Tornadoeinsatz gegen die G8-Demonstranten in Heiligendamm ohne juristische Konsequenzen

Nach dem Verwaltungsgericht Schwerin war die Beeinträchtigung zu gering, zudem werde diese Grundrechtsverletzung voraussichtlich kein zweites Mal eintreten

Die Mühlen der Justiz mahlen langsam. Diese alte Bürgerweisheit bestätigte jetzt das Verwaltungsgericht Schwerin. Am 16. Dezember entschied es über eine Klage wegen der Tornadoeinsätze im Zusammenhang mit den Protesten gegen das G8-Treffen in Heiligendamm im Sommer 2007 (Tornadoeinsatz auf dem kleinen Dienstweg). Dieser Gipfel hat das Gericht in den letzten Jahren wiederholt beschäftigt.

Am Freitag urteilte das Gericht, dass die drei Kläger aus einem Protestcamp bei Reddelich kein Rechtschutzinteresse hätten. Das Camp war von den Flugzeugen mehrmals überflogen worden. Die Polizei begründete den Einsatz damit, dass mit den von der Luftwaffe angefertigten Luftbildaufnahmen angeblich sich im Camp befindliche Erddepots mit Waffen ausfindig gemacht werden sollten. „Dies entpuppte sich schon wenige Tage nach dem Gipfel als gezielte Lüge der Einsatzleitung. Auf den damals in vielen Tageszeitungen abgebildeten Fotos waren keine Bilder von Erdbewegungen zu sehen, sondern lediglich Aufnahmen von verschiedenen im Camp diskutierenden Personengruppen“, kritisierte Dieter Rahmann von Camp-AG, der einer der Kläger war. Die Fotos seien teilweise so scharf gewesen, dass sich darauf einzelne Personen identifizieren ließen.

Die Kläger sahen sich durch den Luftwaffeneinsatz in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Zudem sei die Beeinträchtigung durch die über das Camp brausenden Flugzeuge von vielen Aktivsten als so einschüchternd wahrgenommen worden, dass sie sich in ihrem nach Artikel 8 GG geschützten Versammlungsrecht beeinträchtigt sahen. Sie bezogen sich dabei auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem festgestellt wurde, dass sich der in Versammlungen zum Ausdruck kommende politische Willensbildungsprozess frei, offen, unreglementiert und grundsätzlich „staatsfrei“ vollziehen müsse. Dieser Grundsatz aber sei nach Ansicht der Kläger durch die Tornadoüberwachung verletzt worden.

Generalvollmacht für die Polizei?

Das Verwaltungsgericht urteilte jetzt, die Beeinträchtigung sei zu gering gewesen. Zudem werde diese Grundrechtsverletzung voraussichtlich kein zweites Mal eintreten. Daher sollen die Tornadoflüge keine weitere juristischen Folgen haben.

Rahmann kritisiert die Gerichtsentscheidung scharf. „Das Verwaltungsgericht stellt das Rechtssystem auf den Kopf, wenn es Unrecht immer dann für belanglos hält, falls es voraussichtlich kein zweites Mal eintritt“, so er Rahmann. Er befürchtet, dass der Polizei mit solchen Urteilen „eine Generalvollmacht zur Einschränkung von Grundrechten bei Großveranstaltungen“ ausgestellt werde. Die Camp-AG will sich mit ihren Anwälten über mögliche Rechtsmittel gegen das Urteil beraten.

Außerhalb des juristischen Interesses blieb die Frage, ob der Tornadoeinsatz nicht ein verbotener Einsatz der Bundeswehr im Innern war. Selbst die SPD hatte 2007 von fehlendem politischen Instinkt der politisch verantwortlichen Bundesverteidigungsministers gesprochen.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151061
Peter Nowak

Behala stößt Fläche am Spreeufer ab


PRIVATISIERUNG Landeseigenes Areal schon im Oktober verkauft. Kritik von Politik und Initiativen

Schon im Oktober ist das größte landeseigene Grundstück am Kreuzberger Spreeufer, das sogenannte Viktoria-Areal an der Schillingbrücke, unbemerkt von der Öffentlichkeit verkauft worden. Das bestätigte Bezirksbürgermeister Franz Schulz der taz. Verkauft wurde es von der senatseigenen Berliner Hafen- und Lagerhausgesellschaft mbH (Behala) im Rahmen eines Optionsvertrags mit einjähriger Laufzeit. Schulz wurde von dem Verkauf nicht informiert, der Käufer ist ihm bis heute nicht bekannt. Juristisch sei das Verfahren nicht zu beanstanden, so Schulz. „Die Behala ist nur ihrem Aufsichtsrat rechenschaftspflichtig.“ Zudem habe der Bezirk in Verhandlungen mit der Behala durchgesetzt, dass der Vertrag einen 30 Meter breiten Uferstreifen vorschreibt.

Fehlende Transparenz

Politisch kritisiert der grüne Bürgermeister jedoch das Prozedere: „Ich hätte mir mehr Transparenz von der Behala gewünscht.“ Es gebe in Kreuzberg seit Jahren Initiativen, die sich um die Gestaltung des Spreeufers Gedanken machen. Dazu gehört der „Ideenaufruf Kreuzberger Ufer“, der zurzeit eine Ausstellung im Kreuzberger Rathaus präsentiert. Bei der Eröffnung hatte Carsten Joost vom Initiativkreis Mediaspree von dem Verkauf erfahren. Gegenüber der taz forderte er die Auflösung des Vertrags und äußerte scharfe Kritik an der Behala. „Wie passt es zusammen, dass wir vom Bezirk beglückwünscht werden und im Nebensatz erfahren, dass die Flächen gerade im Hinterzimmer verkauft werden?“, fragt er sich. Auch Enrico Schönberg von der Initiative „Stadt Neudenken“ kritisiert Intransparenz: „Die Privatisierung an Bezirk, Abgeordnetenhaus und Senat vorbei unterläuft Beschlüsse des Abgeordnetenhauses zur Änderung der Liegenschaftspolitik.“ Auch Kriterien des Koalitionsvertrags, nach denen bei Grundstücksverkäufen ökologische und soziale Kriterien gelten sollen, würden verletzt.

In den letzten Monaten habe es zahlreiche Verkäufe von Grundstücken im Kreuzberger Spree-Areal gegeben, betont Franz Schulz. Er sieht einen Zusammenhang zur Bankenkrise, die den Run auf Grundstücke fördere.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/
?ressort=ba&dig=2011%2F12%2F16%2Fa0138&cHash=72cd186072

Peter Nowak

Grünroter-Tabubruch

Baden-Württemberg: Streit zwischen Landesregierung und Friedensbewegung um Verbot militärischer Forschung
In Baden-Württemberg ist ein Streit zwischen der Friedensbewegung und der Landesregierung entbrannt. Grund: SPD und Grüne sperren sich gegen ein allgemeines Verbot militärischer Forschung an Hochschulen.

Das Beiratsmitglied der »Naturwissenschaftler-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit«, Dietrich Schulze, ist empört. Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Bildungsministerin Theresia Bauer (beide Grüne) hätten grüne Wahlkampfversprechen gebrochen. Auch die Teilnehmer eines Internationalen Zivilklauselkongresses, der Ende November in Tübingen stattfand, richteten klare Worte an die Landesregierung: Mitglieder der jetzigen Regierungsparteien hätten in Oppositionszeiten Aufrufe zur Einführung einer verbindlichen Klausel mit unterzeichnet, die alle Hochschulen verpflichtet, keine militärische Forschung zu betreiben (sogenannte Zivilklausel). »Wenn das Landeshochschulgesetz novelliert wird, muss diese eine klare verbindliche Zivilklausel für alle Hochschulen vorsehen«, heißt es in der Abschlusserklärung des Kongresses.
neues deutschland – neues design

Grund der Kritik: Lange Zeit gehörten führende grüne Politiker wie Kretschmann und Bauer zu den Befürwortern einer Zivilklausel. Doch in Regierungsverantwortung sind andere Töne von ihnen zu vernehmen. Nach einem Besuch im Karlsruher Institut für Technologie (KIT) bekennt sich Bauer in einer Pressemitteilung zur »Forschung für friedliche Zwecke, aber auch zur Freiheit der Wissenschaft«. Dietrich Schulze dagegen fürchtet, dass damit beim KIT auf Dauer Kernforschung und Waffenforschung unter einem Dach angesiedelt werden. »Mit diesem Tabubruch wird letztlich der deutsche Verzicht auf Atomwaffenforschung in Frage gestellt.« Auf Kritik, die u.a. von Landtagsabgeordneten der Grünen sowie den Jugendorganisationen beider Regierungsparteien kam, erwiderte Bauer: »Es ist ein Unterschied, ob man für Zivilklauseln im Sinne einer Selbstverpflichtung der Hochschulen eintritt, wie ich es immer befürwortet habe, oder ob man ein Gebot durch den Gesetzgeber will.« Ähnliche Positionen hat der grüne Ministerpräsident Kretschmann bei einem Bürgerdialog im Karlsruher Rathaus vertreten.

Eine generelle Ablehnung einer gesetzlichen Zivilklausel möchte der SPD-Landtagsabgeordnete Johannes Stober zwar nicht mittragen, will diese aber ähnlich wie Bauer zunächst im Konsens mit den Hochschulgremien durchsetzen. Die Landesregierung habe eine politische Agenda abzuarbeiten und dort stehe die Zivilklausel nicht an erster Stelle, betonte der Politiker gegenüber »nd«.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/213477.gruen-roter-tabubruch.html

Peter Nowak

Gleiche Arbeit – gleiches Geld

Neues Buch zui Leiharbeit erschienen
Ein neues Buch präsentiert verschiedene Argumente gegen Leiharbeit und blickt auch auf die Protestgeschichte gegen die moderne »Sklaverei«.

Wenn so viel über das deutsche Jobwunder geredet wird, darf nicht vergessen werden, dass es zum großen Teil auf dem Boomsektor Leiharbeit beruht. »Gerade in den weltmarktorientierten Unternehmen der Elektroindustrie wurden Leiharbeitskräfte zunehmend dauerhaft und auch in den Kernbereichen der Produktion eingesetzt«, heißt es in einer Studie der gewerkschaftlichen Otto-Brenner-Stifung.

Die beiden Berliner Journalisten Andreas Förster und Holger Marcks haben jetzt im Unrast-Verlag ein informatives Büchlein herausgegeben, das die kurze Geschichte der Leiharbeit in Deutschland nachzeichnet und schon im Untertitel aufklärt, dass es zu ihrer Abschaffung beitragen will. Was sich wie eine Utopie anhört, ist zumindest in Namibia umgesetzt worden. Dort hat der Oberste Gerichtshof nach anhaltenden Gewerkschaftsprotesten 2009 festgestellt, dass Leiharbeit mit Sklaverei gleichzusetzen und damit in dem südafrikanischen Land illegal ist. Ein solcher Gerichtsbeschluss ist in Deutschland nicht zu erwarten. Aber auch die Aberkennung der Tariffähigkeit der christlichen Gewerkschaften für Zeit- und Personalserviceagenturen (CGZP) durch das Bundesarbeitsgericht hat im Dezember 2010 zumindest den schlimmsten Auswüchsen bei den Dumpinglöhnen Grenzen gesetzt. Die Leipziger Arbeitsrechtler Dirk Feiertag und Sosa Norena gehen in dem Buch auf die rechtlichen Folgen des Urteils ein.

Der Münsteraner Soziologe Torsten Bewernitz gibt einen kurzen Überblick über den Widerstand gegen die Leiharbeit. Er erwähnt Proteste gegen Leiharbeitsmessen und Jobbörsen, geht auf Leiharbeitsspaziergänge ein, bei denen bekannte Firmen aufgesucht wurden, und erinnert an den Streik bei einer Leiharbeitsfirma in Frankfurt am Main im Dezember 2005. Dass auch die Kampagne »Leiharbeit abschaffen« der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft Freie Arbeiter Union (FAU) in dem Buch erwähnt wird, verwundert nicht: Fünf der sechs Autoren sind FAU-Mitglieder.

Trotzdem bleibt ihre Kritik an der offiziellen Position des DGB sachlich präzise. So betonen mehrere Autoren, dass es innerhalb der DGB-Gewerkschaften Kritik an den Tarifverträgen gibt, die mit Leiharbeitsfirmen geschlossen wurden. »Ohne Tarifvertrag gilt für Lohnarbeiter der einfache wie einleuchtende Grundsatz Gleicher Lohn für gleiche Arbeit. Nichtstun wäre hier für seriöse Gewerkschaften die Devise gewesen, denn zum Vertragsabschluss gehören immer noch zwei«, formuliert Andreas Förster eine Kritik, die zunehmend auch in den DGB-Gewerkschaften zu hören ist. So hat das von der IG Metall initiierte Netzwerk »ZeitarbeiterInnen – ohne Organisation machtlos« (ZOOM) die vage Parole »Leiharbeit fair gestalten« durch die Forderung »Gleiche Arbeit – gleiches Geld« ersetzt. Damit das kein Papiertiger bleibt, müssen die Gewerkschaften genau beobachten, wo sich Angriffsstellen im Leiharbeitssektor zeigen, schreiben die Herausgeber im Nachwort. Ihr Buch kann dabei eine wichtige Hilfe sein.

Andreas Förster, Holger Marcks (Hg.), Knecht zweier Herren. Zur Abschaffung der Leiharbeit, Münster November 2011, ISBN: 978-3-89771-112-9, 78 Seiten, 7.80 Euro

http://www.neues-deutschland.de/artikel/213474.gleiche-arbeit-gleiches-geld.html
Peter Nowak

Energieland ist überall

Ein Film durchkreuzt die Greenwashing-Strategie des Vattenfall-Konzerns
Für viele Brandenburger ist es eine frohe Botschaft. Der Energieversorger Vattenfall begräbt seine Pläne für die unterirdische CO2-Speicherung (CCS) in dem Bundesland. Eine Pilotanlage in Jänschwalde wird nicht gebaut. Der Auseinandersetzung um CCS widmet sich der erstmals auf der DOK Leipzig gezeigte Film »Energieland«.

Über ein Jahr lang hat die Filmemacherin Johanna Ickert und ihr Team Vattenfall-Mitarbeiter, Politiker und Aktivisten der Protestbewegung begleitet. Treffen der Bürgerinitiativen und die Organisierung von Demonstrationen wechseln im Film mit Vattenfall-Mitarbeiterkonferenzen, Informations-Veranstaltungen, Medienstammtischen und PR-Kampagnen für die Speichertechnik. Es sind die alltäglichen Auseinandersetzungen und Episoden, die Ickert in den Mittelpunkt ihres Films stellt.
Für die Regiestudentin der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ geht es dabei um die zentralen Fragen, welchen Stellenwert Demokratie und Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung der Energiewende haben. Dabei thematisiert sie erfreulicherweise auch die Produktionsbedingungen des Film. Der Anstoß kam ironischerweise vom Vattenfall-Konzern.. Er trat an die Hochschule Konrad Wolf mit der Anfrage heran, ob die Studierenden Interesse an der Produktion eines Imagefilms zur Problematik der C02-Speicherung hätten. Damit hoffte das Unternehmen die Akzeptanzprobleme zu überwinden, mit denen es in der Brandenburger Region zu kämpfen hat. Für Ickert, die keinen Hehl aus ihrer kritischen Haltung gegenüber Vattenfall und der C02-Speicherung.macht, war dieser Vorstoß eine besondere Herausforderung.
„Mich interessierte der Kooperationsvorschlag Vattenfalls insbesondere in Hinblick auf die Greenwashing-Strategien dieses Konzerns in Zeiten eines berechtigterweise erhöhten Image- und Glaubwürdigkeitsproblems“, erklärt die Filmemacherin gegenüber nd Sie unterbreitete den Konzern einen Vorschlag, auf dessen Grundlage der Film schließlich produziert wurde. „Wir schlugen Vattenfall vor, einen Dokumentarfilm zu realisieren, der beide Seiten gleichermaßen portraitiert und frei von Einflüssen des Konzerns entsteht“. Grundvoraussetzung für das Filmprojekt sei gewesen. dass es keinerlei Form der Zensur oder der Vorabnahme gibt. Nur auf dieser Basis sei des für das Filmteam möglich gewesen, mit den Kritikern von Vattenfall in Kontakt zu treten. Umgekehrt hätte die Crew aber auch nie eine Vertrauensbasis mit den Vattenfall-Mitarbeitern herstellen können, wenn es die Vereinbarung mit dem Unternehmen nicht gegeben hätte. .
Damit macht das Filmteam auch deutlich, dass es durchaus möglich ist, Greenwashing-Strategien der Konzerne zu durchkreuzen und setzt Maßstäbe für eine sozialkritische Medienarbeit. Der Film ist weiterhin aktuell, auch wenn in Brandenburg zunächst die CO2-Speicherung ausgesetzt ist. Mittlerweile gibt es Bemühungen, die hier nicht durchsetzbare Technologie in Länder des globalen Südens zu exportieren. Verträge mit verschiedenen afrikanischen Ländern sind im Gespräch. Wenn im Film aus dem Off das Quietschen der Kohle-Förderbänder von Jänschwalde mit Bilder eines nachts taghell erleuchteten Berlin zu sehen sind, sollte auch mitbedacht werden, dass demnächst in der Sahara und anderen Regionen für die Energie der ersten Welt gesorgt wird. Vielleicht gibt es Gelegenheit darüber zu diskutieren, wenn der Film demnächst auf Brandenburg-Tour geht.Start ist am 12.1. im Filmmuseum Potsdam.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/213085.energieland-ist-ueberall.html
Peter Nowak

Energieland, Regie Johanna Ickert, Deutschland 2011, 78 Minuten

FDP-Vorsitzender Rösler angezählt

Der FDP-Parteivorsitzende findet keine deutlichen Worte zum Rücktritt Lindners

Wer erwartet hatte, dass die Erklärung des FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler eine Perspektive aus der durch den Rücktritt von Generalsekretär Christian Lindner erneut manifest gewordenen Krise der Partei erwartet hatte, sah sich getäuscht. Seine dürre Erklärung war gespickt mit Worthülsen.

So betonte Rösler, dass die Parteigremien nach vorne schauen und dass es jetzt auf Geschlossenheit in der Partei ankomme. Statt dieser Textbausteine, die zu jeder Gelegenheit wiederholt werden, hatten Journalisten erwartet, dass Rösler Aufklärung über die Hintergründe des Rücktritts liefere. Zum Streit zwischen Rösler und Lindner – der noch von dessen Vorgänger Westerwelle vorgeschlagen wurde und aus dessen Landesverband NRW kommt – schwieg sich der Parteivorsitzende ebenso aus wie über Lindners Nachfolge. Darüber solle am Freitag in den Parteigremien beraten werden. An diesem Tag will sich die Partei treffen und über das Ergebnis des Mitgliederentscheids zu den EU-Rettungsschirmen reden, dessen Prozedere zum auslösenden Moment für Linders Rücktritt wurde.

Ihm wurde angelastet, dass er schon das Scheitern der Befragung verkündet habe, bevor diese abgeschlossen war. Den gleichen Vorwurf kann aber auch Rösler selbst gemacht werden, der sich schließlich in einem BamS-Interview überzeugt zeigte, dass die Mitgliederbefragung das nötige Quorum nicht erreicht, bevor der zu Ende war. Daher bleibt der Titel des Interviews „Sind Sie nächste Woche noch Parteivorsitzender, Herr Rösler?“ auch nach den Rücktritt Lindners weiter aktuell. Zumal schon Forderungen nach dem kompletten Rücktritt des FDP-Vorstands laut werden.

Putin Rösler?

In dem BamS-Interview hatte Rösler sein Verbleiben auf seinen Posten noch an Bedingungen geknüpft: „Selbstverständlich. Wenn das Quorum scheitert, hat sich die Linie der Parteispitze und des Vorsitzenden durchgesetzt“, erklärte Rösler dort. Und wenn das Quorum doch erreicht wurde? Womöglich noch durch das Verhalten von Lindner und Rösler, die mit ihren vorzeitigen Siegesmeldungen den Eindruck erweckten, das Ergebnis stehe für sie schon fest..

In manchen Blogs wurde Rösler deswegen schon mit dem russischen Ministerpräsidenten Putin verglichen, der bekanntlich sehr eigene Vorstellungen von Wahlen hat. Doch selbst, wenn der Mitgliederentscheid das nötige Quorum verpasst hat, ist Rösler ein Parteivorsitzender auf Abruf. Spätestens nach dem nächsten Desaster der FDP bei einer Landtagswahl, vielleicht in Schleswig-Holstein, wird sein Posten wieder zur Disposition stehen.

Schließlich ist auch auffallend, dass, anders als Rösler, andere führende FDP-Politiker klare Worte zu Lindners Rücktritt fanden. So sprach die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger von einem Schock für die Partei. Führende Liberale aus NRW sehen den Parteivorstand geschwächt.

Dort, wo viele noch Westerwelle und manche gar den vor Jahren unsanft gelandeten Jürgen Möllemann nachtrauern, könnten manche nun die Schonfrist für den glücklosen Rösler für beendet erklären. Wenn der NRW-Landesvorsitzende der FDP Daniel Bahr in einem Interview nach Lindners Rücktritt selbstbewusst erklärt „Der kommt wieder“, könnte man die Frage stellen: vielleicht als Nachfolger Röslers?
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151031
Peter Nowak

Vom Leben als Nummer


STUDIE Eine linke Initiative hat fast 18 Monate lang untersucht, wie Erwerbslose vom Jobcenter Neukölln behandelt werden. Jetzt wurden die Ergebnisse vorgestellt

„Man ist ’ne Nummer.“ – „Wenn man krank ist, behandeln die einen wie einen Viertelmensch.“ – „Bei Migranten machen die einen auf Ausländerdeutsch.“ Das sind drei Zitate von Neuköllner Erwerbslosen. Gesammelt wurden sie von der sozialpolitischen Initiative Die aus dem Umfeld der linken Gruppe „Für eine linke Strömung“ (fels) stammenden AktivistInnen haben knapp 18 Monate rund um das Jobcenter Neukölln geforscht. Sie haben Interviewbögen verteilt und mehrere hundert Direktbefragungen durchgeführt. Am Dienstagabend stellten sie die Ergebnisse erstmals öffentlich vor.

In der Studie wird auch auf die soziale Struktur von Neukölln und die lange Geschichte der Untersuchungsmethode eingegangen. Schon Karl Marx hatte im Jahr 1880 „Fragebögen an Arbeiter“ verfasst. In den späten 1960er Jahren machten junge Linke die „militante Untersuchung“ genannten Befragungen auch in Deutschland populär. Daran will die Neuköllner Initiative anknüpfen.

Es sei mit den Befragungen darum gegangen, die Erwerbslosen zu Kritik und Widerstand zu ermutigen, betont Benjamin Müller von der Initiative. Den entscheidenden Hebel gegen das Hartz-IV-Regime haben die AktivistInnen allerdings nicht gefunden. Dafür waren die Kritikpunkte, die die Erwerbslosen am Jobcenter äußerten, zu unterschiedlich.

Mangelnder Respekt sei ein zentraler Kritikpunkt der verschiedenen Betroffengruppen gewesen, berichtet Müller. Erwerbslose mit migrantischen Hintergrund hätten sich über die „Ausländersprache“ beschwert, in die manche SachbearbeiterInnen fallen, obwohl ihre „Kunden“ perfekt deutsch gesprochen hätten. Häufig sei kritisiert worden, dass der Regelsatz zu spät überwiesen werde. Auch übernehme das Jobcenter oft nur einen Teil der Miete und spare dann beispielsweise die Stromkosten aus. So entstünden bei Betroffenen deutliche Mietschulden, die dann im schlimmsten Fall zu Obdachlosigkeit führen könnten. Das sei eine sehr häufig geäußerte Sorge gewesen, betont Müller.

Er führt einen Teil der Probleme auf eine Überarbeitung der Jobcenter-MitarbeiterInnen zurück, die sich in häufigen Krankmeldungen ausdrücke. Es sei der Initiative bekannt geworden, dass mehrere MitarbeiterInnen ihren Vorgesetzten gemeldet hätten, wegen zu vieler Fälle ihre Arbeit nicht mit der nötigen Gründlichkeit erledigen zu könne. Angeblich sei es wohl auch vorgekommen, dass SachbearbeiterInnen bis zu 300 statt der empfohlenen 170 Fälle bearbeiten mussten.

Beim Jobcenter Neukölln wollte sich niemand zu der Untersuchung äußern, da diese dort noch nicht bekannt sei.

Die Broschüre mit dem Untersuchungsergebnissen steht unter zusammendagegen.blogsport.de/images/fels_jcn_br_web_01.pdf

http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/
?ressort=bl&dig=2011%2F12%2F14%2Fa0144&cHash=1986115109

Peter Nowak

Erinnerungen an den West-Berliner Sumpf

Der Fall Michael Braun – der Karrieresprung vom Mitternachtsnotar zum Justizsenator war in Zeiten der Bankenkrise nicht von Dauer

„Ich fordere Sie auf, überlassen Sie nicht alles den anderen. Lassen Sie uns Maßstäbe setzen!“ – Dieser Aufforderung des kulturpolitischen Sprechers der damals noch oppositionellen Berliner CDU, Michael Braun, kam der Politiker heute selber nach. Nach knapp zwei Wochen im Amt des Berliner Justizsenators trat Braun von seinem Amt zurück. Eigentlich sollte der Politiker heute Mittag ein Pressegespräch über den Verbraucherschutz führen, als die Ticker seinen Rücktritt vermeldeten.

Er war in den letzten Tagen nicht nur von den Oppositionsparteien, sondern auch von der SPD und schließlich von seiner eigenen Partei immer stärker unter Druck geraten, weil er als Notar Schrottimmobilien beglaubigt haben soll. Schon vor seiner Wahl protestierten Finanznachrichtendienste gegen den Aufstieg vom „Mitternachtsnotar zum Senator für Verbraucherschutz“.

Anfangs versuchte Braun sich trotz der Vorwürfe im Amt zu halten. „Soweit in den Medien Einzelfälle gravierender Baumängel dargestellt werden, weise ich darauf hin, dass es nicht zur Aufgabe eines Notars gehört, den baulichen Zustand einer Immobilie zu überprüfen“, versuchte der Politiker seine Arbeit zu verteidigen. Allein an diesem Satz wurde deutlich, dass der Senator nicht mehr lange zu halten war. Als er schließlich ankündigte, bis zur Überprüfungen seiner Notarsarbeit die Dienstgeschäfte in Sachen Verbraucherschutz an seine Staatssekretärin abzugeben, war sein Rücktritt nur noch eine Frage von Stunden.

SPD hatte Angst mit in die Affäre gezogen zu werden

Dass sein Abgang sehr schnell kam, lag auch an dem Druck der Berliner SPD. Schließlich befürchtete der größere Koalitionspartner, mit in eine Affäre hineingezogen zu werden, die Erinnerung an den West-Berliner Sumpf der 1980er und 1990er Jahre weckt. Daran war 2001 schließlich die große Koalition zerbrochen, als der damals noch neue Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit zunächst eine Koalition mit den Grünen antrat, um nach den für die CDU verlustreichen Neuwahlen ein Bündnis mit der PDS einzugehen.

Im noch vom Frontstadtklima geprägten West-Berlin war diese Entscheidung durchaus nicht risikolos. Doch Wowereit gelang es, die PDS und ihre Nachfolgepartei zu einem pflegeleichten Koalitionspartner zu domestizieren, der im Laufe der Regierungszeit mehr als die Hälfte ihrer Wähler verlor. Vor den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus gingen fast alle Analysten von einem von der SPD und den Grünen gestellten Senat aus. Umfragen ergaben auch, dass diese Konstellation von der Mehrheit der Wähler und Mitglieder beider Parteien gewünscht wurde.

Doch der Machtmensch Wowereit sah in der Union den weniger konfliktträchtigen Koalitionspartner und holte sich damit prompt den Berliner Sumpf der vergangenen Jahre zurück. Daher drohte die Affäre Braun auch zur Affäre Wowereit zu werden. In seiner knappen Erklärung nannte er Brauns Rücktritt „eine notwendige Entscheidung“. Auch die Berliner CDU dürfte über den schnellen Abgang Brauns erleichtert sein. Schließlich versuchte sie fast ein Jahrzehnt Distanz zum Berliner Sumpf zu gewinnen, mit dem sie durch die Affäre Braun nun wieder verbunden wird.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151019
Peter Nowak

Streit in Zeiten des Outsourcing

Seit zwölf Wochen streiken die Mitarbeiter eines Tochterunternehmens der Berliner Charité. Mit Erfolg, denn zumindest zeichnet sich nun ein Kompromiss ab.
Spendenaufrufe sind in der Vorweihnachtszeit nichts Ungewöhnliches. Doch der Appell des Solidaritätskomitees für die CFM-Beschäftigten fällt auf. »Wir möchten Euch dringend um Spenden für die Streikkasse der Kolleginnen und Kollegen beim Charité Facility Management (CFM) in Berlin bitten«, heißt es dort.

Es erinnert an die Frühzeit der Arbeiterbewegung, als vor mehr als hundert Jahren Gewerkschaften für streikende Kumpels aus den Zechen des Ruhrgebiets oder für Hafenarbeiter in Hamburg sammelten. Auch sonst erinnert manches am Arbeitskampf der Charité-Beschäftigten an längst vergangene Zeiten. Schließlich ist eine ihrer wichtigsten Forderungen der Abschluss eines Tarifvertrags. Bis Anfang voriger Woche beharrte die CFM darauf, dass es mit ihr einen Tarifvertrag nicht geben wird. »Da bewies man schon vor 140 Jahren mehr Sinn für sozialen Frieden, als die Buchdrucker 1871 den ersten Tarifvertrag erstritten«, kommentiert die Gewerkschaftszeitung Verdi-Publik diese Haltung.

In Zeiten des Outsourcing hat sich das geändert. Nicht nur in der Charité, auch in vielen anderen Bereichen der Arbeitswelt verfolgen Unternehmer mittlerweile die Strategie, tarifvertragsfreie Zonen zu schaffen. Beschäftigte in völlig unterschiedlichen Einrichtungen wie dem Berliner Ensemble, der Pflegefirma Alpenland und der Charité sind davon betroffen.

2006 wurde die Servicegesellschaft gegründet, in die das nichtmedizinische Personal des Klinikums verschoben wurde. Dazu gehören vor allem die Reinigungskräfte und das Wachpersonal. Sie wurden niedriger entlohnt. Seitdem verzeichneten Kollegen, die in der gleichen Schicht die gleiche Arbeit verrichten, Lohndifferenzen von mehreren Hundert Euro, berichtet Sascha Stanicic vom Solidaritätskomitee für die CFM-Beschäftigten. Das Komitee hatte in den vergangenen Wochen viel zu tun. Neben zwei Demonstrationen, die vor allem unter Gewerkschaftern Unterstützung fanden, gab es mehrere Aktionen und Flashmobs vor dem »Kulturkaufhaus Dussmann« im Berliner Bezirk Mitte. Das Unternehmen betreibt gemeinsam mit der Charité und den Unternehmen Hellmann und Vamed die Charité Facility Management GmbH. Vor einigen Tagen haben sich auch bekannte Künstler mit den Forderungen der Streikenden solidarisiert. Sie begründen ihre Einmischung damit, dass eine Teilhabe am kulturellen Leben ohne angemessene Löhne nicht möglich sei. Auch bei ihnen steht, wie bei den Streikenden, sowohl der alte rot-rote Berliner Senat als auch sein von der neuen Großen Koalition gebildeter Nachfolger in der Kritik. »Als Mehrheitseigentümer der CFM ist er für die Billiglöhne mitverantwortlich«, heißt es im Aufruf der Künstler. Tatsächlich wurde die CFM auf Druck des rot-roten-Senats gegründet, der die Charité zu Einsparungen aufgefordert hatte. Auf besondere Kritik der Gewerkschafter stößt der Umgang des Unternehmens mit dem Streik. So beklagt die Verdi-Streikverantwortliche Silvi Krisch, dass die Streikenden durch die Mitarbeiter des externen Wachschutzunternehmens Flash Security auf Schritt und Tritt überwacht würden. »Die haben den Auftrag, uns an den Hacken zu kleben«, moniert Krisch.

Während die Solidarität mit den Streikenden außerhalb der Charité wächst, macht den Streikenden ein Konflikt zwischen den in der Klinik vertretenen DGB-Gewerkschaften zu schaffen. Die IG Bau beteiligt sich nicht am Arbeitskampf und hat sogar in der Anfangsphase dagegen mobilisiert. Sie will die Putzkräfte in einen bundesweiten Reinigungstarif eingliedern. Zahlreiche Beschäftigte haben deshalb die IG Bau verlassen und sich Verdi oder dem Deutschen Beamtenbund (DBB) angeschlossen.

Der Druck scheint Wirkung zu zeigen. Am Montag einigte sich die CFM mit Verdi und DBB darauf, ab kommenden Mai einen Mindestlohn von 8,50 die Stunde und eine Einmalzahlung von 300 Euro im Januar 2012 zu zahlen. Am heutigen Donnerstag sollen die Streikenden über diesen Kompromiss abstimmen.

http://jungle-world.com/artikel/2011/49/44474.html

Peter Nowak

Sind Arbeitslose empfänglicher für den rechten Rand?


Die Studie „Parteien und ihre Anhänger“ und eine Pressemitteilung, die sauer aufstößt

„Rechtsextreme Wähler sind männlich, arm und arbeitslos“, titelte die konservative „Welt“ am vergangenen Dienstag. Das Blatt beruft sich dabei auf die Studie „Parteien und ihre Anhänger“, die von Wissenschaftlern der Leipziger und Giessener Universität erstellt worden ist. Dabei hat die Zeitung die Wortwahl übernommen, die vor allem in der Pressemeldung verwendet wurde, mit der sie in der Öffentlichkeit bekannt gemacht wurde.

Für die Studie wurden in diesem Sommer 2.300 Ost- und Westdeutsche im Alter zwischen 18 und 97 Jahren im Auftrag der Universitäten Gießen und Leipzig befragt. Die Ergebnisse waren durchaus differenziert. So wird dort festgestellt, dass die Sorge um den Arbeitsplatz mehr Wähler der Linken als der FDP oder der Grünen umtreibt und dass der Anteil der Nichtwähler unter den Erwerbslosen groß ist (Neigen die gesellschaftlichen Loser zu den Rechtsextremen oder den Nichtwählern?).

Doch diese Differenzierung geht verloren, wenn die Soziologen Elmar Kruse und Johannes Kruse die Ergebnisse der Studie so zusammenfassen: „Rechtsextreme Anhänger oft arbeitslos – meiste Arbeitslose sind Nichtwähler.“

Diese Diktion wird vom Arbeitskreis Marginalisierte, der sich seit 2007 mit der Ausgrenzung und Verfolgung von einkommensschwachen Menschen befasst, scharf kritisiert. Er sieht darin „eine direkte Diskriminierung und weitere Ausgrenzung ohnehin sozial Benachteiligter, die einzig dazu zu dienen scheint, Aufmerksamkeit zu erregen oder über die Anbiederung an Mainstreamdebatten über ‚Unnütze‘ und ‚Unfähige‘ an Forschungsmittel zu gelangen“.

Gefahr aus der Mitte?

Dabei werde davon abgelenkt, dass laut der Studie „Die Mitte in der Krise“ die eigentliche Gefahr für die Gesellschaft von latent vorhandenen und zunehmend rechten und rassistischen Einstellungsmustern in der so genannten Mitte ausgeht. Allerdings muss man sich fragen, ob nicht in allen Schichten der Bevölkerung rechte Einstellungen zu finden sind. Denn von rassistischen und rechtspopulistischen Welterklärungsmodellen sind auch die Marginalisierten nicht ausgenommen.

So gibt es viele Beispiele, dass Erwerbslose besonders auf ihren Status als deutsche Staatsbürger beharren und Menschen ohne deutschen Pass die mageren Hartz IV-Sätze nicht gönnen. Diese als Sozialchauvinismus bezeichneten Effekte der kapitalistischen Konkurrenzgesellschaft machen eine gemeinsame Gegenwehr oft besonders schwer.

Trotzdem ist dem AK Marginalisierte zuzustimmen, dass die Diktion vor allem der Pressemeldungen zur Studie auf Klischees beruht und einkommensschwache Menschen diskriminiert. Die Verwendung von Kollektivbegriffen wie „die Arbeitslosen“ sollte eigentlich in einer wissenschaftlichen Arbeit keine Verwendung finden. Zudem ist sicher der Verdacht nicht falsch, dass die Aufmerksamkeit für die Studie dadurch gesteigert werden sollte, dass in den Überschriften der Zusammenfassung eine Verbindung von Erwerbslosigkeit und der Bereitschaft, rechte Parteien zu wählen, in einer Eindeutigkeit hergestellt wird, die sich in den Ergebnissen der Studie nicht wiederfinden lassen.

Außerdem macht der AK Marginalisierte zu Recht darauf aufmerksam, dass auch der Verweis auf den Bildungsstand diskriminierende Züge trägt. Denn dabei wird lediglich auf den Schulabschluss rekurriert. So fragwürdig es ist, Aussagen über den Bildungsstand von Menschen am Schulabschluss festzumachen, so falsch ist es, rechte Welterklärungsmodelle auf Erwerbslose und Menschen mit „niedrigen Bildungsabschlüssen“ abzuschieben.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/151005

Peter Nowak

Ermittlungen in alle Richtungen eingestellt

Staatsanwaltschaft lässt Fotografen, der einen Böller gezündet haben soll, in Ruhe – die Polizei auch.

Die Festnahme des Pressefotografen Björn Kietzmann am Rande einer Demonstration zur Erinnerung an den in Genua von der Polizei erschossenen Globalisierungskritiker Carlo Giuliani wird wohl kein juristisches Nachspiel haben. Sowohl die Ermittlungen gegen ihn als auch die gegen die Polizei wurden jetzt eingestellt.

Kietzmann, der als freier Fotograf arbeitet – auch für die taz -, war am 16. Juli kurz vor 23 Uhr von einen Trupp behelmter Polizisten an der Kreuzberger Waldemarstraße überwältigt und festgenommen worden. Ein Polizist warf ihm vor, einen Böller gezündet zu haben, der kurz zuvor unter einem Auto explodiert war.

Kietzmann trug einen Helm, der auf beiden Seiten mit der Aufschrift „Presse“ gekennzeichnet war und konnte sich mit seinem Presseausweis legitimieren. „Ich habe denen versucht zu erklären, dass ich nur meine Arbeit mache, aber man sagte mir, ich habe eine Straftat begangen. Dann wurde ich zu einem Polizeiwagen mitgenommen und dort rund zwei Stunden festgehalten“, schildert er den Vorfall.

Nicht nur die Ermittlungen wegen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion wurden vor wenigen Tagen von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Auch die Anzeige, die Kietzmann wegen seiner Festnahme und falscher Beschuldigung gegen die Polizei gestellt hat, wird nicht weiter verfolgt. Es seien nicht genügend ZeugInnen gefunden worden, lautet die Begründung.

Das findet Kietzmann merkwürdig: Er habe mehrere KollegInnen benannt, die seine Festnahme beobachtet hätten. Aber nur der Pressefotograf Ruben Neugebauer wurde von der Polizei vorgeladen. Er habe dabei berichtet, dass Kietzmann grundlos festgenommen wurde und die Nummer der zuständigen Polizeieinheit benannt, bestätigte er gegenüber der taz. Weil die Polizisten behelmt waren, habe er sie nicht identifizieren können. Die Deutsche Journalisten-Union in der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di sieht in solchen Schwierigkeiten bei Ermittlung gegen die Polizei ein Argument für die Kennzeichnungspflicht.

Kietzmann prüft mit seinem Anwalt, ob er Widerspruch gegen die Einstellung der Ermittlungen gegen die Polizei einlegt. Zudem wurde bei die Festnahme seine Kamera beschädigt. Den Schaden von über 1.200 Euro habe die Versicherung übernommen, sich aber Ansprüche gegenüber der Polizei offengehalten, so der Fotograf. Bei Polizei und Staatsanwalt wollte sich hierzu niemand äußern.

http://www.taz.de/Verfahren-beendet/!83474/
Peter Nowak

Mit Stempeluhr in den Unterricht

Bundesamt verschärft Kontrollmaßnahmen bei Deutschkursen für Migranten
Wie viel ist dem deutschen Staat die Integration von Einwanderern wert? Offenbar nicht viel, denn gerade die sogenannten Integrationskurse sind seit Jahren unterfinanziert. Gleichzeitig sind die Anforderungen an die Träger wie an die Teilnehmer hoch – und sie sollen jetzt noch erhöht werden.

Angefangen hat es mit einem TV-Bericht: Das ARD-Magazin »Report Mainz« berichtete im Sommer über angeblich lasche Anwesenheitskontrollen bei den Integrationskursen, in denen Einwanderer – teilweise verpflichtend – die deutsche Sprache erlernen. Das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) reagierte prompt: Seit dem 1. August muss jeder Teilnehmer von Integrationskursen neben den bisher üblichen Anwesenheitslisten in einem weiteren Papier unterschriftlich bestätigen, während der gesamten Dauer des Kurses anwesend gewesen zu sein. Zudem sollen die Lehrkräfte auf die Minute genau dokumentieren, wenn Teilnehmer den Kurs vorzeitig verlassen oder verspätet zum Unterricht erscheinen. In einem Merkblatt des BAMF werden die Träger der Integrationsmaßnahmen belehrt, wann eine Nichtteilnahme an Integrationskursen als unentschuldigt gilt. So wird die Fehlzeit eines Kursteilnehmers wegen der Teilnahme an einer Hochzeit von Verwandten oder wegen eigener Eheschließung ebenso als unentschuldigt klassifiziert wie die Teilnahme an der Beerdigung eines Verwandten ab dem zweiten Grad oder ein Wohnungswechsel. In einem Rundschreiben weist das BAMF die Träger darauf hin, dass ihnen der Widerruf ihrer Zulassung drohen kann, wenn sie die Regelungen nicht oder mangelhaft umsetzen.

Die Kontrollmaßnahmen stoßen jedoch nicht nur bei den Migranten, sondern auch bei vielen Trägern dieser Maßnahmen auf heftige Kritik. In der letzten Woche begründeten 15 Sprachschulen in einem Offenen Brief an das BAMF die Argumente für ihre Ablehnung. »In den Kursen wird so ein Klima des Misstrauens und der Entfremdung geschaffen«, monieren die Bildungsträger und warnen vor gravierenden Folgen. »Das würde die für den Lernerfolg der Kursteilnehmer essenzielle Atmosphäre des Vertrauens und der Lust am Erlernen der deutschen Sprache und der Auseinandersetzung mit der deutschen Gesellschaft zerstören.« Im Gespräch mit »nd« nennt Kay Wendel von der Berliner Sprachschule Babylonia e.V. die Kontrollmaßnahmen einen Versuch, den Kursen die Methoden einer deutschen Fabrikgesellschaft aufzuzwingen. Damit werde verkannt, dass Bildungseinrichtungen nicht nach den Kriterien von Misstrauen und totaler Kontrolle funktionieren können.

In dem Offenen Brief werden Vorschläge für eine bessere Integrationsarbeit formuliert: »Statt den irrigen Weg einer ›perfekten‹ Kontrolle zu gehen, sollte ein neues Abrechnungssystem für die Integrationskurse geschaffen werden, das die kulturellen Gepflogenheiten der Kursteilnehmer berücksichtigt und den Kursträgern ein kostendeckendes Wirtschaften ermöglicht«.
http://www.neues-deutschland.de/artikel/212913.mit-stempeluhr-in-den-unterricht.html
Peter Nowak

Explosive Post an Ackermann

Absender der Briefbombe sollen laut einem Bekennerbrief italienische Anarchisten gewesen sein, die angeblich noch zwei weitere Sprengsätze verschickt haben

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Josef Ackermann ist nur durch Zufall einen Briefbombenanschlag entkommen. Wie das Hessische Landeskriminalamt mitteilte, enthielt der an ihn persönlich adressierte Brief, der am Mittwoch an der Poststelle der Deutschen Bank abgefangen wurde, eine funktionsfähige Briefbombe.

Laut LKA-Angaben enthielt die Postsendung ein Pulver, dass sich an der Luft entzünden und dabei schwere Verletzungen hätte hervorrufen können. Aus ermittlungstechnischen Gründen wurde zur genauen Zusammensetzung nichts gesagt. Ein LKA-Sprecher erklärte allerdings, es handle sich nicht um gewerblichen oder militärisch genutzten Sprengstoff, sondern um einen Eigenbau, wie er in Feuerwerkskörpern genutzt wird. Die explosive Sendung sorgt für Unruhe. So fragt sich der Börsenhändler Oliver Roth, ob der Anschlag der gesamten Finanzwelt galt.

Bekennerschreiben aufgetaucht

Mittlerweile ist das Bekennerschreiben einer Gruppe namens Informelle Anarchistische Föderation (FAI) aufgetaucht. In dem Schreiben wird von „3 Explosionen gegen Banken, Bankiers, Zecken und Blutsauger“ geredet. Daher sucht man nun nach den möglichen Empfängern weiterer Briefbomben in der Finanzwelt.

Nicht nur die in linken Kreisen unübliche Wortwahl der FAI stößt auf Ablehnung. Die Gruppe hatte sich bereits in der Vergangenheit zu Briefbombenanschlägen bekannt (Neuauflage der Strategie der Spannung?, Italienische Anarchisten sollen hinter Anschlag auf swissnuclear stecken).

FBI hat sich eingeschaltet

Wie ernst die Briefbombe genommen wird, zeigt sich auch daran, dass sich die US-Bundespolizei FBI in die Ermittlungen eingeschaltet hat. Die FBI-Ermittlungsgruppe für Terrorismus arbeitet mit den deutschen Behörden zusammen, um den Vorfall in Frankfurt aufzuklären und mögliche Bedrohungen gegen Menschen und Einrichtungen auszumachen“, bestätigte ein FBI-Sprecher. Denn in diesen Tagen sorgt ein versuchter Anschlag auf einen zentralen Bankier, der von vielen Aktivisten der Protestbewegungen für die Wirtschaftskrise verantwortlich gemacht wird, für besondere Aufmerksamkeit.

Zu den aktuell wichtigsten Bankenkritikern zählt die Occupy-Bewegung, die seit Wochen ihre Zelte vor der EZB in Frankfurt/Main aufgeschlagen hat .Von dort kann eine klare Verurteilung des versuchten Anschlags: „Ein zentrales Mittel der weltweiten Occupy-Bewegung in allen Städten ist der offene Diskurs, gerade auch bei gegensätzlichen Positionen und bei auf den ersten Blick unvereinbaren Gesprächspartnern. Gewalt, Hass und Ausgrenzung haben dabei keinen Platz“, heißt es dort.

Tatsächlich hat Occupy-Frankfurt Ackermann bereits Ende November zu Gesprächen eingeladen, nachdem es zuvor zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen dem Bankier und Occupy-Aktivisten gekommen war. Dass die Einladung ernst gemeint ist, zeigte das Gespräch, das Besetzer aus Berlin mit dem SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel geführt haben und das mit dem Austausch von Handynummern endete . Auch die globalisierungskritische Organisation attac, ein weiteres Zentrum der Bankenkritik, distanzierte sich von dem Anschlagsversuch auf Ackermann.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/150994
Peter Nowak

Späte Rache der deutschen Justiz

Zwei mutmaßliche Mitglieder der Revolutionären Zellen bald vor Gericht.Wegen dreier Brandanschläge in den 70er Jahren soll nun zwei Linksaktivisten im Rentenalter der Prozess gemacht werden.

»Ausgeliefert werden heißt nicht ausgeliefert sein«. Flugblätter mit diesem Motto werden derzeit bei linken Veranstaltungen verteilt. Sie informieren über die 78-jährige Sonja Suder und den 70-jährigen Christian Gauger, denen in Frankfurt am Main der Prozess gemacht werden soll. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, als Angehörige der »Revolutionären Zellen« (RZ) vor fast 35 Jahren an drei Brandanschlägen beteiligt gewesen zu sein, die Sachschäden verursacht hatten. Suder wird zudem logistische Hilfe beim Überfall auf die OPEC-Minister in Wien im Jahr 1975 vorgeworfen. Die Anklageschrift stützt sich auf eine Aussagen des RZ-Aussteigers Hans-Joachim Klein. Allerdings wurde der in anderen Verfahren aktenkundig als unglaubwürdig bezeichnet. Eine weitere belastende Aussage stammt von einen RZ-Aktivisten, der bei einem Anschlagsversuch schwer verletzt und noch auf dem Krankenbett verhört wurde. Er hat die Aussage, deren juristische Verwertung strittig ist, längst widerrufen.

Mehr als drei Jahrzehnte lebten Suder und Gauger im Exil. 1978 hatten sich die Medizinstudentin und der Psychologiestudent dem zunehmenden Fahndungsdruck entzogen. Zuvor waren sie in der linken Szene der Mainmetropole aktiv und hatten viele Veranstaltungen und Demonstrationen mitorganisiert. Es waren die Jahre, als ein Buchhändler Joschka Fischer in der Stadt eine wichtige Figur in der dort starken Spontibewegung eine Art Vorläufer der Autonomen gewesen war. Nur wenige Jahre später sollte er zusammen mit vielen seiner Spontifreunde Mitglied der Grünen werden und den Marsch durch die Institutionen antreten, der im Außenministerium endete.

In dieser Zeit begannen die Untergetauchten in Frankreich damit, sich eine neue Existenz aufzubauen. Sie lebten vom Verkauf auf Flohmärkten und führten ein unauffälliges Leben. Im Jahr 2000 waren die beiden entdeckt und auf Grund eines Internationalen Haftbefehls festgenommen, aber nach einigen Wochen wieder entlassen worden. Die ihnen vorgeworfenen Taten seien nach französischem Recht verjährt, erklärte ein Richter. Im Nachhinein erlebten Suder und Gauger die Verhaftung wie eine Befreiung, denn nun war für sie das Dasein am Rande der Illegalität endgültig vorbei.

Sie lebten danach unter ihren richtigen Namen in Frankreich, schlossen eine Krankenversicherung ab und eröffneten ein Konto. Zudem nahmen sie Kontakt mit alten Freunden in Deutschland auf, zu denen sie seit ihrer Flucht keinen Kontakt mehr hatten. Dieses selbstbewusste Verhalten muss manche in der deutschen Justiz geärgert haben. Dort wurde nach Mitteln und Wegen gesucht, die beiden doch noch anzuklagen. Im Jahr 2008 hatten sie Erfolg. Mit Verweis auf den Europäischen Haftbefehl wurden Gauger und Suder erneut verhaftet und nach einem juristischen Verfahren durch alle Instanzen im September 2010 nach Deutschland ausgeliefert und in der JVA Frankfurt-Preungesheim inhaftiert. Während Gaugers Haftbefehl wegen seiner lebensbedrohlichen Erkrankung Anfang Oktober außer Vollzug gesetzt wurde, musste Suder in Haft bleiben. Die Gefangenenhilfsorganisation Rote Hilfe moniert, dass ihr von der Gefängnisverwaltung selbst Zeitungsabonnements verweigert wurden.

Mittlerweile bilden sich Unterstützungskomitees, die das Verfahren begleiten wollen. Ein weiteres Ziel sind verstärkte Informationen über linken Widerstand in den 70er Jahren. »Gauger und Suder sind keine Opfer, sondern bis heute politisch aktive Menschen«, erklärt ein Mitglied des Solikomitees. Sie lehnen auch weiter jede Kooperation mit der Justiz ab.
https://www.neues-deutschland.de/artikel/212621.spaete-rache-der-deutschen-justiz.html
Peter Nowak

Deutschland als Modell einer ungleichen Gesellschaft

Die Entstehung einer größeren sozialen Bewegung in Deutschland könnte mehr zur Lösung der Euro-Krise beitragen als all die hektischen Projekte des Duos Merkel/Sarkozy

Dass die Reichen immer reicher und die Armen in Deutschland immer ärmer werden, wird gerne als linke Propaganda abgetan. Doch jetzt wurde dieser schlichte Befund von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD bestätigt und statisch untermauert.

Danach ist die Einkommensungleichheit in Deutschland seit 1990 stärker als in den meisten vergleichbaren Industrieländern gestiegen. Die obersten zehn Prozent verdienen etwa achtmal soviel wie die untersten zehn Prozent. Im Jahr 2008 hätten demnach die obersten 10 Prozent in Deutschland durchschnittlich 57.300 Euro verdient, die untersten zehn Prozent kamen auf 7.400 Euro. Noch in den neunziger Jahren hätten die Bestverdiener nur sechsmal so viel verdient wie die Unterklassen. Dieser Trend dürfte sich in den letzten Jahren sogar noch verschärft haben.

Die Studie benannte auch die Ursachen für die zunehmende Ungleichheit. Die Etablierung von tarifvertragsfreien Zonen mit Dumpinglöhnen, die Ausweitung des Niedriglohnsektors auf immer mehr Arbeitsverhältnisse ist auch seit Jahren in der deutschen Innenpolitik ein Thema. Stichworte wie „Arm trotz Arbeit“ haben längst die Mainstream-Medien erreicht. Einige Zeit lang wird in Talkshows über die Gerechtigkeitslücke geredet werden, bis das Thema wieder aus dem Blickfeld verschwindet. Auch die Ergebnisse der OECD-Studie werden schnell zu den Akten gelegt, wenn nicht gesellschaftliche Bewegungen das Thema aufgreifen.

Das zeigte sich bei der erfolgreichen Emmely-Kampagne, über die jetzt ein Buch erschienen ist. Dort resümiert Kampagnenmitbegründer Gregor Zattler, dass das Schicksal der wegen eines angeblich unterschlagenen Kassenbons gekündigten Kaiser’s-Kassiererin auch deshalb die Republik wochenlang beschäftigte, weil dort gerade über hohe Managerabfindungen gestritten wurde und der Umgang mit Emmely als ungerecht empfunden wurde.

Auch der Anfang der Woche erzielte Durchbruch beim Tarifkonflikt der seit Mitte September streikenden Beschäftigen des nichtmedizinischen Personals der Berliner Charité, ist ein Beispiel dafür, wie die Gerechtigkeitsdebatte von Teilen der gewerkschaftlichen Bewegung aufgegriffen wurde. Nach einer wochenlangen Weigerung des CFM-Managements, über die Forderungen der Beschäftigten und ihrer Gewerkschaften auch nur zu verhandeln, haben diese nun eine beachtliche Lohnerhöhung erkämpft. In den letzten Wochen wurde der Arbeitskampf von den Unterstützern zunehmend als gesellschaftliche Auseinandersetzung gegen Billiglöhne interpretiert.

Offensive Lohnpolitik in Deutschland Beitrag zur Eurorettung?

Die Entstehung einer größeren sozialen Bewegung in Deutschland könnte mehr zur Lösung der Euro-Krise beitragen als all die hektischen Projekte des Duos Merkozy. Denn es ist gerade die von der OECD beschriebene Gesellschaft der Ungleichheit, die jetzt als europäisches Modell empfohlen und vielleicht bald sogar oktroyiert wird. Der Soziologe Oliver Nachtwey hat beschrieben, wie das Dogma der Spardiktate die Demokratie immer mehr aushöhlt. Die Sparkommissare verweisen dabei immer auf Deutschland, wo es gelungen sei, den Arbeitsmarkt so weit zu deregulieren, dass die Wirtschaft in der Lage andere EU-Länder nieder zu konkurrieren.

Daher werden die Stimmen lauter, die den Kampf gegen dieses deutsche Niedriglohnsystem als wichtigen Beitrag zur Minimierung der Eurokrise betrachten. Die OECD-Studie hat dafür Argumente geliefert und könnte die Frage auf die Tagesordnung setzen, ob die Gesellschaft der Ungleichheit nicht eher ein Auslaufmodell als ein EU-Exportprodukt sein sollte.
http://www.heise.de/tp/blogs/8/150982
Peter Nowak