die Neumieter/innen nicht nur mehr als die doppelte Miete zahlen, sondern auch ganz andere Mietverträge als die Altmieter/innen haben, sind ihre Forderungen oft auch völlig verschieden. So haben die Neumieter/innen in einem Brief an die Eigentümerin die Abschaffung des Hausmeisters gefordert. Die Altmieter/innen lehnen das strikt ab, weil sie befürchten, dass es dann noch schwieriger wird, Reparaturen oder auch nur das Auswechseln einer kaputten Glühbirne im Treppenhaus durchzusetzen. Vor Gericht mussten die Altmieter/innen ziehen, weil die ihnen mietvertraglich zustehenden Keller an die Neumieter/innen verteilt werden sollten. Diese hatten übersehen, dass ihnen entsprechend ihrer Mietverträge kein Keller zusteht. Der Erhalt ihrer Kellerräume war ein weiterer Erfolg der Altmieter/innen. Sie bekommen Unterstützung von anderen Kreuzberger Mieter/innen, die sich ebenfalls gegen Verdrängungsversuche wehren. So hat eine Projektgemeinschaft, die vor zwei Jahren die Räume eines ehemaligen Schülerladens in der Oranienstraße 14a gemietet hat, ihre Nachbar/innen in einen offenen Brief über ihren Widerstand gegen eine Mieterhöhung von 50% zum 1. Mai 2012 informiert.

http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2012/me-single/article/
modernisierung-in-der-manteuffelstrasse-99.htm

MieterEcho 354 / Mai 2012

Peter Nowak

Erfolgreiches Referendum gegen Ferienwohnungen in der Schweiz

In der Schweiz stimmte die Mehrheit der Bevölkerung in einem Referendum für die Begrenzung von Zweitwohnungen

Nicht nur Berliner Mieter/innen klagen darüber, dass immer mehr Wohnungen zu Urlaubszwecken vermietet werden. Auch in der Schweiz boomen in den letzten Jahren die touristisch genutzten Zweitwohnungen. Vor allem wohlhabende Stadtbewohner/innen schaffen sich häufig ein Loft in der Natur an.

„In den Berggebieten sorgen Milliardäre und Millionäre sowie der Mittelstand mit ihrem extensiven Verlangen nach Ferienwohnungen gemeinsam dafür, dass es für die Einheimischen kaum noch Platz zum Wohnen gibt“, beschreibt die Schweizer Wochenzeitung „Vorwärts“ die Lage in den begehrten Regionen des Landes. Die Folgen sind überall spürbar: „Es ist für Investoren deutlich lukrativer, Zweitwohnungen statt Erstwohnungen zu bauen. Das Angebot an Erstwohnungen stagniert oder nimmt sogar ab. Ebenso wird immer mehr an – in Bergregionen ohnehin knappem – Bauland mit Zweitwohnungen überbaut. In der Folge explodieren vielerorts auch für Ortsansässige die Wohnkosten. Viele finden gar keine finanzierbaren Wohnungen mehr oder müssen umziehen. Es entstehen Geisterstädte, die nur noch während der Hochsaison vom Leben erfüllt werden.“ So beschreiben Mieteraktivisten die Situation.


Zweitwohnungen begrenzt

Am 11. März 2012 zeigte sich, dass die Kritik von der Mehrheit der Bevölkerung geteilt wird. An diesem Tag stimmten 50,36% für eine von verschiedenen Initiativen aus allen politischen Lagern lancierte Zweitwohnrauminitiative. Danach dürfen die Schweizer Gemeinden nur noch 20% des Wohnraums als Zweitwohnungen ausweisen. Der Schweizer Politologe Claude Lonchamp sah in der Abstimmung eine Auseinandersetzung zwischen zwei unterschiedlichen Philosophien: „Wirtschaftswachstum durch weitgehende Liberalisierung vs. Nachhaltigkeit und Schutz der einheimischen Bevölkerung.“


Warnung vor Verwässerung

Nach dem Erfolg gründete sich eine Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Initiative. Sofort wurden neue Streitpunkte deutlich. Die Bau- und Tourismusbranche fragte, was denn überhaupt unter dem Begriff Zweitwohnung zu verstehen sei. Nach  Ansicht der Initiator/innen des Referendums fallen darunter auch Wohnungen, die nur sporadisch von Privaten zu touristischen Zwecken genutzt werden. In einer Erklärung warnten sie vor einer  Verwässerung:  „Entgegen den Behauptungen einzelner Exponenten der Initiativgegner haben die Initianten nicht erklärt, der Umwandlung von bestehenden Erstwohnungen in Zweitwohnungen zuzustimmen. Das einzige Zugeständnis, das in diesem Zusammenhang gemacht wurde, betrifft Erbschaften in direkter Linie von Erstwohnungen, die bereits seit langer Zeit von den Erblassern bewohnt wurden“, betonten Sprecher des Initiativ-komitees.

Obwohl der Erfolg der Zweitwohnrauminitiative in vielen Schweizer Medien als Überraschung bezeichnet wurde, ist es nicht das erste für Mieter/innen erfolgreiche Referendum. Bereits im November 2011 unterstützten 75% der abstimmungsberechtigten Züricher Bevölkerung einen Wohnbauartikel, der bis 2050 eine Erhöhung des  Anteils von gemeinnützigem Wohnungsbau in der Stadt um mindestens ein Drittel vorschreibt.  Auch in der Schweiz bewegt  Wohnungs- und Mietenpolitik die Menschen.

MieterEcho 354 / Mai 2012
http://www.bmgev.de/mieterecho/archiv/2012/me-single/
article/erfolgreiches-referendum-gegen-ferienwohnungen-in-der-schweiz.html

Peter Nowak

Kundgebung vorm Gasometer

Protest gegen die Immobilienwirtschaft

Prominent besetzt wird die heutige Veranstaltung wohl sein: EU-Kommissar Günther Oettinger und die Bundesminister Peter Ramsauer (CSU) und Philipp Rösler (FDP) sowie Exminister Joschka Fischer (Grüne) werden im Schöneberger Gasometer erwartet. Sie werden mit dem Lobbyverband „Zentraler Immobilienausschuss“ den Tag der Immobilienwirtschaft begehen und über verbesserte Rahmenbedingungen für die Wirtschaft beraten. Ab 12 Uhr wollen MieterInnenverbände vor dem Tagungsort gegen das Treffen protestieren. „Wir wollen ausdrücken, dass die Interessen der MieterInnen vom Lobbyverband der Immobilienwirtschaft mit Füßen getreten werden“, begründete David Schuster vom Protestbündnis gegenüber der taz die Aktion. MieterInnen aus verschiedenen Stadtteilen wollen außerdem über ihren Widerstand gegen Mieterhöhungen berichten.

Der Protest soll ein Warm-up für eine berlinweite Demonstration unter dem Motto „Keine Rendite mit der Miete“ sein, mit der MieterInnen- und Stadtteilverbände am 18. Juni gegen den an diesem Tag im Hilton-Hotel stattfindende Jahrestagung der Immobilienwirtschaft protestieren wollen.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/
?ressort=ba&dig=2012%2F05%2F23%2Fa0145&cHash=7a58646a45
Peter Nowak

Sieg auf halber Strecke


Nach einem erfolgreichen Volksentscheid müssen die Initiatoren oft weiter für ihr Anliegen kämpfen

Welche Bedeutung haben Volksbegehren für den Kampf gegen Privatisierung und für die Durchsetzung umweltfreundlicher Politik? Die Erfahrungen in Berlin sind zwiespältig.

Der Berliner Energietisch will die Stromnetze der Stadt wieder in kommunale Hand überführen. Aktivisten haben in den vergangenen Wochen über 16 000 Unterschriften gesammelt, um die erste Phase des Volksbegehrens einzuleiten. Zu dem Bündnis aus 39 Organisationen, das das Volksbegehren gestartet hat, gehört die Gruppe »Für eine linke Strömung« (FelS). Sie sieht darin einen Beitrag zum Kampf gegen umweltschädliche Energieformen und für den Zugang für alle zu Energie. Dass diese Frage nicht nur im globalen Süden aktuell ist, macht Susanne Pahnke von FelS am Beispiel der Strom- und Gasabschaltungen deutlich, mit denen einkommensschwache Menschen auch hierzulande konfrontiert sind. »Wenn ich Unterschriften sammle, kommt die Diskussion schnell auf die Frage, wem die Politik der Privatisierung nutzt und wem sie schadet«, sagt sie. Schnell werde man sich dann einig, dass die Güter der Daseinsvorsorge dem Gesetz der Profitmaximierung entzogen werden sollen. Für die FelS-Aktivistin ist das Volksbegehren eine Möglichkeit, Kapitalismuskritik in größeren Kreisen der Bevölkerung zu verankern.

Dorothea Härlin hat mit dem Berliner Wassertisch schon ein erfolgreiches Volksbegehren organisiert. Dadurch mussten die Verträge, die Konzerne wie Veolia mit dem Land Berlin geschlossen haben, veröffentlicht werden. Doch die Konflikte gehen auch danach weiter. Der durch das Volksbegehren installierte Sonderausschuss des Abgeordnetenhauses drohe zur Alibiveranstaltung zu werden, moniert Härlin. Zudem haben Veolia und RWE eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz eingereicht, das durch das Volksbegehren beschlossen wurde. Demnach sind Verträge unwirksam, wenn sie innerhalb von einem Jahr nach Inkrafttreten dieses Gesetzes nicht offen gelegt werden. Für die Aktivisten hat die Klage den Verdacht erhärtet, dass noch nicht alle Teile der Wasserverträge offengelegt worden sind. Sie müssen weiterkämpfen.

Die Aktivisten machten noch weitere ernüchternde Erfahrungen nach ihrem Volksentscheid. So blieb der Kreis der Mitstreiter trotz der Aufmerksamkeit für ihr Anliegen begrenzt. Auch die Zusammenarbeit mit anderen Initiativen, die Volksbegehren organisieren, verläuft eher schleppend. »Es geht immer um sehr spezielle Fälle und es ist für alle Initiativen ein großes Problem, die Unterschriften zu sammeln und die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen«, benennt Härlin die Probleme, über den eigenen Tisch hinauszublicken.

Zur Zeit hat besonders der S-Bahn-Tisch Unterstützung nötig. Er sammelt auf seiner Homepage Solidaritätsunterschriften. Denn das Volksbegehren, das sich gegen die Zerschlagung der Berliner S-Bahn wendet, kann zur Zeit nicht weiter verfolgt werden, obwohl die nötigen Unterschriften für die Einleitung des Volksbegehrens beisammen sind. Doch der Berliner Senat spielt auf Zeit und lässt den Inhalt des Volksbegehrens juristisch überprüfen, während er zugleich die Ausschreibung der S-Bahn weiter vorantreibt. Wenn die Ausschreibung bekannt gegeben wird, wollen die Aktivisten protestieren. Dann wird sich auch zeigen, ob die Zusammenarbeit mit der außerparlamentarischen Bewegung der Stadt auch jenseits des Sammelns von Unterschriften funktioniert.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/227556.sieg-auf-halber-strecke.html
Peter Nowak

Vor dem Showdown in der Linkspartei

Beim Streit um die Linkspartei geht es nicht nur um Personen, sondern auch um Konzepte

Nachdem am Sonntag ein Vermittlungsversuch im innerlinken Machtkampf zwischen Dietmar Bartsch und Oskar Lafontaine ergebnislos verlaufen ist, sprach sogar der ewige Vermittler Gregor Gysi das Undenkbare aus. Eine Spaltung der Linkpartei sei möglich, auch wenn er alles dafür tun werde, um sie zu verhindern. Mit diesem Szenario wollte er wohl auch der Parteibasis den Ernst der Lage verdeutlichen.

Während sich die Partei in Umfragen der Fünfprozentmarke nähert, gibt es einstweilen keinen Ausweg im Führungsstreit. Oskar Lafontaine will nur für die Parteispitze kandidieren, wenn Dietmar Bartsch seine Kandidatur zurückzieht, Bartsch wiederum hält seine Kandidatur aufrecht und wird von allen unterstützt, die eine Rückkehr des Saarländers in Machtpositionen der Partei ablehnen. Eine Doppelspitze aus Bartsch und der Parteilinken Sahra Wagenknecht, die schon länger in der Diskussion ist, wurde kürzlich von Wagenknecht abgelehnt, die eine Verlagerung des Flügelstreits in die Parteispitze befürchtete. Daraus wird aber auch deutlich, dass manche eine Parteistruktur, die alle relevanten Parteiflügel abbildet, ablehnen.

DDR-Nachwuchskader gegen West-Sozialdemokraten

Vordergründig ist in den Medien vom Ost-West-Streit oder dem Machtkampf von zwei unnachgiebigen Männern die Rede, die die Partei an den Rand der Spaltung bringen. Tatsächlich stehen hinter ihnen zwei wesentliche Milieus, die die Partei prägen.

Bartsch verkörpert den Typus, der in der DDR sozialisierten Nachwuchsfunktionäre, die in der Honecker-Ära auf ihre Machtchance warten mussten, bis die Wende kam. Nur ein kleiner Teil von ihnen machte nach 1990 in der PDS weiter Politik und zeichnete sich durch einen besonderen Pragmatismus aus. Kritiker sahen einen Grund dafür in dem Bestreben der verhinderten DDR-Nachwuchskader, doch noch einen Zipfel des verlorenen Einflusses durch eine stromlinienförmige PDS zu bekommen. In der PDS waren sie fast am Ziel, hatten dabei aber nur ein Problem: die Partei verlor immer mehr Mitglieder und Wähler und scheiterte schließlich sogar an der 5 Prozent-Klausel.

Die Rettung kam durch die Zerrüttung der Sozialdemokratie infolge der Agenda-2010-Politik der Schröder-Regierung. Ein Teil des SPD- und DGB-Mittelbaus löste sich und gründete Wahlvereine für Arbeit und soziale Gerechtigkeit, mit denen sie an die SPD der 1970er Jahre anknüpfen wollten. Ein Zusammengehen mit der PDS stand zunächst gar nicht auf dem Programm.

Erst durch den Zeitdruck, der durch die vorgezogenen Neuwahlen entstanden war, und durch die Initiative des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine entstand die Linkspartei. Daraus entstand auch die enge Beziehung, die diese SPD-Dissidenten bis heute mit Lafontaine verbinden. Die Ost-Nachwuchskader sahen in diesem Zugang aus dem Westen vor allem Konkurrenten. So lange die Partei wuchs hatten sie wenig Möglichkeiten, sich gegen Lafontaine zu profilieren. Mit dessen krankheitsbedingten Rückzug und dem Einflussverlust änderte sich diese Konstellation.

Die PDS-Kader begannen wieder auf ihren Führungsanspruch zu pochen und verwiesen darauf, dass sie im Osten sogar Bürgermeisterposten gewinnen können, während die Partei im Westen aus den Parlamenten fliegt. Doch der als Ost-West-Streit medial wahrgenommene Kampf zwischen den DDR-Nachwuchskräften und West-Sozialdemokraten ist längst auch von anderen Streitpunkten geprägt. So haben sich auf die Seite von Bartsch auch junge Pragmatiker innerhalb der Linken geschlagen, die nicht mehr von der DDR geprägt waren. Sie sehen in Bartsch ein Bollwerk gegen die Linkssozialdemokraten um Lafontaine.

Auf seine Seite stellen sich auch Parteilinke der unterschiedlichen Couleur, was Lafontaine fast in den Ruf eines radikalen Linken bringt, was nicht nur die Kritikerin der Linkspartei Jutta Ditfurth erheitert.

Europäische Linkspartein zwischen Erfolg und Niederlage

Ein tieferer Grund für den Machtkampf liegt allerdings in Problemen vieler linkssozialdemokratischer Parteien in Europa in den letzten Jahren. Die Rifondazione Comunista ist in Italien nach kurzem Aufstieg und europaweiter Beachtung ebenso gescheitert wie die vor einigen Jahren gegründete NPA in Frankreich. Dort hat sich dafür ein neues Linksbündnis formiert, das sich explizit auf Lafontaine und die Linke beruft. Auch das griechische Linksbündnis Syriza, das bei den letzten Wahlen zur zweitstärksten Partei wurde, sieht in der Linkspartei einen Bündnispartner. Der ist aber zur Zeit vor allem mit sich selbst beschäftigt.

Frauenvorstand als Alternative?

Das Duell Bartsch-Lafontaine hat auch zur Aktivierung an der Basis und der parteinahen Presse geführt. Im Neuen Deutschland, das sich in den letzten Monaten als bundesweite linke Tageszeitung neu zu erfinden versucht, wird das Duell der zwei Männer sehr kritisch kommentiert. Auch an der Basis gibt es immer mehr Stimmen, die eine Parteispitze ohne die Alphatiere Lafontaine und Bartsch befürworten.

Auch eine nur aus Frauen bestehende Parteiführung findet Unterstützung. Dabei wird darauf verwiesen, dass im gegenwärtigen Machtkampf Frauen nur schmückendes Beiwerk wären. Mit der Zwickauer Gewerkschafterin Sabine Zimmermann hat sich jetzt erstmals eine Frau zur Kandidatur bereit erklärt. Dabei zeigt schon ein Foto auf ihrer Homepage, dass sie nicht zu den Lafontaine-Gegnerinnen zählt. Sie hat sich aber aus dem Machtkampf rausgehalten.

Sollte es eine Alternative zu den Streithammeln geben, stellt sich allerdings die Frage, wie Lafontaine in die Partei eingebunden bleibt. Bisher war auch eine Spitzenkandidatur bei den nächsten Bundestagswahlen im Gespräch. Es wird sich zeigen, ob durch den Streit der letzten Wochen solche Überlegungen überhaupt noch realistisch sind. Zur Zeit ist noch schwer vorstellbar, wie nach dem Parteitag am ersten Juniwochenende in Göttingen die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Flügel wieder funktionieren soll.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/152039
Peter Nowak