So hart wie die Realität – die neue CD von Kai Degenhardt

»Auch meine fünfte Platte ist selbstverständlich wieder ein politisches Liedermacher-Album – was sonst? Allerdings nicht in dem Sinne, dass ich zur Klampfe singend tagespolitische Themen erörtere«, schreibt der Hamburger Liedermacher Kai Degenhardt auf den Waschzettel zu seiner kürzlich veröffentlichten CD »näher als sie scheinen«. Ein singendes Flugblatt war und ist Kai genau so wenig wie sein im letzten Jahr verstorbener Vater Franz Josef Degenhardt, der als »Väterchen Franz« seit den 60er Jahren Maßstäbe im Bereich der deutschsprachigen Chansons gesetzt hat.

Kai Degenhardt steht in dieser Tradition und doch ist ihm das Kunststück gelungen, einen unverwechselbaren Stil zu kreieren. Es ist die Härte in Text und Musik, mit der sich der Sohn eindeutig von den Arbeiten des Vaters unterscheidet. Damit zeigt er aber, wie nah er an der Realität der heutigen Arbeits- und Lebenswelt vieler Menschen dran ist.

Während der alte Degenhardt in seinen Chansons noch zur Feier am »Tisch unter den Pflaumenbäumen« einladen konnte, lässt Kai Degenhardt in »Wendehammer-Bohème« »ein dickes Imbiss-Mädchen mit »Kleinkrimiellen in Adidas« und »Kifferkurt mit Lederhut« ihr Bier trinken. Für Romantik ist da ebenso wenig Platz wie für kuschelige Sitzecken. Konnte der Vater mit Rudi Schulte noch das Bild eines linken Gewerkschaftsaktivisten zeichnen, der seinen Weg geht, steht sich bei Kai im Song »Vom Machen und Überlegen« »Verdi-Willi mit Trillerpfeife und Flugblatt mit Tausenden seiner Kollegen die Füße wieder platt«. Verdi-Willi ist genau so ratlos wie die Jungautome »Mari mit nem Molli in der Hand«. Doch Degenhardt wendet die scheinbar ausweglose Szenerie mit dem letzten Satz: »Wo kommen wir zusammen und überlegen uns noch mal?«

Nein, wir haben keine Chance, aber wir nutzen sie. Diese aus Wissen und Verzweiflung gewonnene Einsicht spricht auch aus den historischen Songs, mit denen Kai Degenhardt am direktesten an Songs aus dem Repertoire seines Vaters anknüpft. Der Heizer Franz, der in dem Chanson »Herbst 1918« auf dem kaiserlichen Kriegsschiff das Feuer löschte und den Startschuss zur Revolution gab, erhielt schon Wochen später von kaisertreuen Freikorps einen Schuss in den Arm. »Und am Horizont drohte schon die braune Brut«, heißt es kurz und prägnant am Ende.

Im letzten, mehr als 18 Minuten dauerenden Song werden zahlreiche 68er-Mythen dekonstruiert. »Sich immer wieder neu erfinden, wie bei Madonna, Apple oder Adidas«, bringt Degenhardt eine ganze Philosophie mit einem Satz auf den Punkt. Aus dem Alltag gegriffen ist hier nicht nur eine hübsche Floskel. Die klappenden Mülltonnendeckel und das Katzengemieze stammen von Alltagsgeräuschen, die Kai Degenhardt mit einem Mp3-Player in den letzten Jahren in seiner Umgebung aufgenommen und dann am Rechner verfremdet hat.

Degenhardt zeigt auch mit seiner neuesten Platte, dass man ein gnadenloser Realist sein kann und gerade deshalb den Traum von einer vernünftiger eingerichteten Welt nicht aufgeben muss.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/224739.plattenbau.html

Peter Nowak

Kai Degenhardt: näher als sie scheinen (Plattenbau)

Wie umgehen mit dem rechten Rand der Piraten?

Der Fall Bodo Thiesen: Für die Meinungsfreiheit oder politisch nicht tragbar? Das Bundesschiedsgericht der Piraten entscheidet gegen einen Ausschluss

Die Piratenpartei befindet sich zur Zeit im Aufwind und gewinnt auch viele neue Mitglieder. Doch wie wird man ein Mitglied los, das nach Meinung des Parteivorstands politisch nicht tragbar ist? Über diese Frage streitet die Partei seit zwei Jahren. Es geht um Bodo Thiesen, dem nicht wenige in der Partei parteischädigende Äußerungen vorwerfen.

„Wenn Polen Deutschland den Krieg erklärt hat (und das hat Polen indirekt durch die Generalmobilmachung), dann hatte Deutschland jede Legitimation, Polen anzugreifen“, soll beispielsweise Thießen gesagt haben. Für nicht wenige war diese Äußerung parteischädigend und damit ein Ausschlussgrund. Zumal Thiesen noch andere Geschichtslektionen parat hatte. Dazu zählt sicher die ihm zugeschriebene Äußerung:

„Solange der Holocaust als gesetzlich vorgeschriebene Tatsache existiert, sehe ich keine Möglichkeit, diesen neutral zu beschreiben. Zur Erinnerung an vergangene Zeiten. Es gab auch mal andere Doktrinen, z. B. die ‚Tatsache‘, dass die Erde eine Scheibe sei.“

Besonders mit dieser Äußerung sahen viele den Tatbestand der Holocaustrelativierung oder gar der Leugnung erfüllt. Jetzt hat das Bundesschiedsgericht der Piraten in seinem Urteil klargestellt, dass Thiesen Pirat bleiben kann. Dabei ging das Gericht nicht auf die Äußerungen ein, sondern bezog sich auf das Prozedere. Thiesen sei bereits 2008 vom damaligen Bundesvorstand verwarnt worden. Eine Ausschluss wäre daher eine Doppelbestrafung und die sei zu vermeiden, lautet die Begründung. Auch das Landesschiedsgericht der Piraten von Rheinland-Pfalz hatte sich bereits mit Thiesens Äußerungen beschäftigt. Der Landesverband versuchte in einer Pressemeldung den Eindruck zu widerlegen, dass die Entscheidung ein Sieg für Thiesen ist. Der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Roman Schmitt erklärt:

„Sowohl aus dem Urteil des Landes- wie des Bundesschiedsgerichts wird deutlich, dass es sich auf keinen Fall um einen ‚Freispruch‘ handelt. Vielmehr seien es ‚politisch und historisch in hohem Maße unsensible‘ Äußerungen. Diese werden von den Mitgliedern des Landesverbandes nicht unwidersprochen hingenommen, unabhängig davon, ob sie für einen Ausschluss hinreichend sind oder nicht!“

Grenzen der Meinungsfreiheit?

An der Personalie von Thiesen entspann sich in der virtuellen Piratenwelt ein heftiger Streit über die Grenzen der Meinungsfreiheit. An der Debatte beteiligte sich auch Thiesen mit einer persönlichen Stellungnahme. Dort stellt er klar:

„Meine Ansichten über die deutsche Geschichte entsprechen sicherlich nicht der allgemeinen Lehrmeinung, allerdings ist es Teil der freiheitlich demokratischen Grundordnung, seine Meinung auch dann äußern zu können/dürfen, wenn sie eben nicht der allgemeinen Lehrmeinung entspricht.“

Lange Zeit interessierten sich nur sehr kleine Kreise für die Gedankenwelt des Bodo Thiesen. Doch da die Piraten in Umfragen mittlerweile als drittstärkste Partei erscheinen, hat der Umgang mit Thiesen und die Entscheidung des Schiedsgerichts bundespolitisch für Wirbel gesorgt. Grüne und SPD kritisierten heftig, dass Thiesen nicht ausgeschlossen wurde. Ob diese Entscheidung den Umfragehöhepunkt der Piraten stoppt, muss sich zeigen. Schon 2009, als Thiesens Geschichtslektionen bekannt wurden, sahen manche Kommentatoren voreilig das Ende der Piraten gekommen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151828
Peter Nowak

Demo gegen Görings Soldat

ANTIFA WILL IN HOHENSCHÖNHAUSEN PROTESTIEREN

Im Sommer 2011 endete in Italien ein Prozess gegen Angehörige des Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“. Neun Mitglieder der Formation waren wegen Massakern an italienischen Zivilisten im Frühjahr 1944 angeklagt worden. Sie erschienen während des Verfahrens nie vor Gericht, die Verurteilung zu hohen Haftstrafen hatte für sie keine Konsequenzen. Deutschland liefert die Männer nicht nach Italien aus und vollstreckt die Strafen auch nicht selbst.

Seit einem Jahr versuchen antifaschistische Gruppen, die in Berlin lebenden Angeklagten öffentlich zu machen. Im letzten Sommer wurde in der Nähe des Wohnorts von Helmut Odenthal in Reinickendorf demonstriert (taz berichtete). Nun soll die Nachbarschaft über die Vergangenheit von Herbert Wilke informiert werden. Der 92-Jährige war Offizier und Kommandant der 10. Batterie des II. Flak-Regiments der Division Hermann Göring. Da ihn beim Prozess in Italien keine direkte Beteiligung bewiesen werden konnte, wurde er nicht verurteilt. Die Entscheidung wurde vom Gericht allerdings nicht als Freispruch interpretiert.

„Wilke war Mitglied der Lieblingseinheit von Hermann Göring und hat weder in Italien noch in Deutschland zur Aufklärung der Massaker beigetragen“, betont Martin Sonnenborn vom Bündnis Liberationweeks.

Am vergangenen Wochenende berichtete die ständige Beobachterin der italienischen Prozesse Marianne Wienemann über die Bedeutung der Verfahren für Opfer und Angehörige. Am Freitag soll das Unwissen über diese letzten Verfahren in Deutschland durchbrochen werden. Die Demonstration beginnt um 16 Uhr vor dem Storchenhof-Center in der Rhinstraße/Ecke Hauptstraße in Hohenschönhausen.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=
2012%2F04%2F18%2Fa0148&cHash=8bc5f48ad2
Peter Nowak

Demo gegen Görings Soldat

ANTIFA WILL IN HOHENSCHÖNHAUSEN PROTESTIEREN

Im Sommer 2011 endete in Italien ein Prozess gegen Angehörige des Fallschirm-Panzer-Division „Hermann Göring“. Neun Mitglieder der Formation waren wegen Massakern an italienischen Zivilisten im Frühjahr 1944 angeklagt worden. Sie erschienen während des Verfahrens nie vor Gericht, die Verurteilung zu hohen Haftstrafen hatte für sie keine Konsequenzen. Deutschland liefert die Männer nicht nach Italien aus und vollstreckt die Strafen auch nicht selbst.

Seit einem Jahr versuchen antifaschistische Gruppen, die in Berlin lebenden Angeklagten öffentlich zu machen. Im letzten Sommer wurde in der Nähe des Wohnorts von Helmut Odenthal in Reinickendorf demonstriert (taz berichtete). Nun soll die Nachbarschaft über die Vergangenheit von Herbert Wilke informiert werden. Der 92-Jährige war Offizier und Kommandant der 10. Batterie des II. Flak-Regiments der Division Hermann Göring. Da ihn beim Prozess in Italien keine direkte Beteiligung bewiesen werden konnte, wurde er nicht verurteilt. Die Entscheidung wurde vom Gericht allerdings nicht als Freispruch interpretiert.

„Wilke war Mitglied der Lieblingseinheit von Hermann Göring und hat weder in Italien noch in Deutschland zur Aufklärung der Massaker beigetragen“, betont Martin Sonnenborn vom Bündnis Liberationweeks.

Am vergangenen Wochenende berichtete die ständige Beobachterin der italienischen Prozesse Marianne Wienemann über die Bedeutung der Verfahren für Opfer und Angehörige. Am Freitag soll das Unwissen über diese letzten Verfahren in Deutschland durchbrochen werden. Die Demonstration beginnt um 16 Uhr vor dem Storchenhof-Center in der Rhinstraße/Ecke Hauptstraße in Hohenschönhausen.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=ba&dig=
2012%2F04%2F18%2Fa0148&cHash=8bc5f48ad2
Peter Nowak

Revolutions- oder Kriegspatenschaften für Syrien?

Nichtregierungsorganisationen streiten über die Unterstützung der syrischen Opposition

In den letzten Wochen konnte man den Eindruck gewinnen, die organisierte Friedensbewegung sehe momentan das israelische Waffenarsenal als das größte Problem für den Weltfrieden. Schließlich haben sich auf den letzten Ostermärschen führende Sprecher der Friedensbewegung demonstrativ hinter Günther Grass und sein Gedicht gestellt, das wegen seiner einseitigen Konzentration auf Israel im In- und Ausland kritisiert wurde. Doch gibt es auch andere Konflikte in der Welt, über die sich Aktivisten streiten. Dazu gehört die Frage, wie sie mit der syrischen Opposition umgehen wollen, die bekanntlich sehr heterogen ist.

Vor einigen Monaten haben Journalisten und Aktivisten, die sich länger im arabischen Raum aufgehalten haben, die Initiative „Adopt a revolution“ gegründet. Ziel ist die Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Initiativen, die gewaltfrei für einen Sturz des syrischen Regimes kämpfen. Als Beispiel wird das Komitee Al Madin genannt, das mit Mobiltelefonen den Kontakt zur Außenwelt hält und so auch die Proteste bekannt macht. Weil die Repressionsbehörden den Aktivisten auf der Spur sind, brauchen sie ständig neue Handys. Tatsächlich kann eine solche Unterstützung so eine wichtige Infrastruktur für den Widerstand stärken.

Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen, darunter medico International, gehören mittlerweile zu den Unterstützern von „Adopt the revolution“. Die Organisatoren betonen, dass sie „nur den unbewaffneten Teil der Revolution fördern“. Da aber gleichzeitig die Freie Syrische Armee zu einer der vier Säulen des syrischen Widerstands erklärt wurde, und deren Aktivitäten als berechtigt angesehen werden, wächst die Kritik an der Initiative aus unterschiedlichen Gründen.

Da gibt es die klassisch antiimperialistische Fraktion, die den Widerstand gegen das mit Iran verbündete Assad-Regime vor allem als Wühlarbeit von ausländischen Kräften interpretieren. Nach dieser Lesart haben die Oppositionellen Pech, dass sie nicht in einem Land mit einem prowestlichen Regime leben, dann wäre ihr Widerstand natürlich berechtigt.

Wie emanzipatorisch ist die Freie Syrische Armee?

Daneben gibt es mittlerweile auch Kritiker von „Adopt the Revolution“, die eine größere inhaltliche Differenzierung der syrischen Opposition vermissen. So weisen Kenner der politischen Landschaft der Region auf die regressiven Elemente der Freien Syrischen Armee hin. Ist es nach den Erfahrungen mit der iranischen Revolution wirklich sinnvoll, davor die Augen zu verschließen, zumal die Freie Syrische Armee als bewaffnete Macht nach einem Regimechange in Syrien durchaus andere demokratische Kräfte unterdrücken könnte?

Die Informationsstelle Militarisierung e.V. wiederum fragt polemisch, ob „Adopt the Revolution“ Kriegspatenschaften unterhalte und fordert von der Initiative, dass sie zur Gewaltfrage Farbe bekennen muss. Schon die Wortwahl und die Art der Aufforderung erinnert an dem Bekenntniszwang bei der Befragung von Kriegsdienstverweigerern.

Eine ähnliche Debatte gab es übrigens in den 1980er Jahren, als die Tageszeitung die Initiative „Waffen für El Salvador“ initiierten gewaltfreie Gruppen Gewissensprobleme artikulierten. Im Unterschied zu der momentanen Debatte um Syrien gab es allerdings in der Linken niemand, der für den Erhalt des Systems eingetreten wäre. Wenn auch in der Oppositionsbewegung regressive Momente in der Geschichte der linken Opposition ausgeblendet wurden, die vor und während des Guerillakriegs mit internen Opponenten oft kurzen Prozess machte, scheint dort das demokratische Potential größer gewesen zu sein als in diversen syrischen Oppositionsgruppen.

Manche fragen sich, ob die beste Unterstützung der syrischen Opposition nicht darin bestanden hätte, die lange Zeit guten Beziehungen zwischen der deutschen und der syrischen Regierung zum Gegenstand von Protesten zu machen. So mussten vor kurzer Zeit noch Flüchtlinge aus Syrien die Abschiebung in ihr Heimatland fürchten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151815
Peter Nowak

Widerstand gegen Geburtsgeschenk

In der Linken regt sich Unmut gegen eine Aktion der »Bild«-Zeitung
Die »Bild«-Zeitung geschenkt? Diejenigen, die das Springer-Blatt nicht mal kostenlos haben wollen, können sich gegen eine geplante Werbeaktion wehren.

Wer am 23. Juni die Ausgabe der »Bild«-Zeitung im Briefkasten findet, hat nicht etwa ohne sein Wissen ein Abonnement abgeschlossen. Zum 100. Geburtstag von Axel Springer und dem 60. Jubiläum der von ihm gegründeten Bildzeitung plant der Springer-Verlag ein besonderes Geburtsgeschenk. 41 Millionen Haushalte sollen gratis mit der Bildzeitung beliefert werden. Doch das unerwünschte Präsent hat schon zu Protesten geführt. Am Donnerstag hat die Initiative „Alle gegen Bild“ zum Boykott der Gratisbildzeitung aufgerufen. Die vom Kampagnennetzwerk Campact unterstützte Initiative besteht nach Angaben ihres Mitglieds Sebastian Schulze aus Einzelpersonen ohne parteipolitischen Hintergrund. Auf ihrer Homepage http://alle-gegen-bild.de/
findet sich ein mit Juristen ausgearbeitetes Schreiben, mit dem man dem Springer-Verlag rechtswirksam die Zusendung der Bild-Zeitung untersagen kann..
„Wenn Sie unser Formular abgeschickt haben und am 23. Juni in Ihrem Briefkasten dennoch die Jubiläumsausgabe von Bild finden, können Sie gegen Springer mit einer Unterlassungsklage oder einer anwaltlicher Abmahnung vorgehen. Wenn das einige zehntausend Leute machen, kann es für den Verlag richtig teuer werden, ist Schulze überzeugt.
Auf der Homepage findet sich auch ein Interview von Günther Wallraff, der 1977 unter falscher Identität bei Springer gearbeitet hat und mit seinen Büchern zum Mentor einer bundesweiten Anti-Bild-Kampagne wurde. Heute findet auch Menschen aus alternativen oder linken Zusammenhängen oft nichts mehr dabei, mit der Bildzeitung zusammen zu arbeiten. Die wiederum zeigt sich bereit, auch auf die Kritiker zuzugehen.“Dass die Bild-Zeitung heute harmlos und mit dem Anspruch auftritt, erwachsen geworden zu sein, macht sie nur noch gefährlicher. Denn damit wird ihre Berichterstattung weniger stark hinterfragt“, erklärt Schulze gegenüber nd. An den Methoden habe sich aber wenig geändert, meint Schulze und verweist auf einen Bild-Bericht vom vergangenen Mittwoch, in dem Erwerbslose als Arbeitsunwillige und Drückeberger diffamiert wurden. Über die tägliche Schikanierung von Hartz IV-Beziehern werde hingegen in dem Blatt nicht berichtet. Der Aktiivst sieht bei Bild zudem eine besondere Gefahr, dass sie sich in populistischer Manier als die Zeitung als Stimme der schweigende Mehrheit in der Bevölkerung geriert. In den nächsten Wochen planen die Aktivisten der Kampagne Veranstaltungen und eine Plakatserie zu Bild. Damit könnten sie bei größeren Teilen der außerparlamentarischen Linken auf offene Ohren stoßen. Schließlich will ein Bündnis linker Gruppe auch auf der diesjährigen 1.Mai-Demonstration, die um 18 Uhr in Kreuzberg startet, ihre Kritik an Bild und dem Springerkonzern unterbringen. Doch die Versammlungsbehörde hat schon angekündigt, eine Demoroute in der Nähe des Springer-Hochhauses mit Verweis auf die Vorbereitungen für eine Jubiläumsparty nicht zu genehmigen. Sollte das Routenverbot von der Polizei verkündet werden, wollen die Aktivisten klagen. „Es kann nicht sein, dass wegen einer private Feier des Springerkonzerns das Demonstrationsrecht von Tausenden Menschen beschnitten wird“, meint ein Sprecher des1-Mai-Bündnisses.
Peter Nowak
Kampagnenhomepage: http://alle-gegen-bild.de/

Rechter Mord in Neukölln?

Nach zwei gewaltsamen Todesfällen in Neukölln gibt es viele Spekulationen und Kritik an der Polizei

Der Fall Trayvon Martin in den USA hat auch in Deutschland für Diskussionen gesorgt. Der dunkelhäutige Jugendliche war von einem Mann mit weißer Hautfarbe erschossen worden. Das Mitglied einer Bürgerwehr machte Notwehr geltend, weil der mit einem Kapuzenpullover bekleidete Jugendliche über ein Nachbarschaftsgrundstück gelaufen ist. Weil der Schütze zunächst nicht festgenommen wurde, war die Empörung groß. Mittlerweile wurde gegen den Mann Anklage erhoben und er ist auch in Haft. In Deutschland, wo in der Debatte sofort eine US-Schelte laut wurde, könnte man sich jetzt dem gewaltsamen Tod eines Jugendlichen zuwenden, der durchaus Ähnlichkeiten mit dem Fall Martin hat, der sich aber im Berliner Stadtteil Neukölln zutrug.

Dort war am 4. März der 18-jährige Youssef El A. bei einem Streit nach einem Fußballspiel durch Messerstiche getötet worden. Der Täter Sven N. hatte sich nach der Tat bei der Polizei gestellt, auf Notwehr berufen und war deshalb nicht festgenommen worden. Dabei war N. schon mehrmals wegen verschiedener Delikte, darunter Körperverletzung, auffällig geworden. Daran entzündete sich schnell Kritik.

Wäre es denkbar, dass ein einschlägig polizeibekannter Jugendlicher mit arabisch klingendem Namen in Freiheit bliebe, wenn er bei einem Streit einen Ur-Neuköllner getötet hätte und sich auf Notwehr beriefe? Die Frage wird öfter gestellt. Zumal sich der getötete Jugendliche wie seine Eltern zivilgesellschaftlich im Stadtteil engagiert hatte. Die Familie wurde vom multikultureller Anwandlungen unverdächtigen Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky als Bilderbuchfamilie bezeichnet.

Die Mutter des Getöteten kritisiert mittlerweile das Verhalten der Polizei nach dem Tod ihres Sohnes. „Ich hatte noch keinen Brief oder Besuch von der Polizei, noch kein Aktenzeichen, als im Fernsehen schon bekannt gegeben wurde, der Täter sei wieder frei“, klagt sie.

Fortsetzung der NSU-Mordserie?

Die Debatte gewann an Fahrt, als auch die Eltern des in der letzten Woche erschossenen Burak B. ähnliche Vorwürfe gegen die Polizei erhoben. Auch sie gaben an, von der Polizei nicht über den Tod ihres Sohnes informiert worden zu sein. Er stand nach Zeugenberichten mit Freunden vor einem Neuköllner Krankenhaus und feierte den Antritt einer Ausbildungsstelle bei einem Autohändler, als ein noch unbekannter Mann bis auf wenige Meter an die Gruppe herantrat und schoss. B. wurde getötet, zwei weitere Jugendliche schwer verletzt. Nicht nur in türkischen Medien wird über einen rechten Hintergrund der Tat spekuliert.

Auffällig ist, dass in verschiedenen deutschen Medien sofort darauf hingewiesen wurde, dass der Tatort von Familien mit türkischem Hintergrund geprägt sei. Soll damit suggeriert werden, dass eine solche Tat damit einfacher erklärt werden kann, als wenn sie in Zehlendorf oder Charlottenburg passiert wäre?

Dann hätten die Medien aus der Debatte nach dem Bekanntwerden der NSU-Mordserie wenig gelernt. Zeitweilig gab es danach kritische Stimmen, weil bei der Polizei und in vielen Medien die Gründe für den Tod sofort bei den Opfer gesucht wurde und rechte Tatmotive gar nicht in Erwägung gezogen worden waren. Im Aufruf für eine länger vorbereiten Demonstration gegen Neonaziumtriebe in Neukölln, die heute stattfand, wurde ausführlich auf den NSU eingegangen. Das Thema ist durch den Angriff auf die Jugendlichen aktueller geworden, als die Verfasser wohl vor Monaten geahnt hatten.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151795
Peter Nowak

Quasi soziale Selektion

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat unlängst die schlechten Karriere- und Verdienstmöglichkeiten im Wissenschaftsbetrieb kritisiert. »Wir brauchen eine Reform der Karrierewege und eine Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen«, erklärte der Hochschulexperte der GEW Andreas Keller bei einer Anhörung im Bundestag. Die Kritik ist berechtigt. In der vielzitierten Wissensgesellschaft sind junge Akademiker zunehmend damit konfrontiert, sich von einem schlecht oder gar nicht bezahlten Projekt zum Nächsten zu hangeln und auf eine Festanstellung zu hoffen. Andererseits gibt es durchaus Beispiele, dass auch ohne offizielle Weihen Wissenschaft möglich ist. Bundesweit existieren selbstverwaltete Institute. Doch auch für diese gilt: In der Regel wird un- oder unterbezahlt gearbeitet wird. Wer auf ein regelmäßiges Einkommen angewiesen ist, wird sich daher eher selten in diesen Strukturen etablieren. Übrig bleiben die Wissenschaftler, die anderweitige Möglichkeiten haben, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Das wiederum führt zu einer quasi sozialen Selektion. So besteht gerade in alternativen Wissenschaftsstrukturen das Dilemma, dass Akademiker aus dem Arbeitermilieu nicht besonders häufig zu finden sind, weil sie sich die unbezahlte Arbeit nicht leisten können. Auch in linken Wissenschaftskreisen wäre es daher wichtig, sich die Bedeutung des gewerkschaftlichen Engagements in Erinnerung zu rufen. Während es vor einigen Jahrzehnten Studierendengruppen gab, die auf die Bezeichnung »gewerkschaftliche Orientierung« bestanden, sehen es heute sogar manche linken Wissenschaftsarbeiter als karriereschädigend an, sich zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen an eine Gewerkschaft wenden.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/223907.quasi-soziale-selektion.html
Peter Nowak

Revival der Bild-Kritik?

Zum Jubiläum, zu dem jeder Haushalt mit einer Bild-Zeitung beglückt werden soll, regt sich erneut Kritik an der Zeitung mit den großen Buchstaben

In den letzten Jahren haben viele Ex-Linke ihren Frieden mit der Bild-Zeitung gemacht. Kritik an dem Boulevardblatt galt fast schon als hoffnungslos antiquiert. Die Bild-Zeitung hat es in den letzten Jahren durch ihre Werbung verstanden, scheinbar auch nonkonformistische Personen einzubinden, und durch ihre Rolle in der Causa Wulff galt sie in manchen Kreisen schon fast als seriöses Blatt.

Doch ausgerechnet zum Doppeljubiläum regt sich neue Bild-Kritik mit großem Anspruch. In diesem Jahr jähren sich das 60. Jubiläum der Bild-Zeitung und der 100. Geburtstag des Begründers Axel Springer. Am 23. Juni sollen 14 Millionen Haushalte gratis und unaufgefordert die Bild-Zeitung zugeschickt bekommen.

Das primäre Ziel der aus Einzelpersonen ohne parteipolitischen Hintergrund bestehenden Initiative Alle gegen Bild, die die Kampagne gemeinsam mit campact organisiert hat, ist die Ablehnung des Geburtstagsgeschenks. Auf der Homepage findet sich ein mit Juristen ausgearbeitetes Schreiben, mit dem man dem Springer-Verlag rechtswirksam die Zusendung der Bild-Zeitung untersagen und bei Nichtbeachtung mit einer Unterlassungsklage reagieren kann. „Wenn das einige zehntausend Leute machen, kann es für den Verlag richtig teuer werden“, glaubt Kampagnenaktivist Sebastian Schulze. Er sieht die neue Offenheit von Bild kritisch: „Dass die Bild-Zeitung heute harmlos und mit dem Anspruch auftritt, erwachsen geworden zu sein, macht sie nur noch gefährlicher. Denn damit wird ihre Berichterstattung weniger stark hinterfragt.“

Wie Bild die Schummelei von Erwerbslosen konstruiert

Am Inhalt von Bild habe sich wenig geändert, meint Schulze mit Verweis auf eine Bild-Schlagzeile, in der Hartz IV-Bezieher wieder einmal als Trickser und Schummler dargestellt werden. In typisch populistischer Manier wird dann „Volkes Stimme“ abgefragt.

Erwerbslosengruppen werfen Bild Stimmungsmache gegen Erwerbslose vor. Tatsächlich gibt der Anlass des Bild-Artikels für die Bild-Schlagzeile nichts her. Dabei ging es um vermehrte Sanktionen gegen Erwerbslose trotz des Rückgangs der sogenannten Betrugsfälle. Allerdings hat nicht nur Bild die Gelegenheit genutzt, um Klischees zu verbreiten.

Die Anti-Bild-Initiative will in den nächsten Woche mit einer Plakatserie und Veranstaltungen gegen Bild mobilisieren. Vielleicht könnte dann auch auf Forschungen zum Erfolg der Bildzeitung eingegangen werden, die dem optimistischen Titel der Initiative „Alle gegen Bild“ wiedersprechen. Es ist gerade ein Wesensinhalt des Populismus und Sozialchauvinismus, Teile der Bevölkerung mit den Eliten zusammenzuschweißen.

Bild und Israel

Ein weiterer innerlinker Streitpunkt ist die Haltung der Bild-Zeitung zum Staat Israel. Eine Ausstellung im Jüdischen Museum Frankfurt/Main zeigt auf, dass für Springer die Integration bekannter NS-Belasteter und ein Bekenntnis zu Israel kein Widerspruch war, was der Publizist Otto Köhler bereits 1967 kritisiert hat. In den in der Ausstellung dokumentierten Artikeln wird beispielsweise gegen Überlebende der Shoah, die als Vertriebene in Deutschland lebten, in antisemitischer Manier gehetzt, während die Erfolge der israelischen Armee gegen die Truppen der arabischen Nachbarstaaten mit Metaphern gelobt wurden, die direkt aus den Wochenschauen des NS-Regimes stammen können. Gleichzeitig wurde der Erfolg der Tsahal in Jerusalem von der Springer-Presse zum Anlass für die Frage genommen, ob das nicht eine Blaupause für das geteilte Berlin sein könnte.

Eine intensive Beschäftigung mit Bild planen linke Gruppen in Berlin auch im Rahmen der 1.Mai-Demonstration. Die soll in diesem Jahr am Springer-Gebäude vorbeiziehen. Doch die Versammlungsbehörde hat schon angekündigt, eine Demoroute in der Nähe des Springer-Hochhauses mit Verweis auf die Vorbereitungen für eine Jubiläumsparty nicht zu genehmigen. Sollte das Routenverbot von der Polizei verkündet werden, wollen die Aktivisten klagen: „Es kann nicht sein, dass wegen einer privaten Feier des Springerkonzerns das Demonstrationsrecht von Tausenden Menschen beschnitten wird“, meint ein Sprecher des 1.-Mai-Bündnisses.
http://www.heise.de/tp/blogs/6/151785
Peter Nowak

Zurück zu den Alltagskämpfen


Der Erfolg der Krisenproteste bemisst sich nicht an der Zahl der Demonstranten in Frankfurt oder an der Dauer einer symbolischen Blockade, sondern an der Verbindung mit Alltagskämpfen.

Nach der Demo ist vor der Demo. Dieser Spruch ist bei Organisatoren sozialer Proteste in diesen Tagen besonders beliebt. Nach dem antikapitalistischen Aktionstag am 31. März in Frankfurt werden nun die dortigen Aktionstage Mitte Mai vorbereitet. Am kommenden Freitag soll die Öffentlichkeitsarbeit beginnen. Mit dem Ausdruck »Blockupy« wurde bereits ein Slogan und mit dem Zelt ein Symbol geschaffen. Im Sinne der diesjährigen Protestagenda mag es richtig sein, wie Wolf Wetzel in seinem Jungle World-Beitrag in den Pfingstaktionen die Fortsetzung von M31 zu sehen. Doch inhaltlich fällt »Blockupy« hinter M31 zurück. Während dort der kapitalistische Verwertungszwang im Mittelpunkt der Kritik stand, will man sich Mitte Mai als Teil einer neuen internationalen Protestbewegung inszenieren. Die Revolten in Nordafrika werden beschworen, soziale Auseinandersetzungen in den USA und in den verschiedenen EU-Ländern und die Proteste gegen Acta werden in dem Aufruf angeführt. Die Organisatoren versuchen, mit dem Bezug auf die »Occupy«-Bewegung den so disparaten Kämpfen eine gemeinsame Stoßrichtung zu geben.

Dabei wird allerdings sehr eigenwillig mit der kurzen Geschichte dieser Bewegung ungegangen. So heißt es in dem zentralen Aufruf zu den Aktionstagen: »Ausgehend von Occupy Wall Street ist wie aus dem Nichts eine weltweite Bewegung gegen Entdemokratisierung und soziale Angriffe entstanden, Hunderttausende sind weltweit gegen Internetzensur auf die Straße gegangen. Auch das Camp vor der Europäischen Zentralbank besteht weiter.« Tatsächlich campierten in Spanien und Israel Empörte schon Monate vor »Occupy Wall Street« auf öffentlichen Plätzen. Mit der Ausblendung dieser Bewegungen werden ausgerechnet auf jene Proteste in den Mittelpunkt gestellt, die mit ihrem Bezug auf Banken und Börse und einer auf den Finanzsektor konzentrierten Kapitalismuskritik hinter den Diskussionsstand der M31-Mobilisierung zurückfallen.

Wie Laura Winter in ihrem Jungle World-Beitrag betont, wurde mit der EZB nicht ein Symbol der Finanzwelt, sondern eine politische Einrichtung zum Ziel der Demonstration am 31. Mai. Ein plumpes Bankenbashing wurde hingegen eindeutig zurückgewiesen. Dieser Unterschied wird im Beitrag von Wolf Wetzel verwischt, wenn er die 2010 von der Georg-Büchner-Initiative lancierte Bankenblockade, M31 und die Aktionstage im Mai in eine Traditionslinie stellt. Dabei wurde die Bankenblockade auch deshalb abgesagt, weil es Kritik an der Beschränkung auf den Bankensektor auch von Gruppen gab, die am M31-Prozess beteiligt gewesen sind. Unabhängig von der Einschätzung der Berechtigung dieser Kritik ist es zunächst wichtig, die Unterschiedlichkeit der politischen Konzepte zur Kenntnis zu nehmen. Nur dann können sie auch Gegenstand einer Debatte sein.

Wetzel zitiert die Parole der geplanten Bankenblockade 2010: »Wir müssen die Richtung ändern, wir müssen die Symbolik hinter uns lassen.« Dann aber müsste sich sofort die Bemerkung anschließen, dass mit der vorgeschlagenen Aktion die Symbolpolitik fortgesetzt wird, gerade weil man sich auf den Bankensektor konzentriert. Die von Winter und Wetzel in die Diskussion gebrachte Startbahn West war ebenso wie andere Verkehrs- und AKW-Projekte ein konkretes Vorhaben, dass verhindert werden sollte. Unter dieser Prämisse muss man über die Aktionsformen diskutieren, die dieses Ziel befördern können. Banken und Börse hingegen sind integrale Bestandteile des aktuellen Kapitalismus, die nicht einfach mit einer noch so großen Blockade aus der Welt geschafft werden können. Sollte es möglich sein, Mitte Mai zwischen den Pfingstfeiertagen und dem Wochenende einige Banken in Frankfurt zu blockieren, wäre das gerade das Paradebeispiel für Symbolpolitik. Das wäre vergleichbar mit den von der Interventionistischen Linken zum großen Sieg der Protestbewegung stilisierten Blockaden in Heiligendamm 2007, die den Ablauf des Gipfels nur am Rande beeinflussten.

Wenn die Parole, die Symbolik hinter sich zu lassen, ernst gemeint ist, müsste man die Alltagskämpfe am Arbeitsplatz, im Jobcenter, an der Universität oder im Stadtteil zum Ausgangspunkt der Proteste machen. Die Großdemonstration wäre dann nur das Forum, auf dem sich die Menschen mit ihren jeweiligen Protesten präsentieren, sich koordinieren, aber auch voneinander lernen können. Dann wäre eine solche Großaktion auch nicht ein aufwendig von wenigen Menschen bis an die Grenze ihrer Belastbarkeit vorbereitetes Event, auf das allen vorherigen Beteuerungen zum Trotz danach die Flaute folgt, weil die Aktivisten dringend der Regeneration bedürfen. So dauerte es nach der Mobilisierung von Heiligendamm eine ganze Weile, bis mit den Blockaden gegen die rechten Aufmärsche in Dresden und der Aktion »Castor Schottern« an die Proteste angeknüpft werden konnte. Versuche, auch in sozialen Kämpfen mit diesen Aktionen Fuß zu fassen, wurden diskutiert, aber nicht weiter entwickelt. Das ist ein wichtiges Indiz dafür, dass soziale Alltagskämpfe einen anderen Rhythmus haben und dass das von der IL favorisierte Blockade-Konzept für bundesweite Aktionen gegen Nazis und Castoren, nicht hingegen für soziale Kämpfe im Alltag der Menschen brauchbar ist.

Einen anderen Weg sind die Menschen und Initiativen gegangen, die im September vergangenen Jahres in Berlin die große Mietendemonstration vorbereitet haben. Hier bildeten die widerständigen Strukturen vor Ort die Grundlage des Protestes. Auf der Demonstrationsroute haben Mieteraktivisten, beispielsweise von der Initiative Fulda-Weichselstraße in Neukölln oder Carla Pappel aus Treptow, von ihrer Arbeit berichtet. Dadurch wurden auch Menschen in die Demonstration einbezogen, die zuvor noch nie aus politischen Gründen auf die Straße gegangen sind. Sie haben ihr konkretes Interesse zum Ausdruck gebracht und es durch die Demonstration mit anderen Widerständen verbunden. Danach ging die Arbeit in den Stadtteilen weiter, wie die verschiedenen mietenpolitischen Aktivitäten der vergangenen Monate in Berlin zeigen. Einen Bezug auf Alltagskämpfe herzustellen, ist bei einer bundesweiten Aktion schwieriger, aber durchaus möglich.

So diskutierten auch in der Berliner M31-Vorbereitung Gewerkschafter der FAU und ein Verdi-Personalrat gemeinsam mit Vertretern der Interventionistischen Linken und des Ums-Ganze-Bündnisses über Perspektiven der Krisenproteste. Beim Ratschlag der Krisenproteste Ende Februar in Frankfurt am Main warben Beschäftigte der Steakhaus-Kette Maredo, die wegen gewerkschaftlicher Aktivitäten gemobbt und gekündigt worden waren, um Solidarität. Diese Beispiele machen deutlich, dass auch die radikale Linke zu ­einem Bündnispartner von Beschäftigten werden kann. Die Voraussetzung ist natürlich, dass sie ihre subkulturelle Selbstbezüglichkeit aufgibt und auch bereit ist, sich auf die Besonderheiten der jeweiligen Alltagskämpfe einzulassen. Beide Seiten würden davon profitieren. Die Aktivisten so­zialer Alltagskämpfe könnten ihr konkretes Anliegen in einen größeren antikapitalistischen Rahmen stellen und bekämen einen anderen Blick auf die Gesellschaft. Für die Gruppen der außerparlamentarischen Linken böte sich die Chance, ihre theoretischen Grundsätze dem Praxistest zu unterwerfen. Dabei würde sich wahrscheinlich zeigen, dass nicht jeder theoretisch fundierte Text die Konfrontation mit der Realität außerhalb des eigenen Mikrokosmos bestehen würde. Das trifft auch auf einige der auf der Homepage http://m31kritikkritik.wordpress.com dokumentierten Kritikpapiere zu, die auch auf der Demonstration M31 verteilt wurden. So wird in den auf der Homepage veröffentlichen sechs Thesen der Gruppe Eigenleben die Verfasstheit der außerparlamentarischen Linken in Deutschland ebenso gut benannt wie die vielen individuellen Rückzugsgebiete, die sich auch linke Aktivisten suchen. Doch ein Bezug auf soziale Kämpfe im Alltag sucht man in den Thesen vergeblich. Dafür finden sich an einigen kryptischen Textstellen Me­taphern aus der Computerwelt: »Unser Ziel muss es deshalb sein, die bestehenden Verhältnisse zu deprogrammieren, analysieren, und in Folge dessen – neu – rezuprogrammieren [sic].« Die »Gruppe mikrologische Aktion« wiederum liefert in ihrem Kritikpapier eine gute Kritik am Demokratiebegriff, nur um einige Absätze eine linke Moral einzufordern. Dagegen wenden sich die Autoren explizit gegen jeden positiven Bezug auf Interessen von Lohnabhängigen, Erwerbslosen, Mietern etc. »Die Demonstrierenden vom 31.03.2012 bleiben beim von Marx beschriebenen bürgerlichen Privatinteresse stehen. Dieses kann man nur in Konkurrenz zu anderen und mit der Inkaufnahme der Schädigung anderer durchsetzen«, heißt es in dem Text. Ein solches Lamento hört man sonst von den Unternehmerverbänden, wenn Lohnabhängige für ihre Interessen streiken. Die Stoßrichtung der Texte zeigt auch, dass einige linke Gruppen die Realität einer Klassengesellschaft ignorieren. Statt eine linke neue Moral zu propagieren, sollte das Interesse derer, die ausgebeutet und ausgegrenzt werden, die Grundlage von Alltagswiderstand und Protesten werden. Daran, und nicht an der Größe der Demonstrationen und der Dauer der symbolischen Blockaden, bemisst sich der Erfolg der Krisenproteste.

http://jungle-world.com/artikel/2012/15/45247.html
Peter Nowak

Schienenwerker protestieren

Österreichischer Konzern Voestalpine will Duisburger Werk schließen
2011 sorgte ein Kartell von Schienenherstellern für Schlagzeilen. Jetzt droht in Duisburg Hunderten Schienenwerker der Verlust ihrer Jobs.

Mehrere Hundert Mitarbeiter der TSTG Schienen Technik GmbH & Co. KG haben in der vergangenen Woche in Duisburg die Arbeit niedergelegt und sich gemeinsam mit Unterstützern zu einem Protestzug versammelt. Sie demonstrierten gegen die durch den österreichischen Mutterkonzern Voestalpine beschlossene Werkschließung. Davon sind knapp 500 Beschäftigte betroffen, denen die Erwerbslosigkeit droht.
Auf einer Infoveranstaltung des Betriebsrats wandten sich auch Politiker von SPD und Linken gegen die Schließung. Dabei können sie sich auf ökonomische Fakten stützen. „Die Auftragsbücher sind voll, 270.000 Tonnen sind geordert“, kritisierte nicht nur der Betriebsratsvorsitzende Heinz-Georg Mesaros die Konzernleitung. Zu den Kunden gehörte auch die Deutsche Bahn. Der Bundestagsabgeordnete der Linken hat sich in einen Brief an Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer für den Erhalt des letzten Schienenwerkes in Deutschland eingesetzt. „Die TSTG fertigt seit Jahren nicht nur hochqualifizierte Schienen für die Deutsche Bahn AG und andere europäische Eisenbahnunternehmen, das Duisburger Werk ist zudem als einziges Unternehmen in der Lage ohne Probleme just it time zur Baustelle zu liefern“, so Ernst.
Die Beschäftigten sollen für Fehler des Managements die Zeche zahlen, darin sind die Belegschaften und ihre Unterstützer einig. Dabei kommen immer wieder die Schienenfreunde in die Diskussion. Dabei handelte es sich ein im letzten Jahr bekannt gewordenes Kartell von Stahlunternehmen, das jahrelang die Preise auf dem deutschen Stahlmarkt festgelegt hat. An dem Kartell war neben Voestalpine auch Thyssen Krupp führend beteiligt. Die Schließung des TSTG-Schienentechnik liege wohl daran, dass jetzt Geld gebraucht werde, um die von den Kartellbehörden verhängten Geldstrafen wegen der illegalen Preisabsprachen zu bezahlen, vermuten viele Beschäftigte. Sie sind auch wütend, dass sie über die Schließungspläne aus der Presse erfahren haben. Für Klaus Ernst wird damit das Betriebsverfassungsgesetzt verletzt, dass eine Information der Belegschaft und des Betriebsrates vorsieht. Er war als langjähriger Gewerkschafter und Bundestagsabgeordneter zur Betriebsversammlung gekommen. Die Geschäftsführung wollte seine Teilnahme verhindern. Deswegen sollen die künftigen Informationsveranstaltungen des Betriebsrates außerhalb des Werkgeländes stattfinden. Das ist durchaus im Sinne des kämpferischen Teils der Belegschaft, die den Kampf um die Rettung der Arbeitsplätze auf die Straße tragen wollen. Die verbale Zustimmung aller lokaler Parteipolitiker ist ihnen gewiss. Im laufenden Landtagswahlkampf in NRW buhlen sämtliche Parteien um die Sympathie der Belegschaft.
Allerdings will sich die Belegschaft nicht für Wahlkampfzwecke missbrauchen lassen. Wichtiger sind ihr Solidaritätserklärungen des ThyssenKrupp-Konzern-Betriebsrates, der ver.di-Jugend NRW-Süd und der Jugendorganisation Young Struggle.
Auf der Internetplattform http://www.netzwerkit.de/projekte/tstg beginne Beschäftigte und Unterstützer ihren Widerstand zu koordinieren. Zu den dort diskutierten Vorschlägen gehören neben weiteren Aktionen auch die Organisierung einer Demonstration zur Jahreshauptversammlung von Voestalpine am 4. Juli in Linz.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/223730.
schienenwerker-protestieren.html
Peter Nowak
Infos im Internet unter: www.netzwerkit.de/projekte/tstg

Rekord bei der Sanktionierung von Erwerbslosen

Gerade weil es der Wirtschaft in Deutschland gut geht, wächst der Druck auf Hartz-V-Empfänger ganz im Sinne der Erfinder der Agenda 2010

Noch nie haben Arbeitsagenturen so viele Sanktionen gegen Hartz IV-Empfängerverhängt wie im letzten Jahr. Die Zahl ist nach Angaben eines Sprechers der Bundesagentur für Arbeit im letzten Jahr gegenüber 2010 um 10 Prozent auf 912.000 Fälle gestiegen. Die Hauptgründe waren Nichteinhalten von Terminen beim Amt sowie der Abbruch oder das Nichtantreten einer Arbeitsplatzmaßnahme.

Obwohl gleichzeitig vermeldet wurde, dass die sogenannten Betrugsfälle zurückgegangen sind, bemühte ausgerechnet die sozialdemokratische Frankfurter Rundschau sofort das Klischee vom Sozialmissbrauch, in dem sie die von den Sanktionen Betroffenen zu Arbeitsunwilligen erklärte.

Differenzierter äußerte sich eine Sprecherin der Bundesanstalt für Arbeit zu den Gründen für den Sanktionsrekord: „Je mehr offene Stellen es gibt, desto mehr Angebote können unsere Vermittler den Arbeitslosen machen und umso häufiger kommt es zu Verstößen.“ So nimmt ausgerechnet in einer Zeit des wirtschaftlichen Aufschwungs der Druck auf die Erwerbslosen zu. Nicht nur in der öffentlichen Meinung wird ihnen noch mehr als sonst die Verantwortung für den Hartz-IV-Bezug gegeben. Auch auf den Jobcentern bedeuten mehr offene Stellen, dass es für Hartz-IV-Empfänger immer schwerer wird, eine Stelle abzulehnen. Einen Job zu fast jeden Preis annehmen zu müssen, war aber genau die Intention der Agenda 2010.

Insofern zeigt das Sanktionshoch deswegen kein Versagen, sondern das Funktionieren des Hartz-IV-Systems. Zudem werden die Arbeitsagenturen immer professioneller beim Verstopfen der letzten Schlupflöcher, mit denen vielleicht manche Erwerbslose in den letzten Jahren noch ein Stück weit selber entscheiden wollten, welchen Job sie zu welchem Preis und zu welchen Bedingungen annehmen wollen. Das ist der zweite Grund für den Anstieg der Sanktionen.

Ratlosigkeit der Jobcenter oder der aktiven Erwerbslosen?

Für viele aktive Erwerbslose sind die neuesten Zahlen ein Grund mehr, ihre Forderungen nach einem Stopp der Sanktionen zu erneuern. Obwohl ein Moratorium mittlerweile von Gewerkschaftern, Wissenschaftlern und Politikern unterstützt wird, wird es nicht umgesetzt. Denn damit würde der Kern der Hartz-IV-Reformen, Lohnarbeit zu fast jedem Preis annehmen zu müssen, entfallen.

Die von einer Berliner Sozialinitiative gestarteten Befragungen von Hartz-IV-Beziehern vor dem Jobcenter Neukölln haben deutlich gemacht, dass viele Betroffene neben der Behandlung am Amt, Sanktionen und Druck als ein zentrales Problem ansehen. Mit der zunehmenden Sanktionierung von Hartz-IV-Empfängern ist die Etablierung eines Niedriglohnsektors verbunden, der wiederum Auswirkungen auf die Lohnquote insgesamt hat. Wenn die Überzeugung wächst, dass alles getan werden muss, um nicht unter das Hartz-IV-Regime zu fallen, dann sind eben viele Beschäftigte zu Lohnverzicht und Mehrarbeit bereit. Auch dieser Effekt war den Verantwortlichen der Hartz-IV-Gesetze bewusst. Daher ist auch die in einer Pressemitteilung des Erwerbslosenforums Deutschland vertretene Einschätzung, dass es sich bei dem Sanktionsrekord um einen „Ausdruck der Hilf- und Konzeptlosigkeit der Jobcenter“ handelt, in Frage zu stellen. Sind nicht die Sanktionen eher ein Ausdruck der Funktion des Hartz-IV-Systems und der Hilflosigkeit der wenigen aktiven Erwerbslosengruppen?
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151780
Peter Nowak

Hilft nur noch Oskar?

Der Druck auf Lafontaine, sich wieder für eine Spitzenposition in der Partei zur Verfügung zu stellen, dürfte zunehmen

Nach dem Rücktritt der Co-Vorsitzenden der Linkspartei, Gesine Lötzsch, wird ihr in der Partei offiziell nur Respekt bezeugt. Schließlich hat sie am Dienstagabend ihren Rücktritt mit der gesundheitlichen Situation ihres Mannes begründet. Allerdings dürfte es inoffiziell auch Erleichterung über diesen Schritt geben.

Schließlich wurde Lötzsch auch parteiintern dafür mitverantwortlich gemacht, dass die Linkspartei mittlerweile in den Mühen der Ebene angekommen ist und nicht mehr als neue, wachsende Kraft angesehen wird. Dabei ist auch viel Heuchelei im Spiel. Dass der Reiz des Neuen schnell verloren geht, wird demnächst auch die Piratenpartei erfahren müssen, deren medialen Höhenflug auch manche in der Linkspartei neidvoll verfolgen, ohne sich groß um die völlig unterschiedlichen Inhalte zu kümmern.

Lötzsch wird noch immer vorgeworfen, dass sie sich an einer Debatte über „Wege zum Kommunismus“ (Der Weg zum Kommunismus wird weiter beschritten) beteiligt hat. Kaum jemand erwähnt, dass sie sich dort ausdrücklich zum demokratischen Sozialismus bekannt hat. Auch ein Geburtstagsgruß an den Elder Statesman der kubanischen Revolution Fidel Castro, der jedes Jahr von der Linken verschickt wird und von Lötzsch nicht einmal persönlich formuliert worden war, taugte für die kurzzeitige Erzeugung von Empörung.

In Wirklichkeit haben Lötzsch und ihr Kollege Klaus Ernst für nicht wenige in der Linken zu wenig Glamour und Medientauglichkeit. Deswegen sind sie seit längerem daran interessiert, die Ära der beiden beim nächsten Parteitag enden zu lassen. Noch vor einigen Monaten konterte Lötzsch ihren Kritikern, indem sie als erste ihre erneute Kandidatur ankündigte. Mit ihrem Rücktritt aus persönlichen Gründen hat sie sich jetzt aus dem Machtkampf zurückgezogen.

Debatte um neue Führung eröffnet

Mit diesem Schritt ist die bisher inoffizielle Debatte um die neue Leitung der Linkspartei eröffnet. Nicht überraschend gab der thüringische Parteivorsitzende Bodo Ramelow den Einstieg und wiederholte im Deutschlandfunk seine Lieblingskonstellation, das Duo Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch. Damit wären nach dem Vorbild der Grünen die beiden starken Flügel, die von Wagenknecht repräsentierten Parteilinke und die Realos um Bartsch, an der Spitze repräsentiert. Ob Ramelow allerdings mit seiner schnellen Nennung diesen Kandidaten einen Gefallen tut, scheint er selbst zu bezweifeln. Schließlich fügt er in dem Interview hinzu, dass er das Duo nicht für wahrscheinlich hält, nur um die Namen drei Spitzenpolitikerinnen aus Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen sozusagen als zweite Wahl ins Gespräch zu bringen.

In der NRW-Linken dürfte die aktuelle Entwicklung im Streit um die Leitung der Linken mit mehr als gemischten Gefühlen gesehen werden. Schließlich muss die Partei fürchten, bei der vorgezogenen Landtagswahl unter die Fünfprozenthürde zu geraten. Das würde in großen Teilen der Medien sofort als Scheitern der Westausdehnung der Linken gewertet, zumal auch ihr Wiedereinzug in den Landtag von Schleswig-Hostein nicht sicher ist. In der vom gewerkschaftlichen Flügel der WASG geprägten NRW-Linken genießen sowohl Lafontaine als auch Wagenknecht, deren Wahlkreis in NRW liegt, einiges Ansehen.

Eine Aufwertung beider Politiker innerhalb der Linkspartei würde als Motivationsschub für die Wahlen angesehen. Daher dürfte dort der Rücktritt von Lötzsch nicht ungern gesehen werden. Dass sich aber der Parteivorstand heute darauf verständigte, wie geplant erst auf dem Parteitag im Juni über das Personaltableau der Linken entscheiden zu wollen, dürfte nicht nach dem Geschmack der NRW-Linken sein. Denn dann ist der Wahltermin sowohl in NRW als auch in Schleswig-Holstein vorbei. Bis dahin soll Ernst die Partei alleine leiten.

Neue Chance für Lafontaine?

Deshalb dürfte darüber das letzte Wort noch nicht gesprochen sein. Denn einen Parteitag mit zwei Wahlniederlagen zu beginnen, würde kaum als Aufbruch bewertet werden. Das könnte eine Chance für Oskar Lafontaine sein, sich wieder in die Bundespolitik zurück zu melden. Schon länger wird er neben Gysi als einer der Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl gehandelt. Lafontaine hat immer betont, sich vor der Landtagswahl im Saarland nicht festlegen zu wollen. Die ist vorbei und Lafontaine dürfte mit einer Rolle als Vorsitzender der größten Oppositionspartei dort nicht ausgelastet sein.

Eine Bekanntgabe seiner Spitzenkandidatur für die Bundestagswahlen noch vor den Landtagswahlen würde denn zumindest von seinen nicht wenigen Anhängern im Westen nicht als Brüskierung der Parteigremien, sondern als Unterstützung gewertet. Wenn dann noch zumindest in NRW der Einzug in den Landtag wieder klappt, wäre ihm der Beifall auf dem Parteitag sicher. Aber auch nach einer Doppelniederlage in NRW und Schleswig-Holstein dürften sich viele um Lafontaine scharren, der bereits 2005 mit seiner Ankündigung einer Spitzenkandidatur die Gründung der Linken überhaupt erst in Gang gebracht hat.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151777
Peter Nowak

Satirisch gegen Sarrazin in Erfurt

»Zwangssterilisation für Erwerbslose und MigrantInnen« forderten am 5. April Demonstranten vor dem Erfurter Jobcenter. Nach wenigen Minuten formieren sich Gegner dieser Forderung. Nach einiger Verwirrung wurde den Passanten klar, dass sich die Aktion gegen den Auftritt des ehemaligen Berliner Finanzsenators Thilo Sarrazin in Erfurt richtet. Sarrazin will am 9. Mai in der Alten Oper aus seinem Buch »Deutschland schafft sich ab« lesen. Doch gegen den Auftritt wächst der Protest in der Thüringer Landeshauptstadt. Mehr als 200 Einzelpersonen und Organisationen fordern die Absage der Lesung. »Die weite Verbreitung rassistischer, biologistischer und sozialchauvinistischer Einstellungen in der Gesellschaft zeigen, wie wichtig es ist, entschieden gegen all deren Erscheinungsformen vorzugehen«, heißt es in der Begründung. Sarrazin trage »entschieden zur Stärkung und Verbreitung rechter und rassistischer Thesen in der Mitte der Gesellschaft« bei.
Sollte die Lesung stattfinden, will das Bündnis zu einer Protestkundgebung vor der Alten Oper aufrufen. Mit dabei sein wird auch die in Erfurt neu gegründete »Sarrazinjugend«, die mit der Aktion vor dem Jobcenter erstmals an die Öffentlichkeit getreten ist. Schon im vergangenen Herbst hatte im Berliner Stadtteil Neukölln eine Sarrazinjugend für Aufmerksamkeit gesorgt.
https://sarrazinabsagen. wordpress.com/
http://www.neues-deutschland.de/artikel/223735.bewegungsmelder.html
Peter Nowak