Nur zaghaft Seit‘ an Seit‘

Linke Solidaritätsaktionen für Griechenland sind bisher keine Massenveranstaltungen – das soll sich ändern
Während in der Eurokrise der Ton zwischen den Politikern rauer wird, bereiten auch linke Initiativen Protestaktionen vor.

»Solidarität mit den Protesten in Griechenland – Gegen die Verarmungspolitik der EZB«, heißt das Motto einer Kundgebung, für die linke Gruppen für den kommenden Samstag in verschiedenen Städten in Deutschland mobilisieren. Proteste sind unter anderem in Frankfurt am Main und Berlin geplant. Dort hatten sich bereits am vergangenen Sonntag zu einer kurzfristig geplanten Kundgebung knapp 80 Menschen vor dem griechischen Konsulat getroffen. Die in Berlin lebende Kulturwissenschaftlerin Margarita Tsomou, die in der Initiative Real Democracy Now Berlin/GR aktiv ist, rechnet bei den Protesten am Wochenende mit einer höheren Beteiligung.

Natürlich gebe es das von den Boulevardmedien und vielen Politikern gepflegte Klischee von den Pleitegriechen noch immer. Doch in der letzten Zeit würden auch die Gegenstimmen lauter. »Das Klima hat sich verändert. Selbst aus Gewerkschaftskreisen seien Anfragen gekommen, wie die Proteste und Streiks in Griechenland unterstützt werden können«, erklärt Tsomou gegenüber »nd«. Mittlerweile werde von Gewerkschaftern ein Aufruf erarbeitet, der sich ausdrücklich mit den Protesten gegen das EU-Sparpaket solidarisiert.

Zu den Erstunterzeichnern gehört auch der ehemalige Berliner DGB-Vorsitzende Dieter Scholz und der Stuttgarter ver.di-Vorsitzende Bernd Riexinger. Der Aufruf soll in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Mitte März soll im Berliner IG-Metall-Haus eine von verschiedenen Gewerkschaftsinitiativen unterstützte Veranstaltung über die Kämpfe gegen das EU-Spardiktat informieren.

Eingeladen werden soll unter anderem eine Journalistin der linksliberalen griechischen Tageszeitung »Eleftherotypia«. Die Journalisten der Zeitung haben seit Monaten keine Löhne mehr bekommen und wollen ihr Blatt jetzt als Genossenschaft in Selbstverwaltung weiter produzieren. Auch ein Delegierter eines Stahlwerks bei Athen, dessen Belegschaft seit Monaten gegen die Verschlechterung der Arbeitsverhältnisse streikt, wird dort über den Kampf berichten.

Mit der Veranstaltung soll auch zu weiteren Krisenprotesten in Deutschland mobilisiert werden. Neben dem 31. März, zu dem zahlreiche Basisgewerkschaften und linke Gruppen in ganz Europa aufrufen, sind weitere europaweite Aktionen für den Mai geplant. Der genaue Termin solle auf einer bundesweiten Aktionskonferenz am übernächsten Wochenende in Frankfurt am Main festgelegt werden, erklärt Roland Süß vom Attac-Koordinierungskreis. »Bei der Aktionskonferenz in Frankfurt und den dort geplanten Krisenprotesten wird die Solidarität mit den griechischen Protesten eine große Rolle spielen«, sagt Süß gegenüber »nd«.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/218759.nur-zaghaft-seit-an-seit.html
Peter Nowak

Am 31.März und im Mai: auf nach Frankfurt/Main


Am 21. und 22.Januar fanden in Frankfurt am Main zwei Vorbereitungstreffen statt, um die Krisenproteste für dieses Jahr zu planen.

Bereits im letzten Jahr hatte das Ums-Ganze-Bündnis von Gruppen aus der BRD und Österreich die Initiative zu einem europäischen antikapitalistischen Aktionstag ergriffen. Mittlerweile hat sich ein internationales Netzwerk gebildet, dem weitere Gruppen aus der BRD, u.a. die anarchosyndikalistische Gewerkschaft FAU sowie lokale Zusammenhänge, und Gruppen aus Griechenland, Polen, Italien und Belgien angehören.
Nach anfänglichen Gesprächen auch mit der Interventionistischen Linken (IL) über die Durchführung eines gemeinsamen Aktionstags in der BRD, hatte sich die IL schließlich entschlossen, (zusätzlich) eine eigene Demo mit Aktionstagen Mitte Mai anzustreben, und für den 22.Januar zu einem Ratschlag eingeladen.
Das globalisierungskritische Netzwerk Attac schlägt dagegen vor, aus Anlass der Aktionärsversammlung der Deutschen Bank am 31.5., Ende Mai als Termin für Demonstration und Aktionstage zu nehmen.
In Bezug auf den europäischen Aktionstag, der in die Warnstreikphase der Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst fällt, steht fest, dass dieser am 31.März in verschiedenen europäischen Ländern stattfinden soll. Zusätzlich zu den oben genannten Ländern werden u.a. noch Gespräch mit der Gewerkschaft SUD in Frankreich sowie mit den spanischen Gewerkschaften CNT, CGT und Solidaridad Obrera geführt. Auch erste Kontakte zu Mitgliedern von DGB-Gewerkschaften in der BRD wurden hergestellt; bei Labournet wurde eine Internet-Seite zu M31 (31.März) erstellt: www.labournet.de/diskussion/arbeit/aktionen/2011/
occupy.html.
In der BRD soll es am 31.März eine zentrale Demonstration in Frankfurt/Main und anschließende kreative Aktionen zur effektiven Beeinträchtigung der Arbeiten auf der Baustelle für ein neues Gebäude der Europäischen Zentralbank geben.
Für die Mai-Aktionen sind die Vorbereitungen noch nicht soweit gediehen – was allerdings nicht tragisch ist, da bis dahin ja auch noch mindestens sechs Wochen mehr Zeit sind. Der nächste Schritt dafür wird eine Aktionskonferenz vom 24. bis 26.Februar, wiederum in Frankfurt, sein, die gemeinsam mit Gruppen aus dem M31-Netzwerk vorbereitet wird. Auf dieser Aktionskonferenz soll der endgültige Termin für die Aktionen im Mai festgelegt und über die politischen Inhalte der Protest Mitte bzw. Ende Mai gesprochen werden.
In den nächsten Wochen wird es jetzt darum gehen, den 31.März als Auftakt der diesjährigen Protestagenda zu einem Erfolg zu machen. In verschiedenen Städten bilden sich Aktionsgruppen, die sich nicht nur um die Organisierung von Mitfahrgelegenheiten nach Frankfurt kümmern, sondern auch Veranstaltungen in verschiedenen Städten organisieren. Die Stärke dieses Aktionstags ist die europaweite Vorbereitung und die klar antikapitalistische Stoßrichtung. Ein Erfolg könnte auch positive Auswirkungen auf alle weiteren Aktionen haben.

Detlef Georgia Schulze, Peter Nowak
aus Sozialistische Zeitung, SoZ, 2/2012
http://www.sozonline.de

Stranger than Fiction

Jahrelang wurde der linke Schriftsteller Raul Zelik vom Verfassungsschutz observiert
Raul Zelik fordert von den deutschen Behörden Aufklärung über die Gründe für seine Überwachung. Wie er aus seinen Akten erfuhr, warnten deutsche Behörden sogar die berüchtigte kolumbianische Geheimpolizei vor der Einreise »mutmaßlicher Terrorunterstützer« und brachten damit Zelik sowie eine gesamte deutsche Reisegruppe in Gefahr.

»Der gefrorene Mann« lautet der Titel eines Romans, den Raul Zelik übersetzt hat. Der baskische Autor Joseba Sarrionandia lässt darin gesuchte Aktivisten der baskischen Untergrundbewegung ETA zu Wort kommen. In Zeliks eigenem Roman »Der bewaffnete Freund« kutschiert die Hauptperson sogar einen ETA-Vorsitzenden im Kofferraum versteckt durch Spanien. Jetzt fragt sich Zelik, ob der deutsche Verfassungsschutz zu viele solcher Romane gelesen und für bare Münze genommen hat. Denn vor einigen Wochen teilte ihm das Bundesamt für Verfassungsschutz mit, dass er über mehrere Jahre wegen angeblicher Kontakte zur ETA überwacht worden sei.

»Wie stets in solchen Fällen wurde nicht weiter erläutert, worauf sich die Ermittlungen stützen«, erklärt Zelik. Der heute an der kolumbianischen Nationaluniversität in Bogota lehrende Politikwissenschafter war jahrelang in der außerparlamentarischen Linken Berlins aktiv.

Mit dem Roman »Friss und stirb trotzdem« machte er sich 1997 als engagierter Schriftsteller einen Namen. Der Roman handelt von einer Gruppe Jugendlicher unterschiedlicher Nationalitäten, die sich gegen den Alltagsrassismus und Neonazis wehren. Plötzlich werden sie mit einem Mordvorwurf konfrontiert, nachdem bei Tumulten auf einer rechten Versammlung ein rechter Parteifunktionär stirbt. Die Romanvorlage bezieht sich auf reale Ereignisse im Berlin der frühen 90er Jahre und dürfte den Verfassungsschutz schon interessiert haben, glaubt Zelik. Ihm ist mittlerweile bekannt, dass er nicht erst wegen angeblicher Kontakte zur baskischen Untergrundbewegung ins Visier des VS geriet.

So habe sich der Verfassungsschutz bereits 2005 für ihn interessiert, als er eine Menschenrechtsdelegation nach Kolumbien mitorganisiert hatte. »Die Reisegruppe sollte kolumbianische Konfliktgebiete besuchen, um bedrohte Gewerkschafter, Bauernorganisationen und Menschenrechtskomitees zu interviewen und zu unterstützen. Da auch Mitglieder einer antifaschistischen Gruppe aus Berlin Teil der Delegation waren, vermuteten die deutschen Behörden illegale Kontakte und hörten Telefongespräche ab«, erklärt Zelik. Die Verdachtsmomente erhärteten sich nicht.

Besonders brisant sind nachgewiesene Kontakte zwischen deutschen und kolumbianischen Überwachungsbehörden. Wie Zelik durch Vermerke in den Akten erfuhr, kündigte der deutsche Verfassungsschutz der kolumbianischen Geheimpolizei DAS die Einreise »mutmaßlicher deutscher Terrorunterstützer« an. Die Delegation wurde bereits am Flughafen von Bogotá von einem Observationstrupp erwartet. Für Zelik ist diese deutsch-kolumbianische Kooperation keine Lappalie Er verweist darauf, dass die kolumbianische Geheimpolizei in den letzten 15 Jahren einen schmutzigen Krieg gegen die Opposition in Kolumbien führte. So wurde der Direktor der DAS in den Jahren 2002 bis 2005, Jorge Noguera, kürzlich zu 25 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er rechten Todesschwadronen Listen zu Gewerkschaftern zukommen ließ, die ermordet werden sollten. Zudem sei nachgewiesen, dass führende DAS-Funktionäre die Todesschwadronen militärisch ausbildeten und persönlich Morde an Oppositionellen anordneten. »Wussten die deutschen Dienste das nicht, als sie unsere Delegation in Kolumbien anschwärzten, oder war es ihnen einfach egal«, will Zelik wissen. Diese Frage könnte auch manche Parlamentarier interessieren.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/218549.stranger-than-fiction.html

Peter Nowak

Erinnerung an die Folternacht von Genua

Der Überfall von 300 schwerbewaffneten Polizisten auf in der Diaz-Schule von Genua schlafende Globalisierungskritiker am 21. Juli 2001 sorgte weltweit für Entsetzen. Jetzt hat der italienische Regisseur Carlo Bachschmidt sieben Menschen porträtiert, die damals verletzt wurden. Sie berichten über ihre Probleme, nach den Foltererlebnissen in den Alltag zurückfinden, von Traumatisierungen, aber auch von dem Willen, sich nicht unterkriegen zu lassen. Der Dokumentarfilm holt eine Nacht zurück ins Bewusstsein, als mitten in einem Rechtsstaat alle Grundrechte außer Kraft gesetzt wurden. Der Film kann für Veranstaltungen ausgeliehen werden (gipfelsoli@nadir.org).

http://www.neues-deutschland.de/artikel/218546.bewegungsmelder.html

Peter Nowak

Nazis raus oder doch nicht

Am gestrigen Jahrestag der Bombardierung Dresdens wurde mit unterschiedlichen Motivationen demonstriert

„Am Hauptbahnhof stehen noch rund zwanzig Neonazis und warten auf ihren Zug. Zwanzig Neonazis am Dresdner Hauptbahnhof – das ist hier kein ungewöhnliches Bild. Die taz beendet den Live-Ticker und sagt: Gute Nacht. Dresden ist wieder so nazifrei wie vorher“, mit diesem ironischen Statement beendete die Tageszeitung ihren Liveticker zum rechten Aufmarsch und den Gegenaktionen am 13. Februar 2012 in Dresden. Seit Jahrzehnten haben rechte Gruppen aus Deutschland und aus benachbarten Ländern versucht, den Jahrestag der Bombardierung der Stadt zu ihrem zentralen Aktionstag zu machen. Anfangs mit Erfolg, doch in den letzten Jahren wurden sie durch antifaschistische Gegenaktionen immer mehr gestört. Dabei hatte das Bündnis „Dresden-Nazifrei“, das sich auf Blockaden des rechten Aufmarsches konzentrierte, neue Bündnispartner gewonnen.

In diesem Jahr war der rechte Aufmarsch mit nach Polizeiangaben 1600 Teilnehmern wesentlich kleiner als in den vergangenen Jahren. Als die Route wegen der Protestaktionen und Blockaden von der Polizei verkürzt wurde, lehnte sich ein Teil der nationalistischen Kameradschaften dagegen auf. Es dauerte einige Zeit, bis der Aufmarsch schließlich zum Ausgangspunkt zurückkehrte. Nach Angaben eines Sprechers des Bündnisses Dresden-Nazifrei haben sich ca. 5000 Menschen an den Protesten gegen Rechts beteiligt.

Menschenkette für oder gegen was?

Daneben hatte ein Bürgerbündnis am Nachmittag eine Menschenkette organisiert, an der sich ca. 13.000 Einwohner aus Dresden beteiligten. In diesem Jahr stand anders als in den Vorjahren die Menschenkette und nicht die Blockaden des antifaschistischen Bündnisses im Mittelpunkt des Medieninteresses. Dabei blieb die Motivation der Teilnehmer diffus. Einige wollten damit gegen den rechten Aufmarsch, andere gegen Gewalt und für Toleranz und wieder andere gegen die Bombardierung Dresdens ein Zeichen setzen.

Der Deutschlandfunk meldete in der Überschrift, dass es den Teilnehmern der Menschenkette vorrangig um die Ehrung der Bombenopfer ginge. Aber wahrscheinlich war bei vielen die Motivation für die Beteiligung an den Demonstrationen der Schutz der Stadt, wobei unter dem Unheil von außen Unterschiedlichstes verstanden wurde, alliierte Bombenangriffe, Nazis oder Antifaschisten. „Wir wollen die Stadt in Schutz nehmen“, erklärte Falk Richter, einer der Organisatoren der Menschenkette. Irgendwie gehören die Rechten, ganz als Menschen versteht sich, auch mit zur großen Schutzgemeinschaft, meint Richter:

„All diejenigen, die rufen, Nazis raus, die bitte ich, doch mal kurz inne zu halten und zu überlegen, ob es nicht besser heißen müsste – Sie entschuldigen, wenn ich es so deutlich sage: Nazis rein. Ein Nazi als Nazi ist in unserer Gesellschaft natürlich unerwünscht, aber insofern er unser Mitmensch und unser Mitbürger ist, müssen wir alles tun, um ihn in die Gesellschaft zu integrieren.“

„Wat solln die Nazis raus aus Deutschland, wat hät denn des für a Sinn – die Nazis könne doch net nau, denn hier gehöre se hin“, haben die Goldenen Zitronen schon vor Jahren getextet.

Linke Gruppen aus Dresden haben auch in diesem Jahr gegen eine Haltung protestiert, die am 13.Februar in erster Line die Stadt Dresden vor dem „Bösen, das von außen kommt“, schützen will. Dass sie damit nicht mehr ganz so isoliert sind, zeigte sich an den 1.500 Menschen, die am gestrigen Nachmittag am „Mahngang Täterspuren“ teilnahmen, der zu den Stätten von NS-Terror und Verfolgung in Dresden führte, unter anderem zur Villa des Dresdner NS-Gauleiters Martin Mutschmann, die als Gestapohauptquartier diente.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151426
Peter Nowak

»Wir können es besser«


Beschäftigte wollen Schlecker künftig genossenschaftlich selbst verwalten

In Stuttgart diskutieren Gewerkschaftler und Mitarbeiterinnen über die Umwandlung von Schlecker in eine Genossenschaft. Für den ver.di-Bundesvorstand ist das kein Thema.

Die Zukunft der rund 35 000 Schlecker-Beschäftigten, überwiegend Frauen, ist weiterhin ungewiss. Die Gewerkschaft ver.di lädt zu Mitarbeitertreffen ein. Dort werden Broschüren verteilt, die die Beschäftigten über ihre Rechte in einem Insolvenzverfahren aufklären. Die sind sehr bescheiden, erklärt der Berliner Arbeitsrechtler Benedikt Hopmann. Er hat in den letzten Jahren häufiger Gewerkschaftler verteidigt, die im Schlecker-Imperium kleinste Rechte vor Gericht erkämpfen mussten.

»Das letzte Wort beim Insolvenzverfahren haben die Gläubiger. Die Verkäuferinnen kommen in dem Konzept nicht vor«. Die Logik des Insolvenzverfahrens zwinge die Verkäuferinnen, weiter zu arbeiten, damit die Möglichkeit offen gehalten wird, dass sich ein Unternehmer findet, an den wenigstens ein Teil des Filialnetzes verkauft werden kann.

Doch nicht alle Beschäftigen wollen stumm abwarten, was mit ihren Arbeitsplätzen geschieht und dabei weitere Verschlechterungen ihrer Arbeitsbedingungen in Kauf zu nehmen. Vor allem in Baden-Württemberg diskutieren die Beschäftigten die Umwandlung von Schlecker in eine von den bisherigen Mitarbeitern verwaltete Genossenschaft. Schließlich kennen die Verkäuferinnen die Wünsche der Kunden gut und könnten daher für ein entsprechendes Sortiment sorgen. Damit könnten die Läden auch wieder rentabel gemacht werden. Der Stuttgarter ver.di-Vorsitzende Bernd Riexinger unterstützt solche Konzepte ausdrücklich. »Mit Edeka gibt es schließlich in der Branche ein erfolgreiches Genossenschaftsmodell, an dem wir uns orientieren können«, meinte er gegenüber »nd«. Die Stimmung der Verkäuferinnen sei zumindest im Stuttgarter Raum kämpferisch. Deshalb sei in absehbarer Zeit mit Protesten zu rechnen. »Wenn die Filialen erst geschlossen sind, ist es dafür eh zu spät«, resümiert Riexinger die Erfahrungen mit den Schließungen bei Karstadt vor zwei Jahren. Der Gewerkschafter, der auch Vorstandsmitglied der Linkspartei von Baden-Württemberg ist, findet auch in seiner Partei Unterstützer für die Genossenschaftspläne. Dazu gehört der Bundestagsabgeordnete und gewerkschaftliche Sprecher der Linkspartei, Michael Schlecht. Er betont, dass der Vorschlag von Verkäuferinnen kommt. Mittlerweile werde das Konzept auf allen Gewerkschaftsebenen diskutiert, so Schlecht.

Dem widerspricht Christiane Scheller von der Pressestelle von der ver.di-Hauptverwaltung. »Die Diskussion spielt weder bei den Beschäftigten noch in der Gewerkschaft zur Zeit eine Rolle«, erklärt sie gegenüber »nd«. Der Hauptgrund sei, dass bei einem Genossenschaftsmodell die Mitarbeiterinnen Privatvermögen einbringen müssen. Das aber könne nicht das Ziel gewerkschaftlicher Politik sein.

Auch für Anwalt Hopmann, der die Genossenschaftsidee für sinnvoll hält, ist es den Beschäftigten nicht zuzumuten, sich mit eigenen Geld an der Sanierung des maroden Unternehmens zu beteiligen. Er schlägt vor, den Beschäftigtenanteil mit einen Kredit zu finanzieren, für den der Staat bürgt. Eine Betriebsrätin hat schon einen aktuell-politischen Begriff für die Forderung gefunden: »Wenn wir dafür kämpfen, können wir einen Wulff-Kredit bekommen«.

Auch Riexinger will die Politik für die Rettung der Jobs in die Pflicht nehmen. »Wenn 35 000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie betroffen wären, würden sich die Politiker die Klinke in die Hand geben. Aber hier gehe es ja nur um Frauenarbeitsplätze, die sind wohl weniger wichtig«, kritisiert er.

Entscheidend werde die Kampfbereitschaft der Belegschaft sein, meint Anton Kobel, der bei der Gewerkschaft, Handel, Banken und Versicherungen (HBV), die in ver.di aufgegangen ist, die Schleckerkampagne betreute. Mitte der 1990er erkämpften sich Verkäuferinnen gemeinsam mit HBV und sozialen Initiativen gewerkschaftliche Rechte und wehrten sich gegen ständige Schikanen, die als Schlecker-System berüchtigt wurden. »Der Erfolg hat den Beschäftigten Mut und einen Begriff von menschlicher Würde zurück gegeben«, so Kobel gegenüber »nd«. Darin liegt auch ein Grund, warum manche sich zutrauen, Schlecker selbst zu verwalten
http://www.neues-deutschland.de/artikel/218258.wir-koennen-es-besser.html
Peter Nowak

Solidarität mit Griechenland?

Heute wird in Berlin gegen das EU-Spardiktat in Griechenland protestiert. Derweil existieren in der EU auch Aufrufe zur Solidarität mit den kampfschwachen Lohnabhängigen in Deutschland

Seit Tagen gibt es in Griechenland eine Serie von Streiks und Demonstrationen gegen die von der EU-Troika geforderten massiven Einschnitte bei Löhnen, Renten und Sozialleistungen. Dabei werden häufig Aufrufe an die Menschen in anderen europäischen Ländern gerichtet, sich mit der griechischen Opposition zu solidarisieren.

In Berlin hat eine aus dem Occupy-Umfeld kommende Initiative Real Democracy Now Berlin/GR zu einer „Versammlung zur Solidarität mit den laufenden Kämpfen in Griechenland“. Mit der umständlichen Formulierung soll der konkrete Bezug auf eine bestimmte in Griechenland aktive Gruppierung oder Gewerkschaft vermieden werden. Schließlich sind die politischen Differenzen zwischen ihnen sehr groß.

Obwohl es in den letzten Monaten immer mal wieder kleinere Solidaritätsaktionen mit der griechischen Sozialbewegung gab, sind daraus keine kontinuierlichen Proteste entstanden. Dabei wird in großen Teilen der griechischen Öffentlichkeit über alle Parteigrenzen hinweg besonders die Politik der Bundesregierung heftig angegriffen. Nicht nur linke Parteien und Gewerkschaften, sondern auch die griechische Handelskammer warnten in der letzten Zeit vor der Übernahme des deutschen Sparmodells.

Während in weiten Teilen der griechischen Öffentlichkeit Forderungen aus der deutschen Politik nach einem von der EU ernannten Sparkommissar oder die Errichtung eines Sonderkontos auf Ablehnung und Empörung stoßen, gibt es in Deutschland für solche Maßnahmen durchaus auch in Teilen der Bevölkerung Zustimmung. Der von den Boulevardmedien im letzten Jahr popularisierte Begriff von den „Pleitegriechen“, die ihre Inseln verkaufen sollen, findet durchaus auch in Teilen der Bevölkerung auf offene Ohren.

Die Linkspartei solidarisiert sich mit den Protesten in Griechenland und sieht die auch im Interesse der Lohnabhängigen in Deutschland. Die grünennahe Heinrich-Böll-Stiftung sprach sich für eine kritische Solidarität mit Griechenland aus. Hier werden die Sparmaßnahmen im Kern als notwendig bezeichnet. Da sich aber die griechische Politik verzweifelt bemühe, die Vorgaben umzusetzen, sei jede ressentimentgeladene Abwehr gegen Griechenland zu verurteilen. Erstaunlicherweise wird von der grünennahen Stiftung weder Kritik an dem massiven Druck geübt, mit dem mehrere EU-Staaten, an der Spitze Deutschland, eine Befragung der griechischen Bevölkerung über die EU-Forderungen verhindert haben. Auch das Agieren der von nicht gewählten EU-Troika wird kaum kritisch unter die Lupe genommen. Das sah in Griechenland in den letzten Tagen ganz anders aus. Dort forderten sogar Polizeigewerkschafter die gesetzliche Handhabe, um die Troikamitglieder wegen Erpressung zu verhaften.

Deutscher Niedriglohnsektor als Problem

Der Hauptgrund, warum es in Deutschland schwer ist, für Solidarität mit Griechenland zu mobilisieren, liegt in dem Lohnverzicht, den Beschäftigte hierzulande seit Jahren leisten. Nach der Logik, wenn wir schon Opfer bringen, dann Griechenland auch, wird hier die Position der deutschen Staatsraison eingenommen.

Diese Verzichtspolitik stößt in verschiedenen europäischen EU-Staaten mittlerweile auf heftige Kritik. Das deutsche Sparmodell würde jetzt in die ganze EU exportiert, kritisieren belgische Gewerkschafter. „Minijobs, prekäre Arbeitsverhältnisse und Hartz IV sind nicht unsere Sicht für die Zukunft der belgischen Arbeitnehmer“, meinten sie mit einem deutlichen Seitenhieb auf die Beschäftigten in Deutschland.

Mit der Kampagne „Helft Heinrich“ riefen sie sogar zur Unterstützung der kampfschwachen Lohnabhängigen in Deutschland auf, die zu längeren Lohnkämpfen nicht in der Lage seien. Diese Unterstützungsaktion wurde auch als Widerstand gegen die Etablierung eines europaweiten Niedriglohnsektors bezeichnet. In Deutschland wird diese Kampagne bisher bis auf wenige Ausnahmen totschwiegen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151413
Peter Nowak

Schlecker schluckt

Mit der Insolvenz der Drogeriekette Schlecker geht nicht nur ein Familienunternehmen pleite. Auch eine der wenigen erfolgreichen Kampagnen der Gewerkschaften könnte in Vergessenheit geraten.

»Wir sind nicht Schlecker«, betont Mona Frias in diesen Tagen häufig. Dazu hat die Berliner Betriebsvorsitzende der insolventen Drogeriekette Schlecker allen Grund. Jahrelang musste Frias, wie andere aktive Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen, ihre Rechte bei den Arbeitsgerichten einklagen. Wenn sie nun dafür kämpft, dass möglichst viele Schlecker-Filialen erhalten bleiben, dann treibt sie die Angst um die Arbeitsplätze an und nicht etwa die Identifikation mit dem Familienbetrieb. Es gibt aber noch einen Grund, warum auch viele andere Beschäftigte betonen, dass sie zwar bei Schlecker arbeiten, aber nicht Schlecker »sind«. Schließlich haben Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter sowie soziale Initiativen dazu beigetragen, dass die Marke Schlecker mittlerweile so schlecht angesehen ist, dass viele Menschen die Meldungen über die Insolvenz mit Genugtuung aufgenommen haben.

Dieses schlechte Image kann als lange nachwirkender Erfolg der Schlecker-Kampagne gewertet werden. Damit einher ging eine politische Neuorientierung der DGB-Gewerkschaften, die sich nicht mehr auf Tarifrituale beschränkten, bei denen oft die Presseerklärungen die schärfsten Waffen waren. Zudem wurde der Beweis angetreten, dass auch in einem schwer organisierbaren Sektor eine erfolgreiche gewerkschaftliche Interessenvertretung möglich ist.

In der gewerkschaftsnahen Literatur gilt die Schlecker-Kampagne als Beispiel für eine »Gewerkschaft als soziale Bewegung«. So lautet der Titel eines Buches von Jens Huhn, das die Bezirksverwaltung Mannheim der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) 2001 herausgegeben hat. Die später in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi aufgegangene HBV war einer der Initiatoren der Schlecker-Kampagne in den Jahren 1994 und 1995.

In Mannheim hatten sich im Sommer 1993 Beschäftigte von Schlecker an die Gewerkschaft gewandt, weil sie den Verdacht hatten, dass sie unter Tarif bezahlt würden. »Die Zahl der festgestellten Abweichungen vom Tarifvertrag hochgerechnet auf die Zahl der bei Schlecker Beschäftigten ließen den Umstand, warum der Billiganbieter Schlecker in der Lage war, so expansiv sein Filialsystem auszubauen, in völlig neuem Licht erscheinen«, schreibt Ulrich Wohland, Berater bei der Abteilung Organisation und Kampagne von Verdi, in seinem Aufsatz »Kampagnen gegen Sozialabbau, Erfahrungen, Konzepte, Beispiele«.

1993 unterhielt Schlecker 3 500 Filialen, zwei Jahre später waren es schon 5 000. 1994 machte die Drogeriekette einen Umsatz von 5,6 Milliarden Mark. Die überwiegende Mehrheit der damals 25 000 Beschäftigten waren Frauen. Trotzdem gab es zu dieser Zeit bei Schlecker nur einen Gesamtbetriebsrat. Weil laut gesetzlicher Regelung eine Filiale mit mindestens fünf Beschäftigten einen Betriebsrat wählen kann, waren die Schlecker-Filialen mit maximal vier Beschäftigeten besetzt.

Zu dem durch die Kampagne bald bundesweit berüchtigten »System Schlecker« gehörten auch ständige Kontrollen der Mitarbeiterinnen. Viele hatten sogar Angst, auf die Toilette zu gehen. Woh­land führt in seinem Bericht an, dass sogenannte Revisoren abgelaufene Ware in die Regale stellten und den Beschäftigten dann einige Prozente vom Lohn abzogen, weil sie die Regale schlecht sortiert hätten. Für dieses von der »Geschäftsleitung organisierte Mobbing« seien überwiegend Männer angestellt gewesen. Die Mobbingopfer waren Frauen, die gerade in ländlichen Gegenden kaum alternative Erwerbsmöglichkeiten hatten. Die Annahme der Geschäftsleitung, dass die Angestellten nicht zu organisiertem Widerstand fähig seien, wurde durch die Schlecker-Kampagne widerlegt. Die Gewerkschaft HBV hatte neben der Einhaltung der Tariflöhne die Sicherheit der Beschäftigten in den Mittelpunkt gestellt. Zu ihren Forderungen gehörte die Installation von Telefonen in den Filialen, nachdem eine Beschäftigte nach einem Überfall an ihrem Arbeitsplatz verblutet war, weil kein Telefon vorhanden war, mit dem der Rettungsdienst hätte benachrichtigt werden können.

Auch Betriebsratswahlen bei Schlecker wurden von der Gewerkschaft gefordert. Doch neu an der Kampagne war die Gründung eines sozialen Netzwerkes, das von der »Werkstatt für gewaltfreie Aktion«, über Frauen- und Friedensgruppen bis zu sozialen Initiativen reichte. Die Kampagne begann im Herbst 1994. Im März 1995 schloss die HBV mit der Geschäftsführung von Schlecker einen Tarifvertrag, in dem ein Großteil der Forderungen erfüllt wurde. »Der gewerkschaftlich organisierte Teil der Belegschaft wäre nie in der Lage gewesen, alleine diese öffentliche Resonanz für sein Anliegen aufzubauen. Erst in der Kombination von Belegschaftsaktivitäten, gewerkschaftlicher Kampagnenplanung und Aktionen des sozialen Netzwerkes wurde ein Erfolg denkbar«, resümiert Wohland.

Für ihn hatte die Schlecker-Kampagne auch mehr als ein Jahrzehnt später nichts von ihrer Bedeutung verloren. »Die Auseinandersetzung um die Drogeriekette Schlecker stellt einen seltenen Fall innerhalb linker Geschichte dar, der fast vollständig erfolgreich war.«

Doch bei der Geschäftsleitung scheint der Erfolg keine nachhaltige Wirkung hinterlassen zu haben. »Schlecker hat aus dem Erfolg der Kampagne nichts gelernt«, sagt Anton Kobel, der die Schlecker-Kampagne mit initiiert hatte und seit vielen Jahren Mitglied der HBV ist, der Jungle World.

Bis heute landeten Beschäftigte, die sich für ihre Rechte einsetzten, auf »schwarzen Listen«, meldete Spiegel Online noch im vergangenen Jahr. Betriebsrätinnen mussten sich immer wieder juristisch gegen Abmahnungen zur Wehr setzen. Allerdings musste die Geschäftsleitung immer wieder Niederlagen bei ihren Versuchen zur Etablierung eines Niedriglohnsystems einstecken. So scheiterte sie bei dem Versuch, unbezahlte Überstunden einzuführen, an den Arbeitsgerichten.

Beim Protest gegen die Etablierung von besonders niedrig bezahlten Jobs in den XL-Läden von Schlecker lebte 15 Jahre später sogar die Kooperation der historischen Schlecker-Kampagne wieder auf. So protestierten in Marburg, Bremen und anderen Standorten von Schlecker Gewerkschafter, solidarische Kunden und soziale Initiativen gegen das neue »System Schlecker«. Beschäftigten in kleinen Filialen war gekündigt worden, um sie danach mit neuen Verträgen unter schlechteren Bedingungen in den XL-Läden einzustellen. Da sie dort als Neueingestellte galten, konnte auch langjährigen Verkäuferinnen in der Probezeit gekündigt werden. Den Beschäftigten sollte die Zustimmung zu den schlechteren Verträgen mit der Erklärung schmackhaft gemacht werden, dass die alten Geschäfte ökonomisch keine Zukunft mehr hätten, schrieb die Frankfurter Rundschau im April 2010.

So kann das Insolvenzverfahren auch als Revanche des Schlecker-Imperiums für die erfolgreiche Kampagne seiner Beschäftigten gewertet werden. Soll der Name künftig, statt mit einem erfolgreichen Widerstand der Beschäftigten, mit den Sorgen und Nöten einer Unternehmerfamilie verbunden werden, die sogar mit ihrem Privatvermögen haftet? In den vergangenen Wochen stand in den meisten Medien zumindest mehr darüber, wie viele Millionen Euro die Familie Schlecker verlieren könnte, als über die Folgen der Insolvenz für die Beschäftigten.

Das letzte Wort haben also die Gläubiger. »Die 33 000 Verkäuferinnen kommen in diesem Konzept nicht vor«, sagt der Berliner Arbeitsjurist Benedikt Hopmann, der auch die Betriebsrätin Frias mehrmals in ihren Klagen gegen Schlecker vertreten hat, über die Auswirkungen der Insolvenz auf die Beschäftigten. »Die Logik eines solchen Verfahrens zwingt diese Verkäuferinnen, stumm zu bleiben und weiterzuarbeiten, damit die Möglichkeit offen gehalten wird, dass sich eventuell ein anderer Unternehmer findet, an den wenigstens ein Teil des Filialennetzes verkauft werden kann.«

Der Stuttgarter Vorsitzende von Verdi, Bernd Riexinger, kritisiert den Umgang mit der Insolvenz Schleckers in der Politik und den Medien: »Wenn 35 000 Arbeitsplätze in der Autoindustrie betroffen wären, dann würden sich die Politiker die Klinke in die Hand geben. Aber hier geht es ja nur um Frauenarbeitsplätze, die sind wohl weniger wichtig.« Er gehört zu den Gewerkschaftern, die die Umwandlung von Schlecker in eine von den Beschäftigten verwaltete Genossenschaft vorschlagen. »Die Voraussetzungen sind nicht so schlecht. Die Erfolge der Schlecker-Kampagne haben den Beschäftigten Mut und einen Begriff von menschlicher Würde zurückgegeben«, sagt das HBV-Mitglied Kobel der Jungle World. Viele Beschäftigte stimmen mit der Berliner Betriebsrätin Frias überein: Sie sind nicht Schlecker, sie arbeiten dort nur.

http://jungle-world.com/artikel/2012/06/44843.html
Peter Nowak

Solidarität statt Elite

„Erfolge in der Exzellenzinitiative“ vermeldet die Homepage der Freien Universität Berlin. (FUI Die Hochschulleitung unter Präsident Peter-André Alt.spricht von einem wichtigen Zukunftskonzept, das sie unbedingt erfolgreich weiter führen will. Darüber entscheidet auch eine Gutachterkommission, die die Hochschule am 2. Februar besuchte. An diesen Termin zeigte sich auch, dass es noch studentische Kritiker gibt. Sie organisierten rund um den 2. Februar eine Aktionswoche gegen die Exzellenzinitiative an der FU. Dort veranstalteten die kritischen Kommilitonen auch eine „Exzellenziade, auf die die Exzellenzinitiative als sportlichern Wettkampf zwischen den Berliner Hochschulen nachgestellt. Beim Hürdenlauf mussten die studentischen Sportfreunde zunächst die kritische Wissenschaft und manche Bibliotheken entsorgen, um zum Erfolg zu kommen Als die Kommilitonen zum Hauptgebäude zogen, wo die Exzellenzgutachter tagten, wurde ihnen der Einlass verwehrt. Die Hochschulleitung hatte extra einen Wachdienst engagiert, der bestimmte Teile des Campus zur protestfreien Zone machten wollte. Das war aber nicht gelungen. Die studentischen Aktivisten berichten, dass die starken Sicherheitsmaßnahmen eher noch die Protestbereitschaft mancher Kommilitonen förderte. Am Ende verließen die Gutachter das Gebäude schließlich durch einen Seitenausgang.
Die kritischen Kommilitonen waren mit der Aktion zufrieden. Es habe sich gezeigt, dass auch jenseits der an die Grenzen gestoßenen bundesweiten Bildungsproteste Widerstand am Campus möglich ist. Mit dem Protest gegen die Exzellenzinitiative zeigen die Aktivisten zudem, dass es noch immer Studierende gibt, die Bildung eher mit Solidarität als mit Elite in Verbindung bringen. Allerdings dürften solche Positionen auch unter den Kommilitonen in der Minderheit sein.

https://www.neues-deutschland.de/artikel/218016.solidaritaet-statt-elite.html

Seltene Erden statt Menschenrechte

Kasachstan, deren Diktator heute in Berlin auf Staatsbesuch weilte, steht nicht im Fokus von hiesigen Menschenrechtsinterventionisten

Der Versuch, eine unabhängige Gewerkschaft zu gründen, endete in einem Blutbad, bei dem es nach Angaben von Beteiligten der Protestbewegung mindestens 70 Tote gegeben hat. Die Regierung spricht von 10 Todesopfern. Sondereinsatztruppen des Innenministeriums seien im Einsatz gewesen (Der Fluch des Öls in Kasachstan).

Nein, die Rede ist nicht von Syrien, sondern von Kasachstan. Die blutigen Vorfälle ereigneten sich vor knapp zwei Monaten, während des Streiks der Ölarbeiter in der kasachischen Stadt Zhanaozen. Selbst kritische Kommentatoren sehen die Hauptfehler der trotzkistisch orientierten Gewerkschaft und ihrer Unterstützer darin, zu naiv gewesen zu sein und die Arbeiter damit der Repression des autokratischen Regimes des Präsidenten Nursultan Nasarbajew ausgeliefert zu haben. Der hat am Mittwoch einen Staatsbesuch in Berlin absolviert.

Zu den wenigen Kritikern gehörten linke Solidaritätsgruppen und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International. Schon 2010 hieß es im Länderbericht dieses aus der Erbmasse der Sowjetunion entstandenen Staates: „Es gab nach wie vor zahlreiche Berichte über Folter und andere Misshandlungen, obwohl die Regierung zugesichert hatte, mit einer ‚Null-Toleranz-Politik‘ dagegen vorgehen zu wollen.“ Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Right Watch hat sich die Situation der Menschenrechte in dem Land in der letzten Zeit sogar noch verschlechtert. Nach einer Verfassungsänderung darf Nasarbajew sich so lange wie er will zum Präsidenten wählen lassen. Schon bisher konnte von demokratischen Wahlen keine Rede sein.

Doch beim Staatsbesuch spielte nicht das Menschenrechtsthema, sondern der Abschluss von Wirtschaftsverträgen die zentrale Rolle. Kasachstan ist ein wichtiger Partner für die Wirtschaftsmacht Deutschland (Rohstoffpartner Kasachstan). Das Land verfügt über seltene Rohstoffe. Neben großen Mengen an Öl- und Gasvorkommen sind es seltene Erden. Das sind Metalle, die sehr selten vorkommen und für die Produktion moderner technischer Geräte wichtig sind. So wird Samarium für den Bau von Lasergeräten benötigt, Neodym steckt in Festplatten und Lanthan in Akkus für Elektro- und Hybridautos.

Der Chinabesuch, den Merkel mit einer großen Wirtschaftsdelegation .vor wenigen Tagen beendete, diente ebenfalls der Anbahnung von Verträgen zur Sicherung dieser seltenen Erden. Doch seit das Land seine Exporte drosselt, wird Kasachstan zunehmend zu einem gefragten Handelspartner.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151386
Peter Nowak

Vor neuer Rüstungsspirale in Europa?

Die Kommandozentrale des US-Raketenabwehrsystems soll im Luftwaffenstützpunkt Ramstein eingerichtet werden

Der US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein war in den 1980er Jahren ein zentraler Fokus der Proteste der deutschen Friedensbewegung gegen die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen. Zahlreiche Blockaden und Aktionen des zivilen Ungehorsams haben damals rund um das Gelände stattgefunden. Dann war es still geworden um Ramstein und viele anderen Protestorte der damaligen Zeit. Die Meldung, dass die US-Militär die nuklearen Sprengköpfe aus Rammstein entfernt hätten, interessierte nur wenige.

Doch seit einigen Tagen ist Ramstein wieder in den Medien aufgetaucht. Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) sagte Ende letzter Woche, dass die Kommandozentrale für das europäische Raketenschild in Ramstein eingerichtet werden soll. Darauf hätten sich die USA und die Nato bereits geeinigt. Zudem sollen die auf den Stützpunkt Ramstein gelagerten Patriot-Raketen Teil des Nato-Raketenschilds werden soll, das bis 2020 aufgebaut werden soll.

Die Reaktionen der Oppositionspolitiker waren sehr unterschiedlich. Der SPD-Verteidigungsexperte Rainer Arnold bezeichnete das Raketenschild in einem Interview mit dem Deutschlandfunk als richtige und sinnvolle Einrichtung.
Für die verteidigungspolitische Sprecherin der Grünen Agnieszka Brugger kam diese Entscheidung überraschend. Sie war bisher davon ausgegangen, dass sich Deutschland nicht mit Hardware an dem Raketenschild beteiligt und warnt vor unübersehbaren politischen und finanziellen Folgen. Vor allem aber befürchtet Brugger, dass damit mögliche Abrüstungsziele konterkariert werden. Auch der verteidigungspolitische Sprecher der Linken Paul Schäfer sieht mit der Entscheidung für den Raketenschild in Ramstein das „Pulverfass geöffnet“.

Gegen wen soll das Raketenschild schützen?

Die Warnungen der Kritiker, dass das Raketenschild auch international die Spannungen eher erhöhen dürfte, haben sich bei der Nato-Sicherheitskonferenz in München bestätigt. Während die Nato-Politiker bekräftigen, dass das Raketenabwehrsystem vor den Angriffen unberechenbarer Staaten wie dem Iran schützen soll, haben russische Politiker noch einmal ihre ablehnende Haltung bekräftigt. Sie befürchten, dass das System gegen die eigenen Raketen gerichtet werden könnte. Dieses Misstrauen erhält dadurch neue Nahrung, dass die Nato russische Forderungen nach einer Mitentscheidung beim Einsatz des Raketenschildes ablehnt.

Auch der auf Rüstungsfragen spezialisierte Publizist Jerry Sommer hat in einer für die Linkspartei erarbeiteten Studie nachgewiesen, dass die USA das Raketenschild nicht nur als Schutz gegen den Iran aufbauen. Vielmehr arbeite die US-Regierung an einer Ausweitung der „Bedrohungsperzeption“, nach der die Raketen von bis zu 30 Staaten als Bedrohung angesehen werden, schreibt Sommer in der Studie. Er hat schon 2010 in einem NDR-Beitrag in der Reihe „Streitkräfte und Strategien“ die jahrelange Diskussion um das Raketenschild nachgezeichnet. Nato-Generalsekretär Rasmussen hatte bereits 2010 erklärt: „Die Zeit ist gekommen, mit der Raketenabwehr voranzuschreiten. Wir müssen beim Nato-Gipfel im November beschließen, dass Raketenabwehr für unsere Bevölkerung und unser Territorium eine Aufgabe der Allianz ist.“

Sommer weist auf die erheblichen Zweifel vieler Wissenschaftler hin, dass das Raketensystem tatsächlich den versprochenen Schutz bietet. So kommt der US-Physiker Theodore Postol vom Massachusetts Institute of Technology nach der Analyse von vom Pentagon veröffentlichten Videoaufnahmen zu einem ernüchternden Fazit:

Wir haben die Aufnahmen von den auf den Abfangraketen montierten Infrarotkameras analysiert. Wir stellten fest, dass niemals der Sprengkopf, sondern immer nur der Raketenkörper dahinter getroffen wurde. Aber jeder weiß, dass man den Sprengkopf treffen muss.

Auch der Physiker Götz Neuneck vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik hält einen absoluten Raketenschutz weder für die USA noch für Europa technisch für möglich. Daher sei es auch unwahrscheinlich, dass sich die Nato-Politiker auf den Raketenschild verlassen würden. Sollte ein Angriff akut sein, würde man wie bisher eher versuchen, die gegnerischen Raketen am Boden zu zerstören. Dann bräuchte man aber auch kein teures Raketenschild, das die Spannungen noch erhöht, ist auch die Meinung von Sommer. Schließlich könnte auch die Gefahr darin bestehen, dass der Raketenschild eine Sicherheit suggeriert, die es nicht gibt, womit sich auch die Spannungen erhöhen könnten. Daher würde sich wahrscheinlich Israel, das anders als Deutschland von möglichen iranischen Raketen bedroht wäre, nicht allein durch den Aufbau eines Raketenschilds im eigenen Land beruhigen lassen.

Die Diskussionen zeigen zumindest, dass der sicherste Schutz vor Raketen eine globale Abrüstung ist. Auch diese Erkenntnis, die in den 80er Jahren immerhin durch die Friedensbewegung zentral in die Öffentlichkeit diskutiert wurde, könnte damit verloren gehen Ob die Pläne zum Aufbau einer Raketenabwehr durch die zentrale Rolle von Rammstein auch in der deutschen Innenpolitik wieder kritischer diskutiert werden, könnte sich schon an der Resonanz bei den diesjährigen Ostermärschen (http://www.dfg-vk-mainz.de/aktuell/ ) zeigen . Ob die Organisatoren so flexibel sind, die Aufwertung von Ramstein mit in der Protestagenda zu berücksichtigen ist keinesfalls sicher. Dabei dürften sich manche der Organisatoren noch an die Protestaktionen in den 80er Jahren in Rammstein erinnern.

Allerdings könnte sich bis 2020 auch europaweit noch eine größere Bewegung gegen den Raketenschild entwickeln. In Polen und der Tschechischen Republik, wo das Raketenabwehrschild zunächst errichtet werden sollte, kam es zu Protesten, so dass diese unter Bush gefassten Pläne schließlich nicht weiter verfolgt wurden (Katzenjammer in Warschau und Prag).
http://www.heise.de/tp/artikel/36/36374/1.html
Peter Nowak

Umkämpfte Energiezukunft

Mehr als 150 Menschen trafen sich am Freitagabend im Berliner Mehringhof zur Auftaktveranstaltung der Konferenz »Energiekämpfe in Bewegung«. Ein Vertreter der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien Eurosolar war ebenso zugegen wie der Pastor einer Brandenburger Kirchengemeinde, die sich gegen unterirdische CO2-Speicherung engagiert, und Aktivisten der Anti-AKW-Bewegung. Sie wollten ausloten, ob es gemeinsame Ziele und Handlungsperspektiven für eine Klimabewegung gibt. Diese zunehmend auch in Deutschland populäre Bewegung versucht, in Zeiten von Ressourcenknappheit und Klimawandel linke Lösungsansätze stark zu machen.

Schon bei der Auftaktveranstaltung wurde klar, dass es nicht ausreicht, für eine Wende zur erneuerbaren Energie einzutreten. Diskussionen um die Dezentralisierung des Energiesektors, den verstärkten Widerstand gegen die Kohleverstromung und für Klimagerechtigkeit prägten die Debatte. Dieser Begriff betrifft keineswegs nur den globalen Süden. Redner erinnerten daran, dass in Deutschland jährlich 800 000 Haushalten der Strom abgestellt wird, weil die Menschen ihre Stromrechnung nicht bezahlen können.

Konsens bestand in der Forderung, den Energiesektor aus der Kapitalverwertung herauszunehmen. So will etwa das Bündnis »Berliner Energietisch« ab März Unterschriften für ein Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Stromnetze sammeln. Ein Teil der Unterstützer des Energietischs plant parallel auch eine Kampagne zur Vergesellschaftung von Vattenfall. Ein Gewerkschafter aus Nordrhein-Westfalen stellte die Initiative für die Gründung einer Umweltgewerkschaft vor. Zu den Aufrufern gehören auch Betriebsratsvorsitzende, die sich für eine Kooperation von Arbeiter- und Umweltbewegung aussprechen. An Ansätzen für eine linke Klimabewegung, die die soziale und die ökologische Frage zusammenbringt, scheint es nicht zu mangeln. Wenn es auch gelingt, sich auf gemeinsame Aktionen zu verständigen, könnte der Konferenztitel eingelöst werden.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/217587.umkaempfte-energiezukunft.html
Peter Nowak

Klimakonferenz in Berlin


Nach der Atomkraft ist vorm Kohletod

150 AktivistInnen loten die Chancen einer neuen Klimabewegung aus und diskutieren über Strategien nach dem Atomausstieg. Im Sommer soll es Klimacamps geben.

BERLIN taz | Im Vorfeld der mit großen Hoffnungen befrachteten Weltklimakonferenz im Dezember 2009 war durchaus auch von einer Klimabewegung in Deutschland die Rede. Doch weil die Konferenz scheiterte und die Proteste als zu unbestimmt kritisiert wurden, wandten sich viele AktivistInnen verstärkt wieder lokalen Themen zu.

Für die Klimabewegung blieb das dennoch nicht folgenlos. Im Gegenteil: Eine Konferenz an diesem Wochenende in Berlin zeigte, wie viele unterschiedliche Leute sich inzwischen mit dem Thema Klimawandel auseinandersetzen: Ein Vertreter der Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien Eurosolar war ebenso vertreten wie der Pastor einer Brandenburger Kirchengemeinde, die sich gegen CO2-Speicherung engagiert.

Dass eine Gesetzesinitiative, die diese umstrittene Energiegewinnung regeln sollte, im letzten Jahr im Bundesrat keine Mehrheit fand, ist für die KlimaaktivistInnen ein Beispiel für die neuen Synergieeffekte. „Der erfolgreiche Widerstand gegen AKW-Projekte lässt bei vielen Politikern die Alarmglocken schrillen, wenn in Ostbrandenburg, wo es bisher kaum Proteste gab, innerhalb weniger Monate gegen die CO2-Speicherung Tausende auf die Straße gehen“, sagte eine Vertreterin aus Ostbrandenburg auf der Konferenz. Auch die AktivistInnen der Initiative „ausgecO2hlt“ gegen die Kohleverstromung erhoffen sich eine bessere Kooperation mit anderen Teilen aus der Klimabewegung.

Für das laufende Jahr sind im Sommer wieder Klimacamps geplant. Neben dem Kampf gegen den Ausbau von Kohlekraftwerken wollen sich die AktivistInnen zudem für die Vergesellschaftung der großen Energiekonzerne einsetzen. So soll in Berlin ein Volksbegehren zur Rekommunalisierung der örtlichen Energienetze unterstützt werden.

Im nächsten Jahr wollen sich die AktivistInnen erneut treffen. Dann wollen sie auswerten, wie die Umsetzung ihrer selbst gesteckten Ziele geklappt hat. Und es wird sich zeigen, ob die einzelnen Kämpfe wirklich zu einer neuen Energiebewegung geführt haben.
http://www.taz.de/Klimakonferenz-in-Berlin/!87067/
Peter Nowak

Merkels Weg zum Bonapartismus

Mehr Bürgerbeteiligung ist eine Forderung, die auch von rechts geäußert wird
Bürgerbeteiligung ist nicht nur eine Forderung, die von Links kommt. Das jedenfalls meint der Soziologe Thomas Wagner. Auch rechte Parteien versuchen damit zu punkten.
»Ihre Ideen und Vorschläge sind mir wichtig. Ich freue mich auf Ihre Ideen.« Dieses Zitat von Kanzlerin Angela Merkel kann man auf der Homepage https://www.dialog-ueber-deutschland.de nachlesen. Drei Fragen sollen im Mittelpunk stehen: Wie wollen wir zusammen leben? Wovon wollen wir leben? Wie wollen wir lernen? Merkel: „Jeder kann seine Ideen vorschlagen oder auf gute Praxisbeispiele hinweisen. Diese Vorschläge können dann wiederum kommentiert und bewertet werden,“ so Merkel.
Für den Publizisten Thomas Wagner ist dieser Bürgerdialog im Internet eine Form das Beispiel eines „demokratisch verkleideten autoritären Regierungsstils“. „Ein zentrales Kennzeichen dieser seit den Tagen von Napoleon III vor mehr als 150 Jahren wird diese Form des direkten Dialogs zwischen Regierenden und der Bevölkerung auch Bonapartismus genannt“, erklärte Wagner am Mittwochabend auf einer Veranstaltung in Berlin. „Deutschlands sanfter Weg in den Bonapartismus“ lautet auch der Titel des Buches, das Wagner2011 im Papyrossa-Verlag veröffentlicht hat. Dort hat er sich kritisch mit verschiedenen Modellen der Bürgerbeteiligung auseinandergesetzt, die sich parteiübergreifend großer Beliebtheit erfreuen. So gratulierten dem Verein „Mehr Demokratie e.V.“, der sich für mehr Volksentscheide einsetzt nicht nur Politiker der Linken und der Grünen, sondern auch führende Vertreter der FDP und der Union zu ihrem 20ten Jubiläum.
Für eine Direktwahl des Bundespräsidenten gibt es Unterstützung plädiert der konservative Parteienkritiker Hans Herbert von Arnim. Er fordert zudem einen deutlichen Machtzuwachs des Staatsoberhauptes. Diese Forderung wird seit Jahren von verschiedenen Rechtsaußenparteien wie der NPD erhoben. „Unserer Ansicht nach sollte der Bundespräsident auch nehr als nur eine repräsentative Form Funktion habe
Pn, um ein Gegengewicht gegen den von zahlreichen Sonderinteressen beherrschten Parteienstaat bilden zu können“, erklärte der parlamentarische Geschäftsführer der sächsische NPD-Fraktion Johannes Müller im Jahr 2007.
Diese Polemik wird von vielen konservativen Parteienkritiker immer wieder erhoben. Einer der bekanntesten Stimmen ist dort der ehemalige Wirtschaftslobbyist Olaf Henkel. Wagner nennt eine solche Form der Parlamentskritik eine „plebiszitär abgesicherte Elitenherrschaft“.. Dabei gehe es vor allem darum, den Einfluss organisierter Intereressenvertretung von Lohnabhängigen oder Erwerbslosen zu minimieren, betont Wagner. Bürgerbeteiligung als Vehikel für eine Verfestigung von Elitenherrschaft, mag auf den ersten Blick paradox klingen. Doch Wagner zeigte an verschiedenen Beispielen auf, wie in rechtskonservativen Kreisen mit dem Verweis auf die schweigende Mehrheit der Bürger soziale Regelungen, Forderungen von Gewerkschaften, aber auch von sozialen Initiativen und Umweltverbänden ausgehebelt werden sollen. Der Parteienstaat, der unterschiedliche Interessen austarieren müsse,, hindert am kraftvollen Durchregieren, lamentieren schon rechtskonservative Parlamentskritiker in der Weimarer Republik.
Ein fragwürdiges Plädoyer für mehr Bürgerbeteiligung kam 2008 vom damaligen Vorsitzenden des CDU-nahen Studierendenverbands RCDS Gottfried Ludewig. Er schlug 2ein doppeltes Wahl- und Stimmrecht für sogenannte Leistungsträger vor. Damit sollte auch der Einfluss der neu ins Parlament eingezogenen Linkspartei begrenzt werden, so Wagner. Bejubelt wurde der Vorschlag von der Rechtsaußenpostille Blaue Narzisse mit den deutlichen Worten. Ludewigs Vorschlag, sei in sich schlüssig, denn er richte sich gegen den „systemimmanenten Fehler der Demokratie, die parasitäre Existenzen bevorzuge“. Gottfried Ludewig hat sich nicht nur theoretisch mit der Einschränkung der Demokratie befasst. Als kurzzeitiger Vorsitzender einer rechten Stupa-Mehrheit im AStA der Technischen Universität Berlin (TU-Berlin) sorgte er für die Zerschlagung einer über lange Jahre aufgebauten linken Infrastruktur. So wurde die AStA-Druckerei verkauft. Nach knapp einem Jahr wurde der rechte AStA wieder abgewählt. Aber Ludewig und Col. Dachte nicht daran, den Posten zu räumen. Schließlich hatte er die Zerstörung der Infrastruktur noch nicht beendet. Mit allen juristischen Tricks versuchte der abgewählte AStA kommissarisch im Amt zu bleiben: http://astawatch.wordpress.com/2008/01/13/asta-der-tu-weiterhin-lahmgelegt/
Thomas Wagner: Direkte Demokratie als Mogelpackung. Deutschlands sanfter Weg in den Bonapartismus, Köln 2011, Papyrossa-Verlag, 142 Seiten, 11,90 Euro, ISBN: 978-3-89438-470-8

https://www.neues-deutschland.de/artikel/217557.
merkels-weg-zum-bonapartismus.html
Peter Nowak

Von der Umweltbewegung zu den „Energiekämpfen“?

Eine Konferenz in Berlin stellt Weichen für eine neue Protestbewegung

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz warnten am Wochenende mehrere Redner vor verstärkten Kämpfen um Rohstoffe und Energie in verschiedenen Regionen der Welt. Es war schon eine seltsame Koinzidenz, dass sich an diesem Wochenende ca. 150 Aktivisten verschiedener umweltpolitischer Initiativen zu einem Kongress unter dem Motto Energiekämpfe in Bewegung in Berlin trafen. Der Begriff ist in Deutschland anders als in Großbritannien noch wenig gebräuchlich. Im Vorfeld der mit großen Hoffnungen befrachteten Weltklimakonferenz entstand erstmals in Deutschland eine Klimabewegung. Doch nach Kopenhagen konnten die Aktivsten nicht vom Scheitern der Konferenz profitieren.
Vom Gipfel in die Provinz

“Der Protest in Kopenhagen war viel zu unspezifisch, die Ziele sind nicht deutlich geworden”, sagt Chris Methmann von Attac. Weil oft unklar sei, wer von den Beteiligten Gegner und wer Verbündeter ist, seien Klimagipfel “für eine Zuspitzung schlecht geeignet”. Darum sollte “Bewegungsenergie nun stärker in lokale Konflikte fließen” – etwa mit verstärkten Kampagnen gegen Kohlekraftwerke oder für kostenlosen öffentlichen Nahverkehr.

Wie sich am Wochenende zeigte, ist diese Kritik an der Klimabewegung nicht spurlos vorbei gegangen. Denn die Aktivisten mobilisierten nicht zu immer neuen Klimagipfel und Events. Dafür verankerten sie sich in Regionen, in denen umstrittene Energieprojekte für Unruhe unter der Bevölkerung sorgten. Ein Beispiel ist die CO2-Speicherung, die im Oderbruch und anderen Regionen Ostbrandenburgs im letzten Jahr zu einer unerwarteten Protestbewegung führte, die in dem Film Energieland dargestellt wurde.

Eine Gesetzesinitiative, die diese umstrittene Energiegewinnung regeln sollte, fand im Bundesrat keine Mehrheit Selbst unionsregierte Bundesländer waren nicht bereit, sich nach dem langjährigen Streit um die AKW-Nutzung einen neuen Streitpunkt aufzubürden. Hier sehen Aktivisten ein gutes Beispiel, wie sich eine Klimabewegung gegenseitig unterstützen könnte.

„Der erfolgreiche Widerstand gegen AKW-Projekte lässt bei vielen Politikern die Alarmglocken schrillen, wenn in einer Region, wo es bisher kaum Proteste gab, innerhalb weniger Monate gegen die CO2-Speicherung Demonstranten auf die Straße gehen“, meinte die Vertreterin einer dieser Initiativen auf der Konferenz. Solche Synergieeffekte, wie diese Zusammenhänge heute gerne genannt werden, erhoffen sich auch die Aktivisten von „ausgecO2hlt“ einem Bündnis, das schon im Label den Kampf gegen die Kohleverstromung mit dem Widerstand gegen die CO2-Spreicherung verbindet.

In der nächsten Zeit könnte auch in Deutschland eine neue sehr umstrittene Energiegewinnungsmethode, das Fracking, verstärkt im Mittelpunkt von Protesten stehen. Die von Klimaaktivisten aus Großbritannien angebotenen Arbeitsgruppen waren auf der Konferenz gut besucht. In den USA und in Großbritannien, wo diese Gasfördermethode weit vorangeschritten ist, gibt es einen wachsenden Widerstand.

Vergesellschaftung der Energiekonzerne

Für Aktivitäten auf dem Feld der Klimagerechtigkeit machten sich Redner stark, die aus gewerkschaftlichen Zusammenhängen kommen und einen Brückschlag zwischen umweltpolitischen und sozialen Forderungen anmahnten. Im März startet ein vom Bündnis Berliner Energietisch initiiertes Volksbegehren zur Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung.

Die Klima-AG der Gruppe fels will die Kampagne nutzten, um die Forderung nach Vergesellschaftung von Vattenfall in die Diskussion zu bringen. Diese Forderung könnte in den nächsten Monaten ein zentrales Praxisfeld der jungen Klimabewegung in Deutschland werden. Im nächsten Jahr will man sich erneut treffen und auswerten, ob und wie die Umsetzung geklappt hat.
http://www.heise.de/tp/blogs/2/151363
Peter Nowak