Das Ei der Friedensbewegung

In Bonn demonstrierten knapp viertausend Menschen gegen die Afghanistan-Konferenz und für den Abzug der Bundeswehr. In anderen Punkten waren sie sich weniger einig

Diesen Empfang hatte der Grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele nicht erwartet. Der Politiker, der gern als letzter Kriegsgegner in seiner Partei angesehen wird, konnte bei der Abschlusskundgebung einer bundesweiten Demonstration gegen die Afghanistan-Konferenz am vergangenen Samstag in Bonn erst im vierten Anlauf seine Rede verlesen. Ein Viertel der Zuhörer hatte ihm mit Sprechchören sowie Eier- und Tomatenwürfen zuvor deutlich gemacht, dass er hier eigentlich nicht erwünscht ist.

Der Vorfall sorgte für schlechte Stimmung unter den Organisatoren der Proteste. Monty Schädel von der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner wollte die Querelen um Ströbele nicht kommentieren. Es sei im Vorfeld sehr ausführlich über die Rednerliste gesprochen worden – auch mit den Ströbele-Kritikern.

Hinter der Auseinandersetzung steckt auch ein Generationskonflikt. Während ältere Friedensaktivsten in Ströbele den letzten Aufrechten in seiner Partei sehen und als Anerkennung immer wieder einladen, wollen vor allem jüngere Antimilitaristen einen Trennungsstrich zu den Grünen ziehen. Dieser Partei und nicht dem Politiker Ströbele persönlich galt denn auch der Protest am Wochenende. So erinnerte eine Rednerin des Jugendblocks auf der Demonstration daran, dass die Grünen den Krieg in Afghanistan von Anfang an mehrheitlich mitgetragen haben.

Solche Auseinandersetzungen sind in der Geschichte der Friedensbewegung in Deutschland nicht neu. Als sich in den achtziger Jahren am Widerstand gegen die vom damaligen SPD-Kanzler Helmut Schmidt forcierte Stationierung von Nato-Mittelstreckenraketen auch zunehmend oppositionelle Sozialdemokraten beteiligten, sorgten Protest-Auftritte von Erhard Eppler und später auch der von Willy Brandt für heftige Proteste unter den Demonstranten.

Demoskopische Mehrheit, protestierende Minderheit

Die zogen damals allerdings zu mehreren Hunderttausend auf die Straße und vor die US-Kasernen. Am vergangenen Samstag hatte die Friedensbewegung in Bonn knapp viertausend Menschen mobilisieren können. Damals, als sich die Bundesrepublik als mögliches erstes Opfer einer militärischen Auseinandersetzung zwischen den Blöcken wähnte, war es leichter zu mobilisieren, als heute, wo Deutschland selbst Kriege führt – wie den in Afghanistan.

Dass eine „selbstbewusste Nation“ mit „Weltgeltung“ auch militärisch intervenieren kann, wird von einer großen Mehrheit in der Bevölkerung nicht grundsätzlich infrage gestellt. Allerdings meinen viele, dass das Leben deutscher Solldaten nicht am Hindukusch geopfert werden soll. Daraus erklär sich das scheinbare Paradoxon, dass in Umfragewerte Kritik an der Afghanistan-Politik der Bundesregierung deutlich wird, eine große Bewegung gegen das deutsche Engagement aber nicht zustande kommt. Ein wenig hilflos wirkte es vor diesem Hintergrund, wenn der langjährige Friedensaktivist Reiner Braun darauf insistiert, dass es gelingen müsse, die Umfragewerte gegen die Afghanistanpolitik in Straßenproteste umzusetzen.

Dort würden neue Friedensbewegte sicher ein wenig erstaunt feststellen, dass es in der außerparlamentarischen Linken über die Beurteilung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr heftige Auseinandersetzungen gibt. Eine Strömung wirft den prinzipiellen Gegnern des deutschen Engagements am Hindukusch vor, die Augen davor zu verschließen, dass eine Rückkehr der Taliban durchaus nicht unrealistisch ist. Tatsächlich wurde die Forderung nach einer Dialogaufnahme mit den Taliban von verschiedenen Rednern auf der Protestdemonstration geäußert. Damit war man sich scheinbar auch mit den Protagonisten der offiziellen Afghanistan-Konferenz einig, die mehrheitlich einen Dialog zumindest mit einem Teil der Taliban forderten.

Verhandeln mit den Taliban?

Ganz anders sieht das die afghanische Menschenrechtlerin Malalai Joya, die auf einer in Bonn von der Linkspartei und Friedensgruppen gemeinsam organisierten Konferenz „für ein selbstbestimmtes Afghanistan“ vehement gegen jede Besatzung – aber auch jede Form vom Islamismus sprach. Der habe nicht zuletzt in den prowestlichen afghanischen Kreisen eine feste Burg, was von Vertreter der Friedensbewegung mitunter übergangen werde: Worüber sollte mit den allzu schnell in den Stand von Verhandlungspartner erhobenen Taliban eigentlich verhandelt werden? Es müsste wohl viel deutlicher ausgesprochen werden, dass den Rechten der Frauen und der politischen Linken in Afghanistan weder durch Besatzungssoldaten noch durch Islamisten geholfen ist.

Unterdessen gingen die Proteste gegen die Afghanistankrieg weiter. Während der Bonner Konferenz forderten Abgeordnete der Linkspartei lautstark einen Abzug der Truppen – und entrollten nach der Rede von US-Außenministerin Hillary Clinton vor den Vertretern von 85 Regierungen ein Transparent: „NATO = Terror – Troops out now“.

http://www.freitag.de/politik/1148-das-ei-der-friedensbewegung

Peter Nowak

Nichts ist gut in Afghanistan

Nur 2000 nahmen am Protest der Friedensbewegung teil, der grüne Kriegsgegner Christian Ströbele wurde mit Eiern beworfen

Für die Musiker der niederländische Rockband Bots müssen wehmütige Erinnerungen aufkommen sein, als sie am Samstagnachmittag auf dem Bonner Kaiserplatz zum Abschluss einer bundesweiten Demonstration gegen die Afghanistankonferenz ihre Lieder gegen Krieg und Ungerechtigkeit spielten. Schließlich hatten sie knapp 30 Jahre zuvor nur wenige Meter entfernt im überfüllten Hofgarten ihre Auftritte.

Am Samstag war der ungleich kleinere Kaiserplatz nicht mal zur Hälfte gefüllt. Der Unterschied: Vor zwei Jahrzehnten hatte die deutsche Friedensbewegung gegen US-Raketen mobilisiert und sich als Opfer der Großmächte gesehen. Seit dem Ende der Nachkriegsordnung ist Deutschland endgültig als eigene Macht auf der internationalen Bühne präsent, und in diesen Kontext wird auch der Einsatz in Afghanistan von der deutschen Politik verstanden. Obwohl es seit Jahren durchaus Umfragemehrheiten gibt, die es zumindest ablehnen, dass Blut deutscher Soldaten in Afghanistan vergossen wird, sind noch nur wenige bereit, dagegen auf die Straße zu gehen. Denn gegen eine selbstbewusste Nation, die auch militärisch ihre Interessen vertritt, hat nun mal ein Großteil der deutschen Bevölkerung nichts einzuwenden. Deshalb waren auch die von einem deutschen Oberst zu verantworteten afghanischen Opfer eines Luftwaffenangriffs von Kunduz kein Grund für massenhafte Proteste in Deutschland.

Daher war auch das Vorbereitungskomitee, das die Proteste gegen die Petersberger Afghanistankonferenz organisierte, trotz der geringen Beteiligung recht zufrieden. Schließlich hatte neben den bekannten Gruppen aus der alten Friedensbewegung, linken Gruppen, jüngeren antiimperialistischen Kreisen und der Linkspartei auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di mit zu den Protesten aufgerufen. „Verdi ist hier mit einer klaren Botschaft: Der Krieg in Afghanistan muss ein Ende haben“, erklärte Wolfgang Uellenberg vom Verdi-Bundesvorstand.

Verhandlungen auch mit den Taliban?

Er sprach sich für Verhandlungen mit allen am Krieg in Afghanistan beteiligten Kräfte einschließlich der Taliban aus und bekam dafür viel Applaus. Als der grüne Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele inhaltlich das gleiche sagen wollte, gab es von ca. einem Drittel der Demoteilnehmer lautstarke Proteste. Sogar Obst und Eier wurden geworfen. Sie protestierten damit gegen die Grünen, denen sie vorwarfen, den Krieg in Afghanistan mitgetragen zu haben.

Die Appelle von der Bühne, auch von den beiden Delegierten der afghanischen Opposition, konnten die Empörten zunächst nicht beruhigen. Erst nachdem bei einer Abstimmung eine klare Mehrheit der Anwesenden Ströbele hören wollte, beruhigte sich die Lage. Wie der Vorfall im Bündnis diskutiert wird, ist offen. Der politische Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner, Monty Schädel, der zu den Demoorganisatoren gehört, betonte, dass im Vorfeld auch mit den Kritikern ausführlich über die Rede von Ströbele diskutiert worden sei.

Schon am Freitag hatten Kriegsgegner das Büro der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit für einige Stunden besetzt, um gegen eine „kriegerische Entwicklungspolitik“ und eine „zivilmilitärische Kooperation zwischen Bundeswehr und Nichtregierungsorganisationen“ zu protestieren. Auf einer gut besuchten internationalen Konferenz Für ein selbstbestimmtes Afghanistan hielt die afghanische Frauenrechtlerin Malalai Joya eine leidenschaftliche Rede gegen Besatzung und islamischen Fundamentalismus.

Vor ihr erinnerte der in Afghanistan geborene Wissenschaftler Matin Baraki daran, dass Ende der 70er Jahre eine linke Regierung in Afghanistan grundlegende Reformen durchführte und die Emanzipation der Frauen durchsetzte, dabei aber viele Fehler und Verbrechen beging. Heute werde diese Phase der afghanischen Politik zu Unrecht nur mit der sowjetischen Besatzung assoziiert, kritisiert Barak. Dabei hätte der dieser Versuch, eine emanzipatorische Politik durchzusetzen, die kritische Solidarität nötig gehabt.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150968

Peter Nowak

Platz für Wagenburg besetzt

Amt scheint unter Umständen zu Verhandlungen bereit

„Jeder Bezirk braucht seinen Rummelplatz“ steht auf dem Transparent. Am Dienstag wurde das leerstehende Gelände in der Hauptstraße 3 zwischen den S-Bahnhöfen Ostkreuz und Rummelsburg von rund 20 Menschen besetzt. Seitdem hängt dort der Spruch. Die Wagenburgler hatten im Oktober 2010 ein Grundstück in der Nöldnerstraße gepachtet. Nachdem der Eigentümer Konkurs anmeldete, kündigte der Zwangsverwalter den Platz zum 30. November.

Nun fordern die Wagenburgler ein neues Grundstück in der Umgebung des alten Platzes. „Mit der Gründung des Rummelplatzes wollen wir nicht nur einen Wohnraum für uns, sondern auch einen Treffpunkt für FreundInnen und Interessierte schaffen“, betont Förster.

Doch zunächst muss sich entscheiden, ob die Wagenburg vorerst auf dem Platz bleiben kann. Der neue SPD-Bürgermeister von Lichtenberg Andreas Geisel sagte der taz, über eine Zwischennutzung entscheide allein die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, denn das Grundstück gehöre dem Land. Eine längerfristige Nutzung sei ausgeschlossen, weil dort ab Frühjahr 2012 mit dem Bau einer Kita begonnen werde.

Holger Lippmann vom Liegenschaftsfonds, mit dem WagenburglerInnen am Donnerstagnachmittag Gespräche führten, sagte, sollte die Aktion als Besetzung gewertet werden, werde man Verhandlungen erst dann aufnehmen, wenn die AktivistInnen den Platz verlassen. So wurde auch vor zwei Jahren mit den BewohnerInnen der Wagenburg Schwarzer Kanal verfahren, die schließlich gemeinsam mit dem Liegenschaftsfonds ein neues Grundstück gefunden haben. Ein solches Vorgehen kann sich Lippmann auch bei der Wagenburg Rummelplatz vorstellen.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=bl&dig=2011%2F12%2F02%2Fa0156&cHash=496023bcfc

Peter Nowak

Einzelfall oder Erfolgsmodell

Das Buch über den Arbeitskampf der Kaisers-Kassiererin Emmely fragt, was daraus zu lernen ist
Arbeitsplatz verteidigt – wie war das möglich? Das Solidaritätskomitee zur Unterstützung von Emmely, Anwälte und Gewerkschafter fassen die Erfahrungen des erfolgreichen Arbeitskampfes der Kassiererin aus Berlin zusammen. Das könnte anderen Fällen Motivation und Hilfe sein.
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Öffentlichkeit half der Supermarktkassiererin. Ihre Kündigung wurde als schreiende Ungerechtigkeit empfunden. Denn Manager kassierten zur selben Zeit hohe Abfindungen, trotz von ihnen verschuldeter Millionverluste.
Der Fall der unter dem Namen Emmely bekannt gewordenen Berliner Supermarktkassiererin sorgte bundesweit für Aufsehen. Sie war nach über 30 Jahren von Kaiser’s entlassen worden, weil sie zwei Pfandbons im Wert von 1,30 Euro nicht korrekt abgerechnet haben soll. Die Gewerkschafterin hat den Vorwurf immer bestritten und ihre Entlassung mit ihrem Engagement in einem Einzelhandelsstreik in Zusammenhang gebracht. Das sah auch ein Solidaritätskomitee so, das ab Sommer 2008 dafür sorgte, dass der Fall Emmely die Republik bewegte. Die Kassiererin wurde in Talkshows eingeladen und im Bundestag über die Legitimität von Verdachts- und Bagatellkündigungen gesprochen.

Die Auseinandersetzung ging gut aus. Nachdem die Kündigung gegen Emmely von zwei Instanzen bestätigt wurde, bekam sie im Juni 2010 schließlich vom Bundesarbeitsgericht recht. Nun hat das Komitee »Solidarität mit Emmely« ein Buch herausgegeben, in dem sich Aktivisten, Juristen und Gewerkschafter in Kurzbeiträgen der Frage widmen, warum sich die Kassiererin durchsetzen konnte und ob der Erfolg in anderen Fällen wiederholbar ist.

Neben dem Mut der Betroffenen sieht Gregor Zattler das Engagement ihres Rechtsanwalts sowie die politischen und ökonomischen Bedingungen als Gründe für den Erfolg an. Durch die ausbrechende Finanz- und Wirtschaftskrise wurde vermehrt über das Thema Gerechtigkeit diskutiert. Dabei sei immer wieder angesprochen worden, dass Vorstandsvorsitzende großer Konzerne hohe Abfindungen erhielten, auch wenn ihnen die Verantwortung für Millionenverluste nachgewiesen wurde. Da sei es als schreiende Ungerechtigkeit empfunden worden, dass einer Kassiererin wegen 1,30 Euro gekündigt wurde.

Verschiedene Beiträge gehen auf den Einzelhandelsstreik im Jahr 2007 ein, bei dem ver.di mit Gruppen der außerparlamentarischen Linken zusammengearbeitet hatte, die zur Unterstützung des Ausstandes Filialen blockierten. Der Umgang mit der Kündigung von Emmely war sehr verschieden. In mehreren Kapiteln wird der defensive Gewerkschaftskurs heftig kritisiert. Denn während ver.di auf einen Vergleich mit Kaiser’s drängte und auf Öffentlichkeit verzichtete, ging das Solidaritätskomitee den entgegengesetzten Weg. Es schlug Alarm. So wurde die Geschichte bundesweit bekannt.

Der Gewerkschafter Anton Kobel spart in seinem Beitrag über den Einzelhandel in Deutschland nicht mit Kritik. Auf die Herausbildung eines tariffreien Niedriglohnsektors in dieser Branche habe die Gewerkschaft bis heute keine Antwort. Auch der Kampf gegen die Begrenzung der Ladenöffnungszeiten sei verloren gegangen. Als Ironie der Geschichte bezeichnet es Kobel, dass mit Mecklenburg-Vorpommern und Berlin zwei Regierungen unter Beteiligung der PDS bzw. Linkspartei Pioniere bei der Öffnung der Läden am Sonntag waren.

Die Soziologin Ingrid Artus würdigt in ihrem Beitrag die Bedeutung der »Emmelys dieser Welt«. Die Berliner Supermarktkassiererin sei in einer Zeit, in der Solidarität ein Fremdwort geworden sei, zum Symbol geworden, dass Widerstand möglich ist und auch erfolgreich sein kann. Das Buch kann helfen, diese Erfahrungen weiterzugeben.

Komitee Solidarität mit Emmely (Hrsg.): Gestreikt. Gekündigt. Gekämpft. Gewonnen. Die Erfahrungen der »Emmely«-Kampagne, AG Spak, 140 Seiten, 9,50 Euro.

http://www.neues-deutschland.de/artikel/212427.einzelfall-oder-erfolgsmodell.html
Peter Nowak

Rüge für die deutsche Polizei

Die Polizei hat gleich mehrere Grundrechte von zwei Demonstranten verletzt, die sich an den Protesten gegen den G8-Gipfel in Heiligendamm im Jahr 20087 beteiligt hatten

Die Verletzung der Grundrrechte stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte heute in einem Urteil fest und sprach den beiden Klägern jeweils 3000 Euro Entschädigung zu. Sie waren im Juni 2007 bei einer Polizeikontrolle kontrolliert, festgenommen und fünf Tage bis zum Gipfelende in Gewahrsam genommen worden. Damit sei das Recht auf Versammlungsfreiheit, das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung verletzt worden, so die Richter.

Grund für die Festnahme waren Transparente mit der Aufschrift „Freiheit für alle Häftlinge“, die beiden Männer bei sich trugen. Sie wurden daher verdächtigt, Häftlingen beim gewaltsamen Ausbruch aus einem Gefängnis helfen zu wollen. Diese kreative Rechtsauslegung sorgte schon bald auch in juristischen Kreisen für Kopfschütteln. Danach könnte jeder Demonstrant, der Freiheit für Gefangene fordert, mit dieser Unterstellung juristisch belangt werden.

Es gab jedoch keine Hinweise, dass die beiden Gewalt anwenden oder Straftaten begehen wollten, deshalb sei dieser Gewahrsam nicht nötig gewesen, hieß es jetzt auch in dem Urteil des Straßburger Gerichts. Schließlich sei bei den Klägern keinerlei Werkzeug gefunden worden, das auf eine geplante Gefangenenbefreiung hindeutete.

Es hielt die Lesart der Demonstranten für glaubwürdig, die angaben, die Parolen hätten sich an die Polizei gerichtet. Schließlich sorgten die vielen Festnahmen während der G8-.Proteste und die Unterbringung in speziellen Käfigen für heftige öffentliche Diskussionen und Kritik.

Es ist nicht das erste Mal, dass die deutsche Justiz vom EMRG zur Zahlung von Schadensersatz oder Entschädigung wegen unrechtmäßiger Festnahmen verurteilt wurde. Doch die Anwältin Anna Luczak, die die Kläger vertritt, hofft, dass es auch darüber hinaus Konsequenzen hat.

Konsequenzen für D-Day in Stuttgart?

Für Deutschland, beziehungsweise die Bundesländer, müsse es mehr Zurückhaltung beim vorsorglichen Polizeigewahrsam geben. Polizeigesetze sind Ländersache. Das gelte für politische Proteste, Castor-Transporte oder Kundgebungen gegen Großbauvorhaben wie Stuttgart 21, so Luczak.

Gerade in Stuttgart sollte man das Urteil sehr genau lesen. Denn nachdem sich bei der Volksbefragung eine Mehrheit für den Weiterbau von Stuttgart 21 ausgesprochen hatten und eine starke Minderheit die Proteste fortsetzen will, dürfte der Abriss von Gebäudeteilen des alten Bahnhofs noch einmal zu einer Kraftprobe zwischen Gegnern des Bauprojekts und der Polizei werden.

Unter dem Titel D-Day sind Polizeiplanungen für diesen Tag X in die Öffentlichkeit gedrungen. Es muss sich nun zeigen, ob unter einen grünen Ministerpräsidenten solche Polizeieinsätze nach der Maßgabe der Europäischen Menschenrechtskonvention erfolgen.

http://www.heise.de/tp/blogs/8/150947

Peter Nowak